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Maria Curter
Patentschicksale oder Das Deutsche Reichspatentamt

Gewöhnlich veröffentlichen wir an dieser Stelle eine Patentschrift. Diesmal sollte es eine aus dem Zeitraum zwischen 1933 und 1945 sein. Doch so einfach war das nicht. Bei drei Versuchen fanden wir an Stelle der Patenschrift den Vermerk: Nr. 755 100, Nr. 755 342, Nr. 754 737 nicht gedruckt.

Seit dem Erlaß des ersten deutschen Patentgesetzes im Mai 1877 galt: Jeder, der meinte, eine Idee für eine technische Neuheit zu haben, konnte sich diese - natürlich gegen eine entsprechende Gebühr - schützen lassen. Das erfolgte nach strengen Regeln, die im Gesetz verankert waren. Demnach mußten ein Antrag an das Patentamt gestellt und eine Patentschrift, die aus der Beschreibung des Aufbaus und der Funktionsweise des Gerätes oder der Anlage, einer technischen Zeichnung sowie einem formulierten Patentanspruch bestand, eingereicht werden. Der Anspruch konnte in klingende Münze verwandelt werden, wenn jemand das Patent benutzen wollte.

Doch bis eine Anmeldung zur gedruckten Patentschrift wurde und der Anmelder eine Urkunde darüber erhielt, daß nur er befugt war, seine Idee zu nutzen, hatte die Behörde den Antrag in die sogenannte Patentrolle einzutragen, eine Akte über den Vorgang anzulegen und sowohl technisch als auch juristisch zu prüfen. Üblicherweise dauerte diese Prozedur etwa zwei bis drei Jahre. Im Patentblatt erfolgte zunächst die Information, daß dieses oder jenes von diesem oder jenem zum Patent angemeldet worden war mit einer kurzen Beschreibung worum es sich beim sogenannten Gegenstand der Erfindung handelte. Damit wurde gewährleistet, daß die Idee schon vom Zeitpunkt der Anmeldung an geschützt war, unabhängig davon, was die technische und juristische Prüfung ergab und wie lange das Prozedere dauerte. Ergab die Prüfung, daß es sich tatsächlich um eine Neuheit handelte, wurde die Patentschrift - mehrfach redigiert - mit Angabe des Erfinders, der auch eine Firma sein konnte, gedruckt, dem Erfinder eine Urkunde darüber ausgestellt und im Patentblatt erneut informiert. Wurde das Patent aus irgendwelchen Gründen nicht erteilt, später für nichtig erklärt oder gelöscht, weil beispielsweise die jährlichen Gebühren nicht bezahlt wurden, so wurde auch das im Patentblatt bekannt gegeben.
     Seit seiner Gründung als Kaiserliches Patentamt im Jahre 1877, das ab 1905 seinen Sitz in der Gitschiner Straße 97-105 (Kreuzberg) hatte, änderte sich an der Verfahrensweise der Patentbehörde kaum etwas.
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Nach 1918 wurde aus ihr das Reichspatentamt und nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten Ende Januar 1933 das Deutsche Reichspatentamt. Von nun an findet sich in der Patentrolle bei etwa zwei Drittel der Patentanmelder der gestempelte Vermerk: »Die Angabe des Patentinhabers unterbleibt«. So verhielt es sich auch bei den drei ausgewählten Patenten. Die Akten gaben nun folgende Auskunft:

Beispiel 1
Patentnummer 755 100, Gegenstand: Braunsche Röhre, insbesondere für den Empfang von Fernsehsendungen, patentiert im Deutschen Reiche vom 1. August 1933 ab.
     Angemeldet wurde das Patent von der Telefunkengesellschaft für drahtlose Telegraphie G. m. b. H. in Berlin und als Erfinder war Max Knoll in Berlin angegeben, dessen Name aber nachträglich durchgestrichen und mit oben angegebenen Stempel versehen wurde.
     Für den Druck der Patentschrift sind bestimmt: die Beschreibung und 3 Ansprüche sowie 1 Blatt Zeichnung, die am 23. 2. 1939 vorredigiert waren. Als Tag der Bekanntmachung der Anmeldung ist der 4. April 1940 angegeben. Die Patentschrift selbst war am 28. Juli 1943 redigiert. Und der Druckauftrag für die Reichsdruckerei war am 25. Oktober 1943 ausgefertigt worden.
     Im redigierten Exemplar ist zu lesen: »Die Erfindung betrifft eine Braunsche Röhre, insbesondere für den Empfang von Fernsehsendungen, mit Sammelvorrichtung zwischen Anode und Ablenkeinrichtungen,


Empfang von Fernsehsendungen, Patentnummer 755100

bei der die Sammelvorrichtung aus zwei Sammellinsen besteht, zwischen denen der Strahl praktisch parallel verläuft und deren gegenseitiger Abstand grösser ist als die Hälfte des Abstandes zwischen Anode und Ablenkeinrichtung, und bei der die Sammelwirkung der zuerst von den Elektronen durchlaufenen Linse in geringem Abstand von der Kathode beginnt«.
     Vom 27. Januar 1956 ist ein Schreiben des Patentanwaltes Dipl.-Ing. Egon Prinz aus München- Gräfelfing an das Deutsche Patentamt, Dienststelle Berlin, Gitschiner Straße 97-103 folgenden Inhalts gerichtet:

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»Betr.: Patent Nr. 755 100; Mit Bescheid wird mir mitgeteilt, dass mit dem Druck der Patentschrift 755 100 nicht zu rechnen ist. Nun möchte ich doch wissen, ob vielleicht Mikrofilme von den zum Druck bestimmten Unterlagen erhältlich sind. Im bejahenden Falle bitte ich um Zusendung eines solchen.
     Die Gebühr bitte ich von meinem Konto Nr. 763 PVSt abzubuchen.«
     Als Antwort erhielt der Patentanwalt am 2. Februar 1956:
     »Auf Ihre an das Deutsche Patentamt, Dienststelle Berlin, gerichtete Bestellung vom 27. 1. 56, die zuständigkeitshalber der Treuhandstelle Reichspatentamt, Auskunfsstelle, zugeleitet wurde. Von den zum Druck der Patentschrift bestimmten Unterlagen des Patents 755 100 können Film- Negative nicht geliefert werden. Wir haben jedoch Positive von diesen Unterlagen gefertigt und fügen diese bei.«

Beipiel 2
Patentnummer 755 342, Gegenstand: Drahtloser Fernsehempfänger, patentiert im Deutschen Reiche vom 10. Februar 1938 ab.
     Patentanmeldelder und Erfinder war hier ein Dr.-Ing. Werner Scholz in Berlin. Neben dem oben erwähnten Stempel war noch ein weiterer vorhanden: »Gem. § 2 Abs. 2 der VO vom 25. 4. 1938 ist die Erklärung abgegeben worden, daß sich der Schutz auf das Land Österreich erstrecken soll.«

Für den Druck der Patentschrift sind bestimmt: Beschreibung und 7 Patentansprüche, 2 Bl. Zeichnungen. Vorredigiert war die Schrift am 1. 12. 1942 und bekannt gemacht war die Patenterteilung am 21. September 1944.

Beispiel 3
Patentnummer 754 737, Gegenstand: Einrichtung zur Verbesserung der Anfangsstrecke der Fallbahn einer von einem Flugzeug abwerfbaren Last, insbesondere Bombe, zwecks größerer Treffgenauigkeit, patentiert im Deutschen Reiche vom 16. November 1938 ab.
     Die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG in Dessau suchten um ein Patent nach und nannten Dipl.-Ing. Brunolf Baade in Dessau als Erfinder, der aber ebenso wie in den beiden Beispielen nicht genannt werden sollte. Ein weiterer Stempel verwies darauf, daß »Gem. § 2 Abs 2 der VO vom 20. 7.(?) ist die Erklärung abgegeben worden, daß sich der Schutz auf das Protektorat Böhmen und Mähren erstrecken soll.«
     Für den Druck der Patentschrift sind bestimmt: Beschreibung und 3 Patentansprüche, 1 Bl. Zeichnung (vgl. Abb. 3). Vorredigiert war am 20. 6. 42. Auch dieses Patent wurde weder bekanntgemacht noch gedruckt. Dem vorredigierten Exemplar ist folgendes zu entnehmen:

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»Durch die Erfindung soll dagegen die Treffgenauigkeit beim Abwurf von Lastkörpern von Luftfahrzeugen verbessert werden und zwar unabhängig davon, ob die Lastkörper innerhalb oder außerhalb des Luftfahrzeugkörpers angeordnet sind. Dies wird gemäß der Erfindung durch die Anwendung von zur Herbeiführung einer geordneten Strömung dienenden, am Flugzeug sitzenden Strömungsleitkörpern erreicht, deren Wirkungsbereich sich auf den vorzugsweise im Flugzeuginneren liegenden Unterbringungsraum und den Anfangsfallraum der Lasten erstreckt, soweit dieser im durch das Flugzeug gestörten Strömungsbereich liegt. Dies kann z. B. durch Leitschaufeln erreicht werden, welche zweckmäßig vor dem abzuwerfenden Lastkörper räumlich verteilt derart angeordnet sind, daß sie diejenige Strömung, welche den Lastkörper in ungünstigem Sinne beeinflussen kann, gleichrichtet.
Bombenabwurfeinrichtung, Patentnummer 754737
Statt der Leitschaufeln können jedoch auch technisch gleich wirkende Mittel wie an zweckmäßiger Stelle angeordnete Saugförderer oder Fördereinrichtungen, die zwecks Vermeidung der Bildung von Unterdruckstellen zusätzlich Luft zu dieser Stelle fördern, vorgesehen werden.« Am 5. Mai 1936 wurde das Patentgesetz neu gefaßt. Infolgedessen wurde das erstegenannte Patent noch nach altem Recht mindestens bis zum Druck vorbereitet. Bei den anderen beiden Patenschriften galt die neue Gesetzgebung, und es erfolgte, auch kriegsbedingt, keine Drucklegung mehr.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 9/2000
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