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André Franik
Berlin auf Porzellan

Die Veduten der KPM

Wer das Ephraim- Palais besucht hat, wird auch die Vitrinen mit den Porzellanen der Königlichen Porzellan- Manufaktur (KPM) bewundert haben, die in detailgetreuer Wiedergabe Berliner und Potsdamer Ansichten zeigen. Dort wird eine kleine Auswahl der Motive und auch der Porzellanformen der KPM gezeigt. Die Manufaktur war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts führend bei der Produktion der Ansichten- oder Veduten- Porzellane innerhalb der großen europäischen Manufakturen von Wien, Sèvres bei Paris oder St. Petersburg.
     Im 18. Jahrhundert war Meißen sowohl in technischer als auch in künstlerischer Hinsicht das Vorbild für die vielen neu gegründeten Manufakturen vor allem in den deutschen Staaten. So verwundert es nicht, dass die Entwicklung der Porzellanmalerei in Berlin von Malern aus Meißen ausgeht, die teilweise bereits in den Vorläufern der KPM, der Manufaktur Wegely (sie bestand von 1752 bis 1757) und der Fabrique de Porcelaine de Berlin von Johann E. Gotzkowsky (1761 bis 1763), tätig waren.

Einer der Porzellanmaler, die von Meißen nach Berlin wechselten, war der Figuren- und Landschaftsmaler Carl Wilhelm Böhme (auch Boehme, 1720-1789). Nachdem er während der preußischen Besetzung Sachsens als Hausmaler tätig gewesen war und dies zum Konflikt mit der Meißener Manufakturleitung geführt hatte, konnte Gotzkowsky ihn Ende 1761 in die Manufaktur holen, der er bis zu seinem Tode angehörte. Mit dem Titel eines Königlichen Hofmalers und der Position als zweiter Malereivorsteher war Böhme auch Leiter der Landschaftsklasse der KPM. Seine Malweise im Stile Claude Lorrains (1600-1682) ist allerdings nur noch anhand seiner überlieferten Radierungen festzustellen. Sie zeigen stilistische Ähnlichkeiten mit niederländischen Ansichten des 17. Jahrhunderts; so finden sich Fantasielandschaften mit Flüssen oder Seen, flachem Horizont und weitem Fernblick, mit diversen Schiffen oder Booten und wenigen Staffagefiguren.
     Die weitgehend erhaltene Kupferstich- Vorlagensammlung der KPM aus der Zeit des 16. bis 18. Jahrhunderts umfasst speziell im Sujet der Landschaften solche allgemeiner Natur nach französischen, italienischen oder niederländischen Vorbildern, als auch solche mit römischen Ruinen und mit oder ohne Staffagefiguren (Fantasielandschaften), aber auch Ansichten aus französischen, italienischen oder niederländischen Städten.
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Friedrichwerdersche Kirche, Porzellanbild von Freydanck, fast Originalgröße
Bei Vergleichen zwischen den Vorlagen, die den Porzellanmalern im 18. Jahrhundert als Stiche, Radierungen oder als Gemälde zur Verfügung standen, und den ausgeführten Arbeiten auf Porzellan fällt auf, dass die Vorbilder in den wenigsten Fällen unverändert übernommen wurden, zumal schon die jeweilige Malfläche des Porzellans im Gegensatz zur meist rechteckigen Vorlage kompositionelle Änderungen oder Umsetzungen erforderte.
     1786 erschien in Berlin eine großformatige Reihe mit 20 Radierungen von Johann Georg Rosenberg (1739-1808), die die unter Friedrich II. (1712-1786, König ab 1740) neu gestaltete Stadt Berlin zeigte und die bald darauf zum Vorlagenbestand der KPM gehörte.
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Jedoch führte das nicht zu einer Belebung der Berliner Ansichtenmalerei auf Porzellan. Ohne Erfolg blieb auch eine Anweisung des Grafen Friedrich Wilhelm von Reden (1752-1815), Mitglied der Manufaktur- Kommission, 1787 an den Zeichner und Landschaftsmaler Friedrich Wilhelm Schaub, in die »Schlesischen und Glatzer Gebirgsgegenden« zu reisen, um dort »die schöne Natur getreu zu kopiren«; die Ergebnisse sollte er anschließend der Buntmaler- Klasse der KPM zur Verfügung stellen. Diese Anordnung wurde nicht ausgeführt. Bis auf eine Serie von Desserttellern aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert mit italienischen Veduten ohne Erläuterung, die vermutlich für den russischen Hof bestimmt war, finden sich bis zum Ende des Jahrhunderts keine nachweisbaren KPM- Porzellane mit realer Ansichtenmalerei. Die Verzeichnisse der seit 1786 von der Königlichen Akademie der Künste veranstalteten Kunstausstellungen weisen für das Jahr 1804 erstmals Prospekte auf Porzellanen nach, die Ansichten aus verschiedenen deutschen Gegenden zeigten. Für das Jahr 1806 werden vier Teller mit dem »Kochelfall im niederschlesischen Gebirge, nach Bartsch« und verschiedene Prospekte von »Forst Sohn« (Johann Eusebius Anton Forst, 1783-1866) genannt, wie auch 1810 und 1812 Vasen und Teller mit Stadt- und Landschaftsprospekten ausgestellt wurden. Siegreiche Schlachten auf Porzellan

Die Ansichtenmalerei der KPM erhielt erst durch die Befreiungskriege (1813 bis 1815) gegen Napoleon Bonaparte und die damit verbundene Welle des Patriotismus und des nationalen Selbstbewusstseins den entscheidenden Impuls. Auf Porzellanservicen, die König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, König ab 1797) als Geschenke für die Heerführer der preußischen und der verbündeten Armeen bei der KPM orderte, wurden die siegreichen Schlachten wiedergegeben; auf dem Geschirr finden sich Schlachtpläne, umkämpfte Orte und Festungen, die Tafelaufsätze tragen allegorische Figuren, wie dies das reiche Tafel- und Dessertservice für den Herzog von Wellington (1819 vollendet) beweist.
     Nach der Befreiung von der französischen Besetzung und der nationalen Begeisterung im Volk über ein gemeinsam erreichtes Ziel, scheinbar über alle sozialen Unterschiede hinweg, bedeuteten die Veduten auf den Porzellanen, die man sich auch leisten konnte, einen Einblick in das eigene Leben. Sie zeigten die vertrauten Straßen, Gebäude und Kirchen und in den Staffagefiguren sogar die Menschen, die dort lebten und arbeiteten. Die Bedeutung der Darstellung von sauberen und geordneten Verhältnissen in der Stadt lässt sich auch auf die gestaltete Natur in den Gärten in und um Potsdam übertragen.

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Mit ihren Schlössern in romantischer Landschaft, mit der Havel und den Seen, die ein einzigartiges Ensemble von Natur und Architektur bildeten, erwuchs die Vedute in ihrer Detailhaftigkeit und Farbigkeit zum scheinbaren Spiegel einer heilen Welt.
     Die Vedutenporzellane erfüllten mehrere Funktionen für ihre Besitzer. Sie dienten sowohl der Ausschmückung des Heimes als auch dazu, um an Orte und Geschehnisse und die damit verbundenen Personen zu erinnern; sie waren Ausdruck des Patriotismus, des Stolzes auf die Heimatstadt oder das eigene Haus (Vaterhaus- Veduten), in den Landschaftsveduten bezeugten sie Verbundenheit mit der heimischen Natur. Das Vorherrschen antiker Vorbilder in den Porzellanformen lässt sich unter diesen Voraussetzungen besser verstehen. Denn nicht nur, dass die klassizistischen Porzellane sich ideal im Brand verhielten und hervorragende Malflächen boten, sie waren vermutlich auch Ausdruck der Harmoniesehnsucht, der Suche nach dem Ideal, der Flucht aus dem Alltag und der Verbundenheit mit der Natur, die sich zum Beispiel auch in der bevorzugten Darstellung der Bauten Schinkels zeigte, da sie mit ihrer klassischen Formensprache die Verwirklichung des erhofften Idealzustandes versprachen. Ein weiterer Aspekt lässt die Vedutenporzellane als ein Produkt der Epoche der Romantik erscheinen:
Die antiken Formen wurden durch reiche Goldverzierung und Ornamentik »vervollkommnet«, womit das zeitgenössische Kunstverständnis seinen Niederschlag in den Porzellanen findet.
     Um 1800 waren die Voraussetzungen für die Festigung der Führungsposition der KPM sehr günstig: Unter dem Vorsitzenden der Königlichen Porcellanmanufactur- Commission, dem Minister Friedrich Freiherr von Heinitz (1725-1802, BM 6/98), wurden die ersten Etagenöfen und eine Dampfmaschine eingeführt, die 23 Jahre in Betrieb blieb.


Unter den Linden, Perlfriestasse

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Daneben bestand zwischen der KPM und der Königlichen Akademie der Künste eine enge Verbindung bei der künstlerischen Schulung des Personals nach Wiener Vorbild.
     In den ersten Jahren des KPM- Direktors Friedrich Philipp Rosenstiel (1754-1832, seit 1802 im Amt) trug die Entwicklung neuer Modellformen der Mode des Klassizismus Rechnung, die sich sowohl auf Geschirr- als auch auf Vasenformen stark auswirkte, wie etwa die »Rhedensche Vase« mit ihren Henkelvarianten beweist.

Die Manufaktur gerät in wirtschaftliche Schwierigkeiten

Die Farbigkeit der Porzellane stellte einen Kontrast zur reichen Vergoldung dar, die, dem Vorbild von Sèvres folgend, großflächig und mit fein radierter Ornamentik ausfiel (und noch lange beibehalten wurde). Die KPM verwendete die gleichen Dekorsujets, die auch in Sèvres und Wien üblich waren. Nach der Besetzung Berlins durch die Truppen Napoleons I. geriet auch die KPM durch Beschlagnahme der Manufakturkasse und Produktionsforderungen ohne oder gegen geringe Entschädigung in große wirtschaftliche Schwierigkeiten, zumal der Absatz auf Grund der zurückgegangenen Nachfrage nachgelassen hatte.
     In der Tafelmalerei lässt sich ein verstärktes Interesse an der Wiedergabe Berlins erst wieder ab 1825 feststellen, nachdem an die Zyklen mit Berlin- Ansichten von Rosenberg und der Malerfamilie Fechhelm nicht angeknüpft worden war.

Neben Darstellungen von Straßen, Plätzen und neuen königlichen Bauten der preußischen Kapitale in der Druckgrafik finden sich nur vereinzelte Stadtansichten in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Im Gegensatz dazu entstanden bei der KPM schon früher Porzellane, die Ansichten aus Berlin zeigten. Ein frühes Beispiel stellt eine Tasse mit einer Ansicht des Platzes vor dem Zeughaus am Anfang der Straße Unter den Linden dar, die auf Grund des Malereizeichens auf den Zeitraum 1803 bis 1813 datiert werden kann. Ein Dessertteller von 1811-1813 zeigt eine recht belebte Ansicht des Opernplatzes (heute Bebelplatz) mit dem Königlichen Opernhaus von Nordwesten und der St. Hedwigskirche sowie am rechten Rand angeschnitten die Königliche Bibliothek. Ein Déjeuner (meist siebenteiliges Frühstücksgeschirr für zwei Personen) von 1813, das auf den klassizistisch ausgeformten Kannen und Tassen die gemalten Porträts der Familie Möhring zeigt, bietet auf einer Tasse auch eine Ansicht einer Berliner Straße, die mit »Das Vater Haus« bezeichnet ist. Auf den Unterschalen finden sich z. B. eine Ansicht des Brandenburger Tores und ein Stadtplan, der dem Schneider- Plan von 1798 nachempfunden ist. Hierin lässt sich die Bedeutung der Motive für den Auftraggeber ablesen: Die eigene Familie, die in den Porträts festgehalten wurde, und das »Vater-Haus«, das mit gleichem Stolz und bürgerlichem Selbstbewusstsein gezeigt wurde, erhielten einen privaten Denkmalcharakter, der noch von der antiken Porzellanform unterstrichen wurde.
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Die Heimatstadt wurde in ebensolchen Stand erhoben, wie dies mit dem Stadtplan im Allgemeinen und dem öffentlichen Bauwerk des Brandenburger Tores im Besonderen ausgedrückt werden sollte. Hier lässt sich eine Parallele zu den Radierungen Rosenbergs ziehen, die grundsätzlich das bürgerliche Berlin mit seinen Straßen und Plätzen zeigen und nur in wenigen Blättern das offizielle Berlin, die königliche Residenzstadt mit ihren repräsentativen Gebäuden.
     Einen enormen Aufschwung bei der Herstellung von Ansichtenporzellanen erlebte die KPM vor allem durch die königlichen Bestellungen nach dem siegreichen Ende der Befreiungskriege, wofür ein qualifizierter Malerstamm benötigt wurde. Aus diesem Grunde führte die KPM 1815 einen hauseigenen Zeichen- und Malunterricht ein, bei dem besonderer Wert auf die Ausbildung im perspektivischen Zeichnen gelegt wurde. Für dieses Fach war der Danziger Architekt Leopold Zielcke (1791-1861) zuständig. Unter seinen Schülern waren u. a. Eduard Gaertner (1801-1877), Johann Heinrich Hintze (1800-1861) und Wilhelm Schirmer (1802-1866), wobei vor allem Gaertner und Hintze hinsichtlich ihrer späteren Karrieren von diesem Unterricht profitierten.
Im Zuge der Bestellungen Friedrich Wilhelms III. von Prunkservicen und großen Tafelaufsätzen für die Heerführer der Befreiungskriege, die neben dem normalen Sortiment der KPM hergestellt wurden, befand sich auch eine Bestellung des Kurprinzen von Hessen- Cassel über das Tafelservice vom »Eisernen Helm«, das aus 1680 Einzelstücken bestand. Von den 100 Ansichtentellern der insgesamt 300 Dessertteller tragen 30 Berlin- Prospekte; darunter befinden sich die königlichen Bauten des Zentrums, aber auch eine Ansicht von Köpenick, des Schlosses Charlottenburg und der Bauten des Schlossgartens, der Pfaueninsel, von Schloss Schönhausen und Ansichten aus dem Tiergarten. Auf den dazugehörigen Tassen finden sich das neue Schauspielhaus, eine Innenansicht des Doms am Lustgarten und die Neue Münze.

Panoramen aufVasen und Schalen

Diese Aufträge stellten höchste Ansprüche vor allem an die Buntmalerei der KPM. Sie hatte nicht nur ihre Leistungsfähigkeit als königliches Unternehmen zu beweisen, sondern gleichzeitig den König als Bauherren zu loben.

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Indem die Bauten Berlins und Potsdams in den Veduten der KPM dem Herrscher gleichgestellt wurden, war dem Porzellanmaler von vornherein die Grenze seiner Kunst gesetzt: Die Vedute hatte sich so genau wie möglich an das vorgegebene Vorbild zu halten, weshalb die künstlerische Qualität allein auf der handwerklichen Sauberkeit der Ausführung beruhte. Damit hätte auch die Darstellung einer der rätselhaften Landschaftsansichten Carl Blechens (1798-1840) auf einem KPM- Vedutenporzellan niemals realisiert werden können.
     Rundpanoramen, die bereits im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts zum Repertoire der KPM gehörten, wurden auf Vasen, Tassen, Schalen und Tischplatten gemalt. Ihre Tradition auf Porzellan reichte bis zu den Anfängen der Porzellanmalerei im 18. Jahrhundert zurück. Bei der KPM entstand diese Art der Ansichtenmalerei erst aus der Beliebtheit der »perspektivisch- optischen Bilder« in Form von Panoramen oder Rundbildern. Königshaus wie Bürgertum begeisterten sich für die optischen Spielereien, für die in Berlin besonders Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) und Carl Wilhelm Gropius (1793-1870) verantwortlich zeichneten. Eine »Schale zum Drehen auf achteckigem Laubfuß«, die vermutlich ein Geschenk des Prinzen Carl von Preußen an den Petersburger Zarenhof gewesen ist und um 1826 entstanden sein dürfte, enthält ein um die Mitte herum gemaltes mehrfarbiges Panorama der Schloss- und Parkanlagen zu Klein- Glienicke.
Die Ansicht zeigt die Orangerie, das Schloss, die Kleine Neugierde und die Silhouette von Potsdam. Am besten geeignet für Panorama- Veduten waren die großen Vasen aus dem KPM- Sortiment, vor allem Kratere und Amphora- Vasen wie die »Münchner Vase«. Eine »Münchner Vase No. 3« von 1832 trägt die umlaufende Ansicht des Schlossgartens zu Charlottenburg mit dem Schloss und dem Belvedere. Sie wurde zusammen mit zwei »Münchner Vasen No. 2« mit Ansichten aus Potsdam (Sanssouci/Glienicke) und Berlin (Kreuzberg, siehe unser Titelbild) dem Zaren Nikolaus I. zum Geschenk gemacht.
     Mit seinem Entwurf einer »persischen Vase« anlässlich des Festzuges »Lalla Rookh« 1821, die 1823 von der KPM hergestellt wurde, hatte Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) schon einen gewissen Einfluss auf die Produktion der KPM genommen, damit aber den weiter vorherrschenden Empire- Stil nicht verdrängen können. Erst am Ende des Jahrzehnts, nachdem Friedrich Wilhelm III. für seine umfangreichen Bestellungen nach Künstlern für Dekorentwürfe außerhalb der KPM suchen ließ, machte sich das Wirken Schinkels und seiner Schüler und Mitarbeiter hier bemerkbar.
     Im Bereich der großen Prunkvasen waren die frühen »Münchner Vasen« Ende der 1820er Jahre noch ohne Henkel und fast vollständig vergoldet, wobei lediglich eine kunstvoll radierte, mattierte Goldornamentik neben dem farbigen Bildfeld für Abwechslung sorgte.
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Eine Weiterentwicklung ist auch in der »Münchner Vase« von 1836 mit dem Prospekt des Lama- Hauses (die andere Seite zeigt das Kavalierhaus) auf der Pfaueninsel für den Herzog von Nemours zu erkennen. Der Entwurf geht auf den Architekten Johann Heinrich Strack (1805-1880) zurück, der damit einen Standardtypus neben den zahlreichen einmaligen Sonderausführungen geschaffen hatte. Der teppichartige Dekor auf rotem Fond erinnert an die spätgotischen Ornamente des islamischen Granatapfelmusters.
     Neben Architekten wie Friedrich Wilhelm Ludwig Stier (1799-1856), der eine große Anzahl von Dekoren entwarf, seinem Bruder Friedrich Gustav Alexander Stier (1807-1888), der nur in einem Konvolut von Zeichnungen Carl Gottlieb Wilhelm Boettichers (1806-1899) für die KPM nachweisbar ist, und Friedrich August Stüler (1800-1865) sind auch der Malerei- Vorsteher der KPM, Gottfried Wilhelm Völcker (1775-1849), und der Lehrer für Ornamentik an der Kunstakademie, Boetticher, für Ornamententwürfe verantwortlich gewesen.
     Obwohl die KPM - wie die von Sèvres - eine Staatsmanufaktur war, war es ihr nicht möglich, ausschließlich den Hof zu beliefern und von staatlichen Subventionen zu leben. Da seit 1826 beim bemalten Porzellan das Etatsoll nicht mehr erreicht wurde und danach auch beim Kunstporzellan die Ausgaben höher waren als die Einnahmen, suchte der seit 1832 amtierende Manufakturdirektor
Georg Friedrich Christoph Frick (1781-1848), durch ein verstärktes Angebot von Massenartikeln zu niedrigen Preisen die Verluste wettzumachen und die weiterhin herausragende Stellung beim Luxusporzellan zu gewährleisten. Neben der Produktion von Industrieporzellanen und Gesundheitsgeschirr zählten zu den erfolgreichsten Massenartikeln die Lithofanien: aus Biskuitporzellan hergestellte transparente Lichtschirmplatten (auch Lampenglocken oder Fenstervorhänger), deren reliefierte Oberflächen im Gegenlicht verschiedene zeittypische romantische Motive wie auch Veduten zeigten und den Eindruck von Schabkunst- Bildern vermittelten. Allerdings überdauerte nur ein Bruchteil der Produktion des 19. Jahrhunderts.
     Zu den bedeutendsten Vedutenmalern gehörten Carl Daniel Freydanck (1811-1887) und Johann Christian Walter (1809-1859), die Frick beide 1832 aus der von ihm 1824 eingerichteten Grünmaler- Sparte unter Glasur zu den Buntmalern berief. Unter Fricks Leitung wurde der Herstellung von Ölgemälden, die als Vorlagen für Porzellanbilder dienen sollten, größte Aufmerksamkeit gewidmet, um die Porzellanmalerei auf das gleiche hohe Niveau zu bringen, das die Ölmalerei in Berlin - vor allem die Architekturmalerei - schon hatte. Nachdem die KPM ab 1838 zur Realisierung dieses Zieles über das erforderliche Porzellan verfügte, brachte der Thronwechsel 1840 der Manufaktur zeitweise einen erheblichen Rückgang an Aufträgen des Hofes.
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Dies konnte aber durch Intervention Fricks beim neuen König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861, König von 1840-1858) abgewendet werden. Es trat auch ein Wandel in der Motivwahl ein, nachdem die Residenz von Berlin nach Potsdam verlegt worden war. Bevorzugte Friedrich Wilhelm III. wegen seiner Bautätigkeit die Wiedergabe Berlins, legte Friedrich Wilhelm IV. verstärkt Wert auf die malerische Aufnahme der herrschaftlichen Bauten und Landschaften in Potsdam und Sanssouci sowie der am Rhein und in Schlesien gelegenen Anwesen.

Umfangreiche Sammlung von Vorlagen

In den 1830er Jahren verfügte die KPM bereits über eine umfangreiche Sammlung von Vorlagen für Ansichten auf Porzellan. Dazu gehörte nicht nur die Radierungs- bzw. kolorierte Kupferstichfolge Rosenbergs, sondern auch die Aquatinta- Serie von J. B. Hössel nach F. A. Calau (seit 1815 herausgegeben) und die Aquatinta- Blätter »Ansichten von Berlin, Potsdam, Charlottenburg und der Pfaueninsel« von Laurens und Dietrich, Thiele und Ludwig Meyer nach F. A. Calau und F. W. Delkeskamp (1794-1872), erschienen um 1825 bis 1832, sowie die 19 Blatt umfassende Folge von Radierungen »Prospecte der vorzüglichen Gebäude in Berlin« von P. Haas (1754 bis nach 1804) nach L. Serrurier (um 1790 entstanden).

Ab 1832 erschien in Berlin der erste in Deutschland verfasste Architekturführer: »Berlin und seine Umgebungen im 19. Jahrhundert« mit Texten des königlichen Hofbibliothekars Samuel Heinrich Spiker. Das Werk, kurz »Spiker« genannt, war illustriert mit Zeichnungen von Hintze, Gaertner, Friedrich Wilhelm Klose, Stock und Schwarz, die der Verleger George Gropius in London als Stahlstiche drucken ließ. Es umfasste sowohl die alte als auch die neuere Architektur wie etwa das Berlinische Rathaus oder die Bauschule von Schinkel.
     Eine Vorlagensammlung mit 36 Gemälden, die vorwiegend Sanssouci und die Potsdamer Umgebung, zwei Ansichten des Charlottenburger Schlosses und einige Berliner Motive zeigt, ist 1845 angelegt worden. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Werke Carl Daniel Freydancks, der bis 1848 im Auftrag der KPM arbeitete, dessen Motive aber auch teilweise vom König vorgegeben waren.
     Freydanck malte zwischen 1837 und 1848 eine Serie von 78 Ölbildern mit Ansichten von Berlin, Potsdam/Sanssouci und der Umgebung sowie Ansichten von Schlesien und der Rheinlande. Die Motive waren meistens repräsentative und königliche Gebäude wie Palais, Schlösser, Kirchen und Villen, auch Bauten für Kunst und Wissenschaft oder für Industrie und Verkehr wurden aufgenommen.
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Auffällig ist das Erfassen der Gebäude unmittelbar oder kurze Zeit nach dem Neu- oder Umbau, was auf die Absicht des Auftraggebers deutet, die Ansichten zu Ruhm und Ehre des Monarchen darstellen zu lassen.
     Freydancks Ansicht der Werderschen Kirche von 1839 ist auf Grund seiner eigenhändigen Beschriftung mit Namen und Datum als seine einzige Porzellanmalerei zu identifizieren. (Ein weiteres Bild mit der Ansicht der Münze in Berlin von 1840, deren Vorlage ebenfalls von Freydanck stammt, die allerdings verschollen ist, wird ihm zugesprochen.)
     Eine Berliner Spezialität stellen die Ostereier aus Porzellan dar, die sich seit 1819 bei der KPM nachweisen lassen. Übernommen wurden sie vom russischen Hof, der seit den Kriegen gegen Napoleon I. politisch und durch die Heirat der Prinzessin Charlotte von Preußen 1817 mit dem späteren Zaren Nikolaus I. mit dem preußischen Königshaus auch verwandtschaftlich verbunden war. Dort schenkte man sich zu Ostern bunte Eier, die über Charlotte (Zarin Alexandra Feodorowna) auch an ihre Familie in Preußen gelangten. Jedoch waren die russischen Eier aus Holz, während in Berlin Porzellan aus Gründen der Haltbarkeit, der Bemalung und der unterschiedlichen Nutzbarkeit (z. B. als Flakons) gewählt wurde.
     Auf den Veduten- Eiern findet sich das ganze Repertoire der Ansichten der KPM wieder, die auch auf andere Porzellane gemalt wurden. Ansichten von Berlin, Potsdam, Schlesien und der Rheinlande finden sich in ovalen oder rechteckigen Goldrahmen, die sich der spezifischen Form des Eis anpassen.

Spezialität aus Berlin: Ostereier aus Porzellan

 
Die Rückseiten tragen oft Ornamente wie Goldranken oder Kartuschen bzw. Medaillons mit Inschriften, die die Ansichten bezeichnen. Als Vorlagen dienten auch hierbei u. a. Gemälde von Freydanck oder die Stahlstiche nach Zeichnungen aus dem »Spike«. Ostereier wurden bis zum Ende der Hohenzollern- Dynastie bei der KPM hergestellt.
     Die Vedutenmalerei auf Porzellan wurde bei der KPM noch bis in die Jugendstilzeit betrieben, ohne jedoch an die Erfolge der ersten Jahrhunderthälfte anknüpfen zu können.

Bildquelle: Katalog Berlin- Museum, Kunstgewerbe I und Keramik, bearbeitet von Dietmar Jürgen Ponert, Berlin 1985

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 10/2000
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