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Helmut Caspar
Fort Hahneberg ist aus dem Schlaf erwacht

Als im Jahr 1888 vor den Toren von Spandau die für 1,6 Millionen Goldmark gebaute Festung Fort Hahneberg eingeweiht wurde, war den Beteiligten klar, dass das unter dicken Erdschichten verborgene gewaltige Gewölbemassiv militärstrategisch gesehen bereits überholt ist. Angesichts neuer Waffentechnik und der Verwendung von Dynamit konnte das schon in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts geplante, aber erst 1882 im Zuge der Verwirklichung des nach dem deutsch- französischen Krieg beschlossenen Reichsfestungsgesetzes begonnene Fort die ihm zugedachten Aufgaben nicht erfüllen. Ziel des Gesetzes von 1873 war die Errichtung vorgeschobener Verteidigungsanlagen, die mit Artillerie und Infanterie besetzt werden sollten und sich wie Ringe um bestehende Hauptfestungen überall im neuen Deutschen Reich legen sollten.
     Fort Hahneberg sollte mit drei weiteren Anlagen dieser Art die »Reichsfestung« Spandau vor einer möglichen Invasion französischer Truppen schützen. Die mit starken Bastionen, Kasematten und dem Juliusturm ausgestattete Zitadelle Spandau, heute ein

beliebtes Touristenziel und Ort zahlreicher Ausstellungen, war vor allem deshalb so wichtig, weil 1874 im Juliusturm der aus französischem Kontributionsgold gebildete Reichskriegsschatz im Wert von 120 Millionen Mark eingelagert wurde. Er bestand aus einhundert Millionen Mark in Doppelkronen (Zwanzigmarkstücke) und zwanzig Millionen Mark in Kronen (Zehnmarkstücke).
     Die aus vielen Millionen gelben und roten Ziegelsteinen gemauerte Festung auf dem Hahneberg vor den Toren Spandaus, gut zu finden, wenn man stadtauswärts die Heerstraße auf dem Weg zum ehemaligen Truppenübungsplatz Dallgow- Döberitz entlang fährt und nach links in die Höhe schaut, wurde in der Kaiserzeit und danach nur zu Ausbildungszwecken genutzt. Der Bau der anderen befestigten Plätze in der Umgebung von Spandau unterblieb aus Kosten- und militärstrategischen Gründen. Fort Hahneberg ist heute ein beliebtes Touristenziel, 1999 fanden sechzehntausend Erwachsene und dreitausend Kinder den Weg zu dem Hügel. Bäume und Sträucher verbergen die Festung, ein 1,6 Kilometer langer Gitterzaun umspannt die Wälle, Bastionen und Magazine und schützt sie vor Eindringlingen, die hier in den vergangenen Jahren schon viel Schaden angerichtet und sich durch Naziparolen verewigt haben.
     Den Zweiten Weltkrieg hatte die Festung, die zuletzt Lazarett, Depot und Luftschutzbunker war, unbeschädigt überstanden.
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Meterdicke Ziegelmauern und ebenso stabile Gewölbe prägen die Bauten des Forts Hahneberg.
In die Fensterhöhlen gehört Glas
Die Rote Armee ließ Teile sprengen, fand jedoch vermutete geheime Produktionsanlagen für Waffen nicht, die gab es auf der Zitadelle Spandau. Schon 1946 kam die zum Bezirk Spandau gehörende Anlage durch einen Gebietsaustausch in die sowjetische Besatzungszone. Die DDR- Regierung ließ später Hohlräume mit Schutt und Sand verfüllen, nebenbei wurde das Fort auch als Steinbruch benutzt. Das kostete viel historische Bausubstanz. Nach dem Bau der Berliner Mauer (1961) im Todesstreifen gelegen, verfiel die Anlage in einen Dornröschenschlaf. Eindringendes Wasser spülte Schwemmsand in die Gewölbe, Bäume und Sträucher schossen aus dem Erdreich. Im Eingangsbereich findet sich eine Inschriftentafel »Fort Hahneberg« mit Naziadler und ausgeschlagenem Hakenkreuz.
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Von Grenzern der Nationalen Volksarmee abgesehen, die sich an der roten Klinkermauer verewigten, hatte hier niemand Zutritt. Sicherheitshalber wurden Gänge und Schlupflöcher in Richtung West-Berlin zugemauert, um Flüchtlingen den Weg abzuschneiden.
     Sich selbst überlassen, entwickelte sich Fort Hahneberg zu einem Biotop, in dem sich seltene Pflanzen wie die Mauerraute, die russische Halskamille oder Staudenambrosie breit machten. »In den Hohlräumen leben allein sieben Fledermausarten. Sie wurden vom Bundesumweltamt beringt, sodass man ihre Bewegungen verfolgen kann«,
sagt Walter Brühe, Mitglied des 1992 gegründeten Arbeits- und Schutzgemeinschaft Fort Hahneberg. Der 78- Jährige kennt die Anlage wie seine Westentasche, wurde er doch 1922 im Hauptgebäude, der so genannten Kehlkaserne, als Sohn des Hauswarts geboren, dem die Wartung der technischen Anlagen und die Beseitigung von Schäden oblag. »Mein Vater wurde 1945 mit anderen im Fort verbliebenen Männern von den Russen erschossen, sie hielten ihn für einen Soldaten, der sich Zivilkleidung zugelegt hatte«, berichtet der rüstige Rentner, der noch heute ganz genau weiß, wo welcher Kessel in der Küche stand, wo das Petroleum für die Beleuchtung lagerte

Blick aus einem der Gewölbe des Forts
(der Raum riecht immer noch nach Öl), wo die Rekruten Waffen reparierten, Übungsschießen veranstalteten oder auf der Latrine saßen. In einem der Räume hätten in den zwanziger Jahren Mitglieder des Flugtechnischen Vereins Spandau Gleitflugzeuge gebaut, die man an einem der Hügelhänge sogar erfolgreich startete.
     Fort Hahneberg ist heute eine riesige Halbruine, nach der Freigabe 1990 holten sich Laubenpieper herum liegende Steine oder brachen welche aus den Mauern.
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Erst kürzlich kam das Areal aus der Verfügung des Bundesvermögensamtes in die Verantwortung des Bezirksamtes Spandau, dessen finanziellen Möglichkeiten allerdings zu begrenzt sind, eine solch gewaltige Anlage ordentlich zu unterhalten und für die Restaurierung zu sorgen. Das Land Berlin zeigt geringes Interesse, der Denkmalschutz verweist auf geringe Eigenmittel und weitere gravierende Pflegefälle. Hilfe kommt, wenn auch begrenzt, von den dreißig Vereinsmitgliedern. Unter ihnen sind auffallend viele Jugendliche, die kostenlos und weil es Spaß macht, wie sie sagen, Aufräum- und Reparaturarbeiten ausführen. Seit 1990 haben sie die mit Sand und Schutt gefüllten Räume mit Mauerstärken zwischen drei und zwölf Metern frei geräumt, in einem dieser Gewölbe wird Fundmaterial präsentiert - angerostete Geschütze, Kanonenkugeln, Stahlhelme, Seitengewehre, gusseiserne Öfen. In die Archive und Museen gewandert sind Krankenakten von Wehrmachtsangehörigen sowie Silberbestecke, Kleingeld und andere Fundstücke, die hier das Kriegsende und die Nachkriegszeit »irgendwie« überstanden haben, wie Brühe sagt. Verloren seien übrigens Briefe, die Landser aus der Hölle von Stalingrad in die Heimat geschickt und die von der Gestapo zurück gehalten und im Fort Hahneberg deponiert wurden, ebenso wie riesige Mengen Filmrollen.
     Verglichen mit dem, was nach dem Fall der Mauer vorgefunden wurde, hat sich viel zum Positiven entwickelt.
Tausende Kubikmeter Sand und Schutt wurden abgefahren, Decken und Treppen abgestützt, zugemauerte Gänge geöffnet, wild wucherndes Grün geschlagen. Vereinsvorsitzender Peter Herzog weiß, dass im Außenbereich die Beseitigung der Erdmassen auch Gefahr für die nun ungeschützten Mauern mit sich bringt. Die Frost und Wasser ausgesetzten Mauerkronen müssten durch Blechdächer oder Betonabdeckungen gesichert, die Räume wieder elektrifiziert, die leeren Fensteröffnungen geschlossen werden. Und in der ehemaligen Unteroffiziersunterkunft gleich beim Haupteingang könnte man sogar eine Cafeteria einrichten. Die Verwirklichung solcher Träume hat etwas mit dem Willen der Politiker zu tun, so Herzog, sich auch mit Taten zu einem wichtigen, wenn auch aus historischen Gründen umstrittenen Zeugnis der preußisch- deutschen Militärgeschichte und einem herausragenden Zeugnis der Festungsbaukunst zu bekennen.

Fort Hahneberg an der Heerstraße zwischen Spandau und Staaken ist an Feiertagen und am Wochenende von 11 bis 16 Uhr geöffnet, Anmeldungen zu Sonderführungen an Wochentagen und weitere Informationen bei der Arbeits- und Schutzgemeinschaft Fort Hahneberg e. V. Telefon 030/3664605.

Fotos: Caspar

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 11/2000
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