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Maria Curter
Jägerstraße 58-60

Nach zweieinhalbjähriger Restaurierung übergab die DEFO (Deutsche Fonds für Immobilienvermögen GmbH) Mitte 1999 feierlich die Schlüssel an die ersten Mieter der Jägerstraße 58-60. Aus denkmalgeschützten Gebäuden ist das »Villaggio - eine gute Geschäftsadresse am Gendarmenmarkt« - geworden. »Die italienische Oase mitten in Berlin - ein mediterranes Refugium mit kleinen Passagen und einem mediterran gestalteten Innenhof; Designer- Geschäfte, eine Espresso- Bar und das Restaurant >Guy< laden zum Shoppen und Genießen ein«, hieß es in der Presseerklärung der Investoren. Hauptsächlich aber sind 2 300 m2² Büroflächen entstanden, die bei der Schlüsselübergabe zum Teil schon vermietet waren.
     Man sieht dem erneuerten Gebäudekomplex nicht an, dass seine Ursprünge fast 200 Jahre zurückliegen.
     Die alte Jägerstraße entstand um 1709 in der 1698 gegründeten Friedrichstadt, in der sich zahlreiche Refugiés ansiedelten. Sie führte von der Mauerstraße quer über den Gendarmenmarkt bis zur Kurstraße.

Am 1. Januar 1710 trat die Königliche Anordnung vom 17. Januar 1709 in Kraft, nach der die Residenzstädte Berlin, Cölln, Friedrichswerder, Dorotheenstadt und Friedrichstadt zusammengelegt wurden.
     Im Jahre 1721 gab es in der nun ehemaligen Friedrichstadt erst 650 Häuser und 46 Baustellen. Friedrich Wilhelm I. verfolgte zielstrebig den weiteren Ausbau der Stadt.


Die Fassade des restaurierten Gebäudekomplexes Jägerstraße 58-60 im Jahre 1999

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Plan des 8. Polizei- Reviers (rund um den Gendarmenmarkt) um 1812 (Ausschnitt)
Bisher nicht bebaute Grundstücke mussten bebaut werden, und die Besitzer erhielten durch Patent vom 24. Juli 1725 königliche Unterstützung. Bis etwa 1737 stieg die Zahl der Häuser auf 1682. Das heutige Grundstück Jägerstraße 59/60 ist im ersten Adressbuch von 1799 noch als Nummer 23 und 24 ausgewiesen. (Um 1800 wurden die Häuser neu nummeriert.) Darin ist eingetragen:
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Jägerstraße 23 - Haus mit 2 Etagen, Eigentümer Kraft - Klempner (nach 1800 Jägerstraße 59); Jägerstraße 24 - Haus mit 3 Etagen, Eigentümer Neuendorf - Schullehrer - (nach 1800 Jägerstraße 60).
     Ab 1812 ist ein Drechsler Freere als Hauseigentümer der Nr. 59 genannt. Der blieb es auch bis 1848, wird aber ab 1843 als Rentier geführt. Im Jahre 1887 ist der Kaufmann Rogalli Besitzer dieses Hauses. Als Bewohner erscheinen Lohndiener, Schneider, Bierhändler, Näherin sowie Zimmervermieter.
     In der Jägerstraße 60 wohnten eine Putzmacherin und ein Schneider, Hauseigentümer war der Schulhalter Neuendorf.
     Ab 1837 ist eine Mademoiselle Löffler, von Beruf Rentiere, Besitzerin der Nr. 60. Ab 1843 gehört dieses Haus dem Tischler Schulz und ab 1887 dem Schumacher Schmidt. Bis zum Jahre 1890 wohnten Gewerbetreibende, Künstler, Lehrer, Buchhalter, Buchbinder, Schankwirte, Witwen, Schuhfabrikanten, Kaufleute, Tischler, Glaser in den Häusern. Ab 1890 ist der Bankier Raehmel aus der Markgrafenstraße 45 Eigentümer der Jägerstraße 59.
     Im Jahre 1891 wurden die beiden Gebäude abgerissen und noch im selben Jahr ein Neubau nach Entwürfen des Architekten Friedrich Wagner mit der Doppelnummer 59/60 errichtet. Als Bauherr fungierte der Bankier Raehmel, der auch eine Weinhandlung in der Markgrafenstraße 45 betrieb.
1893 wohnten oder arbeiteten in dem Doppelhaus der Hauseigentümer Raehmel, Lotterie- Einnehmer, der Verwalter Stratmeier, Pförtner, sowie ein Commercien- Rath Lissauer, der Bankier und Rentier Marckwald, das Bankgeschäft Raehmel & Boellert und die Gewehrfabrik Sauer & Sohn. Bis 1938 ist das Gebäude im Besitz der Raehmelschen Erben.


Jägerstraße 60, 59, 58, und 57 um 1865
(von links nach rechts)

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Bewohner bzw. Mieter sind:
Aldenhoff, H., Helfer in Steuersachen
Bankgeschäft Hurtzig & Co.
Deutsche Sparer- Schutzkasse Berlin e.G.m.b.H.
Grafemann, F., Hauswart
v. Guilleaume, P., Versich.
Hampe, Rechtsanw. u. Notar
Kempner, F., Dr. Rechtsanw.
Loeber, L., Steuerberat.
Loewenherz, J., Bankgesch.
Raehmel, L., Dr. Staatl. Lotterieein.
Raehmel, W. Dr. jur. Senatspräsident
Reher, G.m.b.H., Fachbuchhdlg.
Schmidt, W., Dr. Rechtsanw. u. Notar
Schneider, W., Rechtsanwalt
Tänzler, F. J., Rechtsanwalt

Ab 1939 ist die Deutsche Landesbankenzentrale A.G. (Mauerstr. 53) Hauseigentümer.


Weinhandlung Raehmel, Markgrafenstraße 45 Ecke Gendarmenmarkt, um 1890
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Von den ehemals 15 Mietern sind nur noch die folgenden drei im Adressbuch eingetragen:
     »Hampe, R., Rechtsanw. u. Notar; Kempner, F., Dr. Rechtsanw.; Schmidt II, W. Dr. Rechtsanw. u. Notar«.
     Vermutlich ist das auf die »Arisierung« zurückzuführen. Wie und unter welchen Umständen dieser Eigentümerwechsel stattfand und was aus den bisherigen Mietern wurde, müssen weitere Recherchen klären.
     Von August 1938 bis Juni 1940 erfolgte durch die Deutsche Landesbankenzentrale ein Umbau. Dr. jur. Leopold Raehmel, Bankier, wohnte jedenfalls 1940 in W 30 Berlin, Viktoria-Luise- Platz 6, und Dr. Wilhelm Raemel, Senatspräsident a. D., in Schöneberg, Am Park 15.
     Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Jägerstraße 59/60 Sitz der CDU (Ost). Im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Platzes der Akademie (Gendarmenmarkt) entstand daneben, Ecke Charlottenstraße, zu Beginn der 80er Jahre ein Neubau als nunmehr repräsentative Parteizentrale der DDR- CDU. Zwischen 1985 und 1989 erfolgte darum ein erneuter Umbau des Gebäudekomplexes Jägerstraße, der ihn an den Trakt in der Charlottenstraße anpasste und mit ihm verband. Danach wechselten ein weiteres Mal die Besitzer.
Quellen:
1 Laurenz Demps, Der schönste Platz Berlins. Der Gendarmenmarkt in Geschichte und Gegenwart, Henschel Verlag Berlin, 1993
2 Peter Goralczyk, Der Platz der Akademie in Berlin, Verlag für Bauwesen Berlin, 1987
3 Horst Fritzsche, Wegweiser zu Berlins Straßennamen, Mitte, Edition Luisenstadt, 1995
4 Adressbücher von Berlin (1799, 1801, 1822, 1837, 1843, 1848, 1887, 1888, 1890, 1891, 1893, 1938, 1939)
5 Allgemeiner Strassen- und Wohnungsanzeiger für die Residenzstadt Berlin 1812, herausgegeben von S. Sachs
6 Laurenz Demps, Der Gensd'armen- Markt. Gesicht und Geschichte eines Berliner Platzes, Lizenzausgabe 1988 der Haude & Spenerschen Verlagsbuchhandlung, Henschelverlag 1987
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 1/2001
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