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Auf der Spur als historischer Detektiv

Der Kunsthistoriker André Franik über seine Arbeit

Sie betreiben einen historischen Recherche- Dienst. Sind Sie so etwas wie ein Privatdetektiv für alle Angelegenheiten, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben?
     André Franik: Ja, man könnte sagen, ich arbeite als historischer Detektiv. Wenn jemand wissen möchte, wann Cäsar das letzte mal gehustet hat vor seiner Ermordung, dann versuche ich, das herauszubekommen. Meine Bereiche sind neben Geschichte, Kunst, Archäologie und Sport neuerdings auch noch Kulturtermine. Das heißt, ich bin im kompletten Kulturbereich tätig, dazu gehört auch Familienforschung. Aber ich mache natürlich keine detektivische Arbeit in Form von Personenbeschattung.

Sie haben einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen. Nach dem Abitur Ausbildung in der Berliner Bezirksverwaltung, bis 1990 dort tätig als Beamter. Dann haben Sie Kunstgeschichte studiert, warum?
     André Franik: Meine Neigung war schon immer die Kunstgeschichte und auch, die akademischen Weihen zu erlangen. Das habe ich jahrelang negiert.

Nach der Schulzeit wollte ich unbedingt etwas machen, bei dem ich mich auch ein bisschen verwirklichen kann. Natürlich habe ich einigermaßen gut verdient, ich konnte mir eine Wohnung leisten und ein Auto, aber die Arbeit als Beamter war überhaupt nicht mein Ding. Das Studium, das ich teilweise selbst finanzieren musste, habe ich in der Regelstudienzeit durchbekommen und dann 1996 einen guten Abschluss gemacht. Eigentlich waren es drei Abschlüsse, neben Kunstgeschichte im Hauptfach noch Neuere Geschichte und Bibliothekswissenschaften im Nebenfach.

Seit dem 1. Januar 1999 gibt es die Ein-Mann- Firma »Recherche- Dienst Franik«. War das ein Sprung ins kalte Wasser?
     André Franik: Nach dem Studium hatte ich mit Unterbrechungen drei Jahre lang Zeitverträge in der Brandenburgischen Landesverwaltung, danach war ich arbeitslos. Dem Entschluss, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, ging eine gründliche Marktanalyse voraus; ich war damals der einzige, der das anbot. Aber: Es ist ein hartes Brot. Ein Sprung ins kalte Wasser war es deshalb nicht, weil mich das Existenzgründerbüro beraten hat, eine Einrichtung der Berliner Arbeitsämter. Und das sind ganz hervorragende Leute. Sie beraten nicht nur in der Planungsphase, sie begleiten die Existenzgründer auch noch danach. Ich stehe nach wie vor mit ihnen in Verbindung, wenn es mal zwickt und hakt, bekomme ich immer noch gute Informationen.

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Dieser kostenlose Kundendienst von Fachleuten, den die Arbeitsämter auf diese Weise anbieten, ist für Existenzgründer wirklich zu empfehlen.

Gab es vom Arbeitsamt auch materielle Hilfe?
     André Franik: Ich bin mit einem Existenzgründer- Darlehen gefördert worden, außerdem hat das Arbeitsamt bestimmte Sozialleistungen ein halbes Jahr lang bezahlt.

Wann kam der erste Auftrag?
     André Franik: Relativ schnell. Das war eine Familienforschung. Eine Italienerin wollte einen Vorfahren aus Westpreußen ermitteln, der aus der nichtehelichen Verbindung einer bürgerlichen Frau mit einem Mann aus dem polnischen Hochadel zu Beginn des 19. Jahrhunderts stammt.

Sind Ihre bisherigen Auftraggeber nur Privatpersonen gewesen?
     André Franik: Nein, ich wurde beispielsweise zweimal von der katholischen St.-Joseph- Gemeinde in Wedding mit Publikationen beauftragt. Die erste war anlässlich des 90. Weihjubiläums über die St.-Joseph- Kirche. Daraus ergab sich der Nachfolgeauftrag, mehr über das Leben des Pfarrers Max Joseph Metzger herauszufinden, einen Mann, der nach einem Schauprozess vor Freislers Volksgerichtshof von den Nationalsozialisten zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.

Sein Erbe wird in Meitingen in Baden- Württemberg verwaltet, man muss dort hinfahren, um den Geist zu atmen, der immer noch dort lebt, mit den Frauen, die sich der Sozialarbeit verschrieben haben und das Andenken Metzgers pflegen. Ich bin mit dem Pfarrer der St.-Joseph- Gemeinde dorthin gefahren, habe mir das angesehen, und daraus ist dann der Auftrag über eine Metzger- Biografie entstanden
     Ein weiterer Auftrag bestand darin, für das Ordinariat des Bistums Berlin die Bau- und Nutzungsgeschichte der St.-Johannes- Basilika im Dekanat Kreuzberg am Rande der Hasenheide zu recherchieren. In diesem Jahr wird der Nuntius, der offizielle päpstliche Gesandte aus Rom, von Bonn nach Berlin ziehen. Die Nuntiatur wird neben der St.-Johannes- Basilika gebaut, der früheren Katholischen Garnisonkirche.

Und was war Ihr bisher interessantester Auftrag?
     André Franik: Das war eine sehr umfangreiche Recherche zum Prälaten Schöneberg. Ein Architekt, mit dem ich zusammenarbeite, war an einem denkmalpflegerischen Gutachten für dieses ehemalige Ballhaus beteiligt. Es ging darum, ob der Eigentümer des Prälaten, er ist ja in Privatbesitz, den Bau abreißen darf oder nicht, weil er ja teilweise unter Denkmalschutz steht.
     Der Prälat ist ein sehr traditionsreicher Veranstaltungsort in der Schöneberger Hauptstraße.

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Den gab es schon, wenn man ganz weit zurück geht, zu Zeiten Kaiser Karls IV., da war dort ein Dorfkrug. Spätestens gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Prälat zu einem sehr beliebten Ausflugslokal, zu dem auch ein großer, mit 200 Jahre alten Bäumen bewachsener Biergarten, der Bürgergarten, gehörte. 1914 wurde schon ein Kino eingerichtet, während des Ersten Weltkrieges liefen auch Propagandafilme, seit den 20er Jahren haben politische Veranstaltungen stattgefunden. Das 1937/38 neu gebaute »Wirtshaus zum Prälaten« bot dann rund 2 000 Gästen Platz. Es war immer ein Ort, wo national und international bekannte Künstler auftraten, selbst in der Zeit des Nationalsozialismus. Deshalb haben die Berliner dieses Haus geliebt und geschätzt. Und vielen sind noch die Veranstaltungen im wieder aufgebauten Prälaten in den 50er und 60er Jahren in Erinnerung. Ich habe mit vielen Zeitzeugen gesprochen, die mir das bestätigten. Obwohl bereits seit 1987 dem Verfall preisgegeben, ist es sehr schade, wenn wieder eine Berliner Institution verschwindet, die hätte erhalten werden können. Nach letzten Informationen nämlich ist der Denkmalschutz aufgehoben und die Abrissgenehmigung erteilt worden. Zu Ihrem neuesten Angebot gehören Informationen über Kulturtermine, und zwar nicht nur in Berlin, sondern bundesweit. Sind die Leute so bequem geworden, das nicht mehr selbst zu erkunden?
     André Franik: Das ist wohl in erster Linie eine Frage von Zeit und von Möglichkeiten. Geschäftsleute wissen sehr wohl zu schätzen, wenn sie Termine in Städten erfahren, in die sie ihre Geschäftsreisen führen, egal ob es sich um Kunstausstellungen, Vernissagen, Finissagen oder wichtige Vorträge handelt. Und Pensionäre, die ja über mehr Zeit verfügen, haben nicht immer einen Internetanschluss.

Es ist wohl falsch, anzunehmen, dass der Recherche- Dienst Franik nur für den gehobenen Kunstbedarf arbeitet, oder?
     André Franik: Abgesehen davon, dass ich auch im Bereich Sport tätig bin, geht es auch um ganz banale Recherchen. Unlängst beispielsweise zum Begriff »Gründerzeit« anlässlich einer Geschäftseröffnung. Das war ganz amüsant, denn in der Gründerzeit befinde auch ich mich noch.

Das Gespräch führte Jutta Arnold

André Franik: Tel.:030/695 999 59
email: Franik@web.de

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 1/2001
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