59   Probleme/Projekte/Prozesse Stadt unterm Hakenkreuz  Nächstes Blatt
Herbert Schwenk
Die »magische Stadt« unterm Hakenkreuz

Die Reichshauptstadt im Spiegel der Statistik des Jahres 1937

Berlin beging 1937 die 700-Jahr- Feier der urkundlichen Ersterwähnung von Cölln an der Spree als einer der beiden Keimzellen der Stadt. Die in der 20er Jahren zu Weltgeltung gelangte Metropole war nun zum Zentrum des faschistischen Terrors und der Kriegsvorbereitung, aber auch des Widerstandes gegen die NS- Diktatur geworden. 1937 hatte Adolf Hitler (1889-1945) auf dem Nürnberger Parteitag der NSDAP seine Vorstellungen eines »germanischen Reiches« mit Berlin als in »Germania« umbenannter 10-Millionen- Hauptstadt entwickelt. Zur Verwirklichung seiner abenteuerlichen Pläne hatte Hitler im Jahr des Stadtjubiläums Albert Speer (1905-1981) zum »Generalbauinspektor für die Neugestaltung der Reichshauptstadt« berufen. Bereits ein Jahr später legte Speer seinen Generalbebauungsplan vor - und weitere sieben Jahre später lag Berlin in Trümmern.
     Die Berliner lebten indes überwiegend ihren Alltag weiter. »Ich empfinde Berlin als eine magische Stadt«, brachte 1937 die bekannte

Schauspielerin am Staatstheater Berlin Hermine Körner (1882-1960) das Lebensgefühl in jener Zeit zum Ausdruck. »Magisch, weil sich in ihr Träume, Sehnsüchte, Erfolg, Versagung, Beglückung und Verzweiflung mischen, weil sie Erfolge zaubert. Über Nacht wirft sie euch auf die Drehscheibe der Aktualität - behauptet euch! Berlin belohnt und betrübt, Berlin läßt leben und sterben, aber immer bleibt Sehnsucht lebendig, in seinem Atmosphärenkreis zu wirken.«

Drittgrößte Stadt der Welt

Im Durchschnitt des Jahres 1937 lebte in Berlin eine Bevölkerung von 4 283 500 Einwohnern (Jahresende: 4 314 432) auf einer Stadtgebietsfläche von 88 362,2 ha, deren innere Verwaltungsgrenzen am 1. April 1938 die größte Veränderung seit 1920 erfahren sollten. Die Einwohnerdichte von 48,5 (Jahresende 1937: 48,8) Einwohner pro ha hatte sich gegenüber 1920 verstärkt (43,3) und lag deutlich über der heutigen (1998: 38,2). Berlin war 700 Jahre nach seiner Ersterwähnung zur drittgrößten Stadt der Welt nach New York mit 7,434 (mit Vororten 10,901) Mill. und Tokio mit 5,876 Einwohnern aufgerückt. 1937 wurden noch 34,2 % der Stadtfläche landwirtschaftlich genutzt, heute nur 6,0 %; die Waldfläche machte damals 18,7 % aus, heute 17,6 %; auf Straßen und Plätzen im Bereich der Stadt standen zu jener Zeit noch 418 168 Bäume, heute 411 517, fast 7 000 weniger.

BlattanfangNächstes Blatt

   60   Probleme/Projekte/Prozesse Stadt unterm Hakenkreuz  Voriges BlattNächstes Blatt
Vor allem aber war Berlin zum Zentrum der Nazidiktatur geworden. Hier hatten alle wesentlichen Kommandostellen des Staats- und Terrorapparates, der Gliederungen und Dienststellen der NSDAP und ihr angeschlossener Verbände sowie die Gauleitung Berlin der NSDAP

(10 Kreise mit zusammen 236 Ortsgruppen und einem Stützpunkt) ihren Sitz. Die Organisationen zählten Zehntausende Mitglieder und verfügten über umfangreiche Verwaltungsapparate, beispielsweise der Reichsluftschutzbund in 22 Ortsgruppen 897 077 Mitglieder, der NS- Deutscher Reichskriegerbund (Kyffhäuserbund) e.V., Landeskriegerverband Ost, in 8 Kreisverbänden 53 309 Mitglieder, der Volksbund für das Deutschtum im Ausland in 20 Bezirken rd. 40 000 Mitglieder (ohne Schulen), der Reichskolonialbund, Gauverband Berlin, in 12 Kreisverbänden 66 554 Mitglieder, der Nationalsozialistische Deutsche Ärztebund e.V., Gau Berlin, rd. 1 650 Mitglieder bzw. Mitgliedsanwärter, die NS- Volkswohlfahrt, Gau Berlin, in 20 Kreisen sogar 476 840 Mitglieder usw.
     In der Bevölkerungsbewegung setzte sich auch 1937 der seit 1934 anhaltende Geburtenüberschuss mit 5 025 - der höchsten Zahl seit 1921 - fort. Die Zahl der Lebendgeborenen betrug 1937 in Berlin 60 874 (das entsprach 14,2 Promille der Bevölkerung) und die Zahl der Gestorbenen (ohne Totgeborene) 55 849 (13,0 Promille der Bevölkerung); darunter waren 3 610 Kinder unter einem Jahr. Die Zahl der Eheschließungen lag bei 45 768 und die der Ehescheidungen bei 9 063 (1931: 7 932).
BlattanfangNächstes Blatt

   61   Probleme/Projekte/Prozesse Stadt unterm Hakenkreuz  Voriges BlattNächstes Blatt
An der Spitze der Todesursachen standen 1937: Herzkrankheiten (9 816), Krebs und andere bösartige Neubildungen (8 010), Gehirnschlag (6 021), Lungenentzündung (4 190) Tuberkulose (3 841), Gefäßkrankheiten (3 129), Selbsttötung (1 879) und Altersschwäche (1 579). Die Suizidrate erreichte mit 4,41 je 10 000 Einwohner den niedrigsten Stand seit 1931 (ebenfalls 4,41). Während 1931-1934 in Berlin noch ein Überschuss an Fortzügen gegenüber den Zuzügen bestand, gab es seitdem wieder einen Zuzugsüberschuss; 1937 erreichte er mit 41 847 die höchste Zahl (290 603 Zugezogene gegenüber 248 756 Fortgezogenen). Die Zahl der in Berliner Privatwohnungen polizeilich gemeldeten Ausländer betrug Ende 1937 104 402 und 1938 91 016. Nach den Jahren der Bevölkerungsabnahme Berlins von 1931-1934 nahm die Zahl der Einwohner seit 1935 wieder zu: 1937 um 46 872. Übrigens konnte dies den Trend des Rückgangs der Zahl der Hunde nicht umkehren: 1937 gab es nur noch 80 166 versteuerte und 19 461 steuerfreie Hunde (1930 waren es noch 152 459 bzw. 31 533).

Kanonen statt Butter

Im Lebensmittelverbrauch wurde zunehmend die NS- Politik »Kanonen statt Butter« spürbar. Die Berliner verbrauchten 1937 im Durchschnitt pro Einwohner 32 kg Mehl (35,4 je »Vollperson«) oder 51 (je »Vollperson« 57) Stück Brote (zu je etwa 1 250 g),

das bedeutete wöchentlich pro Kopf etwa ein Brot. Der Kartoffelverbrauch lag durchschnittlich bei 124 kg pro Einwohner oder 137,5 kg je »Vollperson«, wobei die Bedarfsdeckung zu etwa 90 % durch Zufuhren von auswärts erfolgte. Der Pro-Kopf- Milchverbrauch belief sich 1937 auf täglich 0,226 Liter (jährlich 82,5 Liter). Berlin wurde 1937 mit 635,9 Mill. Eiern beliefert, davon waren rd. 12 % Kühlhauseier.

BlattanfangNächstes Blatt

   62   Probleme/Projekte/Prozesse Stadt unterm Hakenkreuz  Voriges BlattNächstes Blatt
Während der Pro-Kopf- Fleischkonsum in Berlin 1928 noch bei rd. 75 kg lag, war er 10 Jahre später auf etwa 61 kg gesunken. Zu 91 % deckte Berlin seinen Bedarf an Fleisch im Inland, vor allem aus Pommern (41 %), Brandenburg (14 %) und Mecklenburg (13 %). Außerdem wurden 1937 pro Einwohner (in Klammern pro »Vollperson«) verbraucht: 71,9 (79,6) kg Obst und Gemüse; 24,6 (27,2) kg Fette und Käse, wobei zunehmend Butterläden »geschlossen hinter dem Führer standen«, wie die Berliner witzelten; 23,2 (25,7) kg Zucker; 7,2 (8,0) kg Nährmittel, Reis und Hülsenfrüchte; 4,0 (4,4) kg Kaffee und Kaffee- Ersatz. Der traditionell hohe Bierverbrauch in Berlin lag 1937 nur noch bei 3,992 Mill. 201 hl (1929: 5,956 Mill. hl), das waren durchschnittlich rd. 93 Liter pro Einwohner. Auch die Zahl der Schankstätten war rückläufig: 1937 zählte Berlin 10 233 Schankwirtschaften mit voller Konzession, 1 226 Schankwirtschaften mit beschränkter Konzession, 1 887 Schankstätten für alkoholfreie Getränke und 4 607 »zum Kleinhandel mit Spirituosen in versiegelten oder verkapselten Flaschen zugelassene Betriebe« - zusammen 17 953 (1932: 19 816), im statistischen Durchschnitt je 321 (1932: 282) Einwohner ein Schankbetrieb (ohne Kleinverkaufsstellen). Von den Tabakwarenherstellern wurden im Rechnungsjahr 1936/37 im Oberfinanzbezirk Berlin 5,154 Mrd. Zigaretten und 164 Mill. Zigarren versteuert. Die Kleinhandelspreise für Lebensmittel zogen zwischen 1934 und 1937 im Allgemeinen an. 1937 kosteten zum Beispiel (je kg Reichspfennige [Rpf]): Schweineschnitzel 265, Rinderfilet 354, Jagdwurst 301, Landleberwurst 236, grüne Heringe 46, Vollmilch (1 Liter) 24, Markenbutter 320, Margarine (Mittelsorte) 196, Roggenbrot 31,6, Zucker 74, Eier (pro Stück) 10,7-12,1, Kartoffeln (5 kg, gelbfleischig) 47. Die Einkommensstatistik vermerkt folgende ab 1. April 1938 geltenden Stundenlöhne (Rpf) für männliche Arbeitskräfte über 21 Jahre: ungelernte Arbeiter 77-83, angelernte Arbeiter 82-87, Handwerker 95-100, qualifizierte Handwerker 98-103, Handwerker in Sonderstellungen 108-113; für weibliche Arbeitskräfte über 21 Jahre: ungelernte Arbeiterinnen 59-64, angelernte Arbeiterinnen 62-68, qualifizierte Arbeiterinnen 71-76. Ende Januar 1937 waren nur noch 169 000 Arbeitslose registriert: zwei Jahre zuvor waren es noch 305 000 gewesen.
     Im Jahr seines 700- jährigen Stadtjubiläums konnte Berlin - wie schon im Jahr zuvor anlässlich der Olympischen Sommerspiele - mit Stolz seine leistungsfähige städtische Infrastruktur präsentieren. Das öffentliche Nahverkehrswesen beförderte 1937 insgesamt (einschließlich aller Fahrten mit Dauerausweisen) 1 528,9 Mill. Fahrgäste (1933: 1 161,6 Mill.; 1936: 1 449,4 Mill.).
BlattanfangNächstes Blatt

   63   Probleme/Projekte/Prozesse Stadt unterm Hakenkreuz  Voriges BlattNächstes Blatt
Davon entfielen auf die Straßenbahn 609,5 Mill. (39,9 %), die S-Bahn 512,3 Mill. (33,5 %), die Hoch- und Untergrundbahn 233,5 Mill. (15,3 %) und den Busverkehr 173,6 Mill. (11,3 %). Dem Personenverkehr dienten im gesamten Reichsbahndirektionsbezirk 1937 226 Bahnhöfe und 60 Haltepunkte, innerhalb der Stadt waren es 153 Bahnhöfe und 43 Haltepunkte. Für den Berliner Stadt-, Ring- und Vorortverkehr wurden 1937 235,2 Mill. (1933: 174,4 Mill.) Fahrkarten, Zuschlagkarten, Fahrradkarten, Bahnsteigkarten usw. und für den Fernverkehr von den Bahnhöfen innerhalb des Stadtgebiets 14,0 Mill. (1933: 8,6 Mill.) entsprechender Karten verkauft. Die Fahrpreise im Berliner Stadt-, Ring und Vorortverkehr waren stark differenziert: für Einzelkarten bewegten sie sich bei den 28 Preisstufen in der 3. Klasse zwischen 0,15 und 1,50 RM, in der 2. Klasse zwischen 0,20 und 2,25 RM. Der Personentarif im Reichsbahnfernverkehr lag pro km bei 4,0 Rpf in der 3. Klasse, 5,8 Rpf in der 2. Klasse und 8,7 Rpf in der 1. Klasse. Im Straßenbahnverkehr registrierten die mit 1 562 Triebwagen und 1 266 Anhängerwagen auf einer Gesamtlänge von 572 km befahrenen 70 Linien am Jahresschluss 1937 1,7 Mill. im Tagesdurchschnitt beförderte Personen, eine »mittlere Reiselänge je Fahrgast« von 4,5 km und eine Platzausnutzung von 31,3 %. Im U- Bahnverkehr fuhren 1937 insgesamt 625 Triebwagen und 481 Anhängerwagen auf einer Gesamtstrecke von 76 km mit 94 Bahnhöfen und beförderten im Tagesdurchschnitt 0,6 Mill. Personen bei einer »mittleren Reiselänge je Fahrgast« von 5,5 km und einer Platzausnutzung von 26,9 %. Im Omnibuslinienverkehr bestanden 1937 46 Linien mit einer Gesamtlänge von 373 km und 621 Kraftomnibussen (im Ausflugsverkehr in der Hauptverkehrszeit kamen 20 Linien mit 277 km Streckenlänge und 18 Kraftomnibussen hinzu).

Nur noch 41 Pferdedroschken

Der Autoverkehr auf den Straßen Berlins hatte bereits hohe Dichte erreicht. Über die rd. 9 000 Straßen mit einer Gesamtlänge von 4 479 km, von denen 76 % befestigte Straßen waren, rollten (die am Stichtag 1.7.1937 insgesamt gemeldeten) 201 525 Kraftfahrzeuge (1932: 114 043), darunter 991 Kraftomnibusse, 103 206 Personenkraftwagen, 31 942 Lastkraftwagen, 30 563 Krafträder, 30 430 Kleinkrafträder und 3 031 Zugmaschinen. 1937 wurden 42 940 Kraftfahrzeuge (darunter 25 722 Pkw) neu zugelassen und 33 793 Führerscheine neu erteilt sowie 611 entzogen. Es gab 2 768 Tankplätze, darunter 1 489 öffentliche. Ende 1937 zählte Berlin 3 004 Kraftdroschken und nur noch 41 Pferdedroschken (1922 waren es noch 2 151). Berlin hatte 1937 587 Brücken (darunter 56 Hochbahnbrücken der BVG), von denen 392 über Wasser, 123 über Eisenbahnstrecken und 72 über Straßen führten. Hinzu kamen 331 Eisenbahnbrücken. Von den 587 Brücken waren 326 städtische und 261 nichtstädtische.
      Im Berliner Straßenverkehr ereigneten sich 1937 täglich im Durchschnitt 88,4 Unfälle - insgesamt 32 266 (1932 waren es 23 824).

BlattanfangNächstes Blatt

   64   Probleme/Projekte/Prozesse Stadt unterm Hakenkreuz  Voriges BlattNächstes Blatt
An den Unfällen waren insgesamt 63 322 Verkehrsteilnehmer u.a. mit 24 120 Personenkraftwaren, 11 700 Lastkraftwagen und ähnlichen Fahrzeugen sowie 9 622 Fahrrädern beteiligt. Bei den Unfällen wurden 143 Menschen getötet und 14 649 verletzt.
     Der damalige Berliner Zentralflughafen registrierte 1937 im planmäßigen Verkehr 12 120 Abflüge (1932: 2 683) und 12 100 Landungen (1932: 4 168), wobei 96 424 Fluggäste abflogen und 94 134 landeten. Ein Flug zum Beispiel nach Königsberg i. Pr. (551 km) dauerte damals 3 Stunden 20 Minuten und kostete 50 RM, ein Flug nach München (513 km) 2 Stunden 25 Minuten und 70 Mark. Die städtischen Häfen und Ladestraßen bewältigten 1937 einen Gütereingang von insgesamt 2 483 000 t, darunter per Schiff von 2 168 000 t (1930: 2 460 000 t, 1932: 1 677 000 t).
     Im Postdienst beförderten 1937 die 311 Postämter und Amtsstellen, 90 Rohrpostämter (Länge des Rohrpostnetzes 406 km) und 270 Paketannahmestellen im Bereich der Reichspostdirektion Berlin allein beim Postausgang 917 Mill. Briefe, 30,6 Mill. Pakete ohne Wertangabe, 0,7 Mill. Briefe und Pakete mit Wertangabe, 2,8 Mill. Rohrpostbriefe und -karten (1932: 2 Mill.) sowie 8,5 Mill. Telegramme (plus 9,6 ausgehende Telegramme, also zusammen 18,1 Mill. - 1932: 17 Mill.). 1937 gab es in Berlin 4 755 Briefkästen (1932: 4 438) und 561 555 Fernsprechstellen (1932: 477 031), davon 5 555 öffentliche (1932: 6 183);
es wurden insgesamt 520 Mill. Orts- und 6,7 Mill. Ferngespräche geführt. Am 1. April 1937 waren im Reichspost- Direktionsbezirk Berlin 955 710 Rundfunkteilnehmer registriert (1932: 631 000). Daneben begann das Fernsehen von sich reden zu machen: Sendungen des Fernsehsenders »Paul Nipkow« waren in den ersten Fernsehstuben, meist in Postämtern einiger Bezirke bzw. in »Kreisfunkstellen der NSDAP« kostenlos zu bestaunen.
     Wasserversorgung und Stadtentwässerung hatten ihre Leistungen weiter erhöht. An der Wasserversorgung Berlins waren die Berliner Städtischen Wasserwerke, die Charlottenburger Wasser- und Industriewerke A.G. sowie einige Förderungsanlagen beteiligt. Die 13 Werke der Berliner Städtischen Wasserwerke versorgten 1937 110 672 Grundstücke über ein Rohrnetz von 4 174 km (1. 1. 1938; 1932 waren es 3 784 km) versorgt wurden. Die abgegebene Wassermenge belief sich auf 167 Mill. m3, die Tagesförderung betrug im Jahresdurchschnitt 1937 471 100 m3, das waren 133 (1932: 126) Liter je Einwohner täglich bei einem tarifmäßigen Wasserpreis von 25 Rpf je Kubikmeter. Das Leitungsnetz der Stadtentwässerung umfasste am 1 .1. 1937 5 426 (1932: 5.069) km, an das 111 631 Grundstücke angeschlossen waren. Die 61 Haupt- und 26 Überpumpwerke beförderten 1937 253 (1932: 227) Mill. m3 Abwässer über 674 km Druckrohre auf die Rieselfelder des Umlandes, das waren im Tagesdurchschnitt 666 000 m3.
BlattanfangNächstes Blatt

   65   Probleme/Projekte/Prozesse Stadt unterm Hakenkreuz  Voriges BlattNächstes Blatt
Die Gasversorgung Berlins erfolgte hauptsächlich durch die 5 Werke (Tegel, Danziger Straße, Charlottenburg, Neukölln, Lichtenberg) der Berliner Städtischen Gaswerke mit einer Gasabgabe von 439,229 (1932: 409,456) Mill. m3. Ende 1937 waren in Berlin 1 064 387 (1932: 288 105) Gasmesser vorhanden; das Rohrnetz umfasste 4 624 (1932: 1 813) km; ein Kubikmeter Gas kostete seit Juni 1933 16 Rpf plus 50 Rpf Gasmessermiete.
     Die Elektrizitätsversorgung Berlins erfolgte bis Ende 1937 durch mehrere Werke, allen voran die
Berliner Kraft- und Licht (Bewag)- Aktiengesellschaft (Bewag). Seit 1. 1. 1938 belieferte die Bewag das Gesamtgebiet Berlins mit Ausnahme der Ortsteile Wannsee und Buch mit Elektrizität, nachdem sie mit der Eletricitätswerk Südwest- Aktiengesellschaft fusioniert war. Ab 1. 7. 1938 übernahm die Bewag auch die Anteile der Stromversorgung von der Märkischen Elektricitätswerk- Aktiengesellschaft. 1937 lag der Gesamtbedarf Berlins an elektrischer Energie bei 1,90 (1932: 1,30) Mrd. kWh, das waren durchschnittlich 445 (1929: 369 kWh; 1932: 306 kWh) je Einwohner. Das Leitungsnetz umfasste 20 050 km Kabelleitungen, rd. 965 km Freileitungen sowie rd. 4 464 km Fernsprech-, Fernschalt- und Signalkabel. Ende 1937 waren an die Netze der Bewag 137 944 Hausanschlüsse einschließlich Hochspannungs- Übergabestationen angeschlossen. 1937 gab es 41 350 Elektroherde und 10 493 Heißwasserspeicher.
     In der Straßenbeleuchtung der Stadt gab es am 1. 1. 1938 24 674 elektrische Lampen und noch 94 673 Gasflammen. Die Feuerwehr verfügte 1937 über 37 Wachen der Berufsfeuerwehr und 54 Wachen der Freiwilligen Feuerwehren.
BlattanfangNächstes Blatt

   66   Probleme/Projekte/Prozesse Stadt unterm Hakenkreuz  Voriges BlattNächstes Blatt
Die Berufsfeuerwehr (Personal: 1 883) rückte in jenem Jahr 4 765 mal zu Bränden und 6 389 mal zu Hilfeleistungen aus; die entsprechenden Zahlen der Freiwilligen Feuerwehren lauteten 663 und 1 720. Es gab 1937 insgesamt 11 793 Alarmierungen, darunter 3 090 mal Feueralarm, aber auch 732 mal »blinder Alarm« und 294 mal »böswilliger Alarm«. Der Fahrzeugpark der Feuerwehren umfasste 381 Fahrzeuge, darunter 123 »Wagen mit Pferdebespannung«.
     Die Straßenreinigung hatte 1937 insgesamt 2 647 ha Straßenfläche zu reinigen; es wurden in jenem Jahr 379 285 m3 »befestigte Kehrichtmengen« und 429 995 (1932: 8 758) m3 »Schneemengen« beseitigt. Der Fuhrpark der Straßenreinigung bestand am 1. 7. 1937 aus 147 Sprengwagen, 128 Waschmaschinen und 81 Kehrmaschinen. Die von den städtischen Gartenämtern bewirtschafteten Park- und Grünanlagen umfassten 1 762 ha und die Kleingartenfläche Berlins 5 161 ha, davon gehörten u.a. 36,9 % der Stadtgemeinde. 1937 unterstanden den Berliner Stadtforsten 22 791 ha Grundeigentum, davon befanden sich aber nur 13 829 ha (= 61 %) in Berlin, der Rest (39 %) außerhalb Berlins. 1937 umfassten die Berliner Stadtgüter 22 selbstbewirtschaftete (20 611 ha) und 8 verpachtete Güter (3 741 ha). Der Viehbestand auf den selbstbewirtschafteten Stadtgütern belief sich im Jahresdurchschnitt 1937 auf 5 228 Stück Rindvieh, 3 705 Schweine, 3 031 Schafe und 953 Pferde.
Umbruch in den Schulzimmern

Der Umbruch von der Weimarer Republik zur NS- Diktatur vollzog sich besonders krass in den Schulzimmern und Hörsälen aller Bildungseinrichtungen. Der nationalsozialistische Ungeist, der Deutschland und die Welt an den Rand des Abgrunds führen sollte, nahm hier seinen Ausgang. Im NS- Lehrerbund  (Gau Berlin) waren am 1. 1. 1938 15 086 Lehrkräfte an Volks-, Berufs-, Fach-, Hoch- und Sonderschulen und sonstige Erzieher tätig. Am 1. 5. 1937 besuchten 253 931 Schüler(innen) in 6 190 Klassen 503 Volksschulen, 59 251 in 2 092 Klassen 147 höhere Schulen, 12 509 in 341 Klassen 28 Mittelschulen und 8 108 in 402 Klassen 45 Hilfsschulen und Schulen für Gebrechliche - zusammen 333 799 (1932: 372 321) Lernende in 9 025 (1932: 10 712) Klassen an 723 (1932: 785) Schulen.
     Hinzu kamen zahlreiche Berufs-, Fach- und Hochschulen. Am 1. 5. 1937 bestanden 52 städtische Berufsschulen mit 2 952 Klassen, die von 93 249 Schüler/innen besucht wurden. Ferner gab es 24 kaufmännische Fachschulen (213 Klassen, 6 487 Schüler[innen]), 11 hauswirtschaftliche Fachschulen (34 Klassen, 1 062 Schüler[innen]) sowie diverse, den Berufsschulen angegliederte Kurse. Unter den Fachschulen nahmen die Beuthschule (113 Klassen, 2 284 Lernende),

BlattanfangNächstes Blatt

   67   Probleme/Projekte/Prozesse Stadt unterm Hakenkreuz  Voriges BlattNächstes Blatt
die Gaußschule (66 Klassen, 1 676 Lernende), die Schule für das grafische Gewerbe (45 Klassen, 769 Lernende) und die Höhere Technische Lehranstalt für Hoch- und Tiefbau (31 Klassen, 522 Lernende) die vorderen Plätze ein. An der Friedrich-Wilhelms- Universität waren im Winterhalbjahr 1937/38 6 414 (1932/33: 12 532) Studenten immatrikuliert, an der Lessing- Hochschule 8 823, Humboldt- Hochschule 2 161, Technischen Hochschule 2 014, Wirtschaftshochschule 907, Verwaltungsakademie 901 und am Konservatorium der Reichshauptstadt Berlin 587. Vor allen Berliner Hochschulen rangierte allerdings dem Umfang der Hörerzahl nach die Volkshochschule Groß- Berlin mit 23 473 Studierenden.
     Für Bildung und Unterhaltung sorgten ferner 1937: 112 Volksbüchereien mit einem Gesamtbücherbestand von 866 765 Bänden und 96 020 (1932: 146 049) aktiven Lesern, die Stadtbibliothek mit ihrem Bücherbestand von 317 331 Bänden und 63 991 (1932: 105 877) Lesesaal- Besuchern, 56 Lesehallen mit 509 373 (1932: 1 016 322) Besuchern, 26 Theater mit 29 297 Plätzen, 6 große Varietés und Kabaretts mit 11 269 Plätzen und 406 (1932: 396) Lichtspieltheater mit 204 625 (1932: 196 517) Plätzen und rd. 64,6 (1932: 51,9) Mill. Besuchern. Hinzu kamen über drei Dutzend Berliner Museen und Sehenswürdigkeiten, an der Spitze der Zoologische Garten (1 818 509 Besucher), das Zeughaus (523 656), das Aquarium (280 638), das Planetarium (258 374) und die Staatlichen Schlösser (192 023).
Demgegenüber fiel die Besucherzahl des »Nationalsozialistischen Revolutionsmuseums« mit 18 711 etwas mager aus. Eine umfangreiche Bildungstätigkeit leisteten auch die Kirchen und religiösen Gemeinschaften sowie Vereine und Gesellschaften.
     Obwohl sich das Berliner Gesundheits- und Sozialwesen auch während der NS-Zeit vielgestaltig und umfangreich darstellte, waren Einschränkungen und Schrumpfungen nicht zu übersehen. 1937 standen in den städtischen, Provinzial-, staatlichen und sonstigen öffentlichen Anstalten sowie Privatanstalten insgesamt 50 413 (1932: 51 711) Betten zur Verfügung, davon in den städtischen Krankenhäusern 12 603, den städtischen Heil- und Pflegeanstalten 8 349 sowie den Anstalten für Altersschwache und Sieche 5 935. Die Gesamtzahl der in den städtischen und Provinzialanstalten verpflegten Personen war von 419 200 (1929), über 379 000 (1932) auf 198 500 (1937) zurückgegangen.

15 Ärzte auf 10 000 Einwohner

Anfang 1937 praktizierten in Berlin 6 375 (1932: 6 653) Ärzte, wobei damit auf 10 000Einwohner 15 (1932: 16) Ärzte kamen. Hinzu kamen 1 535 (1932: 1 222) Zahnärzte, 2 758 (1932: 2 386) Dentisten, 777 (1932: 879) Hebammen (einschließlich Anstaltshebammen), 1 505 (1932: 1 384) Heilgehilfen und Masseure sowie 1 431 (1932: 1 564) sonstige Heilkundige.

BlattanfangNächstes Blatt

   68   Probleme/Projekte/Prozesse Stadt unterm Hakenkreuz  Voriges BlattNächstes Blatt
Am 1.7.1937 wurden 418 (1932: 501) praktizierende Tierärzte gezählt. In Berlin bestanden Ende 1937 579 Apotheken, davon waren 509 Vollapotheken.
     Die einzelnen Fürsorgesysteme betreuten auch 1937 zahlreiche Personenkreise. Der Tuberkulosefürsorge wurden 7 746 (1932: 7 722) Personen mit ansteckender Lungen- und Kehlkopftuberkulose neu gemeldet.
     Die städtischen Beratungsstellen für Geschlechtskranke suchten 1937 10 627 Männer und 13 664 Frauen sowie 615 Kinder freiwillig auf. In der Säuglingsfürsorge waren in die 91 städtischen Fürsorgestellen, 18 (1932: 13) Ärzte hauptamtlich und 93 (1932: 85) Ärzte nebenamtlich sowie 210 (1932: 205) Fürsorgerinnen und Schwestern tätig. In der Säuglingsfürsorge fanden 323 397 (1932: 414 401) und in der Kleinkinderfürsorge 304 999 (1932: 582 834) Beratungen statt. In den 16 Krüppelfürsorgestellen der Stadt wurden 5 227 (1932: 6 096) Krüppel neu vorgestellt, davon 2 084 im Vorschulalter und 2 713 im Schulpflichtalter; in 531 Fällen wurde eine Anstaltsaufnahme angeordnet. In der Kurfürsorge wurden durch die Stadt nur noch 1 723 (1932: 2 183) Personen verschickt. Die Statistik vermerkte1937 27 432 Fälle anzeigepflichtiger ansteckender Krankheiten, darunter: Tuberkulose 11 112, Scharlach 7 336, Diphtherie 5 458, Ruhr 1 276, Typhus 536; es gab 77 747 Erstimpflinge und 51 421 Wiederimpflinge.
In den Heimabteilungen des städtischen Obdachs waren 1937 insgesamt 6 085 (1932: 4 963) Personen untergebracht; zudem wurden 128 715 Übernachtungen (im Tagesdurchschnitt 353) im nächtlichen Obdach gewährt.
     In Berlin gab es 1937 laut Statistik 38 Kinderkrippen, 213 Kindergärten und 177 Horte - insgesamt 428 (1932: 450) »Anstalten« (darunter 96 städtische), in denen zusammen im Tagesdurchschnitt 12 015 (1932: 11 520) Kinder untergebracht waren.
     Besonders die statistischen Angaben zur Kriminalität unterliegen in einer Diktatur deren eigenen Gesetzen. Inwieweit die veröffentlichten Daten den Umfang tatsächlich begangener Vergehen und Verbrechen an Leib und Leben wiedergeben, ist mehr als fragwürdig. Die Statistik weist für 1937 lediglich aus, dass folgende »Schwerverbrechen« verfolgt wurden: 36 mal Mord (1932: 42), 12 mal Mordversuch (1932: 15), 8 mal Totschlag (1932: 31), 4 mal Totschlagversuch (1932: 9), 141 mal Raub und räuberische Erpressung (1932: 540) sowie 23 mal Versuch von Raub und räuberischer Erpressung (1932: 220). Vom 1. 10. 1937 bis zum 30. 9. 1938 wurden 94 268 polizeiliche Strafverfügungen erlassen (1936/37: 88 280), wobei der weitaus größte Teil auf verkehrspolizeilich registrierte Übertretungen entfiel, z. B. 43 977 (1936/37: 34 748) von Fahrzeugführern und 24 313 (1936/37: 26 372) von Radfahrern.
BlattanfangNächstes Blatt

   69   Probleme/Projekte/Prozesse Stadt unterm Hakenkreuz  Voriges BlattArtikelanfang
Insgesamt wurden 1937 gegen 26 083 Personen Strafsachen im Bereich des Landgerichtsbezirks Berlin wegen Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze rechtskräftig erledigt, wobei es gegen 21 685 Personen zu Verurteilungen kam. Von den Verurteilten waren 3 281 (= 15,1 %) Frauen, 1 412 (= 6,5 %) Jugendliche bis zu 18 Jahren und 391 (= 1,8 %) Ausländer. Bei den Verurteilungen erkannten die Gerichte auf: 29 mal Mord, 6 mal Kindesmord, 28 mal Totschlag, 126 mal fahrlässige Tötung, 292 mal Abtreibung, 26 mal Blutschande, 842 mal widernatürliche Unzucht, 421 mal Unzucht mit Personen unter 14 Jahren, 148 mal Kuppelei, 121 mal Zuhälterei, 17 mal Geldfälschung, 9 mal schwere Körperverletzung - und 527 mal »Widerstand gegen die Staatsgewalt«. In den 10 Berliner Gefängnissen der Justizverwaltung saßen offiziell 1937 insgesamt 49 865 (1932: 45 241) Gefangene ein, darunter 6 840 Frauen; am Stichtag 31.3.1937 belief sich die Zahl der Gefangenen auf 7 505. Danach kamen auf einen Gefangenen zwei Polizisten: die Zahl der Polizeibeamten (einschließlich Anwärter) bei der staatlichen Polizeiverwaltung wurde per Stichtag 1. 4. 1937 mit 13 858 (1932: 18 796), darunter 1 826 männliche und 39 weibliche Angehörige der Kriminalpolizei, ausgewiesen.
     Die Zahl der in Berliner Hotels, Gasthöfen, Fremden- und Durchgangsheimen gemeldeten Fremden belief sich auf 1 797 878, im Tagesdurchschnitt 4 926 (1929: 1 633 133 / Tagesdurchschnitt 4 474). Unter den Berlin- Touristen waren 1937 285 313 Ausländer (1929: 255 606).
Quellen:

Statistisches Jahrbuch der Stadt Berlin, 14. Jahrgang 1938, hrsg. v. Statistischen Amt der Reichshauptstadt Berlin, Berlin 1939;

Statistisches Jahrbuch der Reichshauptstadt Berlin, 15. Jahrgang 1939, Berlin 1943;

Taschenbuch Berlin in Zahlen, Ausgabe 1938 (11. Jahrgang), hrsg. v. Statistischen Amt der Reichshauptstadt Berlin, Berlin 1938;
dgl. Ausgabe 1939 (12. Jahrgang), Berlin 1939;

Statistisches Jahrbuch 1999, hrsg. v. Statistischen Landesamt Berlin, Berlin 1999;

Berlin: Lob und Kritik, hrsg. v. Walther G. Oschilewski und Bodo Rollka, Berlin 1988, S. 89.

BlattanfangArtikelanfang

© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 9/2000
www.berlinische-monatsschrift.de