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Gerhard Keiderling
Die Periode 1945-1949 im Berlin- Schrifttum

Schriften über die Nachkriegszeit in Berlin gibt es dank rühriger Forschung in Überfülle. Das Interesse am aufregenden Geschehen in und um die alte Reichshauptstadt ließ zu keiner Zeit nach. Kriegsende, Wiederaufbau, Kalter Krieg, Blockade und Luftbrücke, Spaltung der Stadt - das waren und sind die Leitthemen nicht nur für Historiker, sondern auch für Experten anderer Disziplinen.
     Berlin- Geschichte nach 1945 als Gegenstand von Forschung und Literatur weist zwei Sonderheiten auf: Zum einen reicht sie über das normale Maß von Stadtgeschichte hinaus und steht in engem Kontext zur nationalen und internationalen Geschichte, zum anderen führte die lange Teilung, die die Stadt zu einem Brennpunkt des Kalten Krieges machte, zu unterschiedlichen Sichten in Ost und West. Seit Berlin wieder die Hauptstadt des geeinten Deutschland ist, registriert man ein starkes Anschwellen der Berlingeschichtlichen Forschung und Publikation, nicht zuletzt wegen des freien Zugangs zu ehemaligen DDR- Archiven.
     Im Rahmen dieses Beitrages kann nur ein Überblick über die Quellenlage und die wichtigste Literatur (ohne Zeitschriftenartikel) zu Grundfragen und zu Teilgebieten geboten werden.

Quellen

Für die hier zu betrachtende Periode liegen die Quellen, ungedruckt wie gedruckt, in breitem Umfang vor.

Das Landesarchiv Berlin, das seit 1991 auch über die Bestände des Ost- Berliner Stadtarchivs verfügt, erfasst Akten und Registraturen der Stadtverwaltung (Stadtverordnetenversammlung, Magistrat und Bezirksämter) sowie nachgeordneter Einrichtungen. Aus früheren DDR- Archiven kamen Bestände der Volkspolizei, volkseigner Betriebe u. a. hinzu. Das Archivgut der Berliner Parteien und Organisationen ist dezentralisiert. Das Zentrale Parteiarchiv der SED befindet sich heute in der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO- BArch) in Berlin- Lichterfelde; hier liegen auch die Unterlagen des FDGB, der FDJ und anderer Ost- Berliner Organisationen ein. Die Bestände der KPD/SED- Bezirksparteiorganisation kamen vor einigen Jahren in das Landesarchiv Berlin. Das Archiv der Berliner SPD liegt teils im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert- Stiftung in Bonn- Bad Godesberg, teils im Franz-Neumann- Archiv in Berlin- Wedding. Ebenso befinden sich die Unterlagen der Berliner CDU und LDP/FDP (Ost wie West) im Archiv für Christlich- demokratische Politik der Konrad-Adenauer- Stiftung in Sankt Augustin bei Bonn bzw. im Archiv des Deutschen Liberalismus in der Friedrich-Naumann- Stiftung in Gummersbach.
     Die Alliierte Kommandantur der Stadt Berlin, die von Juli 1945 bis Juni 1948 unter besatzungsrechtlichen Bedingungen die Leitung und Kontrolle der Stadtverwaltung ausübte, hat kein eigenes Archiv hinterlassen. Während die Akten der amerikanischen - seit Ende der siebziger Jahre verfügt das Landesarchiv über kopierte Unterlagen der US- Militärregierung in Berlin (OMGBS) -, der britischen und der französischen Militärregierung in Washington, London und Colmar einsehbar sind, ist der Zugang zu den früheren sowjetischen Archiven nach wie vor nicht zufriedenstellend.
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Für den Alliierten Kontrollrat gibt es neuerdings eine Darstellung von Gunther Mai: »Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland 1945-1948« (1995). Vergleichbares fehlt für die Alliierte Kommandantur. Die wichtigsten Dokumente zum so genannten Viermächtestatus Berlins enthält die amtliche Publikation »Dokumente zur Berlin- Frage 1944-1966« (1967).
     Für die Behandlung der Berlin- Frage auf den internationalen Konferenzen der Nachkriegszeit und vor allem für die Berliner Krise 1948/49 sind Aktenpublikationen von hohem Wert. Besonders zu nennen ist die Serie des US- Department of State »Foreign Relations of the United States. Diplomatic Papers«, vor allem die Bände »European Advisory Commission: Austria, Germany« (1968) für die Genesis der Viermächteverwaltung, »The Conference of Berlin [The Potsdam Conference]« (1960) und »Council of Foreign Ministers. Germany and Austria« für 1947-1949 (1972 ff.).
     Für die Berliner Krise 1948/49 kommen des weiteren spezielle zeitgenössische Dokumentationen in Betracht: »The Berlin Crisis. A Report on the Moscow Discussions« (1948), »Berlin. Das britische Weißbuch zur Krise« (1948), »Die Sowjetunion und die Berliner Frage« (1948) und »Die städtischen Körperschaften in der Berliner Krise, Hg. Magistrat von Groß-Berlin« (1949). Von hohem Wert für die Zeit der Blockade und Luftbrücke sind auch »The Papers of General Clay, Germany 1945-1949« (1974) und »Ernst Reuter: Artikel, Briefe, Reden, Bd. 3: 1946 bis 1949« (1974).
     Es ist ein Verdienst des Landesarchivs Berlin, den Wiederbeginn des politischen und kommunalen Lebens nach dem Kriege in mehreren umfänglichen Publikationen dokumentiert zu haben. In der seit 1957 herausgegebenen Chronik- Reihe erschienen »Berlin. Kampf um Freiheit und Selbstverwaltung 1945-1946« (1961), »Berlin. Behauptung von Freiheit und Selbstverwaltung 1946-1948« (1959) und »Berlin. Ringen um Einheit und Wiederaufbau 1948-1951« (1962). Hans Herzfeld hat jedem Band eine ausführliche Betrachtung des Berliner Geschehens und des weltpolitischen Hintergrundes vorangestellt.
Ebenfalls in der Schriftenreihe des Landesarchivs erschien die zweibändige Edition »Berlin. Quellen und Dokumente 1945-1951« (1964). Sie enthält auf über 2000 Seiten wichtige Dokumente und Materialien zum Kriegsende, zur Viermächte- Verwaltung, zum Wiederaufbau der Stadtverwaltung, zu den politischen Parteien und Organisationen, zu Währungsreform und Blockade sowie zur Spaltung der Stadt. Das jüngste Quellenwerk des Landesarchivs sind »Die Sitzungsprotokolle des Magistrats der Stadt Berlin 1945/46« (1995, 1999).
     Dokumentensammlungen, meist ausgewählter Art, gibt es auch zu speziellen Themen. Oft enthalten Kataloge oder Begleitbücher zu Ausstellungen - besonders anlässlich der 750-Jahr- Feier 1987 - einen Dokumentations- und Chronikteil. Die wichtigsten dieser Publikationen finden bei der Betrachtung der Sekundärliteratur Erwähnung.

Erinnerungen

Eine besondere und vielfach geschätzte Quellengattung sind die Lebensbeschreibungen und Memoiren. Sie vermehren sich ständig, und es fällt schon schwer, den Überblick zu behalten.
     Aufschlussreich für die Kämpfe um und in Berlin sind die Kriegsmemoiren sowjetischer Heerführer: G. K. Shukow: »Erinnerungen und Gedanken« (2 Bde., 1976), W. I. Tschuikow: »Gardisten auf dem Weg nach Berlin«(1976), I. S. Konew: »Das Jahr fünfundvierzig« (1969) und F. J. Bokow »Frühjahr des Sieges und der Befreiung« (1979). Über die sowjetische Besatzungspolitik berichteten der einflussreiche Leiter der SMAD- Informationsverwaltung S. I. Tjulpanow: »Deutschland nach dem Kriege« (1986) und die Kulturoffiziere A. Dymschitz: »Ein unvergeßlicher Frühling« (1970), G. Weiss: »Am Morgen nach dem Kriege« (1981) und P. I. Nikitin: »Zwischen Dogma und gesundem Menschenverstand. Wie ich die Universitäten der deutschen Besatzungszone >sowjetisierte<« (1997). Im Gegensatz zu dieser kommunistisch geprägten Literatur steht der Zeitzeugen- Bericht des SMAD- Offiziers G. Klimow: »Berliner Kreml« (1952), der Ende der vierziger Jahre die Fronten wechselte.

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Die schwere Nachkriegszeit fand ihren Niederschlag auch in den persönlichen Erinnerungen vieler Berliner. Erwähnt seien nur die Tagebuchaufzeichnungen von Margret Boveri: »Tage des Überlebens« (1970), von Ruth Andreas-Friedrich: »Schauplatz Berlin« (1984) sowie von Karla Höcker: »Beschreibungen eines Jahres. Berliner Notizen 1945« (1984). In Ost-Berlin erschienen unter dem Motto »Aktivisten der ersten Stunde« zahlreiche Sammelbände von Erlebnisberichten. Von den Erinnerungen seien besonders genannt Alfred Lemmnitz: »Beginn und Bilanz« (1985), Wilhelm Thiele: »Geschichten zur Geschichte« (1981) und Ernst Kehler: »Einblicke und Einsichten« (1989).
     Von großem Wert für die ersten Jahre der Entwicklung in Ost-Berlin und der SBZ ist Wolfgang Leonhards autobiographisches Buch »Die Revolution entläßt ihre Kinder«, das seit seinem Erscheinen im Jahre 1955 mehrfach neuaufgelegt wurde. Als jüngstes Mitglied der legendären »Gruppe Ulbricht« im Mai 1945 nach Berlin gekommen, erlebte er bis zu seiner Flucht in den Westen 1949 die »antifaschistisch- demokratischen« Anfänge aus nächster Nähe. Auch seine Rückbetrachtung »Spurensuche, Vierzig Jahre nach Die Revolution entläßt ihre Kinder« (1992) hat Quellenwert.
     Die Viersektorenstadt, die ausbrechende Berliner Krise von 1948/49 und die fortschreitende Spaltung der Stadt finden in den Memoiren des US- Militärgouverneurs Lucius D. Clay: »Entscheidung in Deutschland« (1950) und des US- Stadtkommandanten Frank C. Howley: »Berlin Command« (1947) eine ausführliche Behandlung. Lesenswert ist das Buch des Luftbrücke- Piloten Jack O. Bennett: »40 000 Stunden am Himmel« (1982).
Auch deutsche Akteure haben ihre Erinnerungen an diese Zeit vorgelegt, wie Willy Brandt: »Mein Weg nach Berlin« (1960), Ernst Lemmer: »Manches war doch anders« (1968), Propst Heinrich Grüber: »Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten« (1968) und Ferdinand Friedensburg: »Es ging um Deutschlands Einheit« (1971). Dokumentarischen Wert hat das politische Lebensbild von Ernst Reuter, das Willy Brandt und Richard Löwenthal - zwei seiner Mitstreiter nach 1945 - unter Verwendung von Quellenmaterial verfassten: »Ernst Reuter. Eine politische Biographie« (1957).
     Jüngst erschien ein bemerkenswertes Buch von Tamara Domentat und Christina Heimlich: »Heimlich im Kalten Krieg« (2000). Es ist die spannungsreiche Lebens- und Liebesgeschichte des US- Geheimdienstoffiziers und ersten RIAS- Direktors William F. Heimlich und der deutschen Kabarettistin Christina Ohlsen, die interessante Einblicke in die Anfänge des Kalten Krieges in Berlin gibt. Auf weitere Erinnerungen und Memoiren wird auch im Folgenden verwiesen.

Darstellungen

Einen Überblick über den Zeitraum gibt es nicht nur in den zahlreichen Darstellungen zur deutschen Geschichte nach 1945, sondern auch in Gesamtdarstellungen zur Geschichte Berlins. In dem Band »Berlin in der Weltpolitik 1945-1970« (1973) fasste Hans Herzfeld seine früheren Aufsätze zur Nachkriegszeit zusammen.
     Hervorzuheben ist der literarische Ertrag zur 750-Jahr- Feier. Da das Stadtjubiläum in beiden Teilen getrennt begangen wurde, gab es auch unterschiedliche Sichten.

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In West-Berlin erschienen eine an der Freien Universität erarbeitete »Geschichte Berlins« (1987), deren zweiter Band bis in die Gegenwart reicht, sowie im Rahmen der Veröffentlichung »Berliner Geschichte 1919-1985« der von Georg Kotowski und Hans J. Reichhardt verfasste Band »Berlin als Hauptstadt im Nachkriegsdeutschland und das Land Berlin 1945-1985« (1987). Die Entwicklung Ost-Berlins als Hauptstadt der DDR behandelte Gerhard Keiderling: »Berlin 1945-1986« (1987).
     Das Geschehen im April/ Mai 1945, fälschlicherweise oft als »Stunde Null« bezeichnet, ist wiederholt beschrieben worden. Zu den klassischen Werken zählen Jürgen Thorwald: »Das Ende an der Elbe« (1950, 1974) und Cornelius Ryan »Der letzte Kampf« (1966, 1975), dessen Weltbestseller »Der längste Tag« über die Invasion in der Normandie auch verfilmt wurde. Unter den jüngeren Arbeiten über das Kriegsende verdient Tony Le-Tissier: »Der Kampf um Berlin 1945« (1991) Beachtung. Zahlreich sind Dokumentationen wie »Der Kampf um Berlin 1945 in Augenzeugenberichten« (1975), Klaus Scheel: »Die Befreiung Berlins 1945« (1975, 1985), Reinhard Rürup (Hg.): »Berlin 1945« (1995), Peter Jahn (Hg.): »Bersarin, Nikolaj. Generaloberst - Stadtkommandant« (1999) und Hans J. Reichhardt (Hg.): »... raus aus den Trümmern. Vom Beginn des Wiederaufbaus 1945 in Berlin« (1988).
     Eine Monographie über die Berliner Stadtverwaltung zwischen Neuanfang und Spaltung ist noch immer ein Desiderat, wiewohl es zu Teilbereichen bereits wichtige Aufsätze und Studien gibt. Als Einleitung zu dem erwähnten Quellenband »Die Sitzungsprotokolle des Magistrats der Stadt Berlin 1945/46« hat Dieter Hanauske hierzu eine solide Arbeit vorgelegt. Forschungslücken bestehen vor allem zum Magistrat 1946-1948.
Das Buch von Arthur Schlegelmilch: »Hauptstadt im Zonendeutschland« (1993) markiert nur Grundlinien. Porträts der Berliner Oberbürgermeister Arthur Werner (1945/46), Otto Ostrowski (1946/47) und Ernst Reuter (1947/1948) finden sich in dem Band »Stadtoberhäupter. Biographien Berliner Bürgermeister im 19. und 20. Jahrhundert« (1992).
     Intensiv hat sich die Forschung mit der Wiedergründung politischer Parteien und Gewerkschaften im Frühsommer 1945 und vor allem mit der Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED beschäftigt. Grundlegend für die Ausgangssituation ist die Dokumentation von Gerhard Keiderling: » >Gruppe Ulbricht< in Berlin April bis Juni 1945« (1993). Vom gleichen Autor stammt auch die Geschichte der KPD- Bezirksorganisation Groß-Berlin von April 1945 bis April 1946, die unter dem Titel »Wir sind die Staatspartei« (1997) erschien. Für die Geschichte der Berliner SPD sind wichtig Dietmar Staffelt: »Der Wiederaufbau der Berliner Sozialdemokratie 1945/46 und die Einheitsfrage« (1986) und Siegfried Heimann: »Die Falken in Berlin« (1990); von letzterem stammen auch diverse Untersuchungen zu den acht SPD- Kreisverbänden in Ost-Berlin, die nach 1946 besonderen Repressalien ausgesetzt waren.
     Zur Zwangsvereinigung können hier nur einige wichtige Titel aufgezählt werden: Klaus-Peter Schulz: »Berlin zwischen Freiheit und Diktatur« (1962), Siegfried Thomas: »Entscheidung in Berlin« (1964), Erich W. Gniffke: »Jahre mit Ulbricht« (1966), Karl. J. Germer: »Von Grotewohl bis Brandt. Ein dokumentarischer Bericht über die SPD in den ersten Nachkriegsjahren« (1974), Frank Moraw: »Die Parole der >Einheit< und die Sozialdemokratie« (1973), Norbert Podewin/ Manfred Teresiak: » >Brüder in eins nun die Hände ...< Das Für und Wider um die Einheitspartei in Berlin« (1996).
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Von den Untersuchungen zur Zwangsvereinigung von KPD und SPD, die der Luisenstädtische Bildungsverein herausgab, ist besonders zu nennen die vierbändige Dokumentation von Manfred Teresiak: »Die SED in Berlin« (1994/95).
     Man kann über die ersten Nachkriegsjahre und insbesondere zur (partei-) politischen Entwicklung jener Zeit nicht schreiben, ohne auf die profunden Forschungsarbeiten von Harold Hurwitz zu verweisen. Sein Hauptwerk ist die auf vier Bände ausgelegte Untersuchung von »Demokratie und Antikommunismus nach Berlin 1945« (1983-1990). Auf über 2500 Seiten wird den Fragen nachgegangen, welches Demokratiepotential in der Berliner Bevölkerung, vor allem in seiner sozialdemokratischen Arbeiterbewegung, nach 1945 vorhanden war und wie es sich in einem antikommunistischen Widerstandskonsens manifestierte. Die empirische Analyse kulminiert im vierten Band mit einer detaillierten Darstellung des sozialdemokratischen Widerstandes gegen die kommunistische Zwangsvereinigung. Harold Hurwitz verfasste auch einen Überblick »Zwangsvereinigung und Widerstand der Sozialdemokraten in der sowjetischen Besatzungszone und Berlin« (1990) sowie die Studie »Die Stalinisierung der SED« (1997).
     Der kulturpolitische Neubeginn inmitten der trostlosen Trümmerlandschaft, von dem nachhaltige Impulse auf das Vierzonen- Deutschland ausgingen, ist in vielen Dokumentationen und Darstellungen festgehalten worden. Neben den schon erwähnten Memoiren sowjetischer Kulturoffiziere sind eine wichtige Quelle die Berichte der US- Information Control Section von Juli bis Dezember 1945, die Brewster S. Chamberllin: »Kultur auf Trümmern« (1979), herausgegeben hat. Von großer Authentizität ist der persönliche Bericht von Hans Borgelt: »Das war der Frühling von Berlin« (1980). Die spannungsreiche Gemengelage von deutschen und alliierten Aktivitäten beschreibt Wolfgang Schivelbusch: »Vor dem Vorhang. Geist, Kunst, Politik in Berlin 1945-1948« (1995).
Materialreich ist die Chronik der kulturpolitischen Ereignisse von 1945-1949 von Winfried Ranke u. a. (Hg.): »Kultur, Pajoks und Care- Pakete« (1990). Von den Begleitbüchern zu Ausstellungsprojekten ist hervorzuheben Hermann Glaser u. a. (Hg.): »So viel Anfang war nie. Deutsche Städte 1945-1949« (1989).
     Das Pressewesen behandelt Peter de Mendelssohn: »Zeitungsstadt Berlin« (1982). Für den Rundfunk wichtig ist die Quellensammlung: »Hier spricht Berlin ... Der Neubeginn des Rundfunks in Berlin 1945« (1995). Einen Einblick in den Alltag und in die politischen Schwierigkeiten im Medienbereich geben die Erinnerungen von Gerhard Kegel: »In den Stürmen unseres Jahrhunderts« (1983), Rudolf Reinhardt: »Zeitungen und Zeiten. Journalist im Berlin der Nachkriegszeit« (1988) und Kajo Reutlinger: »... und trotzdem leben wir. Als Reporter im Nachkriegsberlin überall dabei« (1997).
     Das zentrale Thema der Nachkriegszeit ist zweifelsohne die Berliner Krise von 1948/49. Ausgelöst von den Währungsreformen im Juni 1948, führten die sowjetische Blockade der Westsektoren und die westalliierte Luftbrücke zur offenen Ost-West- Konfrontation in der Viersektorenstadt. Zu den frühen Darstellungen dieser Ereignisse zählen Lowell Bennett: »Bastion Berlin« (1951), W. Philipps Davison: »Die Blockade von Berlin. Modellfall des Kalten Krieges« (1959), Manuel Gottlieb: »The German Peace Settlement and the Berlin Crisis« (1960) und Jean. E. Smith: »Der Weg ins Dilemma. Preisgabe und Verteidigung der Stadt Berlin« (1965). Das Anschwellen der Quellen zur Nachkriegsgeschichte - die USA öffneten seit Anfang der 70er Jahre wichtige Aktenbestände und nach 1990 sind die DDR- Archive frei zugänglich - beförderte das Forschungsinteresse. Eine Gesamtbetrachtung legte Gerhard Keiderling: »Die Berliner Krise 1948/49« (1982) vor, wobei die Wechselbeziehung zwischen Blockadegeschehen und BRD- Gründung eine besondere Berücksichtigung fand.
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   198   Dokumentiert Literatur  Voriges BlattNächstes Blatt
Das Krisenverhalten der beiden Supermächte behandelten Hannes Adomeit: »Die Sowjetunion in internationalen Krisen und Konflikten« (1983) und Gunther Gerhardt: »Das Krisenmanagement der Vereinigten Staaten während der Berliner Blockade« (1984). Michael W. Wolff: »Die Währungsreform in Berlin 1948/49« (1991) beschäftigte sich mit dem Währungsschnitt vom Juni 1948 in West- und Ost-Berlin, mit den internationalen Bemühungen um eine Beilegung des Währungskonflikts und mit dem Währungsdualismus in West-Berlin bis zur dortigen »Neuordnung des Geldwesens« im März 1949.
     Die zentrale Rolle des US- Militärgouverneurs Lucius D. Clay, den man oft den »Vater der Luftbrücke« nennt, ist Gegenstand der auf gründlicher Forschung beruhenden Arbeiten von John H. Backer: »Die deutschen Jahre des Generals Clay« (1983) und Wolfgang Krieger: »General Clay und die amerikanische Deutschlandpolitik 1945-1949« (1987).
     Zum 50. Jahrestag der Luftbrücke 1998 erschienen zahlreiche Publikationen, darunter das vom Deutschen Technikmuseum Berlin herausgegebene Begleitbuch zur Ausstellung: »Auftrag Luftbrücke. Der Himmel über Berlin 1948-1949« (1998), Gerhard Keiderling: » >Rosinenbomber< über Berlin« (1998), Volker Koop: »Kein Kampf um Berlin?« (1998), Wolfgang J. Huschke: »Rosinenbomber« (1999) und eine Neuauflage von Klaus Scherff: »Luftbrücke Berlin« (1998).
     Am Ende der Berliner Krise stand die Spaltung Berlins in zwei Teile, von denen jeder einzelne in die 1949 gegründeten deutsche Staaten integriert wurde. Eine Monographie zu diesem Thema steht noch aus. Probleme der Eingliederung West-Berlins in das Regierungs- und Gesellschaftssystem der Bundesrepublik, besonders auf den Gebieten des Parteienwesens, der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialordnung, sind von Jürgen Fijalkowski u. a. in: »Berlin - Hauptstadtanspruch und Westintegration« (1967) analysiert worden.
Die Genesis der 1950 in Kraft getretenen Landesverfassung untersuchte Werner Breunig: »Verfassunggebung in Berlin 1945-1950« (1990). Bemerkenswert ist das Buch von Norbert Steinborn/ Hilmar Krüger: »Die Berliner Polizei 1945-1952« (1993), das für den hier zu betrachtenden Zeitraum den Wiederaufbau und die Spaltung der Polizei kritisch darstellt.

Zeitgenössischer Roman

Die Nachkriegsjahre haben auch eine Reflexion im künstlerischen Werk vieler Schriftsteller gefunden. Theodor Plievier, schon 1945 durch seinen Roman »Stalingrad« einem breiten deutschen Publikum bekannt geworden, entwarf in seinem Roman »Berlin« (1954) ein gewaltiges Panorama des »Endkampfes« in Berlin mit seinen sinnlosen Menschenverlusten und Zerstörungen. Heinz Rein verflocht in seinem Roman »Finale Berlin« (1947) Dokumente aus den letzten Kriegstagen mit frei gestalteten Geschehnissen um eine Widerstandsgruppe, die im April 1945 in Friedrichshain und am Osthafen operierte. Ebenfalls ins Berlin vom Frühjahr 1945 führen Bücher mit autobiographischen Elementen wie Wolfgang W. Parth: »Die letzten Tage« (1946), Georg Holmsten: »Der Brückenkopf« (1948) und »Endstation Berlin« (1989), Gerda Zorn: »Bombenalltag« (1985) sowie Annemarie Weber: »Westend« (1986). Jakob und Friedel Weber schilderten in »Drei Dörfer in Berlin« (1973) aus eigenem Erleben das Jahr 1945 in Berlin- Wilhelmshagen.
     In Erinnerung an seine eigene Kindheit in Berlin- Neukölln berichtete Horst Bosetzky in »Brennholz für Kartoffelschalen« (1995) in verschlüsselter Form von den Ängsten und Nöten, von den Entbehrungen und Gefahren eines »Schlüsselkindes« in der zerstörten Großstadt. In den proletarischen Berliner Osten führen die Geschichten von John Stave: »Stube und Küche« (1987).

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In der Zeit des Nachkriegshungers, des Schwarzmarktes und der Blockade spielen die Romane von Dieter Meichsner: »Die Studenten von Berlin« (1954), Erich Kern: »Stadt ohne Gnade« (1959), Georg Lentz: »Molle mit Korn« (1979) und Thea von Harbou: »Gartenstraße 64« (1991). Die Berliner Trümmerfrauen würdigte Ludwig Turek mit dem Roman »Anna Lubitzke« (1952). Von einer Liebe im Nachkriegsberlin erzählt Fritz J. Raddatz: »Der Wolkentrinker« (1987) und vom Schicksal einer Berliner Künstlerfamilie zwischen 1930 und 1950 Karla Höcker: »Die Mauern standen noch« (1992).
     Aus der Feder des amerikanischen Romanciers Leon Uris stammt das Zeitgemälde »Entscheidung in Berlin. Armageddon« (1963). Vor dem Hintergrund der Luftbrücke und der Teilung wird fesselnd die Begegnung eines US- Offiziers mit den Berliner Problemen geschildert. Ebenfalls in der Blockade- Zeit spielt der unterhaltsame Roman von Horst Pillau: »Der Kaiser von Neukölln« (1987). Curt Riess, der eingestandenermaßen aus der Sicht eines »kalten Kriegers« schrieb, ließ die Nachkriegszeit in seinen Büchern »Berlin - Berlin« (1953) und »Alle Straßen führen nach Berlin« (1968) Revue passieren.
     Zu den Bilanzen einer Generation vor dem Hintergrund Berliner Zeitgeschichte gehören die Familienromane von Gerhard Holtz-Baumert: »Die pucklige Verwandtschaft« (1985), Angela Seeler: »Glück und Glas« (1991) sowie Ingeborg Drewitz: »Gestern war Heute« (1978).

Sonstiges

Statistische Angaben über fast alle Bereiche des Berliner Lebens enthalten die vom Hauptamt für Statistik von Groß-Berlin herausgegebenen Publikationen »Zahlen zeigen Zeitgeschehen. Berlin 1945-1947« (1947) und »Berlin in Zahlen 1945. 1947. 1950« (1947 ff.).

Ein Band »Berlin in Zahlen 1948-1949« (1951) erschien nach der Spaltung der Stadt nur für Ost-Berlin.
     Unter den zahlreichen Bildbänden, die Kriegsende und Nachkrieg in eindrucksvollen Fotos festhalten, sind hervorzuheben: Heinz Bergschicker: »Berlin - Brennpunkt deutscher Geschichte« (1965), Henry Ries »Berlin vor 25 Jahren« (1973) mit Fotos aus der Blockade- Zeit und Rolf Italiander u. a.: »Berlins Stunde Null 1945« (1979).
     An die Hungerjahre erinnert auch das Berliner Notkochbuch von Rosemarie Köhler: »Brennesselsuppe und Rosinenbomber« (1990), das unterhaltsam über die damalige Ernährungslage informiert. Schließlich sei noch die 1988 von der Berliner Geschichtswerkstatt herausgegebene Reprint- Ausgabe des »Schwarz Stadtplan von Berlin« von 1946 erwähnt, worin auch die rund 260 Straßenneubenennungen aufgeführt sind, die im Westteil der Stadt zum Teil wieder rückgängig gemacht wurden.
     Wem diese Hinweise nicht ausreichen, sei auf die »Berlin- Bibliographie« verwiesen, die von der Zentral- und Landesbibliothek Berlin in Zusammenarbeit mit der Senatsbibliothek Berlin herausgegeben wird. Der letzte Band für 1993 erschien 1999.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 12/2000
www.berlinische-monatsschrift.de