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Heinrich Lange
»... zum Schmuck der Städte ...«

Rekonstruktion der Statue Friedrichs I. am Königstor in Kaliningrad geplant

Neben dem schon 1912 abgerissenen Steindammer Tor mit der Statue König Friedrich Wilhelms IV., des Bauherrn der von 1843-1862 im romantisch- neugotischen Backsteinstil errichteten Stadttore, ist das Königstor das vornehmste Tor der ehemaligen ostpreußischen Haupt- und Residenzstadt. Vom hohen Mittelbau blickten drei für die Geschichte des Landes und der Stadt bedeutsame Herrscherstatuen herab: Zwischen König Ottokar II. von Böhmen (links), dem Namenspatron der Stadt, und Herzog Albrecht, dem letzten Hochmeister des Deutschen Ordens und Begründer des Herzogtums Preußen (rechts), steht Friedrich I., der sich als Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg am 18. Januar 1701 in Königsberg zum ersten König in Preußen krönte.
     Leider befindet sich vor der 300. Wiederkehr des Krönungstages gerade das Königstor in einem trostlosen Zustand. Doch steht es wie die übrigen noch erhaltenen vier Stadttore unter Denkmalschutz und soll in Kürze restauriert werden.

Das schon im Zweiten Weltkrieg durch Artilleriebeschuss in Mitleidenschaft gezogene Tor - eine Granate scheint auch die Konsole der Figur Friedrichs I. getroffen zu haben - hat mittlerweile viele Türmchen und Zinnen verloren. Den Kopf und die Arme mit den Herrschaftsattributen hat man den drei Fürstenfiguren aber erst nach dem Krieg abgeschlagen. Auf Abbildungen lässt sich mit der Lupe erkennen, dass König Friedrich I. im Harnisch und Krönungsmantel dargestellt war, und zwar auf dem Haupt mit dem schulterlangen, gewellten Haar nicht die Krone, aber in der Rechten das Adlerszepter und in der Linken den Reichsapfel trug. Die originalen Reichsinsignien von 1701 haben bis auf den nicht fest montierten Juwelenbesatz der Krone die Zeitläufte überdauert. Sie werden seit 1995 im Kronkabinett des Schlosses Charlottenburg in Berlin ausgestellt. Es ist das ehemalige Schloss Lietzenburg, das der König für seine Gemahlin Sophie Charlotte erbauen ließ und nach ihrem frühen Tode 1705 in Charlottenburg umbenannte.
     Mit dem Entwurf und der Ausführung der Skulpturen aus gelbem Sandstein am Königstor wurde ein namhafter Vertreter der Berliner Bildhauerschule beauftragt: Wilhelm Stürmer (geb. 1812), Sohn des Malers und Radierers Heinrich Stürmer und Schüler Ludwig Wichmanns an der Berliner Akademie und Ludwig von Schwanthalers in München.
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Königstor, Stadtseite. Entwurf Friedrich August Stülers. Kolorierte Handzeichnung, bis 1846
Der Bildhauer, dessen Sterbejahr in keinem Künstlerlexikon zu finden ist, wählte nach dem Zeugnis bisher unpublizierter Archivalien 1885 in Berlin den Freitod (laut Information von Harry Nehls). Bedauerlicherweise sind offenbar die Entwürfe Stürmers, die als Grundlage für eine von russischer Seite geplante Rekonstruktion der Plastiken dienen könnten, verloren. Immerhin erfahren wir aus einem Brief des Bildhauers vom 12. April 1847 an den Maler Julius Knorre(?) in Königsberg: »Durch die Gnade des Königs sind bei mir die drei Standbilder für das neue Königstor bestellt worden und zwar in Sandstein, acht Fuß hoch. Um diese in historischer Wahrheit genau wie möglich darstellen zu können, fehlen mir einige Quellenstudien.
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Durch sie würde mir größere Sicherheit und Beruhigung bei dem Werke gewährt werden.«
     Im Verzeichnis »A. Stüler's Entwürfe und Bauausführungen« in der Zeitschrift für Bauwesen von 1865 sind unter den Militärbauten »Sämmtliche Façaden zu den Festungsbauten in Königsberg, Lötzen und Posen seit 1842« vermerkt. Demnach gehören die Königsberger Stadttore
zum Werk von Friedrich August Stüler, dem »Architekten des Königs«. Nach der von Eva Börsch-Supan und Dietrich Müller-Stüler verfassten und 1997 vom Landesdenkmalamt Berlin herausgegebenen Werkmonographie »Friedrich August Stüler. 1800-1865« sollen jedoch die Entwurfszeichnungen weder im Original noch in einer Reproduktion überliefert sein.

Das Königstor im Jahre 1991
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Auch der Berliner Architekt Baldur Köster gibt in seiner jüngst erschienenen Monographie »Königsberg - Architektur aus deutscher Zeit« (Husum 2000) den Entwurf des Königstors als nicht mehr existent an.
     Wie jedoch Recherchen des Verfassers ergeben haben, ist im Geheimen Staatsarchiv in Berlin ein großer Teil von Stülers originalen oder seinerzeit kopierten Entwurfszeichnungen der Tore, darunter auch der Entwurf des Königstors, erhalten. Die kolorierten Handzeichnungen aus dem Kartenarchiv des ehemaligen Heeresarchivs Potsdam lagerten bis 1993/94 im Zentralen Staatsarchiv Merseburg.

Statuen König Ottokars II., König Friedrichs I. und Herzog Albrechts am Königstor (von links nach rechts)
Der hier erstmals publizierte Originalentwurf des Königstors mit der Karten- Signatur G 70.159 ist in der unteren rechten Ecke von Stüler, allerdings ohne Jahresangabe, signiert. In dem 1996 von Winfried Bliss bearbeiteten und von Werner Vogel und Iselin Gundermann herausgegebenen Verzeichnis »Allgemeine Kartensammlung Provinz Ostpreußen: Spezialinventar (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz Bd. 43)« wird das 38 x 28,5 Zentimeter große Blatt mit der Darstellung des Tores im Maßstab ca. 1 : 170 »um 1850« datiert. Da sich aber auf der Rückseite der Vermerk »Entwurf zur Facade des Königl. Thors in Königsberg von Stüler. Remithirt von Maj. v. Dresen den 24t Dezber 46« findet, muss der Entwurf spätestens 1846 entstanden sein. In diesem Jahr wurde der seit 1842 als Ober- Baurat in der »Königl. Preuss. Technischen Baudeputation« tätige Baubeamte nach dem frühen Tod von Ludwig Persius (1845) zum »Geheimen Ober- Baurat« ernannt.
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1851 wurde er zusätzlich Rat in der Abteilung für Bauwesen des Handelsministeriums. In diesen beiden Ämtern als königlicher Baubeamter entwarf oder kontrollierte Stüler, seit 1842 zudem mit dem Titel »Architekt des Königs« ausgezeichnet, alle wichtigen Hof- und Staatsbauten Preußens.
     Stülers Entwurf des Königstors von spätestens 1846 zeigt zwar die Konsolen, doch nicht die Skulpturen. Mit diesen wurde denn auch nach dem Zeugnis des zitierten Briefes von 1847 vom König der Bildhauer Stürmer in Berlin beauftragt. An der Stelle der drei Herrscherfiguren und der
Wappen mit Löwe bzw. Adler darunter sind auf dem Entwurf des Tores noch jeweils drei schmale spitzbogige Blendfenster angegeben. Allerdings sind auf Stülers kolorierter Federzeichnung bereits mit Bleistift die Umrisse der drei Wappen skizziert. Hier handelt es sich wie bei dem höher eingezeichneten Mittelbau und den veränderten Zinnen um Korrekturen König Friedrich Wilhelms IV., die dann auch am Bau ausgeführt wurden. In den vertieften Feldern der Schilde sind noch heute die farbigen Wappentiere der Herrscher schwach zu erkennen. Diese Wappen sowie diejenigen der altprussischen Landschaften

Ansichtskarte von 1942
Samland und Natangen (an deren durch den Pregel gebildeten Grenze Königsberg liegt) in den Zwickeln der Blendenbögen über den Statuen führte der Berliner Architekturmaler Heinrich Asmus aus. Stülers Entwurf des Königstors mit den Änderungswünschen des Königs zeigt auch, dass das Tor vor seiner Freilegung für den Verkehr um 1890 seitlich je einen kleinen abgeschrägten Teil mit einer Fußgängerpassage besaß.
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Nach deren Abriss wurden die äußeren Ecken des Tores neu gefasst. An die Stelle der vorkragenden Fialen traten dem Mittelbau entsprechende achteckige Türme.
     Trotz des unvollständigen Bestandes der Entwürfe der Königsberger Stadttore im Geheimen Staatsarchiv lassen sich jetzt erstmals genauere Aussagen zum Anteil Stülers und des Königs an der architektonischen Gestaltung der Tore machen. Eine Korrektur des Königs, wie sie mit Bleistift direkt ins Blatt eingetragen auch sonst bei Entwürfen Stülers im allgemeinen belegt ist, lässt sich mit ziemlicher Sicherheit für ein weiteres Tor in Königsberg,

Ansichtskarte von 1942 (vergrösserter Ausschnitt)
das Roßgärter Tor, erschließen. Von der Stadtseite des Tores liegen zwei signierte, vom 21. Oktober 1852 bzw. 12. April 1853 datierte Entwürfe Stülers vor. Beim späteren Entwurf ist der Mittelteil mit der Bogennische und den Bildnismedaillons höher ausgeführt. Da ein früherer Entwurf des Ingenieurleutnants C. von Hayl vom Mai 1852 existiert, lässt sich die »künstlerische Überformung militärisch vorgegebener Anlagen«, zu welcher der Hofarchitekt nach Eva Börsch-Supan bisweilen »eingeschaltet« war, deutlich fassen. Bei von Hayl fehlen die erhöhte Mittelfront, die hohe Bogennische mit den Scudellen- Büsten, die seitlichen dreibogigen Arkaden und die vorkragenden Diagonaltürmchen an den Ecken. Besonders durch die Vermehrung der Bögen von drei auf acht wurde der gotische Charakter des Tores deutlich gesteigert.
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Der wie beim Königstor erhöhte Mittelteil bei dem zweiten, der Ausführung entsprechenden Entwurf Stülers geht höchstwahrscheinlich ebenfalls auf den König zurück.
     Stüler selbst bemerkte in seinem Vortrag »Ueber die Wirksamkeit Königs Friedrich Wilhelm IV. in dem Gebiete der bildenden Künste« zum Schinkelfest am 13. März 1861: »Die glückliche Vereinigung der Eigenschaft als Bauherr und als Architekt verschaffte dem König bekanntlich ... auf die anderen zahlreichen Bauten des Staates einen großen persönlichen Einfluß, der, wenn auch nicht bei jedem einzelnen Bauwerke hervortretend, die allgemeine Richtung der Auffassung mehr oder weniger bestimmte. So ... gestaltete er die großartigen Arbeiten zur Vollendung der Festung zu Posen und zur Gründung der neuen von Königsberg und Lötzen zum Schmuck der Städte ...« Stülers Erläuterung zu den beiden 1844 für Berlin entworfenen Toren, das Köpenicker Tor und das Hallesche Tor, gilt auch für die Stadttore von Königsberg und hier besonders für das Königstor am Ende der Königstraße: »Tore gehören zu denjenigen Gebäuden, welche als Schluß langer Straßen und als charakteristische Teile der äußern, der bloß auf sich leitenden Bewehrung hauptsächlich auf Fernsicht berechnet und daher nicht nur in angemessener Größe sondern auch in möglichst interessanter Hauptform gehalten werden müssen.«
Für eine Wiederherstellung der drei prominenten Herrscherfiguren am Königstor lässt sich offenbar nur auf alte Fotografien des Tors zurückgreifen. Auf diesen - zumeist Ansichtspostkarten - erscheinen die Statuen sehr klein. Am besten kann man meines Erachtens deren Details auf einer Karte des Verlags »Trinks & Co., Leipzig« - eine »Echte Photographie« - mit Poststempel vom 12. März 1942 erkennen. Oder sind die Entwürfe Wilhelm Stürmers doch noch in einem Archiv in Berlin vorhanden?

Bildnachweis:
Entwurf von Stüler: Geheimes Staatsarchiv Berlin
Übrige Fotos und Ansichtskarte: Verfasser

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 11/2000
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