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Hilmar Bärthel
Wasser für das Schloss

Über die frühe Wasserversorgung des Berliner Schlosses gibt es - mit einer Ausnahme - fast keine Erwähnungen oder Schilderungen in der doch recht umfänglichen und gründlichen Literatur zur Baugeschichte des Schlosses. Das ist zunächst insofern unverständlich, als doch in vielen Baubeschreibungen anderer deutscher Schlösser dieser Frage ein wichtiger Platz eingeräumt wurde. Ursachen könnten folgende sein:
     - es gab für das Berliner Schloss, flach und genau zwischen zwei Wasserläufen gelegen, niemals spürbaren Wassermangel,1)
     - für die Autoren der Baubeschreibungen, meist Historiker oder Architekten, waren Fragen, die mit technischen Dingen zu tun hatten, oft weniger wichtig.
     Die erwähnte Ausnahme betrifft eine um 1719/20 entstandene Anlage, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll.
     Für diesen Zeitraum gibt es keinerlei Nachrichten zum Thema. Es kann von Folgendem ausgegangen werden: Das Brauchwasser wurde aus der Spree geschöpft, das Trinkwasser kam aus Brunnen im oder am Schlossgelände und wurde durch die Bediensteten in Eimern per Hand oder in Bottichen per Karren befördert.

Aufzeichnungen oder Karten bestehen lediglich über öffentliche Brunnen, über diese nicht. Im Textnachlaß von Albert Geyer wird auf das Vorhandensein selbstständiger Brunnenanlagen im Schloss hingewiesen.2) 1891 wird ein ehemaliger Tiefbrunnen am Schlossportal IV, dem so genannten Packhofportal, aufgefunden.
     Auch die Einrichtung der Wasserkunst diente von 1572 bis 1580 nur der Stadt und teilweise dem entstehenden Lustgarten, von letzterem Zeitpunkt ab ausschließlich dem Lustgarten. Für eine zeitgleiche Verwendung zur Versorgung des Schlosses ergibt sich keinerlei Hinweis, auch dürfte die relativ geringe Leistungsfähigkeit dieser Anlage für eine solche zusätzliche Nutzung keineswegs ausgereicht haben. Sorge wegen Löschwassers für das Schloss gab es wegen seiner Lage am Wasser auch nicht.
     Bekannt ist, dass bereits 1618 und 1672 von den damals regierenden Kurfürsten und 1707 vom König Friedrich I. jeweils immer strengere Feuerordnungen erlassen wurden, da sich Brände in der Stadt in jener Zeit wegen der Bauweise der Häuser immer gleich zu Katastrophen ausweiteten. 1709 ordnete deshalb der Magistrat die Beseitigung sämtlicher Stroh- und Holzdächer, den Einbau von Brandschutzmauern usw. an, was jedoch wegen der hohen Kosten im Prinzip nur bei Neubauten befolgt wurde.
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Vorwiegend Brandschutzgründe dürften es auch gewesen sein, die König Friedrich I. bewogen, beim großzügigen Ausbau seines Schlosses eine für die damalige Zeit aufwändige Wasserversorgung nur für das Schloss selbst zu planen und bauen zu lassen. Die Anlage von 1719/20

Etwa im Jahre 1716 war der große Um- und Neubau des königlichen Schlosses vollendet. Unter Leitung von Hofbau- Kondukteur Martin Heinrich Böhme, einem Schlüter- Schüler, erreichte es die Gestalt, die bis in das 20. Jahrhundert hinein Bestand hatte.


Schlossportal III (Eosander- Portal) von 1845; oben: vergrößerte Nachzeichnung des Dachaufbaus ohne konstruktive Details (der dritte Behälter ist verdeckt), Aufriss,
rechts: Schnitt mit den drei Wasserbehältern im Dachaufbau von 1719/20
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Graf Dohna erwähnt die Anlage zur Wasserversorgung des Schlosses wie folgt: »Böhme ließ auch manche sehr nützliche Einrichtung und in seiner Art gediegene Arbeiten ausführen. Neben anderen dieser Art erhielt das Schloss im Jahre 1720 eine Wasserversorgung, für die über dem großen West- Portal (III) ein Bassin mit bleiernen Verbindungs- Röhren nach allen Teilen des Schlosses angebracht wurde. Zu diesem Zwecke wurde für die Wasser- Hebemaschine das hinter der Schlossapotheke befindliche, jetzt fast ganz abgebrochene Nebengebäude errichtet und es bestand die ganze Einrichtung bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts.«3)

Die handschriftlichen Eintragungen von Nicolai
(Original=rot) in den »Grundriss des III. Stockwerkes
(= 4. Geschoss)« vom Berliner Schloss
     Diese Beschreibung ist nur zum Teil richtig. Das Wasserreservoir bestand nicht nur aus einem Bassin, sondern aus mehreren. Die Aussage über den Standort der Wasser- Hebemaschine ist absolut falsch. Außerdem war nicht Böhme der geistige Vater, sondern, wie in mehreren Geschichtswerken richtiger dargestellt, der Maler Johann Sigismund Ebert. Hier stutzt man zunächst - ein Maler als Schöpfer einer Ingenieuranlage? Zur Erläuterung: Es gab in jener Zeit die Berufsbezeichnung »Maler, Grottierer und Sprützenmacher«, manchmal auch »Fontainist« oder »Fontainieur« bzw. »Fontänenmeister« oder »Grottenmeister« genannt.
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Die meist aus Holland stammenden oder dort ausgebildeten Gartenkünstler hatten durchaus technische Kenntnisse, die zur Errichtung von Wasserkünsten, den dazu notwendigen Röhrensystemen usw. erforderlich waren. Diese Leute waren rar, wurden oft von sehr weit hergeholt und hoch bezahlt. Als weitere Voraussetzung muss man darauf hinweisen, dass ab etwa Ende des 17. Jahrhunderts aus Metall gegossene Rohre zur Verfügung standen, denn Holzrohre waren für druckführende Leitungen nicht geeignet.
     Die Anlage im Schloss wird von Friedrich Nicolai in seiner Beschreibung der Königlichen Residenzstädte kurz und richtig vermerkt.4) Doch es gibt ein Juwel: Von Nicolai handschriftlich in rot in einem Grundriss vom III. Geschoss des Schlosses um 1786 eingetragene Bemerkungen, dargestellt bei Albert Geyer. Sie lauten: »3 Wasserbehälter für die vom Maler Ebert 1720 angelegte Wasserleitung. Das Wasser wird durch ein Druckwerk in messingenen Röhren 102 Fuß hoch in diese 3 Kübel, 8,3 Fuß hoch und 12 Fuß getrieben. Von da wird es weiter in 21 andere Kübel geleitet, die unter dem Dache allenthalben verteilet sind. Es sind auf diese Art beständig 7 000 Tonnen Wasser auf dem Schlosse. Auf allen Treppen und sonst sind Hähne an den aus der Mauer herausragenden Röhren, welche mit besonderen Schlüsseln aufgezogen werden, nachdem man lederne Schläuche daran geschraubt hat, mit welchen man nach allen Räumen kommen kann.«5)
Aus den genannten Maßen und einem Querschnitt des Westportals ist zu errechnen, dass bei annähernder Vollfüllung einer der drei Kübel etwa 25 m3 Wasser fassen konnte, zusammen 75 m3. Schwierigkeiten macht dagegen die Angabe: 7 000 Tonnen. Übersetzt man die im preußischen Maßsystem nicht vorkommende Einheit Tonne mit Tiene = 17,18 Liter, so würde das bedeuten, dass die weiteren 21 Kübel je etwa 2 m3 Fassungsvermögen hatten, eine durchaus mögliche bzw. wahrscheinliche Größenordnung .6)
     Aus der ganzen Darstellung ist ersichtlich, dass diese Wasserversorgung hauptsächlich als Feuerlöscheinrichtung oder gegebenenfalls noch für Wasser zum Waschen, Wischen oder Scheuern gedient haben kann, denn es wurde ungereinigtes Flusswasser verwendet.

Die Leitung zum Schloss

Das Druck- oder Hebewerk stand neben der Neuen Werderschen Mühle.7) Die messingenen Rohre führten »in einem metertiefen Schacht« direkt zum Schloss, wie Nicolai mitteilt. Obwohl man unter einem Schacht allgemein eine offene, oben abgedeckte Grube versteht, dürften die Rohre jedoch, wie auch heute üblich, einfach eingegraben gewesen sein, denn nur so war im Winter ein Frostschutz gewährleistet. Das davon später keinerlei Reste mehr gefunden worden sind, ist leicht zu erklären.

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Messing war jederzeit ein so wertvolles Metall, dass es vermutlich nach Stilllegung der Anlage sofort restlos geborgen worden ist.
     Die Länge der Leitung betrug rund 600 m. Das zugehörige Steigerohr von der erdverlegten Leitung hinaus zu den Wasserbottichen auf dem Dach war im Auge der Wendeltreppe angebracht, die in den Mauerpfeiler des Eosander- Portals eingebaut war und vom Keller bis zum Dach führte. Ihre Höhe wird bei Nicolai mit 102 Fuß = 32 m, in einer Publikation von 1987 sogar mit 120 Fuß = 37,7 m angegeben.

Das »Kunstwerk«

Während für die Anlage im Schloss verschiedentlich bereits das Jahr 1719 als Entstehungszeit genannt wird, ist der Neubau der zugehörigen Wassermühle erst für 1720 belegt. Es haben an dieser Stelle schon vorher Mühlen für verschiedene Zwecke gestanden. Ab 1640 gab es eine Walk- und eine Schneidemühle, die um 1670 abgerissen wurden. 1668 ist eine neue Mahl- Mühle mit zunächst zwei Mahlgängen gebaut worden, 1669 kam ein dritter Mahlgang hinzu. 1670 erfolgte der Bau einer Tuchmacher- Walkmühle südlich davon. Sie wurde 1682 zu einer Getreidemühle mit fünf Gängen umgebaut und erhielt den Namen Neue Werdersche Mühle. 1708 folgte der Neubau der Altwerderschen Mühle, auch Mühle beim Schlosse genannt.

Für 1711-1713 werden für beide Mühlen zusammen 14 Gänge nachgewiesen, und zwar für die alte und neue je drei Wasserräder mit zwei Gängen (jeder Gang trieb immer ein Mahlwerk aus Mühlsteinen) und »unterwärts im neuen Anbau ein Wasserrad mit nochmal 2 Gängen«.
     Wie Heinrich Herzberg mitteilt, ließ König Friedrich Wilhelm, nachdem er dort zwei Häuser gekauft hatte, die »Neue Mühle nach der Freyheit« (Freiheit auf dem Werder) als massives, zweigeschossiges Gebäude neu errichten.8)
     In den oberen Geschossen befanden sich Wohnungen und Büro für die Mühlenbediensteten, unten liefen vier Wasserräder in einem 105 Fuß langen, 12 Fuß breiten und neun Fuß tiefen Gerinne (33 x 3,8 x 2,8 m). Sie trieben acht Gänge an, davon sechs Mahlgänge und zwei für die Wasserkunst. Die Anlage ging noch 1720 in Betrieb.
     Um 1737 war die benachbarte, noch aus Holz gebaute Altwerdersche Mühle so weit in Verfall geraten, dass sie abgebrochen werden musste. Es wurde auf drei Seiten ein starker Rost aus Pfahlwerk und nach dem Ufer zu ein festes Fundament gelegt und darauf ein ebenfalls zweigeschossiges massives Mühlengebäude (21 x 15,7 m) erbaut. In dieser Mühle sind ebenfalls drei Wasserräder mit sechs Mahlgängen eingerichtet worden. Bei Friedrich Nicolai steht aber ausdrücklich: »Den Raum der anderen beiden Gänge nimmt die Wasserkunst ein.«
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Das heißt also, dass an dieser unmittelbar daneben gelegenen Anlage nichts verändert wurde.

Das Ende der Schlosswasserversorgung

Ab 1845 ist an der Stelle, an der sich die Wasserreservoire über dem Eosander- Portal befanden, mit dem Bau der Schlosskapelle begonnen worden. Deshalb mussten die Behälter entfernt werden. Die Anlage hat also, obwohl Anfang des 18. Jahrhunderts konzipiert, tatsächlich 125 Jahre lang funktioniert oder, wie Graf Dohna feststellt, »bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein«. Das ist, bei der zügigen technischen Entwicklung in jener Zeit, eine beachtlich lange Nutzungsdauer. Die Außerbetriebnahme konnte wohl auch deshalb verantwortet werden, weil 1832 eine englische Dampfdruckspritze und mehrere Handdruckspritzen nur für die königlichen Gebäude angeschafft worden waren, außerdem standen um 1843 noch sieben Prahmspritzen auf der Spree zur Verfügung.
     Trotzdem ist erstaunlich, dass die neue, von den Engländern errichtete zentrale Wasserversorgung, deren Rohrnetz 1856/57 bereits die gesamte Innenstadt durchzog, noch weitere acht Jahre am Schloss vorbeiging. Der Anschluss des königlichen Schlosses erfolgte nach den vorliegenden Rechnungen erst im Jahre 1865.

Quellen:
1 Hilmar Bärthel, Zur Geschichte der Wasserkunst, in: Berlinische Monatsschrift, 5/2000
2 Albert Geyer, Geschichte des Schlosses zu Berlin, Textband, Nicolai- Verlag, aus dem Nachlaß herausgegeben, Berlin 1992, S. 218
3 Siegmar Graf Dohna, Kurfürstliche Schlösser in der Mark Brandenburg Teil III, Verlag Karl Siegismund, Berlin 1893, S. 80
4 Friedrich Nicolai, Beschreibung der Königlichen Residenzstädte. Bd. I, 1786, S. 72-79, 87-89, 97-100
5 Albert Geyer, a. a. O., Bildband, S. 130
6 Hilmar Bärthel, Wasser für Berlin, Geschichte der Berliner Wasserversorgung, Verlag Bauwesen Berlin/ München 1997, S. 25/26 7 Folkwin Wendland, Berlins Gärten und Parks, Frankfurt/M. 1979, S. 40
8 Heinrich Herzberg, Mühlen und Müller in Berlin, Verlag für Bauwesen, Berlin 1987, S. 89
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 8/2000
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