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Klaus Duntze
König Sans, souci

Über dieses Komma im Namen seines Schlosses ist viel gerätselt worden. Ob es nun, wie manche meinen, ein im 18. Jahrhundert üblicher Bindestrich oder eines der damals beliebten Wortspiele, z. B. zwischen Friedrich II. und Voltaire, bedeutet, sei dahingestellt; Zufall wird es nicht sein. Störend wirkt es, ein Bruch in der Idylle, als die dieses Schloss auf dem gläsernen Weinberg erscheinen möchte. Zwiespalt, Brüche - auch weitere -, wenn man genau hinschaut und die Gedanken freigibt: Die - so lange leere - Gruft auf der Terrasse zwischen Flora mit Zephir und den Gräbern der Windhunde, die Abseitslage des Schlösschens zur Hauptachse des Parks, dieses königliche Gartenhaus selbst in der Spannung zur Fanfaronnade des Neuen Palais, der demonstrative Renommierbau für die Leistungsfähigkeit eines eben fast untergegangenen Staates, Brüche, Spannungen, Zwiespälte, die in der Person des Herrschers selbst liegen.
     Friedrich II. von Preußen (1712-1786; König ab 1740), genannt >der Große<, genannt der Philosoph von Sanssouci, im eigenen Verständnis ,der erste Diener des Staates und doch absolutistisch wie kein anderer, einem ganzen Volk und Land seinen eigensten eigensinnigen Willen aufzwingend,


Friedrich II. auf einem Gemälde von Graff

hochfahrend gegen ganz Europa und seine alten Mächte, selbstgrüblerisch, verzweifeltdepressiv selbst unter glänzenden Erfolgen, vom Selbstmord immer wieder nur durch sein eisernes Pflichtbewusstsein, eingelagert in tiefsten Fatalismus, abgehalten.
     Wer war dieser Mensch, der viel besser hätte Soldatenkönig heißen können als sein Vater, der unerbittliche, besessene Schöpfer Preußens (Friedrich Wilhelm I., 1688-1740; König ab 1713) der mit seinen Langen Kerls geprunkt, doch so gut wie niemals Krieg geführt hat.

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Wer war dieser Mensch? 1740 auf den Thron gekommen nach einer langen, unsagbar quälenden Kronprinzenzeit unter der Fuchtel des jähzornigen Vaters, die nur scheinbar verklärt wurde durch die wenigen Jahre im idyllischen Rheinsberg, dem Spielraum für Musen und Wissenschaft, Geselligkeit und Anmut der Natur. Kaum auf den Thron gekommen, ehrgeizig nach Kriegsruhm und Eroberung - was kümmert mich mein >Antimachiavell< von gestern? -, dabei kalt kalkulierend, als hätte er Machtpolitik schon immer betrieben, leichtsinnig immer wieder das Kriegsglück und das eigene Leben aufs Spiel setzend. Und doch musisch, gelehrt, begabt wie wohl kein zweiter der Hohenzollernherrscher, voller Sehnsucht auch nach Idylle, Friede, Harmonie, nach einer stimmigen Welt jenseits aller Fassade und Selbstdarstellung. Seinem Freunde, dem Marquis d' Argens, widmete und schickte er 1747 ein langes Gedicht »Sanssouci«, in dem sich bewegend das Verlangen ausspricht, nur Selbst sein zu dürfen:

... Kommt zu mir nach Sanssouci!
Dort erst ist man recht ein König, ist sein eigner Fürst und Herr,
Auf dem Lande in der Stille! Weiß nicht, wo man freier wär!...
Hoch auf eines Hügels Rücken,
Wo das Auge mit Entzücken

Schweift, soweit der Himmel blau,
Hebt gebietend sich der Bau.
Hohe Kunst ward dran gewendet;
Sorglich schuf und meisterlich
Mir des Meißels Hieb und Stich
Steingestalten formvollendet,
Die das Ganze prächtig schmücken,
ohne lastend es zu drücken.
Morgens taucht mein Schlösslein ganz
Sich in goldnen Frühlingsglanz,
Der es grüßt, wenn er erwacht.
Sechs bequeme Treppen lassen
Nieder über sechs Terrassen,
Mählich sacht
Euch zum Haine niedersteigen
Euch zu flüchten
In die grüne Dämmernacht.
...
Seht, dort regelt meine Tage
Holdes Gleichmaß, still gedeihlich, Fern der dummen Modeplage
Endlos langer Prunkgelage,
Steif, nach Vorschrift und langweilig.
Mittags ladet unser Tisch zu bescheidenen Genüssen - Just, dass man befriedigt sei:
Kein Zuviel noch Schlemmerei - Die mit wertvollen Gesprächen weidlich wir zu würzen wissen ...
Mehr denn so ein Schlemmerfraß
Gilt ein Wort von Geist und Anmut, gilt bei uns ein kecker Spaß!
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Ansicht von Sanssouci, Kupferstich von Schleuen, um 1765
Diese stille Einsamkeit
Ist mit Bollwerk, Wehr und Turm
Wider jeden Stoß und Sturm
Dieser wildbewegten Zeit,
Wider alles, drin so gern
Uns die Menge möchte zerrn,
uns, die Weisen, die dem Wissen, die den Künsten sich geweiht.
Ach, d'Argens, besieht man's recht,
Ist das menschliche Geschlecht
Nichts als gierig, dumm und schlecht!
Glücklich, wer abseits vom Wege sich ein Heiligtum gebaut,
Zuschaut, wie zu seinen Füßen Sturm und Wetter grollt und braut ...
Der den Kopf sich klar behalten, der des Ruhmes Giftpokal
Von sich stieß, noch ungekostet, der sich zeitig noch besann,
Was an all dem Lorbeersegen der Geschichte ernstlich dran,
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So sah Adolph Menzel den altgewordenen König
Der in treuer Pflichterfüllung quitt mit seiner Mitwelt ward
Und die Müh' um sein Gedächtnis bei der Nachwelt gern sich spart,
Nicht erbettelt ihre Gunst
Und ihr bisschen Weihrauchdunst! ...
1)

Eine Idylle, mehr noch: eine Utopie. Denn nie hat Sanssouci diese Erwartungen

erfüllen können, König, absoluter Herrscher, der die Geschicke seines Staates bis ins Kleinste aus seinem Kabinett bestimmte - berühmt sind seine grobbissigen Marginalien auf Gesuchen und Berichten - erster, mit allen Sorgen und Problemen des Landes belasteter Diener des Staates bleibt er auch im Schlösschen über den Terrassen.
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Die berühmte Gesprächs- und Philosophenrunde, die das neue freigeistige Athen gegenüber den symbolischen Ruinen des Altertums auf dem Speicher- (dem Ruinen-) Berg über dem Schloss symbolisieren sollte, war von der Vergeblichkeit der schönen Künste und Gedanken angesichts der politischen und sozialen Realitäten der Zeit gezeichnet.
     Und mit der Harmonie im Kreis der philosophischen Freunde war es auch nicht so weit her:
     Die Liebe des Königs ist ebenso beglückend wie verletzend; so oft ihm die Träne Erschütterung ins Auge tritt, so oft kommt auch der Spott über seine Lippen; tief reichen die Worte der Empfindung; bis ins Innerste, verzehrend und zerstörend dringt sein Spott. Er selbst ist gespalten bis in die Wurzeln seines Wesens, der Wille allein, das Amt, das er mit widerstrebenden Kräften ergriff, einen seine Natur; weicht die Spannung, so befehdet er sich selbst, und der Feind aus der Tiefe verheert all die stillen Gärten des Glücks, in denen er wohnen wollte.2)

Terrassenanlage mit Grundriss des Schlosses und Anmerkungen Friedrichs II.
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Weitgreifender Anspruch, viele große Gedanken, viel Weitsicht und Weitblick, darum auch viel Verzweiflung, viele Ängste, nicht um die eigene Person, sondern um das Werk Preußen, vom gestrengen Vater übernommen, mühsam durch blutigste Kriege stabilisiert und behauptet - was wird nach mir kommen, welche Koalitionen gegen den Emporkömmling im Herzen Europas wird man schließen, wird der Neffe (Friedrich Wilhelm II., 1744-97; König ab 1786), der weiche, sinnlich verspielte, der faule und unentschlossene, wird er es schaffen, König von Preußen zu sein, die neu errungene Würde und den Staat mit seinen Eroberungen zu behaupten, die zerrissenen Lande zwischen Rhein und Memel zusammen zu halten?
     Fragen über Fragen, Zweifel über Zweifel, die auch vor den Terrassen und Schlossmauern nicht halten machen, den Ausblick trüben.
     Aber Schloss und Garten waren eine Notwendigkeit. Eine persönliche, keine dem Stande geschuldete. Vor dem Zweiten Schlesischen Krieg die Anweisungen an Knobelsdorff (1699-1753): Bau Er mir ein Schlösschen. Den Entwurf liefert der König selbst, die eilige kraklige Zeichnung mit den Terrassen, der großen Freitreppe, dem ungehinderten Zugang zum Park. Über die Ausführung kommt es zum Bruch mit dem Freund: Knobelsdorff wollte das Gebäude unterkellern, um es über die Terrasse zu erheben - wer heute vom Fontänenbecken hinauf schaut, weiß,
dass der Architekt vor dem König Recht hatte - aber Friedrich wollte keine Schwelle zwischen drinnen und draußen; keine Repräsentation, nur das eigene Bedürfnis nach Ruhe und Behaglichkeit.
     Mag sein, dass die früheren Gärten, der Amalthea- Garten in Neuruppin aus der Garnisonzeit nach der Gefangenschaft in Küstrin und Schloss und Garten von Rheinsberg aus der Kronprinzenzeit den Wunsch nach der königlichen Idylle bei Potsdam beförderten, aber Sanssouci war mehr, war das lebensnotwendige Gegengewicht zur Verdammnis der Pflicht, der Rücksichtslosigkeit, der Grausamkeit des Krieges mit seinem eigenen Gesetz - wer so viel Gefühl, so viele Gefühle in sich birgt wie dieser dichtende, philosophierende und flötenspielende König, der braucht einen Ort, wo diese Seite, ach, nur Seite!, Gestalt werden kann und darf, angefochtene, vielfach gebrochene Gestalt, aber greifbar, sichtbar, spürbar.
     Von den Häusern der Gartenverwaltung führt zwischen zwei kastaniengesäumten Kanälen die Wegachse auf die Freitreppe der Weinbergterrassen und auf das Schloss zu, der Eintritt wird von zwei Sphingen flankiert, zwar mit Putten verharmlost, aber doch Sphinxen, und es heißt: Wer seinen Weg an den Rätsel- und Schicksalswesen vorbei nimmt, der kann nicht umkehren, und das doppelte Wasser zur Seite bekräftigt diese Symbolik, die schon in Rheinsberg den Weg zum Schloss bestimmte.
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Schloss Sanssouci, Grundriss und Aufrisse der Hof- und Gartenseite mit königlichem Signum
Vorgezeichneter Weg durch Kriegs- und Friedenswerk, nicht weniger unerbittlich dem Volk und Land abgezwungen wie unter der Fuchtel des Vaters, der den Sand wollte blühen machen, unausweichlich in aller Rücksichtslosigkeit gegen sich und andere, gegen den eigenen Staat und die Staaten Europas, den verletzenden Zynismus gegen alle Freunde und sich selbst gerichtet - als Notwehr gegen die mühsam bezwungenen Gefühle. Auch dieser König wäre, wie sein Vater und seine Nachfolger, gern etwas anderes geworden und gewesen als eben König.
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Aber nun war er es und wollte es sein mit der ganzen Unbedingtheit seines Willens und seines Verstandes, seines Verantwortungsbewusstseins gegenüber seinem Gewissen und jenem Schicksal, das er allenfalls Fatum, niemals Gott, gar einen persönlichen, gerechten und gnädigen nennen konnte. Sanssouci aber, das Schloss, der Park, der Garten, waren wenigstens Ansage, Anspruch auf eine andere Welt, so wie er dem Marquis d'Argens geschrieben:
     Diese stille Einsamkeit ist mir Bollwerk, Wehr und Turm wider jeden Stoß und Sturm dieser wildbewegten Zeit, wider alles, drin so gern uns die Menge möchte zerrn ... Dort erst ist man recht ein König, ist sein eigner Fürst und Herr, auf dem Lande in der Stille! Weiß nicht, wo man freier wär! ...
     Und der König baut und gestaltet weiter an diesem Park, lässt eine Hauptallee anlegen durch Statuenrondells und labyrinthische Haine, setzt als staatliche Prahlerei das Neue Palais ans Ende, lässt sich dort im Seitenflügel eine Suite einrichten, wohnt aber niemals dort, Staatsgäste aber sollen sehen: Preußen hat's ja, selbst im vermeintlichen Bankrott nach dem Siebenjährigen Kriege, setzt aber auch den Freundschaftstempel und den Antikentempel rechts und links der Allee in die Eichenhaine, den einen zum Gedächtnis an die geliebte und in allem vertraute Schwester, der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, den anderen zur Aufnahme der Versatzstücke klassischer
Bildung und Kultur, die ihm so viel mehr bedeuteten als die christliche Tradition (ihm, der doch in seinem Atheismus so preußisch- protestantisch dachte und lebte, aber vielleicht sind die Verbindungslinien zwischen Marc Aurel und Augustinus stärker, das gemeinsame Erbe wirkungsvoller als in unserem landläufigen Bewusstsein, wie ja auch kein Widerspruch zu sein schien zwischen dem antiken Arkadien und dem biblischen Garten Eden.
     Und da ist auch noch eine direkte Verbindung zu Rheinsberg: Der Haupteingang zum Park am Obelisken ist gestaltet wie der Parkeingang des Kronprinzenschlosses; wie dort wenden sich Flora und Pomona im säulengeschmückten Halbrondell nicht den Eintretenden, sondern den Herausgehenden zu - Knobelsdorff hat beide Anlagen geschaffen. Und es gibt das Moment des Unvollendeten im Garten von Sanssouci, das vergebliche Bemühen. Trotz des Aufwandes von fast 300 000 Talern für die Wasserspiele im Park hat die Große Fontäne nur einmal, am Karfreitag des Jahres 1754, für einige Minuten sich aus dem Becken erhoben. Man erzählt aber, dass der erste Strahl schwärzliche Massen von Wasserratten aus der immer maroden Leitung spülte, dann versiegte das Wasserspiel endgültig (bis unter seinem Nachkommen Friedrich Wilhelm IV. Persius fast 100 Jahre später das Pumpwerk an der Havel - die »Moschee« - errichtete und eine zuverlässige Wasserversorgung für den Park schuf).
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Marmorkolonnade im Park von Sanssouci, Aquarell von Johann Friedrich Nagel
Seine größte Niederlage in Friedenszeiten nannte Friedrich dieses Versagen.
     Doch der Ausbau des Parks stellt einen Kurswechsel dar. Zwar bleibt das Prinzip beibehalten, dass alle Schönheit auch der Nützlichkeit zu dienen habe - nicht nur die Weinbergterrassen vor dem Schlösschen, auch das Gewächshaus (an der Stelle der
späteren Bildergalerie) mit seinen Obstbaum- und Spalierterrassen, weitere Weinberge und der Ausbau des »Marly«, des schon vom Vater angelegten Küchengartens, bis hin zur Maulbeerallee bezeugen die Verbindung des Nützlichen mit dem Angenehmen, wie sie in den Statuen der Flora und Pomona sinnfällig und programmatisch zur Darstellung kommen.
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Aber aus der Idylle Sanssouci wurde ein immer ausgedehnteres, ausgefüllteres Park- und Gartenreich. Schon die Idee, das Sommerhaus mit einem richtigen Schlossbau zu konfrontieren - ursprünglich in der Schlossachse unten an der Havel positioniert - machte aus der weltabgewandten Eremitage eine königlich- repräsentative Anlage, die sich dann mit der über zwei Kilometer langen Hauptachse des Parks in Ost-West- Richtung entwickelte. Und Friedrich gab selbst die baulichen und gärtnerischen Schritte vor: Zeichnungen von seiner Hand belegen die Entwürfe für die Rondelle und Bosketten zwischen dem Obelisken und dem Neuen Palais. Die Neptungrotte östlich des Weinbergs, die Thetis- Statue westlich, im Rehgarten die prächtige (von seinem Nachfolger geschleifte) Marmorkolonnade, alles Wasserspiele, die so wenig zum Laufen und Sprudeln kamen wie die Hauptfontäne, das vielfältige Programm der klassischen Statuen als Bezug auf die Mythologie der Antike, all dies vom König vorgedacht, entworfen, skizziert und in Auftrag gegeben. Aber auch das Exotische, Metapher für ein besseres Diesseits, kam in seiner zeitlich- modischen Spielart zur Geltung: Das Teehaus, von königlicher Hand gezeichnet, das Drachenhaus (als Wohnhaus für den Weingärtner!), eine verschollene Brücke im Rehgarten holten das fabelhafte China in das nordische Arkadien; weit ausgreifende Sehnsucht nach einer besseren Welt.
     Da war nun die Idylle zu einem Garten- und Palastreich geworden, überwältigend groß und angefüllt mit den schönsten Versatzstücken spätbarocker Bau- und Gartenkunst, beziehungsreich möbliert mit symbolischen Gestalten, öffentlich zugänglich auch für Volk und Gesellschaft. Und ausgeliefert der Eigendynamik höfischer Entfaltung. Aus dem Gewächshaus wurde die Bildergalerie, aus der Orangerie die Neuen Kammern als Unterkunft der immer zahlreicheren Gäste - wo waren die Stille, die Einsamkeit, das Refugium geblieben, die doch einmal den Grundriss dieses Gebäudes bildeten?
     Und je größer, je weitläufiger, je prächtiger und kompletter dieses Sanssouci ausgestaltet wurde, desto weniger konnte es bleiben, was es einmal sein sollte: weltabgeschiedene Geborgenheit. Der König hatte selbst sein Projekt aufgegeben, indem er es ausbaute, erweiterte, vervollkommnete. Und es ist sehr sinnfällig, dass als letztes Gebäude im Park von Sanssouci das Belvedere auf dem Clausberg entstand, ein Aussichtsort über all das Geschaffene, fast faustische Türmerstube - war's das gewesen?
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In all der Herrlichkeit der verwahrloste königliche Greis, in den lezten Sonnenstrahlen auf der Terrasse seines Schlösschens, von Schmerzen gezeichnet, von Sorgen um den Bestand seines Werkes geplagt, vereinsamt durch den Verlust seiner Freunde - die Totenmaske spiegelt dies alles wider, den ausgestandenen Kampf, das zynische Misstrauen gegen sich selbst und die Welt, die Größe aber auch dieses Menschen, der die Fülle seiner Begabungen und Empfindungen dem einen untergeordnet hat: seiner Bestimmung, seiner Pflicht.
     ...
Als ich den Thron bestieg, ward ich ein Raub
Der Ehrsucht: ew'ger Nachruhm war mein Ziel.
Ich dachte nicht ans blöde Volk im Staub,
Das Lob und Tadel ohne Wahl verstreut,
Des feiler Weihrauch nur die Toren freut,
Unwert, dass man so heiß danach begehrt.
Arbeit und Sorge hat an mir gezehrt:
Uranien dienend, buhlt ich um Bellonen;
Mein Geist, der rastlos neue Pläne reifte
und in der Zukunft dunkle Fernen schweifte -
Er wollte nur der eignen Unrast fronen!
Die Kunst des Herrschens strebt' ich zu erringen;
Denn fest hielt mich der Wahn gebannt,
Der Geist vermöchte, rastlos angespannt,
Durch Rechenkunst das Schicksal selbst zu zwingen -
Allein was ist der Mensch und sein Verstand?
Ein Nichts kann unser Stückwerk flugs vernichten;
Des Schicksals unabänderliches Walten
Beschämt der Menschen Stolz und all ihr Dichten.
Die Würde selbst, die Macht, nach der die Fürsten, die blöden,
die sie schon in Händen halten,
nur doppelt unersättlich dürsten,als müssten in gesichertem Genießen Ströme von Glück und Wohllust sie umfließen -
Auch diese Würde ändert nichts daran:
Sie sind nur Sklaven in des Schicksals Bann.

(Friedrich II. 1776, aus einem Briefgedicht an d'Alembert)3)

Quellen:
1 Gustav Berthold Volz, Ausgewählte Werke Friedrichs des Großen Bd. II, Berlin 1916, S. 187 f.
2 Reinhold Schneider, Die Hohenzollern, Frankfurt/ Main und Hamburg 1958, S. 170
3 Gustav Berthold Volz, a. a. O., S. 249 f.

Bildquellen:
Ausgwählte Werke Friedrichs des Großen, Dritter Band, Berlin 1916, Katalog Potsdamer Schlösser und Gärten, Bau- und Gartenkunst, Potsdam 1993

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 10/2000
www.berlinische-monatsschrift.de