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Dieter Götze
Ausländer in Berlin:

Ali Aziz Efendi

»Einzug des türkischen Gesandten Achmed Efendi in Berlin am 9. November 1763« heißt der etwas umständliche Titel eines Kupferstichs von Johann David Schleuen (gest. 1771), der auf ein interessantes Ereignis in der Berliner Geschichte des 18. Jahrhunderts aufmerksam macht.
     Ist das ein Menschengewimmel auf diesem kleinen grafischen Meisterwerk, in dessen Zentrum die prächtige, von sechs Pferden gezogene Kutsche des Gesandten zu sehen ist. Für die von einem Palisadenzaun gesicherte Stadt, in die sich dieser bunte Zug von Turbanträgern, Bewaffneten und Berittenen bewegt, hat sich nur in der linken oberen Ecke Platz gefunden. Einige wenige Gebäude sind da zu sehen und viel freies Feld - von einer »Metropole Berlin« keine Spur.
     Für Friedrich II. (1712-1786, König ab 1740), den damals regierenden Preußenherrscher und Organisator dieses prächtigen Empfangs, war die Türkei wichtiger Partner im Kampf gegen Österreich und Russland, Preußens Feinde auf dem Wege zur europäischen Großmacht.

Seit 1761 gab es ein Freundschafts- und Handelsabkommen zwischen beiden Ländern, 1763 sollte Ahmed Rasim Efendi mit seinem Gefolge weitere Kontakte knüpfen. Diese Suche nach konstruktiven Beziehungen zur Türkei blieb trotz wechselnder politischer Konstellationen bis ins letzte Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts ein wichtiger Teil der preußischen Außenpolitik. König Friedrich Wilhelm II. erreichte 1790 sogar den Abschluss eines Offensiv- und Defensiv- Bündnisses, und ein zweiter osmanischer Gesandter, Ahmed Azmi Efendi, hielt in Berlin Einzug.
     Im Sommer 1797 folgte ihm Ali Aziz Efendi, ein poetischer Kopf, der allerdings bereits nach eineinhalbJahren an der Spree verstarb. Die Probleme, die dieser Todesfall mit sich brachte, bleiben denkwürdig. Da die Bestattung eines Muslims auf einem christlichen Friedhof nicht möglich war, musste Ausschau nach einem anderen Ort gehalten werden. Auf Befehl des Königs wurde ein Grundstück in der Nähe der Hasenheide erworben, wo dann Ali Aziz Efendi nach mohammedanischem Ritus beerdigt wurde, in einem grünen Sarg mit dem Kopf gen Mekka. Als 1863 eine Verlegung der Grabstätte notwendig wurde, kaufte der spätere Kaiser Wilhelm I. (1797-1888, König ab 1861, Kaiser ab 1871) ein gleich großes Grundstück am heutigen Columbiadamm und schenkte es der türkischen Regierung.
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Der türkische Gesandte Achmet Effendi mit seinem Gefolge in Berlin.
Tuschzeichnung von Daniel Chodowiecki, 3. Mai 1765
An der Umbettung der Toten - inzwischen waren weitere in Berlin verstorbene Türken hier beigesetzt worden - beteiligten sich Tausende Berliner. Die Einweihung erfolgte am 29. Dezember 1866. Seither haben hier, an der Bezirksgrenze zwischen Neukölln und Tempelhof, unzählige Berliner Muslime ihre letzte Ruhestätte gefunden: Kaufleute und Wissenschaftler, ein türkischer Großwesir und ein tunesischer Freiheitskämpfer, Bekannte und Unbekannte. Der Begräbnisplatz am Columbiadamm war lange Zeit der einzige mohammedanische Friedhof Mitteleuropas. 1983/85 wurde hier eine Moschee mit Kuppel und Minarett errichtet. Dass der Friedhof seine Entstehung einem der ersten Türken in Berlin verdankt, sollte bei Deutschen und Türken gleichermaßen in Erinnerung bleiben.

Bildquelle: Repro LBV

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 1/2001
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