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Maiken Schmidt
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Felix Nussbaum: »Laßt meine Bilder nicht sterben«

»Wenn ich untergehe, laßt meine Bilder nicht sterben« so lautet das Vermächtnis Felix Nussbaums, als er seine Gemälde dem Kunstsammler Dr. Grosfils und seinem Freund Dr. Levefre anvertraut, bevor er und seine Frau Felka durch eine gezielte Denunziation 1944 von Belgien nach Auschwitz gebracht werden.
     1904 in Osnabrück geboren, wächst Felix Nussbaum wohlbehütet in einer jüdischen Kaufmannsfamilie auf. Sein Vater ist Eisengroßhändler und widmet sich in seiner Freizeit der Hobbymalerei. Kunst und Musik gehören zum Familienalltag. Besondere Verehrung genießen die Maler van Gogh, Utrillo und Karl Hofer.
     Der nur mäßige Schulerfolg seines Sohnes und dessen erste eigene künstlerische Versuche veranlassen den Vater, seinen Sohn Felix zum Kunststudium zu schicken.
     Über Hamburg kommt Felix Nussbaum 1923 in die Kunstmetropole Berlin. Zu seinen Lehrern gehören u. a. Hans Meid, Willy Jaeckel, Paul Plontke und Cesar Klein. Zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen, wohlwollende Kritiken und erste Werke von eigenständigem künstlerischen Rang veranlassen ihn, sich der »brotlosen Malerei« zu widmen.1)

Bekannt wird Nussbaum in Berlin durch sein Gemälde »Der tolle Platz« von 1931. Der tolle Platz ist der Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor und vor der Akademie der Künste. Nussbaum ironisiert in diesem Bild mit feinem Gespür die Situation der bildenden Kunst um 1930 in Berlin.

Die Professoren wallen auf kostbarem Teppich

Die in Amt und Würden etablierten Künstler vertreten die DEMIE - die eine Hälfte DER KÜNSTE. In schwarzer Kleidung schreiten sie zur Akademie, vorüber an der anderen Hälfte, jenen jungen Künstlern, die auf dem Platz mit ihren Bildern demonstrieren. Denn diese Honoratioren, von denen sie bei allen öffentlichen Bewerbungen juriert werden, verwehren ihnen die Aufnahme in die Akademie. Paul Westheim schreibt über dieses Bild: »Da ist der Pariser Platz, da ist die Akademie. Die Herren Professoren durch ihre Bärte vor Zugluft geschützt, von Englein behütet, wallen auf kostbarem Teppich in das Akademiehaus. Während das Jungvolk, geschart um Paul Klee, den die Berliner Akademie ja auch noch nicht kennt, sich drängt und schiebt und stößt und mit all den frisch gemalten schönen Bildern draußen zu bleiben hat.«2)
     Einige der auf dem Pariser Platz stehenden Künstler, die eilig vom Lastwagen die Bilder abladen, sind Malerkollegen Felix Nussbaums. Die Bilder, die sie bei sich haben, zitieren vorwiegend dessen Arbeiten. Nussbaum selbst steht vorne links - eine Petition in der Hand haltend.

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Es ist nicht Paul Klee, wie Westheim irrtümlich annahm. In seinem weißen Arbeitskitteln und seiner rührigen Geschäftigkeit bildet das junge Volk einen krassen Gegensatz zu dem in Reih und Glied heranmarschierenden Kunstestablishment.

Nussbaum hat die Katastrophe vorausgesehen

Wie auf vielen seiner Bilder hat Felix Nussbaum auch hier die bevorstehende Katastrophe, in die Deutschland durch den Nationalsozialismus gestürzt wird, vorausgesehen. Der Präsident der Akademie der Künste, Max Liebermann, der gegenüber der Akademie residiert, steht, den Rücken der Akademie zugewandt, auf dem Dach seines zusammenstürzenden Hauses, an einem Selbstporträt arbeitend. Unwillig und kritisch scheint es das Treiben unter sich auf dem Platz zu beobachten. Die zerstörte Siegessäule, damals wie heute der Stolz Berlins, dient als Staffelei.
     Als Anerkennung für seinen schnellen künstlerischen Erfolge erhält Felix Nussbaum ein Stipendium an der Deutschen Akademie in der Villa Massimo in Rom. Aber der Judenhaß, den die Nationalsozialisten in Deutschland schüren, erreicht ihn bald auch in Rom.


Bildausschnitt mit Selbstporträt

 
Nussbaum flieht aus Rom, arbeitet noch ein Jahr an der italienischen Riviera, wo einige Bilder von großer Harmonie und Schönheit entstehen. Er wird aber nie wieder nach Deutschland zurückkehren.

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Noch ein weiteres Unglück ereilt ihn. Sein Berliner Atelier brennt aus und ca. 150 Bilder werden vernichtet.
     1935 reist Nussbaum über Paris nach Belgien. Als deutscher Jude erlebt er den Krieg im Ausland. Immer stärker bekommt er den Druck der Emigration zu spüren. Die zunehmende Verfolgung der Juden, der häufige Wechsel der Aufenthaltsorte, die ständige Neubeantragung der zeitlich begrenzten Aufenthaltsgenehmigungen, fehlende Resonanz auf sein künstlerisches Schaffen stürzen ihn in eine tiefe Krise.
     Die heitere Ironie in seinen frühen Bildern ist der Angst, Verzweiflung und Unsicherheit gewichen. Sein Bekenntnis zum Judentum findet in einer Reihe gefühlsstarker Bilder Ausdruck, in denen er sein und das Leiden des jüdischen Volkes darstellt.
     Es war Felix Nussbaum nicht vergönnt, dem Holocaust zu entkommen. Mit dem letzten Deportationszug werden er und seine Frau aus dem Lager Mechelen (Belgien) im Juli 1944 nach Auschwitz gebracht.
     Im August erklären die belgischen Behörden Felix Nussbaums für tot.
     Anfang September befreien die Aliierten Belgien.
Literatur:

1     Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück, Informationsblätter und Postkarten zur Dauerausstellung Felix Nussbaum und die Zeit 1904-1944, Blatt 20

2     Ebenda, Blatt 5,

Katalog Felix Nussbaum: Gemälde, Zeichnungen und Dokumente, Wilhelm-Lehmbruck- Museum, Duisburg 1988

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 9/2000
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