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Hans Hauser
Stier und Preußenadler friedlich vereint

Restaurierte Sänfte von Sophie Luise in Charlottenburg ausgestellt

Leute von Rang und Stand benutzten vor 300 Jahren die meist ziemlich verschlammten und holprigen Straßen nur ungern. Man ließ sich, schon aus Statusgründen, in vergoldeten Karossen kutschieren oder in kostbar dekorierten Sänften tragen. Portechaisen waren auch bequem auf langen Wegen durch dunkle Paläste.
     Eine vergoldete Sänfte blieb von der dritten Gemahlin des preußischen Königs Friedrich I. erhalten. Viel Freude hatte der alternde und kränkliche Herrscher an seiner »mecklenburgischen Venus« Sophie Luise von Mecklenburg- Schwerin (1685-1735) nicht mehr, wie Schmeichler die neue Königin nannten. Nach der prunkvoll gefeierten Hochzeit im November 1708 blieben dem Herrscher wenige Jahre, er starb bereits 1713, seinem Land einen Berg von Schulden hinterlassend.
     An Sophie Luise erinnert in Berlin nur die von ihr gestiftete und 1712/13 erbaute Sophienkirche, sodann gibt es gemalte Porträts,


Die restaurierte Sänfte der Königin Sophie Luise, gebaut 1708

einige Medaillen und eben die kostbar ausstaffierte Sänfte, das älteste Tragmobil in der Sammlung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin- Brandenburg. Vermutlich wurde der Holzkasten aus Anlass der Vermählung mit Friedrich I. gefertigt, das aufgemalte preußisch- mecklenburgische Allianzwappen deutet auf freundschaftliche Verbindungen beider Fürstenhäuser.

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Unter der Königskrone haben sich der schwarze Preußenadler und der mecklenburgische Stier friedlich vereint. Monogramme des Königspaars schmücken die Klammern, durch die die Sänftenträger ihre Holzstangen gesteckt haben. Die Rückfront wird von einer Reliefstickerei auf rotem Samt mit Krone über ineinander verschlungenen Buchstaben bedeckt.

Einzigartiges Zeugnis barocker Hofkultur

Solch eine Sänfte war ein ausgesprochenes Luxusobjekt. Sie dürfte um die 380 Taler gekostet haben, was einem heutigen Wert von 76 000 Mark und damit dem Preis einer Nobelkarosse entspricht.
     Etwas weniger hat die Restaurierung gekostet, die von der auf Denkmalschutz spezialisierten Berliner Ernst-Freiberger- Stiftung finanziert wurde. Dabei wurden Risse geschlossen und Malschichten gefestigt, auch wurde das Schnitzwerk ergänzt und im Inneren die hellgelbe Stoffbespannung erneuert.
     Unbekannt sind die Handwerker und Künstler, die 1708 dieses einzigartige Zeugnis barocker Hofkultur gebaut und dekoriert haben. Lediglich lassen sich Einflüsse französischer Ornamentstecher nachweisen. Unbekannt ist auch, wie sich die mit üppigen Kleidern gewandete Dame in die doch recht schmale Sänfte zwängte.

Um Gefahr von der hochgetürmten Perücke samt Hut und Kopfputz abzuwenden, wurde das Sänftendach schräg nach oben geklappt. Bei Luftknappheit konnte man sogar die Fenster mit einem Lederriemen herunter lassen, so wie man es bei älteren Eisenbahnwaggons noch kennt.

Sie untersagte Tanz und Komödien

Neben der berühmten Sophie Charlotte von Hannover (1668-1705), Friedrichs zweiter Gemahlin, die in Charlottenburg einen Musenhof unterhielt und mit berühmten Leuten, darunter dem Philosophen und Berliner Akademiepräsidenten Leibniz (1646-1716), korrespondierte und parlierte, nahm sich die Schweriner Herzogstochter eher kümmerlich aus. Ihr Dasein bei Hofe muss freudlos gewesen sein.
     Zeitgenossen verargten der jungen Königin, dass sie Vergnügungen wie Tanz, Komödien und Glücksspiele bei Hofe untersagte und sich statt dessen stundenlang zum Beten einschloss, was als beginnender Wahnsinn gedeutet wurde.
     Dass sie ihrem Gatten Pfeifen anstecken durfte, ihm jeden Willen erfüllte und »ein Pläsier« an allem nahm, was dem König Freude bereitete, wie dieser bemerkte, ist kein Kriterium für ein ausgefülltes Dasein.

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Sie erschien als weiße Frau im Schloss

Anfang 1713 erschien Sophie Luise weiß gekleidet und nach einem Zusammenstoß mit einer Glastür im Berliner Schloss blutüberströmt im Schlafzimmer ihres Gemahls, worauf der sich zu Tode erschreckte und bald darauf, immer noch aufs Höchste verängstigt, die Unglückliche nach Grabow in ihre Heimat zurück schickte, wo sie, endgültig dem Wahnsinn verfallen, im Jahr 1735 starb.
     Der Sage nach soll das Auftauchen der »weißen Frau« einen Todesfall angekündigt haben, und tatsächlich starb Friedrich I. schon wenige Wochen später.
     Die Sänfte hat Sophie Luise überdauert. Sie kann jetzt im Boisierten Kabinett hinter der mit üppiger Schnitzerei und königlichen Ahnenbildern geschmückten Eichengalerie des Schlosses Charlottenburg bewundert werden.
     Nächstes Jahr wird das vergoldete Tragmobil mit weiteren Zeugnissen höfischer Lebensart in der großen Ausstellung »Preußen 1701 - Der Weg nach Europa« anlässlich der Dreihundertjahrfeier des preußischen Königtums erneut präsentiert. Später will die Preußische Schlösserstiftung ihre Sänften, Schlitten und Staatskarossen in einem eigens eingerichteten Marstall- Museum zeigen. Doch bis dahin ist an den königlichen Fortbewegungsmitteln noch einiges zu restaurieren.

Die Sänfte wird im Boisierten Kabinett des Schlosses Charlottenburg Dienstag bis Freitag 9-17 Uhr, Samstag und Sonntag 10-17 Uhr gezeigt.

Foto: Autor

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 10/2000
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