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Heinz Haase
Die Berliner Fischereiaufsicht von anno dunnemals

Wer heute auf der Wendenschloßstraße an der Köpenicker Altstadt vorbei am »Kietz« in Richtung Wendenschloß wandert, trifft, zwischen dem Mayschweg- und der Dregerhoffstraße gelegen, auf die Pritstabelstraße. Pritstabel (mögliche Schreibweisen auch Pritzstabel oder Pritztabel) war der slawische Begriff für einen Fischereiaufseher. Jahrhundertelang nahm der so genannte »Pritztabel« im Fischereiwesen der Stadt eine bedeutende Rolle ein.
     Fischereiaufseher wurden in der damaligen Zeit immer notwendiger, weil die Verhältnisse sowohl in den Städten als auch auf dem Lande außerordentlich verworren waren. Staatliche, guts- und grundherrliche Rechtsnormen und Privilegien, landesherrliche und obrigkeitliche Verteilung, Gemeindeeigentum, kirchliches Eigentum und Erwerb von anteiligen Fischereirechten an den an Grundstücken angrenzenden Gewässern sowie Besitz von Gewässern oder Gewässerteilen durch


Die Pritstabelstraße hat ihren Namen über Jahrhunderte behalten

Vererbung hatten nicht nur nachteilige Einflüsse auf die Bewirtschaftung der Gewässer, sondern leisteten Übergriffen der am Fischreichtum nicht beteiligten Bevölkerungsschichten Vorschub. Mehr und mehr machte sich zum Erhalt der Fischbestände eine Fischereiaufsicht notwendig.
     Zum ersten Mal erscheint ein »Pritztabel« in der märkischen Geschichte. Er wurde 1375 im Landbuch Kaiser Karls im Dorfe Damelang in der Zauche erwähnt.

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Historiker gehen davon aus, dass die überwiegend slawisch sprechende Bevölkerung des Dorfes ihren Schulzen mit dem slawischen Wort »Pritztabel« benannte. Später haben die noch zum Teil slawisch sprechenden Fischergemeinden, die an den markgräflichen Gewässern zu Köpenick lagen, den ihnen vom Markgrafen gesetzten Aufseher »Pritztabel« genannt. Dieser Ausdruck bürgerte sich allmählich ein und übertrug sich später auf die anderenorts eingesetzten Fischereiaufseher.
     In Köpenick findet sich der Name »Pritztabel« für einen Fischereiaufseher erstmalig 1487. Dieser versah hier die Aufsicht über die zum Schlosse Köpenick gehörenden Gewässer und ging gegen unrechtmäßige Ansprüche der Gemeinde Rahnsdorf vor. Im Jahre 1591 gab es in Köpenick zwei Pritztabel, den »alten« und den »jungen«, Vater und Sohn. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts treffen wir dann auf der Unterspree einen Pritztabel an, der zugleich als »Garnschreiber« über die Erträge des großen Garns (Zugnetz) Rechnung zu führen hatte.
     In ununterbrochener Folge scheint sich über Jahrhunderte das Pritztabelamt in Köpenick entwickelt zu haben, denn bis in das 19. Jahrhundert hinein läßt sich unter dieser Bezeichnung die Tätigkeit der Fischereiaufseher nachweisen. Nach einer Aufzeichnung von 1800 hatte ein Pritztabel Namens Peter Friedrich die Aufsicht über folgende dem Köpenicker Amt gehörenden Gewässer:
»Der Müggel, die Spreegewässer, die Heidegewässer bei Wendisch Woltersdorf, bei dem Erckner, oberhalb Rahnsdorf, mit dem großen Garn bei Schmöckwitz, in der Lake daselbst, die Schmöckwitzer Wehrfischerei, die Fischerei bei Ziethen, die beiden Wehre bei Zernsdorf, die Fischerei in der Spree und den Feldpfühlen bei Mahlsdorf und Glienicke, die Amtsfischerei auf der Spree und die Rudowsche Fischerei.« Außerdem besuchte dieser Pritztabel die Berliner Fischmärkte, um den Verkauf zu kleiner Fische zur Anzeige zu bringen.
     Aus dem Jahre 1649 ist der Inhalt eines Patents für Pritztabel überliefert, woraus ihre Befugnisse deutlich werden. Jedem Pritztabel wird »allen Ernstes und bei Verlust seines Dienstes anbefohlen«, darauf acht zu geben, dass alle Inhaber von Fischereigerechtsamen die Fischereiordnungen von 1551 und 1574 einhalten.
     Besonders sei auf die »vom Adel« zu achten, die sich neue »Grusegarne« zugelegt hätten; ferner sei durch »Hechtschlagen, -stechen und -schleifen das Wasser arg verwüstet«. Auch sollen die Netzmaschen mit dem »eisernen Spahn allenthalben« untersucht werden.
     Trifft der Pritztabel jemand bei »ungebührlicher« Fischerei, so soll der Betreffende mit »20 Talern unnachlässig« bestraft werden, und zeigt er sich ferner ungehorsam, soll man ihm die »Fischereigerechtigkeit aberkennen«.
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Die Raubfischer, welche »nicht vermögend sind 20 Taler Strafe zu zahlen«, seien in Haft zu nehmen. Damit sich jeder vor Schaden hüten könne, muß der Pritztabel dieses Patent überall kundtun.
     Wenig Kopfzerbrechen bereitete den Ämtern die Entlohnung der Pritztabel, denn lange Zeit waren sie auf völlig unzureichende Gehälter angewiesen und belasteten das Staatssäckel nur geringfügig. So erhielt der Pritztabel zu Spandau zu Beginn des 18. Jahrhunderts 12 Taler 12 Groschen und der zu Köpenick sogar nur 7 Taler jährlich. Zeitweilig erhielten sie lediglich von jedem Fischer ein Huhn, 15 Eier und einen Schilling. Durch diese Verhältnisse waren die Pritztabel gezwungen, Fischerei und andere Gewerbe zu betreiben oder sich von unerlaubten Nebenarbeiten zu ernähren. Das Ansehen der Pritztabel litt darunter sehr, und ihr Einfluss auf die Fischer ging immer mehr zurück.
     Die Behörden, nunmehr mit diesen Zuständen konfrontiert, strebten 1748 eine Neuregelung an. Danach sollte für den Köpenicker Pritztabel ein Gehalt von 50 Talern gezahlt werden und alle Nebenerwerbe entfallen. Nach diesem Entwurf sollten »nur treue Leute, des Lesens und Schreibens ziemlich kundig und in Fischereisachen vollkommen«, angestellt werden. Doch die beabsichtigten Regelungen scheiterten an den Versuchen, das Gehalt in dieser Höhe aufzubringen.

Friedrich III. »von Gottes Gnaden Marrggraf zu Brandenburg, ...« erließ 1690 eine »erneuerte Fischer- Ordnung«.

1754 schließlich wurde eine Verordnung erlassen, wonach ein Bauer oder voller Fischer sechs Groschen, ein Kossäte (Kleinbauer) und kleiner Fischer drei Groschen jährlich dem Pritztabel beisteuern sollte. Aber auch diese Verordnung wurde nie im vollen Umfang wirksam.
     Hinsichtlich ihrer Besoldung durch die Behörden finden wir zu Beginn des 19. Jahrhunderts dieselben Verhältnisse wie 100 Jahre zuvor: Der Spandauer Pritztabel erhielt 1805 vom Amt Spandau nach wie vor 12 Taler 12 Groschen und der Köpenicker 7 Taler. Allerdings verbesserten sich im 19. Jahrhundert durch die freiwillig, doch unterschiedlich hoch aufgebrachten Zuschüsse der Fischer die Einkommen.

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Danach verfügten die Pritztabel 1820 über ein Jahreseinkommen von 115 Talern und 6 Groschen. 1867 entschloß man sich schließlich, die Pritztabel in die Domänenverwaltung zu übernehmen, womit zugleich eine Gehaltsaufbesserung verbunden war.
     In dieser Zeit wuchs die Verantwortung des Staates gegenüber dem Fischereiwesen, und man befasste sich mit folgendem gedanklichen Hintergrund: »Es ist höchste Zeit, die staatliche Sorge, die der Landwirtschaft bis zur Hühner-, Kaninchen- und Bienenzucht gewidmet wird, auch der Fischerei und Fischzucht zuzuwenden, besonders den staatlichen Schutz gegen die Übergriffe da angedeihen lassen, wo er noch fehlt. Stützen wir das Fischergewerbe durch genügend zahlreiche und gut vorgebildete Fischereiaufsichtsbeamte, machen es stark und leistungsfähig, so wird es dem Vaterlande zum Segen und uns zur Freude gereichen.«
     Am 30. Mai 1874 erfolgte dann auch eine Neuregelung der Fischereigesetzgebung im Sinne einer Fischereipolizei. Keine Pritztabel, sondern »Königliches Fischereiaufsichtspersonal« wachte nun über das Geschehen an den Gewässern, in »Preußens Glanz und Gloria«, versteht sich. So erfolgte 1877 die Uniformierung und 1879 die Bewaffnung der Fischereiaufsichtsbeamten. Die Uniform bestand aus einem dunkelblauen kurzen Oberrock mit Umfallkragen aus schwarzem Samt und drei Reihen vergoldeter Ankerknöpfe zu je sechs Stück, auf den Schultern Epaulettenhalter mit goldener, hellblau durchwirkter Tresse, Abzeichen mit zwei goldgestickten gekreuzten
Neptunstäben in jeder Ecke des Kragens, dunkelblauen Beinkleidern, dunkelblauer Mütze mit schwarzem Samtstreifen, schwarzlackiertem Schirm und Sturmriemen sowie, ganz wichtig, preußischer Kokarde.
     Am 16. April 1879 erging dann noch die folgende Verfügung des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, Friedenthal, zur Bewaffnung der Fischereiaufsichtsbeamten: »Mit allerhöchster Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers und Königs bestimme ich, daß diejenigen Fischereiaufsichtsbeamten, welche eine etatsmäßige Stelle als Oberfischmeister oder Fischmeister bekleiden oder kommissarisch verwalten, mit Revolverpistolen ausgerüstet werden. Die Kosten der Anschaffung der Schußwaffe sowie des Leibriemens werden aus der Staatskasse bestritten, dagegen hat jeder Beamte etwaige Reparaturkosten sowie die Kosten für Schieß- und Putzmaterial auf die ihm gewährte Entschädigung für den Dienstaufwand zu übernehmen.« Seitengewehre waren diesem Personenkreis sowieso schon verliehen. Nun erst, mit Revolverpistole und Seitengewehr, war der »Königliche Fischereiaufseher« komplett ausgerüstet.
     Stellt sich uns die Frage, was hatte er denn zu tun, und worauf hatte er zu achten? Das bekam er genau vorgeschrieben. Unter dem Leitspruch: » Ein kenntnisreicher Schutzbeamter erhält und erwirbt, ein unwissender vergeudet und verdirbt«, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts die »Dienstvorschrift für Fischmeister, Fluß-, Teich- und Fischereiwärter« herausgegeben.
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Einige Passagen aus dieser Vorschrift geben nicht nur Einblick in diese Festlegungen, sondern zeigen zugleich ihre »preußische Gründlichkeit«. Zu den Gegenständen, die zum Dienstgebrauch übergeben wurden, gehörten das Fischereigesetz, das Wassergesetz, ein Netzmaß, ein 25 m langes Stahlband (Rolle), ein Gelenkmaßstab von 2 m Länge, ein 5 m langer Maßstock, ein Thermometer in einer Blechhülse, sechs Literflaschen aus weißem Glas zur Entnahme von Wasserproben, vier weiße Gläser für Schlammproben, zwei Ottereisen mit Ketten. Die Beamten hatten also ganz schön zu schleppen.
     In der Dienstvorschrift ist ferner formuliert: »Die Ihnen zur Beaufsichtigung überwiesene Flußstrecke haben Sie täglich ganz - oder teilweise zu begehen, je nachdem die Umstände es mit sich bringen oder je nachdem es von Ihrem Vorgesetzten angeordnet wird. Ihre Dienstzeit wird auf täglich 10 Stunden, in den Monaten November, Dezember, Januar auf 9 Stunden festgesetzt. Zum Besuch des Gottesdienstes oder zur Erholung haben Sie einen Sonntag im Monate ganz, die anderen zur Hälfte frei. Sie werden ersucht, mir alljährlich bis zum ... ein Verzeichnis derjenigen Personen einzureichen, denen die Fischer- oder Angelkarte verweigert werden kann: 1. wegen Bettelns oder Landstreichens, Contrebande oder Zolldefraudation, Verletzung der Fischereigesetze oder der dazu erlassenen Verordnungen, wegen unberechtigten Fischens oder wegen Diebstahl von Fischen, Beschädigung von Fischereianstalten oder Vorrichtungen, insoweit diese Personen innerhalb der letzten drei Jahre rechtskräftig verurteilt worden sind. 2. wegen einer rechtskräftig gewordenen Verurteilung zu Zuchthaus.«
Die Vorschrift verlangte viel vom Aufsichtspersonal, so u. a. die genaue Kenntnis über die im Revier »vorkommenden Fischarten, ihr Geschlecht, ihr Alter, ihre Lebensweise, ihre Bedürfnisse, ihre Wohnplätze und Verstecke, ihr Wachstum, ihr Liebesleben, ihre Krankheiten und Feinde«.
     Und wer das Liebesleben der Fische zum Nachteil ihrer erhofften Nachkommenschaft störte, mußte wohl auch schon seinerzeit mit empfindlicher Strafe rechnen.

Literatur:

M. Arand, Die Geschichte des Fischereiwesens in Berlin und Stralau bis zur Einführung der Gewerbefreiheit, Berlin 1931

G. Breuhahn, Das preußische Fischereigesetz, Berlin 1918

A. Doell, Dienstvorschriften und Dienstaufträge für Fischmeister, Fischerei-, Fluß-, Teich- und Fischereiwärter, Berlin 1908

Heinz Haase, Faszination Fisch Geschichtliches zum Fisch und seinem Fang (für Oktober 2000 angekündigt von Findling Verlag, Neuenhagen)

Bildquelle: Archiv Autor

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 10/2000
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