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Peter Hoffmann
Zur Vorgeschichte der Topographie

Der Beitrag von Hans-Heinrich Müller »Mark Brandenburg statistisch erfaßt« (BM 5/00) verlangt nach einer Ergänzung: Bratrings »Topographisch-statistische Beschreibung der gesamten Mark Brandenburg« hatte eine durchaus beachtenswerte Vorgeschichte, sie bildete gewissermaßen den Abschluss einer Entwicklung, die bis in das erste Viertel des 18. Jahrhunderts zurückzuverfolgen ist. Am Anfang steht ein in diesem Zusammenhang sicherlich nicht erwarteter Name - Jakob Paul von Gundling (1673-1731), der als Hofnarr des Soldatenkönigs traurigen Ruhm erlangte. Aus seiner Feder stammte der 1724 in Potsdam veröffentlichte erste Überblick: »Brandenburgischer Atlas oder geographische Beschreibung der ChurMark Brandenburg und des dasigen Adels«. Ihm folgte 1751 das zweibändige Werk von Johann Christoph Bekmann »Historische Beschreibung der Chur- und Mark Brandenburg nach ihrem Ursprung, Einwohnern, Stäten [!]«.
     Im Geiste der Zeit handelte es sich bei diesen Veröffentlichungen um allgemeine kompilative Landesbeschreibungen, denen noch das Bestreben fehlte, einen vollständigen und bis in das Detail richtigen Überblick des beschriebenen Territoriums zu vermitteln.

Eine neue Qualität wurde mit Anton Friedrich Büsching (1724-1793) erreicht, der als einer der Vorläufer der wissenschaftlichen Geografie auch heute noch in größeren Lexika verzeichnet wird. Seit 1765 war er Direktor des Grauen Kloster.
     Büsching war ein ungemein fleißiger Arbeiter. Er fand neben den Verpflichtungen als Schulleiter und als Oberkonsistorialrat die notwendige Zeit und Energie zu vielfältigen wissenschaftlichen, überwiegend geografisch-historischen Publikationen. Seit 1754 veröffentlichte er seine »Neue Erdbeschreibung«, die erste umfassende, nach administrativen Gesichtspunkten angeordnete Beschreibung, von der er für Europa und große Teile Asiens insgesamt fünf Teile in elf immer wieder überarbeiteten Bänden (die ersten Bände in acht Auflagen!) selbst ausgearbeitet hat. Die Mark Brandenburg hat er hier im Dritten Teil (in der letzten Bearbeitung mit neuer Bandzählung Band 9) beschrieben. In Weiterführung dieser Arbeit veröffentlichte er 1774 in Berlin eine »Vollständige Topographie der Mark Brandenburg«. Schon im Titel findet sich der für seine Zeit neue Anspruch der Vollständigkeit, auch wenn er selbst schon bald zugeben musste, dass er dieses Ziel noch nicht erreichen konnte. 1775 schreibt er in der »Beschreibung seiner Reise von Berlin über Potsdam nach Rehkahn unweit Brandenburg, welche er vom dritten bis achten Junius 1775 gethan« hat, dass in der »Vollständigen Topographie das Amt Fahrland ich weiß nicht durch welchen Zufall ... ganz vergessen worden, obgleich die dazu gehörigen Örter in der Topographie selber stehed«.
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Mit seiner Publikation hatte Büsching einen Bann gebrochen. Auf direkte Weisung Friedrichs II. wurde von Johann Friedrich Goldbeck (1748-1812) die - ebenfalls in einem Reprint vorliegende »Volständige [!] Topographie des Königreichs Preußen« herausgegeben, deren Autor sich direkt auf Büsching beruft. Das Werk erschien 1787, ein Jahr nach dem Tode Friedrich II. Und auch über den brandenburgischpreußischen Raum hinaus wirkte Büschings Werk anregend. So hat Urban Friedrich Christoph Manecke in seiner im Manuskript überlieferten und erstmals 1988 gedruckten, bereits 1798 fertig gestellten »Topographisch-statistisch-historischen Beschreibung der Grafschaften Hoya und Diepholz, auch des Amtes Wildeshausen« (Landschaften am Mittellauf der Weser, die heute zu Niedersachsen gehören) Büsching ausdrücklich als sein Vorbild genannt.
     Mit seinem großen Werk hat Bratring an Vorarbeiten anknüpfen können. Wie Müller herausarbeitet, standen ihm offizielle Materialien des Generaldirektoriums zur Verfügung, die er offensichtlich auch in großem Umfang genutzt hat. Seine Vorgänger mussten sich, da derartige Angaben vielfach als »vertraulich«, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt betrachtet wurden, noch dagegen wehren, dass sie mit ihren Publikationen »Geheimnisverrat« begingen. Büsching musste sich die Angaben überwiegend durch seinen immensen Briefwechsel beschaffen.
Darauf deutet seine Klage hin, dass der gleiche Ort oft unterschiedlich benannt wird - vom Amtmann anders als vom Pfarrer, in amtlichen Dokumenten oft anders als in der Umgangssprache. Noch gab es ja die heute übliche offizielle Normierung der Ortsnamen nicht.
     Auch wenn weder Büsching noch Bratring auf ihre Vorgänger hingewiesen haben und wenn heute für Brandenburg zu Recht die dreibändige umfassende in einem Reprint zur Verfügung stehende Publikation von Bratring besonders hervorgehoben wird, sollten auch die Verdienste der Vorläufer entsprechend gewürdigt werden.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 10/2000
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