176   Geschichte und Geschichten Wetter 1945-1948  Nächstes Blatt
Paul Schlaak
Wetter und Witterung in Berlin von 1945 - 1948

Der Zusammenbruch Deutschlands im Mai 1945 war total. Selbst die meteorologischen Messreihen, die auf Vorschlag Alexander von Humboldts mit der Bildung des Königlichen Meteorologischen Instituts in Preußen 1847 amtlich eingeführt worden waren, schienen abrupt beendet zu sein.

Glücklicherweise gab es bei Kriegsende in Potsdam, wo das Meteorologische Observatorium seit 1893 seine Messungen vornahm, nur eine kurze Unterbrechung. In seiner »Geschichte des Meteorologischen Observatoriums Potsdam« schreibt Hans Günther Körber:
     »Die letzten regelmäßigen Beobachtungen an der Säkularstation, die dem Direktor des Observatoriums direkt unterstand, erfolgten am 20. 4. 1945 zum 7-Uhr- Termin. Die nächsten vollständigen meteorologischen Beobachtungen wurden erst am 24. 4. 1945 zwischen 15 und 16 Uhr durchgeführt und von dem Mechaniker Hiltrop mit »Hi« und von Prof. Dr. Süring mit »Sü« abgezeichnet...
Jahreswerte
TemperaturabweichungSonnenscheinstundenNiederschlagshöhe (mm)
JahrBerlin-DahlemMitteleuropaPotsdamDahlem
abcd
1945+ 0,7 K+ 1,1 K1469,7 Std.638,7 mm
1946+ 0,4 K+ 0,4 K1804,2 Std.590,6 mm
1947+ 0,0 K+ 0,6 K2111,6 Std.626,9 mm
1948+ 1,1 K+ 0,9 K1955,3 Std.694,9 mm
1949+ 1,1 K+ 1,1 K2030,4 Std.594,3 mm
Mittel+ 0,7 K+ 0,8 K1874,2 Std.629,1 mm
a Abweichungen der Jahresmitteltemp. nach der Reihe Berlin-Dahlem (1909-1969) und
b der 210- jährigen Reihe »Mitteleuropa« (1761-1970) aus den Stationen Potsdam, Basel, Wien, De Bilt nach Prof. Baur
c Sonnenscheinstunden Potsdam (Mittel 1893-1952 = 1709 Std.)
d Niederschlagshöhe Berlin-Dahlem (Mittel 1909-1969 = 596,3 mm)
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Winterdaten
TemperaturabweichungKältesummeFrosttageEistage
 DahlemMitteleuropaDahlemDahlemPotsdamDahlemPotsdam
abcde
1945/46+ 0,7 K+ 1,0 K12785762025
1946/47– 5,4 K– 3,9 K5651101146566
1947/48+ 1,4 K+ 2,2 K9073811416
1948/49+ 1,6 K+ 1,4 K7691861113
1949/50+ 1,5 K+ 1,8 K12867701919
Mittel– 0,0 K+ 0,5 K19785852628
a und b: Abweichungen der Winter- Mitteltemperatur (Dezember, Januar, März) vom vieljährigen Durchschnitt
c: Kältesumme = Summe der negativen Tagesmitteltemperatur
d: Tage mit einem Temperatur- Minimum unter 0º C
e: Tage mit einem Temperatur- Maximum unter 0º C. Frosttage jeweils November bis April, Eistage von November bis März
Der volle Beobachtungsdienst an der Säkularstation mit den Terminen 7 Uhr, 14 Uhr, und 21 Uhr wurde ab 30. 4. 1945 wieder aufgenommen. Für den Mai waren schon wieder fünf Mitarbeiter (Herr Hiltrop, Frau Hassenstein, Herr Bünner, Frl. Meuß, später langjährige Mitarbeiterin der Bibliothek, und Frl. Schulz) als Beobachter tätig ...
     Die ersten Kontakte mit sowjetischen Truppen gab es im Observatoriumsgelände vermutlich am 23. 4. 1945.
Spätestens am 25. 4. 1945 besetzte eine kleinere Einheit der Sowjettruppen das Observatoriumsgelände und war im Pförtner- und Maschinenhaus untergebracht ... Es spricht für die große Bedeutung des Meteorologischen Observatoriums Potsdam, dass unmittelbar nach der bedingungslosen Kapitulation am 8. 5. 1945 am 10. 5. der Chef des Hydrometeorologischen Dienstes der Sowjetarmee, Generalleutnant J. K. Fjodorov, das Observatorium besuchte.
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Er sprach zu den versammelten Wissenschaftlern und Technikern und verwies auf die künftigen Aufgaben.«1)
     Im Oktober 1945 verfügte der Alliierte Kontrollrat, in allen Besatzungszonen Deutschlands die meteorologischen und hydrologischen Messungen und Beobachtungen wieder aufzunehmen. Die Sowjetische Militäradministration erließ daraufhin am 12. November 1945 den entsprechenden Befehl Nr. 088. Schon am 18. November 1945 veröffentlichte der im US- Sektor erscheinende »Tagesspiegel« erstmals einen Wetterbericht, der offensichtlich von der Wetterdienststelle Potsdam erstellt worden war. In der Ausgabe vom 29. November 1945 wurde bereits ausführlich über Tageshöchsttemperatur, Regenhöhe und Luftdruckwerte des Vortages berichtet, allerdings ohne Ortsangabe.
Schneehöhen zur Weihnachtszeit
1945 bis 1949
Dez.23.24.25.26.27.
1945
19460
1947
1948
19492
Schneehöhen vom 23. bis 27. Dezember der fünf Jahre in Berlin- Dahlem (• = kein Schnee)
Berliner Wettermessungen 1945

»Am 28./29. April 1945 erreichten sowjetische Truppen den Flughafen Berlin- Tempelhof. Für ganz Berlin begann für die Dauer von 9 Wochen eine kurze Zeit unter sowjetischer Militärverwaltung. Nach der Aufteilung in vier Sektoren zogen am 4. Juli 1945 die sowjetischen Truppen aus Tempelhof ab, und die amerikanischen Truppen besetzten den Flughafen. Ihr meteorologischer Dienst nahm zunächst die am Rollfeld untergebrachte Flugwetterwarte wieder in Betrieb und baute eine aerologische Aufstiegsstation auf.«2)
     Die für Klima- Betrachtungen im Berliner Raum in diesem Jahrhundert immer wieder herangezogenen meteorologischen Daten bzw. Messreihen der seit 1908 in Berlin- Dahlem existierenden Klima- Station des ehemals Preußischen Meteorologischen Instituts und seit 1934 des Reichswetterdienstes erfuhren durch die Kriegsereignisse im Frühjahr 1945 eine deutliche Unterbrechung. Die letzten ordentlichen Messungen stammten vom 24. April 1945. Der Betreuer der Station, Otto Peise, konnte offensichtlich erst wieder am 6. Juli 1945, also nach 72 Tagen, seine Messungen und Wetterbeobachtungen aufnehmen.3)
     Allerdings hat K. H. Riemer in seiner Beilage zur Berliner Wetterkarte des Instituts für Meteorologie der Freien Universität Berlin Nr. 113/73 SO 29/73 vom 27. September 1973 vermerkt, dass die Niederschlagsmessungen dort nur eine Unterbrechung vom 27. April bis 5. Mai 1945 erfuhren.

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Diese Messungen und Beobachtungen fanden seit dem 1. April 1908 auf dem Gelände der damaligen Lehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau in der Königin- Luise- Str. 22 statt. Vom 1. Januar 1950 bis 3. Oktober 1951 wurden in Dahlem auch am Kiebitzweg und ab 4. Oktober 1951 am Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin in der Podbielskiallee 62 in Dahlem Messungen und Beobachtungen durchgeführt. Die Leitung des Universitätsinstituts hatte Prof. Dr. Richard Scherhag bis zu seinem Tode im Jahre 1970.
     Ähnlich warme bzw. heiße Sommer wie 1947 mit einer Temperaturabweichung von 2,0 K und mehr hat es nach der 210- jährigen Reihe »Mitteleuropa« folgende gegeben:
1781+ 2,0 K
1826+ 2,2 K
1834+ 2,2 K
1859+ 2,0 K
1947+ 2,1 K
1983+ 2,1 K
1992+ 2,3 K
1994+ 2,2 K
In den vergangenen 200 Jahren hat es zwischen 1800 und 1900 drei extreme Hitzesommer gegeben, zwischen 1900 und 2000 dann vier, zwei davon im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts.
Besondere Wetter- Ereignisse

Im Zeitraum 1945-1948 traten eindrucksvolle und erinnerungswürdige Wetterabläufe ein.
     Im Dezember 1946 erfasste eine erste Kältewelle Berlin, die sich Mitte des Monats und im Januar und Februar 1946 steigerte. Allein der Februar 1947 fiel gegenüber dem vieljährigen Mittel von + 0,1º C um - 8,2 K zu kalt aus. Damit steht dieser Wintermonat im 20. Jahrhundert hinsichtlich seiner Strenge an dritter Stelle nach dem Februar 1929 mit einer Abweichung von -10,6 K und dem Februar 1956 mit einer Abweichung vom Mittel von - 8,7 K.
     Besonders erwähnenswert ist der Sommer des Jahres 1947, der als Hitzesommer einzustufen ist. Im ganzen Jahr 1947 wurde in Potsdam eine Sonnenscheindauer von 2111 Stunden registriert. Es ist die höchste Stundenzahl in der 100- jährigen Reihe 1893-1992. Im 60- jährigen Mittel gibt es in Potsdam 1709 Stunden Sonnenschein. Im September 1947 hatte es noch 15 Sommertage (Tage mit 25,0º C und mehr) in Potsdam, in Berlin- Dahlem 13 solcher Tage gegeben. Und im Jahre 1948 gab es am 12./13. August die höchste bisher in Berlin- Dahlem im 20. Jahrhundert festgestellte 24- stündige Niederschlagsmenge. Es fielen an der Klima- Station binnen 24 Stunden 124,7 mm, d. h. 124,7 Liter je Quadratmeter.

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Sommerdaten
Abweichungen der Sommer-SommertageHeiße Tage
Mitteltemperatur vom Durchschnitt(T > 25º C)(T > 30º C)
 BerlinMitteleuropaBerlinPotsdamBerlinPotsdam
abcdef
1945+ 0,6 K+ 0,9 K(31)34(7)8
1946+ 0,7 K+ 0,2 K343776
1947+ 2,1 K+ 2,1 K67761927
1948+ 0,3 K– 0,5 K42471113
1949– 0,2 K– 0,0 K4649811
Mittel+ 0,7 K+ 0,5 K44491013
Abweichungen der Sommer- Mitteltemperatur (Juni, Juli, August) für die Jahre 1945 bis 1949 von der Reihe Berlin- Dahlem 1909-1969 (Spalte a) und der 210- jährigen Reihe »Mitteleuropa« 1761-1970 (Potsdam, Basel, Wien, De Bilt) (Spalte b) sowie die Zahl der Sommertage (Temperatur- Maximum 25,0ºC und mehr) (Spalte c und d) und Heißen Tage (Temperatur- Maximum 30,0ºC und mehr) (Spalte e und f) für Dahlem und Potsdam, jeweils für das ganze Jahr, d. h. im allgemeinen für die Monate März bis Oktober der einzelnen Jahre.
Allerdings hatte der Regenvorgang als ganzer Prozess länger als 24 Stunden gedauert, nämlich rund 30 Stunden, sodass sich eine Gesamtniederschlagsmenge von 149,7 mm ergab.
     Ein Vergleich sei angeführt: Am 14. April 1902 war es in Berlin zu einem gewaltigen Wolkenbruch gekommen, bei dem innerhalb von 11 Stunden zwischen 3 Uhr morgens und 14 Uhr nachmittags an der Pumpstation IV der Entwässerungswerke in der Scharnhorststraße 166,7 mm fielen!
Am 13. August 1948 erfasste ein Schlechtwettergebiet Berlin. Innerhalb kurzer Zeit sank die Wolkendecke auf Haushöhe herab und starker Regen setzte ein. Dadurch war der Flugbetrieb der Luftbrücke auf dem Flughafen Tempelhof extrem behindert. Zwei US- Maschinen verunglückten beim Landeanflug, alle anderen mussten nach Westdeutschland zurückfliegen. Andererseits war der Winter 1948/49 recht mild, sodass die Luftbrücke - von einigen Nebeltagen abgesehen - pausenlos funktionierte.
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Feiertagswetter
für Ostern: jeweils Karfreitag, Ostersonnabend, Ostersonntag, Ostermontag
Berlin-Dahlem
Temperatur-Regenhöhe (mm)
JahrDatumMaximumMinimum7 Uhr-7 Uhr Folgetag
ºC
194530.3.12,06,02,7 mm
31.3.12,05,40,6 mm
01.4.14,56,6
02.4.16,28,63,0 mm
194619.4.13,68,5
20.4.15,39,0
21.4.19,313,70,7 mm
22.4.14,79,10,7 mm
194704.4.13,38,71,0 mm
05.4.9,95,41,6 mm
06.4.10,57,28,5 mm
07.413,310,00,0 mm
194826.3.10,65,3
27.3.10,24,7
28.3.13,66,2
29.3.16,59,8
194915.4.17,310,9
16.4.18,012,9
17.4.22,714,8
18.4.26,717,9
Anmerkungen
1 Hans-Günther Körber: Geschichte des Meteorologischen Observatoriums Potsdam, Selbstverlag des Deutschen Wetterdienstes 1993
2 (3) Ralf Kraak: Meteorologie in der Philatelie, in: Bärenpost, Dezember 1999
3 Vgl. Abhandlungen des Meteorologischen Dienstes der DDR Nr. 103 (Band XIII) und Nr. 118 (Band XV), 1971 bzw. 1976
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 12/2000
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