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Sie hatten alle einen Namen
Ausstellung »Juden in Berlin 1938-1945«

Zum 55. Jahrestag der Befreiung eröffnete die Stiftung »Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum« am 8. Mai 2000 eine Sonderausstellung über Politik und Praxis des Judenmords im Zeitraum 1938 bis 1945. Der Tag der Eröffnung der Ausstellung ist auch dadurch historisch geprägt, dass er fünf Jahre Existenz der rekonstruierten Synagoge als Centrum Judaicum am alten Ort in der Oranienburger Straße (Berlin- Mitte) markiert.
     Berlin steht im Mittelpunkt dieser sehr persönlichen und vor allem durch ihre Details wirkenden Präsentation. Aus der Perspektive von Juden selbst erlebt der Besucher am authentischen Ort des Geschehens das Grauen der Jahre von 1938 bis zum Mai 1945. Das heißt, dass in der Ausstellung individuelle Schicksale vorgestellt werden, dass nur solche Geschichten erzählt und durch Exponate veranschaulicht werden, die in irgendeiner Form persönlich überliefert sind.
     Authentizität bedeutet eben auch, dass die wiederhergestellten Räume der ehemaligen Synagoge selbst dem Betrachter ihre Geschichte erzählen - vom Glanz und der Ausstrahlung der Berliner Jüdischen Gemeinde im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts und schließlich von der staatlichen Politik der forcierten Auswanderung bis zur Organisation des Massenmordes. Hier befand sich der Sitz der Jüdischen Gemeinde bis zu deren zwangsweiser Auflösung am 29. Januar 1943. In diesen Räumen bemühten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darum, das Schul- und Hortwesen aufrechtzuerhalten, Gottesdienste zu organisieren, Unterkünfte zu vermitteln, als Juden aufgrund der Gesetze und Anordnungen exmittiert wurden, oder sie mit Kleidung und Essen zu versorgen.

Von hier aus schickte die Gemeinde ihre Bediensteten gezwungenermaßen als Ordner zu denjenigen, die auf der Deportationsliste standen, um sie abzuholen. Hier hielt die Gestapo die Gemeindeangestellten als Geiseln fest, als am 20. Oktober 1942 Mitarbeiter »abgebaut«, d. h. deportiert werden sollten und sich einige diesem Schicksal durch Flucht entzogen.
     Im oberen Stockwerk des Gebäudes befand sich das 1905 gegründete Gesamtarchiv der deutschen Juden, für die Nationalsozialisten eine willkommene Sammlung von Unterlagen, die später vom Reichssippenamt beschlagnahmt und von der Gestapo systematisch zu Verfolgungszwecken ausgebaut wurde.
     Das Jahr 1938 ist in seiner historischen Zäsur die erste Station, zu der der Besucher geführt wird - das Jahr der »Juni- Aktion«, das Jahr der »Polen- Aktion« und das Jahr des November- Pogroms.
     Verhaftungen, Plünderungen von Geschäften, Abschiebungen über die Grenze nach Polen, Brandstiftungen und Zerstörung von Gotteshäusern - durch Zeitzeugen- Hörtexte, durch ausgestellte Personaldokumente, Kultgegenstände und sehr persönliche Objekte werden die eigentlich heute durch Generalisation und zeitlicher Ferne entrückten politischen Ereignisse und staatlich gesteuerten Terroraktionen bedrückend lebendig. So wurden für die Ausstellung auch Videointerviews mit Zeitzeugen gedreht, die heute in Israel, den USA, Großbritannien, Schweden, in Berlin oder anderen Städten der Bundesrepublik leben.
     Station 2 ist der Emigration gewidmet. Rechtzeitige Auswanderung war an Geld, Entscheidungskraft und an die politischen Aufnahmebedingungen des Gastlandes gebunden. Die Deportation drohte und erreichte diejenigen, die nicht rechtzeitig emigrieren konnten - einzelne menschliche Schicksale werden mitgeteilt und veranschaulicht. Hier wie auch in den anderen Abschnitten kommt die intensive Wirkung auf den Betrachter nicht aus den Zahlen oder Begleittexten - sie entsteht aus den kleinen Originalen:
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aus Schulheften, Einkaufsscheinen, Zeugnissen aller Art, den 6 x 6-Fotos mit gezacktem Rand, den Pässen und amtlichen Dokumenten. Sie entsteht aus den eingefügten Vornamen Sara und Israel in den Dokumenten jener Zeit - und selbst in der Unterschrift des Julius Israel Cohen der ausstellenden Institution Jüdische Gemeinde vom 26. Mai 1939.
     Tragisches Beispiel für »Arisierung« und Ausplünderung: Das Schicksal der jüdische Fabrikantenfamilie Garbàty erzählt die Ausstellung in Station 3. Staat und private Geschäftemacher planten und organisierten in enger Zusammenarbeit und mit verwalterischer Gründlichkeit ihre kriminellen Aktionen - bis 1938 fast schleichend, dann aber systematisch und in einem für die jüdischen Eigentümer gnadenlosen Wettlauf.
     Veranschaulicht wird diese Praxis im Falle Garbàty durch das Ineinandergreifen der Repressionen der Göringschen Wirtschaftsbürokratie, der erpresserischen Aktivitäten des Berliner Polizeipräsidenten von Helldorf und des Vorgehens der »arischen« Konkurrenten Garbàtys auf dem deutschen Zigarettenmarkt. Firmengründer Josef Garbàty-Rosenthal starb 1939 vereinsamt im Alter von 87 Jahren in Pankow, die übrigen Mitglieder der Familie konnten ausgeplündert in die USA emigrieren. Ergreifend für ältere Betrachter, die noch vor Einführung von Computerdruckern in den Haushalten und Büros Briefe schreiben mussten: auf der Schreibmaschine getippte Texte, denen man ansieht, dass die metallenen Lettern nicht gereinigt oder nicht erneuert werden konnten.
     Thema der beiden nächsten Stationen sind die systematischen Maßnahmen zur Entrechtung, Ausplünderung und Kennzeichnung der Berliner Juden in dieser Periode. Die antijüdische Politik der Reichsregierung geht in dieser Phase der Verschärfung der »Judenpolitik« ab 1938 einher mit einer ideenreichen und aktiven Beteiligung der Stadtbehörden von Berlin an diesem Massenterror. Die Stadtbehörden selbst hatten damit unheilvollen Einfluss auf die Planung der zentralen Diskriminierungsmaßnahmen des Regimes.
Station 6 stellt das Wirken der zionistischen Organisationen und Einrichtungen in Berlin vor. Mit dem wachsenden antijüdischen Terror ab 1933 stieg die Bereitschaft von Berliner Juden zur Auswanderung nach Palästina und auch die Einsicht, sich den harten zionistischen Vorbereitungsmaßnahmen wie Ausbildung und Umschulung zu stellen.
     In der Ausstellung wird die ehemals wohlhabende Familie Levin aus Berlin vorgestellt, die sehr spät den Entschluss zur Emigration fasste und sich für Palästina entschied - und sie durch Freikauf mittels eines »Kapitalistenzertifikats« 1939 noch erreichte. Für die große Mehrheit der Berliner Juden war diese Möglichkeit jedoch verschlossen - Geldmangel, Beschränkung der britischen Einreisekontingente und Willkür der Nazibehörden ließen nur Wenigen den legalen Weg nach Palästina offen. Und auch hier die besondere Anschaulichkeit persönlicher Habseligkeiten auf Papier und Pappe - Poesiealben der Kinder, Lebensmittelkarten, Einkaufsscheine, Hörerkarten von Schulen.
     Die Tätigkeit des Palästinaamtes in der Meinekestraße in Berlin- Charlottenburg und deren Aktivitäten in den Hachscharalagern in der Umgebung von Berlin wird in diesem Abschnitt der Ausstellung plastisch vor Augen geführt.
     Zwangsarbeit und geschlossener Arbeitseinsatz ist der Gegenstand von Station 7. Am 23. Dezember 1938 wurde die »Zentrale Dienststelle für Juden« der Berliner Arbeitsverwaltung in der Fontanepromenade, Berlin- Kreuzberg, eingerichtet - eine gefürchtete Anschrift, von den Berliner Juden »Schikanepromenade« genannt. Arbeitsbücher, handgeschriebene Lebensläufe, Gestapo- Akten dokumentieren die Not der gequälten Menschen. Der Massenprotest von Berliner Frauen in der Rosenstraße im März 1943 gegen die Gefangennahme ihrer Männer während der »Fabrikaktion« (Station 8) - in den letzten Jahren der Öffentlichkeit vorgestellt in Publikationen und Dokumentationen - doch fesselt diese Ausstellung durch ihre besondere Art den Besucher auf neue Weise.
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   106   Berichte und Rezensionen   Voriges BlattNächstes Blatt
Zivilcourage, so selten im Nazi- Deutschland, wurde von den Tausenden Frauen aufgebracht, die Tage und Nächte vor dem Gestapolager in der Rosenstraße demonstrierten, um Kontakt zu ihren Männern zu erreichen und deren vorgesehene Abtransporte zu verhindern.
     Die erschütternden Schicksale der Deportierten, sichtbar und nachlesbar gemacht in Station 9, aber doch unfassbar für die Heutigen. Auf der einen Seite die Gründlichkeit der bürokratischen Maschinerie, nichts und niemanden verschonend. Auf der anderen Seite das Flehen der 76-jährigen Greisin, die in ihrer tiefen seelischen Not 1941 als ehemalige Opernsängerin an Göring schreibt, er möge doch in seiner Eigenschaft als »Schirmherr der Staatlichen Bühnen« erforderliche Schritte unternehmen, das Unheil der Deportation von ihr und ihrer über 77 Jahre alten Schwester abzuwenden. Es hat nicht geholfen - die Opernsängerin Therese Rothauser ist im April 1943 in Auschwitz ermordet worden.
     Die nächste Station - ein besonderes Kapitel der Perfidie der Nazis - die jüdischen »Greifer«. Die Gestapo hatte 1943 in Berlin eine Gruppe von etwa 20 Juden zur Kooperation gezwungen, die sie im Fahndungsdienst gegen jüdische Untergetauchte einsetzte und die als Gegenleistung Aufschub der Deportation für sich und ihre Familienangehörigen, die Möglichkeit zur persönlichen Bereicherung und denSchutz gegen Verfolgung durch Opfer der Nazis erhielten.
     Das versteckte Überleben, die Illegalität, ist Thema von Station 11. Nur etwa 1 500 Berliner Juden konnten durch Untertauchen dem Terror und den Deportationen entgehen und schließlich im Mai 1945 ihre Befreiung durch die Sowjet-Armee erleben. Das Waisenkind Hans Rosenthal, der spätere Fernsehstar, war einer von ihnen. Die in russischer Handschrift mit maschinenschriftlicher deutscher Übersetzung vorliegende »Sprawka« eines sowjetischen Offiziers bestätigte, dass Hans Rosenthal aus der Lauben- Kolonie »Dreieinigkeit« Jude sei - angesichts der Wirren der unmittelbaren Nachkriegstage für den 20-jährigen ein lebensrettendes Papier.
Die letzten Stationen (12 bis 15) führen zurück in die Räume der Ausstellung selbst und deren Pervertierung durch die Nazi- Führung. Hier war die Jüdische Gemeinde zu Berlin in den Jahren 1938 bis 1945 tätig, während die 1939 gegründete Reichsvereinigung der Juden in Deutschland bis zu ihrer Auflösung im Juni 1943 ihren Sitz in der Kantstraße hatte.
     Das Gute an der Ausstellung - man ist nicht genötigt, dem Ablauf der Stationen zu folgen, das »Seiteneinsteigen« nach Raumgefühl bringt keine Nachteile, ist sogar hilfreich bei der Fülle der Exponate und Assoziationen. Jederzeit ist es möglich, mittels der handlichen und bedienerfreundlichen Elektronik die relevanten Hörtexte und Begleitinformationen abzurufen.
     Der Begleitband zur Ausstellung, herausgegeben von Beate Meyer und Hermann Simon, ergänzt die Fülle der Informationen der Ausstellung durch grundsätzliche Beiträge, durch ein Personenregister und einen wissenschaftlichen Apparat. Obwohl die Publikation im Aufbau sich an der inneren Logik und dem Ablauf der Ausstellung orientiert, vermisst man doch ein Exponatenverzeichnis.
     Zu den Vorzügen der Publikation gehört, dass deren Autoren nicht nur aus der Stiftung und dem engeren Ausstellungsteam kommen, sondern auch von »außerhalb« gewonnen werden konnten - von Universitäten und Forschungsstellen sowie aus dem Kreis der freien wissenschaftlichen und publizistischen Mitarbeiter, ausgewiesen durch Veröffentlichungen und Ausstellungen.
Dieter Weigert

Ausstellung »Juden in Berlin 1938-1945«
8. Mai-20. August 2000
Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum, Oranienburger Straße 28-30, Berlin-Mitte

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Stadt der Architektur - Architektur der Stadt. Berlin 1900-2000.

Eine Ruine wird wiederbelebt mit einer Ausstellung über Architektur in Berlin, die zugleich eine über die Architekturstadt Berlin ist. Der Ort, das Neue Museum auf der Berliner Museumsinsel, ist eine gute Wahl und das aus mehreren Gründen: Die Museumsinsel ist als städtebauliches Ensemble der erste zusammenhängende Museumskomplex in Berlin, Architektur- und Städtebaugeschichte und Museumskonzeptionen des 19. Jahrhunderts sind hier auf spezifische Weise vereint. Mit der Ausstellung wird ganz aktuell ein Beitrag geleistet, das kriegszerstörte Neue Museum, selbst Bestandteil gegenwärtiger Planungen für die Gestaltung der Museumsinsel, bereits vor seiner Wiedereröffnung teilweise als öffentlichen Raum in der Stadt zu reaktivieren und das mit einem Projekt, das indirekt auch ein lange schon schwelendes Thema in Berlin anspricht: eine Dauerausstellung zur Architektur.
     Ein Jahrhundert wird in dieser Ausstellung betrachtet; zeitlich ist es zwar abgeschlossen, doch klingen die kontroversen Diskussionen noch im Ohr über die Berliner Mitte, den Potsdamer Platz, das Planwerk Innenstadt und viele andere Brennpunkte in der Stadt und Projekte werden noch vollendet, wie das in den 90er Jahren begonnene Kanzleramt. Vor allem, es leben unterschiedliche Generationen in der Stadt, die Alten mit ihren Erfahrungen, gesammelt in den turbulenten 20er Jahren, die die Stadt nach dem Krieg wiederaufbauten und die Jungen, sozialisiert in den Großwohnanlagen oder als Hausbesetzer ein Recht auf Behausung sich nehmend. Stadt ist also sozialer Raum, Raum in dem gesellschaftliche Prozesse baulich organisiert und strukturiert werden, Architektur entsprechend gegenständlich- räumliche Hülle und Zeichen dieser Vorgänge.

Es ist wohl nicht zu gestochen, wird an eine »Jahrhundertausstellung« der Anspruch gestellt, architektonische und städtebauliche Prozesse als gesellschaftliche präsentiert zu bekommen. Oder etwa doch?
     Gezeigt werden in neun chronologischen Abteilungen Schwerpunkte der Architektur- und Städtebaugeschichte Berlins. Die Wahl der Abschnitte changiert zwischen der Zäsurbildung im eigenen Metier und einer politisch orientierten Einteilung. Der Auftakt mit der Überschrift »Reformmodelle und Aufbruch in die Moderne. 1900-1914« hält auch gleich ein Highlight bereit: Jansens Plan für Gross-Berlin aus dem Jahr 1910. Zwar den Fachleuten sattsam bekannt aus x Publikationen, ist dieses Original in seinen prachtvollen Ausmaßen doch ein selten ausgestelltes Exponat. Wer jedoch nicht schon von vornherein zu den Geweihten gehört, die am heiligen Gral der Architektur- und Städtebaugeschichte genippt und somit über diesen bedeutungsvollen Wettbewerb Kenntnisse haben, bleibt unberaten und für den mutiert der Jansen-Plan zu einem überdimensionalen Stadtplan. Nichts verweist auf seine konkrete Einbindung, keine Erläuterung am Objekt, keine Kommentar im Faltblatt. Der Plan bleibt ein schönes großes Bild, wer darin lesen kann und die Zusammenhänge kennt, hat Glück.
     In diesem Punkt liegt die Crux der Ausstellung überhaupt. Die einzelnen chronologischen Abschnitte werden zwar im Faltblatt in ihrer grundsätzlichen Charakterisierung knapp dargestellt, doch der direkte und erläuternde Bezug auf die ausgestellten Objekte und ihre Bedeutung für Berlin und innerhalb der Architektur- und Städtebaugeschichte fehlt. Da die Objekte in der Ausstellung nur betitelt sind, schwimmen sie wie Bojen auf einem Ozean, der sich Architektur und Städtebau in Berlin nennt.
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   108   Berichte und Rezensionen   Voriges BlattNächstes Blatt
So werden zwar beispielsweise Zeichnungen und Grundrisse aus dem Bereich des Reformwohnungsbaus vor dem ersten Weltkrieg gezeigt, doch diese in Entstehungsbedingungen, Konzept und Gestalt mit Bauten der zwanziger Jahren zu vergleichen, die in der dritten Abteilung »Rationalismus: Form und Idee. 1923-1933« ausgestellt werden oder gar einen thematischen Bogen zu den Großsiedlungen im Märkischen Viertel im Kapitel »Vermächtnis der Moderne, 1960-1972« oder in Marzahn im Kapitel »Neuentdeckung von Architektur und Stadt. 1972-1989« zu schlagen, bleibt dem Besucher überlassen. Genauso liegt es an ihm, den Entwurf für ein Reichshaus am Königsplatz von Otto Kohtz um 1920 mit dem Wettbewerbsbeitrag von Hans Poelzig für die Erweiterung des Reichstags von 1929 und dem Wettbewerbsmodell Norman Fosters für den Reichstagsumbau aus der letzten Abteilung »Auf dem Weg zur Metropole. 1989-2000« zu verknüpfen und damit die funktionale Kontinuität des Standorts heraus zu filtern. Die Ausstellung bietet solch systematische Zusammenhänge in ihrem Konzept nicht an. So wird zwar jeweils typische Architektur für den entsprechenden Abschnitt vorgestellt, doch die Orte in Berlin in ihrer Charakteristik als Standorte mit bestimmten Funktionen wahrzunehmen, damit Kontinuität oder Umbruch von städtischen Bereichen zu erkennen, wird nicht gefördert. Die gezeigte Architektur bleibt meist schillerndes Kunstprodukt, durch keine Kontroverse getrübt, aus keiner Fragestellung, schon gar keiner gesellschaftlichen, hervorgegangen und ist reizvoll für sich.
     Ohne Zweifel sind die Blätter von Scharoun, Finsterlin, Poelzig, Mies und Hilberseimer ein ästhetischer Genuss und das Verdienst der Ausstellungsmacher ist nicht gering zu schätzen, die Zeichnungen vor allem von Mies und Hilberseimer aus internationalen Sammlungen entliehen zu haben.
Doch wer im Ausstellungsbereich »Expressionismus und Utopie. 1914-23« vor den Hochhausentwürfen für den Wettbewerb in der Friedrichstraße steht, kann nur erahnen, welch Bedeutung Mies' gläserner Turmentwurf in der Architekturgeschichte hat und welche Auffassung von Stadt sich im dritten Kapitel mit den Zeichnungen von Hilberseimer verbinden. Mitgeteilt wird in der Ausstellung darüber nichts.
     Die Entwicklung in der zweiten Jahrhunderthälfte leitet der Abschnitt »Versuch eines gesamtdeutschen Neuanfang. 1945-1949« ein. Der Kollektivplan, unter Leitung von Scharoun entstanden, auch die Wohnzelle Friedrichshain werden unter anderem hier präsentiert. Zwar wird in dieser Abteilung an Hand von Plänen der Zerstörungsgrad von Berlin ausgewiesen, doch weder der Gedanke der Stadtlandschaft noch die stadträumliche Struktureinheit Nachbarschaft erklärt. Warum es zu den Ideen der Auflösung der traditionellen Stadt kam, ist nicht nur mit der Berliner Ruinenlandschaft zu erklären, sondern wird als Abgrenzung gegen die gigantomane Stadtplanung für die Reichshauptstadt »Germania« plausibel, die im Abschnitt »Architektur und Städtebau des Nationalsozialismus. 1933-1945« anhand von Plänen und Entwürfen gezeigt wird. Fragen lässt in diesem Ausstellungsbereich die unkommentierte Präsens von Paul Baumgartens Müllverladestation in Charlottenburg von 1936 offen, neben Ernst Sagebiels Flughafen Tempelhof und der neuen Reichskanzlei von Albert Speer in der Voßstraße gezeigt. Im Zentrum des Abschnitts »Ideen für eine Hauptstadt in Ost und West. 1949-1960« stehen sich selbstverständlich die Bebauung der Stalinallee und des Hansaviertels und die Wettbewerbe »Hauptstadt Berlin« und »Zentrum der Hauptstadt der DDR« gegenüber. So deutlich und unterschiedlich die Sprache der Architektur ist, so verschieden ist der mit den jeweiligen städtebaulichen Wettbewerben verfochtene politische Anspruch.
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   109   Berichte und Rezensionen   Voriges BlattNächstes Blatt
Doch nur dem Wissenden offenbaren die Pläne und Entwürfe in dem schlichten Gegenüber von Ost und West die Matrix der jeweiligen Entwicklung und den konfrontativen Charakter des kalten Krieges auf architektonisch- städtebaulichem Gebiet. Der getrennten Entwicklung in Ost und West wird die Ausstellung in den folgenden beiden Abteilungen »Vermächtnis der Moderne. 1960-1972« und »Neuentdeckung von Architektur und Stadt. 1972-1989« weitgehend gerecht. Es ist der Versuch zu spüren, nicht nur die hinlänglich bekannten Ergebnisse im Westteil der Stadt mit ihren handverlesenen Einzelstücken wie Scharouns Philharmonie und Mies` Neuer Nationalgalerie am Kulturforum oder die Autobahnbebauung Schlangenbader Straße von Georg Heinrichs und das Märkische Viertel zu zeigen, sondern jeweils Entwürfe aus dem Ostteil der Stadt vorzustellen, die aus ähnlicher Auffassung und Aufgabenstellung wie Kino Kosmos, Alexanderplatz- und Leninplatzbebauung erwuchsen. Auch in den siebziger und achtziger Jahren vollziehen sich analoge Vorgänge: die Stadt wird als zu bewahrender kultureller Raum begriffen, ihre »kritische Rekonstruktion« im Westen, die »komplexe Rekonstruktion » im Osten versucht. Der Betrachter wird an die IBA mit den Aufgabenfeldern Stadtneubau und Stadterneuerung, ebenso an die Inszenierung von Geschichte im Nikolaiviertel und an die nach der Wende gleich wieder abgerissenenen Friedrichstadtpassagen erinnert. Die Planung von Marzahn war sicherlich eine Form, Stadt neu zu entdecken, doch auf den konzeptionellen Gegensatz zu vorherigen Großkomplexen, die Einheit von Wohnen, Arbeiten und Erholen, wird nicht weiter verwiesen.
     Der interessierte Laie muss sich zu vieles zusammenreimen, vielleicht gehört das ja dazu, um sich ein eigenes Bild zu machen, aber eben nur ein Bild. Vollends ins Bildhafte gleitet die Ausstellung im letzten Kapitel ab.
Nur noch Ikonen der Baukunst: die Palette reicht von den Friedrichstadt- Passagen über das Jüdische Museum von Libeskind zu Peter Eisenmanns Projekt gebliebenen Max Reinhardt Haus und Frank Gehrys DG-Bank. Das ist nun doch schon fast zynisch, Geschichte durch Nicht- Kommentieren wegzubügeln und Projekte in heiliger Unberührtheit zu präsentieren oder wesentliche Entwicklungsmomente in der Stadt auszusparen. Denn zumindest Berlinern und Fachleuten sind die heftigen und kontroversen Diskussionen der neunziger Jahre noch deutlich in Erinnerung. Und die Themen wie Gestaltung des Pariser Platzes, Bebauung der Friedrichstraße, die Wettbewerbe zum Alexanderplatz und zum Potsdamer Platz, zur Spreeinsel und zum Spreebogen sind nun wirklich nicht unter »ferner liefen« abzubuchen.
     Im Gegensatz zur Ausstellung, die sich im stummen Bildchenzeigen erschöpft und dabei den hundert Jahren architektonischer und städtebaulicher Entwicklung ihre gesellschaftliche Dimension nimmt, ist man mit dem Katalogkauf gut beraten. In der üblichen Preiskategorie von knapp fünfzig Mark, bei Nicolai erschienen, werden in den Texten zum jeweiligen Abschnitt der Ausstellung kompetent die Zusammenhänge, Kontroversen und Entwicklungsstränge dargelegt, die die Ausstellung vermissen lässt. Auch ein zweiter Band, eine Chronologie, des Baugeschehens in Berlin von 1900 bis 2000 ist informativ, stellt auf je vier Seiten im Jahresrhythmus Beispiele der Berliner Entwicklung und ihren nationalen oder internationalen Kontext vor. Interessant ist auch das abendliche Begleitprogramm zur Ausstellung. Montags halten prominente Architekturkritiker, Architekten oder Kunsthistoriker Vorträge, mittwochs finden mit jungen Architekten Werkstattgespräche statt und freitags ist Kinoabend mit Filmen zur Architektur.
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Eine Überraschung eigener Art hält die Ausstellung obendrein noch bereit. Eine Ausstellung in der Ausstellung: Porträtfotografien in Berlin bauender Architekten von Udo Hesse. Es sind Gesichter von Personen, die das Gesicht der Stadt prägen. Quadratisch auf Schwarz- Weiß gebannt, hängen sie großformatig in alphabetischer Reihenfolge. Zweifellos ein Magnet für die Besucher. Die gleichartige Darstellung der Abgelichteten lässt ihre Selbstdarstellung hervortreten: Schultes Stehkragen- Inszenierung, Fosters pralle Kopfpräsens, Ballers esoterische Entrücktheit, das fröhliche Gackern der Ortner- Brüder, oder das halbfigurige Doppel von Weber und Kny. Diese Begegnung macht Spaß, ist amüsant. Mit den Aufnahmen gelingt es, Typisches der Personen zu erfassen, ihre Individualität im Medium zu präsentieren. Die Fotografien zeigen aber nicht alle in der Stadt bauenden Architekten, einige wollten ihr Konterfeit nicht ausstellen lassen, andere waren bereits gestorben, als das Projekt lief.
Barbara Kündiger

Stadt der Architektur - Architektur der Stadt. Berlin 1900-2000.
     Ausstellung im Neuen Museum, Museumsinsel, Bodestraße 1-3 vom 23. Juni bis 3. September 2000.
     Zur Ausstellung erschienen der Katalog »Architektur der Stadt - Stadt der Architektur« sowie die Chronik »Bauen in Berlin . 1900-2000« und der Fotoband »Berlin - Architekten - Portraits«.

Mit historischen Pfunden wuchern
Landeskonservator Helmut Engel wurde in den »Unruhestand« verabschiedet

Der Arm der Denkmalpflege kann verdammt kurz sein, wenn mächtige Interessen der Wirtschaft und Politik gegen den Erhalt historischer Bauwerke stehen. Das hat der jetzt in den Ruhestand verabschiedete Berliner Landeskonservator Helmut Engel häufig erfahren müssen. Im Rückblick rechnet der gelernte Kunsthistoriker, an dem nach Auffassung von Kollegen ein Architekt verloren gegangen ist, Verluste an der Industriearchitektur in Moabit, Siemensstadt und anderswo zu seinen Niederlagen. Verglichen mit 1972, als der 1935 in der Nähe von Göttingen Geborene dieses Amt im damaligen West-Berlin antrat, habe sich das Denkmalbewusstsein spürbar verbessert, es reiche aber nicht aus.
     Nach wie vor müsse sich die Denkmalpflege des Vorwurfs erwehren, nur nach rückwärts zu schauen und Investitionsbremse zu sein. Dabei wisse doch jeder, dass gut erhaltene, gepflegte Bauwerke erhebliche Standortvorteile bringen und jede hier investierte Mark ein Mehrfaches an Kapital mobilisiert. Außerdem schaffe und behalte die Denkmalpflege Arbeitsplätze. Wie Ende Mai 2000 auf einem Kolloquium anlässlich der Verabschiedung von Helmut Engel vorgerechnet wurde, stehe keines der auch unter seiner Regie beziehungsweise Beratung restauriertes Baudenkmal leer, Investoren und Mieter würden sich geradezu nach solchem Ambiente reißen, und das wolle angesichts leer stehender Büro- und Wohnflächen etwas bedeuten.

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   111   Berichte und Rezensionen   Voriges BlattNächstes Blatt
»Wir müssen mit den historischen Pfunden wuchern«, ist Engels Devise.
     Nach 1990, als in der bisherigen DDR viel Denkmalwürdiges zur Disposition stand, kämpfte der Konservator gegen das »Fegefeuer des Vergessens« und setzte sich gelegentlich dem Verdacht aus, politisch inkorrekt zu sein. Den Palast der Republik unter Schutz zu stellen gelang nicht, wohl aber konnten beim Um- und Ausbau von politisch kontaminierten Ministerien Belange des Denkmalschutzes durchgesetzt werden.
     Misstrauen sei gegenüber Sonntagsrednern angebracht, die vom Wert des Erbes sprechen, es im Alltagsgeschäft aber als störend empfinden und lieber heute als morgen beseitigen möchten, erklärte Senatsbaudirektor Hans Stimmann bei seinem Rückblick. Zwar sei Berlin immer verändert, korrigiert und redigiert worden, doch »gemordet« sei die Stadt erst nach dem Bombenkrieg, um den Titel eines in den sechziger Jahren Aufsehen erregenden Buches von Wolf Jobst Siedler zu zitieren. Dass nicht noch mehr beseitigt wurde in Zeiten, als die Abrissbirne triumphierte, sei im Wesentlichen auch Engel, aber auch einem veränderten Wertebewusstsein zu verdanken.
     Wesentlich habe das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 zu diesem Umdenken beigetragen, doch da sei bereits vieles, allzu vieles unwiederbringlich verloren gewesen. Die Liste der Verluste hüben und drüben würde bereits den ganzen Kolloquiums- Vormittag füllen, so Stimmann. Ungewöhnlich für die Situation von vor dreißig Jahren, habe Engel auf die Industrie- und Verkehrsarchitektur und ihre Bedeutung für die städtischen Identität hingewiesen. Dem noch nicht benanntem Nachfolger riet der Senatsbaudirektor, eine schon lange vorliegende Dokumentation über diesen für Berlin besonders charakteristischen Teil des baulichen Erbes zu veröffentlichen, um damit Denkanstöße für Nutzung und Erhalt zu geben. Der ehemalige DDR- Generalkonservator Ludwig Deiters erinnerte daran, dass es zwischen der Denkmalpflege Ost und West »tröstliche Gemeinsamkeiten« gegeben hat.
Sie seien 1990 ein wichtiger Faktor für kontinuierliche Weiterarbeit im nunmehr vereinten Berlin gewesen, und dies im Prinzipiellen als auch im Personellen. Deiters führte die Zuhörer in eine schon längst entschwundene Zeit, als er den abenteuerlichen Weg beschrieb, den die im Austausch gegen das Archiv der Königlichen Porzellanmanufaktur in den Ostteil heimgeführten Schlossbrückenfiguren nahmen, weil der Tieflader nicht durch die engen Zickzacksperren am Übergang Heinrich-Heine- Strasse fahren konnte und daher ein südlich Berlins gelegener »Müllübergang« benutzt werden musste.
     Die Rückführung der originalen Architekturglieder vom Ephraimpalais in den Ostteil der Stadt gestaltete sich weniger schwierig; ohne sie stünde heute nicht an der Poststraße Berlins schönste Ecke, sondern vielleicht ein hässlicher Plattenbau wie wenige Meter weiter im Nikolaiviertel.
     Versteht sich, dass solche Austauschaktionen in Zeiten des Kalten Kriegs von Politikern und Kollegen in den eigenen Dienststellen hüben wie drüben mit Misstrauen beobachtet wurden. Ihre Durchsetzung verlangte, wie Kollegen und Kontrahenten Engel bescheinigten, Standfestigkeit und einen dicken Schädel. Helmut Engel nennt seinen Ruhestand einen Unruhestand. Weiterhin bleibt er dem Metier treu. Als Geschäftsführer der 1999 gegründeten Stiftung Denkmalschutz Berlin wirbt er von einem der Henselmannschen Türme am Strausberger Platz aus mit Unterstützung von »Aposteln« Spenden ein, um das Bewusstsein für bauliche Werte in der Öffentlichkeit zu stärken und Sanierungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Beim Kolloquium wurde nebenbei enthüllt, wie Engel seine auffällige Schreibwut befriedigt - auf langen Bahnfahrten nach Hause oder ins Büro beispielsweise. Auch künftig wird er alle Hände voll zu tun haben, denn er wird in der stiftungseigenen Schriftenreihe »Meisterwerke der Berliner Baukunst« auch als Autor vertreten sein. Als erster Band erscheint eine Dokumentation über Villen und Landhäuser, später sollen die Wohnsiedlungen sowie Guts- und Herrenhäuser erfasst werden.
Helmut Caspar
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   112   Berichte und Rezensionen   Voriges BlattNächstes Blatt
Hubert Olbrich
Schlesien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung für Franz Carl Achard

Sonderdruck im Selbstverlag des Wohlauer Rundbriefes. Hrsg. und Redaktion Luzia Günther, Düsseldorf 1998

Die Darstellung Schlesiens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die der aus Schlesien stammende und langjährige Direktor des Berliner Zucker- Museums, Hubert Olbrich, vorlegt, verbindet sowohl die Beschreibung des Lebenswerkes von Franz Carl Achard, Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften und Direktor der Physikalischen Klasse und Begründer der Rübenzuckerindustrie, als auch die historischen Vorgänge und Umbrüche Schlesiens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Autor versucht, die Anfänge der Rübenzuckerindustrie in die geschichtlichen und wirtschaftlichen Vorgänge der Provinz Schlesien einzubinden, wobei er jedoch die Landwirtschaft weitgehend ausklammert.
     Eröffnet wird die Darstellung mit einer chronologischen Übersicht des Lebens und Werkes des Chemikers, Physikers, Rübenanbauers und Zuckerfabrikanten, des besessenen und umtriebigen Wissenschaftlers Achard, wie er nach Schlesien kam, um in eine Beschreibung des Achardschen Besitztums in Nieder- und Obercunern im Kreise Wohlau überzugehen, der dann die kriegerischen Ereignisse und Kontributionen 1806 bis 1813, die Reformen und Entwicklungen bis zur Jahrhundertmitte folgen.

Die historischen Ereignisse und Entwicklungen, die politischen, reformerischen und militärischen Vorgänge, die zugleich den geschichtlichen Hintergrund der Biografie Achards bilden, werden vorwiegend am Leben und Wirken der drei Repräsentanten Schlesiens dieser Zeit, des Staatsministers Karl Heinrich Graf von Hoym und der beiden Oberpräsidenten Ewald Georg von Massow und Friedrich Theodor von Merckel abgehandelt. Eingeflochten in die Schilderung dieser Repräsentanten sind soziale Lage, persönliche Schicksalsschläge zahlreicher Personen und Schichten der Bevölkerung sowie die Schattenseiten der Reformen. Zu bemängeln ist das weitgehende Fehlen von Quellenangaben. In der chronologischen Übersicht fehlen etliche Werke Achards, wie z. B. »Kurzer Unterricht zum Anbau der Runkel- Rüben, um daraus Zucker zu gewinnen«, Breslau 1799, und »Kurze Anweisung wegen des Verfahrens bei der Syrup-, Zucker- und Brandtwein- Fabrication aus Mangold- oder Runkelrüben«, Breslau 1800. In der Genealogie ist zu berichtigen, dass Achard in erster Ehe mit Luisa Maria Kühn(en) verheiratet war und nicht mit Caroline Repper. Die Ehe blieb nach bisherigen Erkenntnissen kinderlos. Der hier genannte Sohn Carl August Achard, der nach einem halben Jahr starb (20. 2. 1800-18. 9. 1800) entsprang einer Beziehung mit Luise Knacke in Französisch- Buchholz. Literaturverzeichnis, Glossar, Personen- und Ortsnamenverzeichnisse bilden den Abschluss des Buches, zahlreiche Bilder ergänzen die Darstellung.
Hans-Heinrich Müller
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Dirk Finkemeier, Elke Röllig und Projektgruppe
»Vom >petit palais< zum Gästehaus«

Die Geschichte von Schloss und Park Schönhausen in Pankow/Niederschönhausen, Kulturamt Pankow 1999

Die schrittweise Öffnung zunächst des Inneren Schlossparks und zeitweilig auch des Schlosses selbst, hat das Interesse nicht nur der Pankower Bürger an der Geschichte der einstigen Sommerresidenz von Königin Elisabeth Christine (1715-1797) wieder stärker ihn den Mittelpunkt gerückt. Nach zwei Broschüren von Lars-Holger Thümmler, Schloß Schönhausen in Niederschönhausen (1997) und Barbara Keil/Renée Kunz, Pankow - Schloß Schönhausen. Eine Führung in Wort und Bild (1998) liegt nunmehr eine umfassende Darstellung der Geschichte von Schloss und Park Schönhausen von 1662 bis 1998 vor.
     Das ursprüngliche »petit palais« geht auf die Gräfin Dohna aus dem Hause Holland- Brederode zurück, die es nach Entwürfen ihres Gatten Christian Albrecht Burggraf zu Dohna (1621-1677) errichten ließ. Um- und Erweiterungsbauten durch Friedrich I. (1657-1713, ab 1688 Kurfürst, ab 1701 König) und im 18. Jahrhundert durch Elisabeth Christine gaben dem Schloss seine heutige Gestalt. Der Tatsache, dass es die Jahrhunderte und schließlich auch den Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet überstand, verdanken wir die einzigartige Erhaltung der frühesten Zeugnisse des preußischen Rokoko. Eine Fülle von Details, die für andere Schlösser heute mühevoll rekonstruiert werden müssen, sind in Schönhausen im Original erhalten und schmücken in zahlreichen Abbildungen das vorliegende Werk.

Der intakte Zustand des Schlosses führte in der Nachkriegszeit aber auch dazu, dass es mehr als 40 Jahre hinter hohen Mauern verschwand und u. a. als Sitz des Präsidenten Wilhelm Pieck (1876-1960) und als Gästehaus der Regierung der DDR den Bürgern verschlossen blieb. Die Sitzungen des Zentralen Runden Tisches ab Dezember 1989 und die »Zweiplus-Vier- Gespräche« im Juni 1990 im Konferenzgebäude auf dem Schlossgelände rückten das Gesamtareal wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Wenn wir allerdings die Jahre des Glanzes, der intensiven Nutzung und des öffentlichen Interesses aneinander reihen, so scheint doch die Zeit des »Märchenschlafes« (S. 152) bei weitem zu überwiegen, und so ganz aufgewacht ist das Schloss wohl bis heute nicht.
     Den Autoren ist es nach mehrjährigen intensiven Archivstudien, Auswertungen älterer Teildarstellungen und Befragungen von Zeitzeugen gelungen, erstmalig eine Darstellung der gesamten Anlage einschließlich Schlosspark und allen Nebeneinrichtungen vorzulegen. Dabei konnten sie sowohl Forschungslücken schließen als auch eine erhebliche Anzahl bis in die Gegenwart auftauchender historischer Unkorrektheiten ausräumen. Nicht nur gekrönte Häupter, auch die Baumeister, Verwalter und die fleißigen Gärtner haben ihren gebührenden Platz erhalten. So gibt ein Bericht des Kastellans Pierre Barthélemy Fontane (1757-1826), Großvater Theodor Fontanes, vom 1. Juli 1808 Auskunft über den baulichen Zustand des Schlosses (Faksimile, S.117 ff. ). Für die Geschichte des Inneren und Äußeren Schlossparks legte der Landschaftsarchitekt Dirk Finkemeier seine Diplomarbeit zu Grunde. Die von ihm eingebrachten Gestaltungspläne, Zeichnungen, Fotos und Abbildungen vermitteln ein anschauliches Bild der verschiedenen Entwicklungsstufen der Anlage.
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   114   Berichte und Rezensionen   Voriges BlattNächstes Blatt
Neben der kritischen Aufarbeitung früherer Darstellungen hat sich die Historikerin Elke Röllig in mühevoller Kleinarbeit besonders der jüngsten Vergangenheit des Ensembles gewidmet.
     Unterstützung fanden die Autoren in der Projektgruppe, zu der etwa 20 meist ehrenamtlich tätige Pankower Heimatforscher gehörten. Diese lieferten auch mehrheitlich das Material für die Zeit von 1949 bis 1989, nicht zuletzt durch Berichte von Zeitzeugen. Was sich in dieser Zeit hinter den hohen Mauern ereignete, war bisher zumeist unbekannt. Aus der Fülle der Ereignisse sei hier nur der Besuch des Regierenden Bürgermeisters von West-Berlin, Eberhard Diepgen, bei Erich Honecker (1912-1994) am 11. Februar 1988 im Spiegelsaal des Schlosses erwähnt.
     Durchgehend finden wir sämtliche Quellen sorgfältig als Marginalien verzeichnet, dazu im Anhang eine umfangreiche Gesamtübersicht der ausgewerteten Literatur und Archivalien. Vermissen wird man allerdings ein Personenregister, auf das bei einer zweiten Auflage zu hoffen wäre.
     Das Buch entstand als Auftragswerk des Kulturamtes Pankow und wurde im Juni 1999 der Öffentlichkeit vorgestellt. Es ist ein gut lesbares und reich illustriertes Werk, wird wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht und ist nicht etwa nur von Bedeutung für die Ortsgeschichte.
Gisela Langfeldt
»Der Bär von Berlin«, Jahrbuch 1999 des Vereins für die Geschichte Berlins

Auch diese achtundvierzigste Folge des Jahrbuches ist mit sechs bemerkenswerten wissenschaftlichen Beiträgen beredtes Zeugnis für aufschlussreiche berlinhistorische Forschungen und die traditionsreiche Arbeit eines Vereins, der am 28. Januar dieses Jahres 135 Jahre alt geworden ist. Wie in den vergangenen Jahren wurde es von den Vorstandsmitgliedern Prof. Dr. Sybille Einholz, Kunstwissenschaftlerin, und Dr. Jürgen Wetzel, Direktor des Landesarchivs Berlin, herausgegeben; auch die Schriftleitung lag in ihren Händen.
     Eingeleitet wird das Jahrbuch mit einem Beitrag von Dr. Peter Rohrlach zum Thema »Die erste Geschichte des Grauen Klosters zu Berlin. Martin Diterich und seine Berlinische Kloster- und Schulhistorie«. 1997 hatte der Berliner Helmut Scherer Verlag ein Reprint der »Berlinische(n) Kloster- und Schulhistorie« von Martin Diterich, im Jahre 1732 bei Christian Gottlieb Nicolai erschienen, herausgebracht. Der Nachdruck wurde von Rohrlach mit einer umfangreichen, zur Erklärung allerdings notwendigen Einleitung und einem Personenregister versehen. Die Biographie von Martin Diterich (1681-1749) nimmt in dieser Einleitung einen wichtigen Platz ein. Es ist wohl kein anderer wie Rohrlach prädestiniert, einen solchen Beitrag zu präsentieren. Selbst Absolvent des Gymnasiums zum Grauen Kloster, hat er seit fast einem halben Jahrhundert maßgeblich an der Erforschung der Bibliothek dieser bedeutenden Bildungseinrichtung und ihrer Neuerschließung nach 1945 mitgewirkt.

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Als am 3. April 1945 eine Luftmine die Klosterkirche und die angrenzende Schule zerstörte, wurde auch der größte Teil der Bibliothek zerstört. Nur etwa ein Drittel der ursprünglich 50000 Bücher ist erhalten geblieben. Als Sondersammlung in der Berliner Stadtbibliothek hat Dr. Rohrlach bis heute die verbliebenen Bestände von etwa 14500 Bänden bewahrt, erschlossen und gepflegt. Der Autor stellt eine umfassende Rezension der Arbeit von Martin Diterich (1681-1749) mit bisher nicht bekannten Details vor. Seit dem 12. Jahrhundert hatten die Berliner Franziskanermönche im Schutze der mittelalterlichen Stadtmauer ihre Klostergebäude ausgebaut und erweitert. Mittelpunkt war die Klosterkirche. Das Gelände in der heutigen Klosterstraße erhielten die Franziskaner von den Markgrafen Otto V. und Albrecht der III. Eine Ziegelei auf einem Gelände in der Nähe des heutigen Mehringdamms schenkte ihnen ein Freund und Förderer des Ordens, ein Ritter namens Jacob von Nebede. Dort brannten sie die Ziegel zum Bau des Klosters und der Kirche. Seinen Namen erhielt das Kloster durch die graubraunen Kittel und grauen Kappen, die zur Ordenstracht der Mönche gehörten. Schon im 16. Jahrhundert sollte das Kloster sein Ende finden und an den Landesherren übergehen. Als Folge der Reformation wurde nach der Kirchen- und Schulvisitation 1540 das gesamte Vermögen eingezogen. Zunächst überließ der Kurfürst Johann Georg von Brandenburg (1525-1598, Kurfürst ab 1571) seinem Leibmedikus Leonhard Thurneysser zu Thurn (1531-1596) das Kapitelhaus, das angrenzende Langhaus und wohl noch weitere Teile der Klostergebäude, der hier eine Druckerei einrichtete, mit der Berlin endlich Anschluß finden sollte an andere Städte der Mark Brandenburg. In einer kurfürstlichen Verordnung vom 24. Februar 1574 wurden Simon Gottsteig, der Amtmann auf dem Mühlenhof, der kurfürstliche Lehnsekretär Joachim Steinbrecher (1523-1598) und die beiden Berliner Bürgermeister Thomas Hübner und Hyronimus Tempelhof angewiesen, in einem Teil der Räume »unsers grauen Closters in unserer Stadt Berlin gelegen« eine »Allgemeine Schule« zu errichten. Da die finanziellen Mittel aus öffentlichen Kassen bescheiden waren, musste auf Privatspenden von den »Visitatoren« selbst und reichen Berliner Familien zurückgegriffen werden. Die beiden Berliner Bürgermeister ließen sogar auf eigene Kosten die Dächer der Klosterkirche und der Klostergebäude decken. Am 13. Juli 1574 konnte die Anstalt als »Gymnasium Berolinense« feierlich ihrer Bestimmung übergeben werden. Sie ging aus den bereits vorher zusammengelegten Pfarrschulen von St. Marien und St. Nicolai hervor. Den Namen »Gymnasium zum Grauen Kloster« erhielt die Schule erst später.
     Noch im Gründungsjahr stieg die Schülerzahl auf über 600. Die erste Schulordnung im Jahre 1576 von Joachim Steinbrecher, vom Kurfürsten bestätigt, war zugleich die erste Schulordnung in Berlin.
     Den ersten Teil seines Buches, dem ein Vorwort und auch eine nähere Nachricht über die Absichten des Verfassers und die benutzten Quellen leider fehlen, hat Diterich in 18 Kapitel untergliedert. Dieser Teil behandelt die Stiftung und Merkwürdigkeiten des Grauen Klosters und stellt dann die Rektoren von Jacob Bergemann (1546-1615) bis Johann Leonhard Frisch (1737-1795) in Lebensbildern vor. Der zweite Teil stellt in chronologischer Abfolge, eingeteilt in neun Kapitel, die Konrektoren, Subrektoren, Subkonrektoren, die Kantoren in der Nikolaikirche und in der Marienkirche und die Inhaber der unteren Lehrerstellen vor.
     Dem Thema »Das Museum für Meereskunde zu Berlin in alten Fotografien. Auf den Spuren eines vergessenen Museums« ist ein Beitrag von Regina Kitschmann gewidmet. Dieses Museum in der Georgenstraße 34-36, zu seiner Zeit eines der bedeutendsten meereskundlichen Museen Europas, existiert nicht mehr, größtenteils zerstört durch Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg. Trotz Mahnungen von Fachleuten nach dem Krieg nicht vor Plünderungen und Verfall geschützt, wurde es durch den Magistrat von Berlin am 31. Dezember 1946 endgültig aufgelöst und schließlich 1959 abgerissen.
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   116   Berichte und Rezensionen   Voriges BlattNächstes Blatt
Anhand der Fotosammlung des Museums mit 7 459 erhalten gebliebenen Aufnahmen, die 1986 vom Altonaer Museum in Hamburg an das Archiv des deutschen Technikmuseums übergeben wurden, gibt die Autorin einen detaillierten Einblick in die Geschichte, die Sammlungen und die Räumlichkeiten des ehemaligen Museums. Die Geschichte des Museums beginnt Ende des 19. Jahrhunderts. Zunächst vorgeschlagen als »Ozeanisches Institut« der Universität Kiel, gibt es bald Forderungen nach einem Marinemuseum in Berlin. Kaiser Wilhelm II. (1859-1941; Kaiser 1888-1918) unterstützte den Vorschlag von Admiral Alfred von Tirpitz (1849-1930) zur Errichtung des Marinemuseums mit einem angeschlossenen wissenschaftlichen »Institut für Seewissenschaften« als universitäre Einrichtungen der Königlichen Friedrich-Wilhelm- Universität. Beide Institutionen, Institut und Museum, sollten gemeinsam »eine Pflegestätte wissenschaftlicher Erforschung des Meeres« bilden; es entstand so der Name »Museum für Meereskunde«. Im Jahre 1900 werden die notwendigen Mittel für den Staatshaushalt eingeplant und vom Landtag bewilligt. Nach einem Plan von 1904 gab es vier Abteilungen: Die Reichs- Marine- Sammlung zur Geschichte und »Organisation der Kriegsmarine«, die historisch- volkswirtschaftliche Sammlung, die ozeanologische Sammlung und die biologische Sammlung. Attraktionen waren »Dioramen« und »Alkoholarien«, die in speziellen Kapiteln des Beitrages erläutert werden. 1940 erfolgt die Umwandlung der Reichs- Marine- Sammlung in ein selbständiges »Museum der Kriegsmarine«. 1943/44 werden transportable Objekte u. a. in die Kalkbergwerke bei Rüdersdorf ausgelagert. 1944 begann die fast völlige Zerstörung; noch am 30. April 1945 brennt der Mittelbau des Museums vollständig aus. Nach den Wirren und Zerstörungen des Krieges sowie durch Verlagerungen sind die Ausstellungsobjekte des Museums später in verschiedensten Museen in Deutschland aufgetaucht. So im militärhistorischen Museum in Dresden, Deutsches Armeemuseeum, bis 1990 im Schiffahrtsmuseum Bremerhaven, im Deutschen Technikmuseum Berlin. Eine Ausstellung 1996 »Aufgetaucht - Das Museum für Meereskunde« in diesem Museum hat ein anschauliches Bild über Verlagerungen und wieder aufgetauchte Objekte gegeben. Am Eingangsportal erinnert ein Nachguss des Museumsschildes an diese einmalige Institution.
     Ein weiterer Beitrag stammt von Lothar Schirmer: »Der Admiralspalast: Vorhang zu und alle Fragen offen. Vom Admiralsgartenbad zum Metropoltheater«. Am 23. Mai beschloß das Abgeordnetenhaus von Berlin, das Metropol- Theater zu privatisieren. René Kollo, der das Theater wieder zu seiner einstigen Größe führen sollte, wurde zu Beginn der Spielzeit 1996/97 neuer Intendant; jedoch war die neue Ära nach nicht einmal einem Jahr zu Ende. Nach einem weiteren dreimonatigen Versuch mit dem Hamburger Musical- Import »Yesterday« blieb der Vorhang erneut geschlossen. Der Autor erinnert an die wechselvolle Geschichte dieses Ortes in der Mitte Berlins. Sein Rückblick beginnt im Jahre 1873. Auf 3 200 Quadratmetern Fläche errichten die Architekten Walter Kyllmann und Adolf Heyden im Auftrag der Admiralsgartenbad- Aktiengesellschaft über einer Solquelle, die 1867 zufällig gefunden wurde, das Admiralsgarten- Bad. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts war es nicht mehr lukrativ genug, wurde stillgelegt und schließlich abgerissen. Im Mai 1910, entworfen von Heinrich Schweitzer und Alexander Diepenbrock, beginnt der Neubau des Admiralspalastes, der in seinen äußeren architektonischen Teilen heute noch weitgehend erhalten ist. Größte Attraktion war die Eis-Arena, die mit ihren zwei Galerien mehr als 3 000 Zuschauern Platz bot. Auch ein Bädertrakt, war im obersten Stockwerk angelegt.
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   117   Berichte und Rezensionen   Voriges BlattNächstes Blatt
Am 17. Juni 1911 eröffnete dann die Lichtspielbühne mit einem eigens für den Admiralspalast hergestellten Film mit dem umschwärmten jugendlichen Helden Carl Clewing in der Hauptrolle. Der Autor analysiert das eigenwillige Filmprogramm und die Konzeption der Lichtspielbühne, vor allem aktuelle Dokumentarfilme und Kunstfilme zu zeigen, bis 1922 Eis-Arena und Filmtheater schlossen und ein umfangreicher Umbau begann. Nach nur sechsmonatiger Umbauzeit eröffnet schon am 11. November 1922 das »Welt- Varité« im Admiralspalast und geht mit einem monatlich wechselnden Nummernprogramm in Konkurenz u. a. zum Wintergarten, zur Skala und zum Metropol- Varité. Es wird schon nach einem halben Jahr durch die »Haller- Revuen« mit einem eigenständigen künstlerischen Reiz abgelöst. Es begann dann die Zeit der Operette, bis der Palast 1933 schließen muss. 1935 wird der Admiralspalast wieder bespielt und Walter Felsenstein (1901-1975) als Hausregisseur engagiert. Am 19. Februar 1944 endet auch die Zeit der Operette; für ein reichliches Jahr ist nun die Deutsche Oper zu Gast, bis am 8. September 1945 ein neues Kapitel beginnt. Die Deutsche Staatsoper findet für zehn Jahre in der Friedrichstraße ihr neues Domizil, da das Opernhaus Unter den Linden zerstört ist. Am 14. April findet im Admiralspalast der »Vereinigungsparteitag« von KPD und SPD zur SED statt. Mit dem Auszug der Staatsoper 1955 beginnt das vorerst letzte Kapitel des Hauses, das mehr als 40 Jahre zur Spielstätte des Metropol- Theaters werden sollte.
     »Die Loge zur >Morgenröte<. Reform- Freimaurerei im Wilhelminischen Berlin« ist ein Beitrag von Hans-Detlef Mebes, Kurt Tucholsky zum 75. Freimaurerjubiläum gewidmet. In der Einleitung erläutert der Autor die Entstehungsgeschichte der Loge, die auf die legale Gründung der Großloge »Freimaurerbund Zur Aufgehenden Sonne« am 25. März 1908 am Königlichen Amtsgericht der Stadt Nürnberg zurückging. Schon am 28. Juli 1907, am Geburtstag von Ludwig Feuerbach (1804-1872), hatte man sich getroffen und dem Satzungsentwurf zugestimmt.
Unter dem Dach dieser Großloge entstanden in Basel, Nürnberg, Chemnitz und anderen Städten, darunter in Berlin, am 26. März 1908, unter dem Namen »Zur Morgenröte« eigene Logen. Ausführlich befasst sich der Autor mit der Freimaurerei in der preußischen Rechtsordnung und mit der Bedeutung freigeistiger Strömungen in Mitteleuropa. Ein umfangreiches letztes Kapitel beschreibt die Berliner Gründung und erste Entwicklung der Reformloge. Dr. jur. Kurt Tucholsky (1890-1935) hatte großen Anteil daran. Später knüpfte Tucholsky Kontakte zu Logen in Frankreich und wurde 1925 Mitglied in zwei französischen Logen, nachdem er am 24. April 1924 in den »freimaurerischen Lehrlingsgrad« und am 28. September in den »freimaurerischen Gesellenstand« befördert wurde. Nach einigen Zwischenquartieren hatte die Loge ab April 1913 15 Jahre ihren Sitz im »Buchgewerbehaus« in der Wilhelmstraße 118 in Kreuzberg. Bis März 1908 wurden in Berlin 14 »Brüder« aufgenommen, 1913 waren es 52, wobei die Rangordnung nach Meistern, Gesellen und Lehrlingen streng beachtet wird; bundesweit waren es zu dieser Zeit etwa 800 »Brüder«. Der Autor versucht vor allem, die Ziele und Zwecke der Großloge und der Berliner Loge »Zur Morgenröte« deutlich zu machen.
     Gottfried Eisermann zeichnet zu »Franz Eulenburg. Ein Gelehrtenleben im Umbruch der Zeit« ein eindrucksvolles Porträt eines Mannes, den er vor dem Vergessenwerden bewahren möchte. Eulenburg, der als viertes Kind einer Berliner jüdischen Kaufmannsfamilie, »in einer gutbürgerlichen Familie«, wie er später selbst betont hat, am 26. Juni 1867 geboren wurde, hatte 1886 am Friedrich-Wilhelm- Gymnasium das Abitur abgelegt und begonnen, an der Friedrich-Wilhelm- Universität Medizin zu studieren. Wegen starker Kurzsichtigkeit musste er aufgeben und wandte sich dem Studium der Geschichte, Volkswirtschaftslehre und Philosophie zu. Bald geriet er in den Bann von Gustav v. Schmoller (1838-1917), führender Nationalökonom und Mitbegründer des noch heute existierenden Vereins für Socialpolitik - heute erweitert als Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.
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   118   Berichte und Rezensionen   Voriges BlattNächstes Blatt
Nach seiner Promotion 1892 begann eine ungewöhnliche wissenschaftliche Laufbahn, zunächst vom Mitarbeiter im Statistischen Amt in Breslau über das Amt des Extraordinarius 1905 an der Universität Leipzig bis zum Ordinarius an der Technischen Hochschule in Aachen. Schon bis zu dieser Zeit waren viele bedeutende wissenschaftliche Arbeiten entstanden. Eine Gefängnisstrafe 1918 wegen angeblicher besatzungsfeindlicher Äußerungen Eulenburgs, dessen patriotische Gesinnung bekannt war, die Flucht aus dem Gefängnis und die Beschlagnahme seines Eigentums brachten einen einschneidenden Rückschlag in seiner Arbeit, bis ihn 1919 der Leiter des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und Welthandel, Prof. Bernhard Harms (1876-1939), als Mitarbeiter berief und ihm zugleich einen Ruf an die Kieler Universität verschaffte. 1920 folgte er einem Ruf an die Berliner Handelshochschule, die spätere Wirtschaftshochschule. Er war als Wissenschaftler anerkannt. 1933 sah Eulenburg keinen Grund, aus seiner Heimat wegzugehen. Er fühlte sich mit Recht als deutscher Patriot und evangelischer Christ - er war schon in jungen Jahren zum Protestantismus übergetreten. Er wurde dennoch auf üble Weise diffamiert und schließlich aufgefordert, seine Vorlesungen einzustellen. Nach seiner Emeritierung blieb er noch auf vielfältige Weise wissenschaftlich tätig. Die Kriegsjahre konnte er teilweise noch zu statistischen und demographischen Studien nutzen, deren Originale in seiner Wohnung in Berlin- Halensee durch einen Luftangriff im Februar 1944 verbrannt sind. Mit einem kümmerlichen Vorwand wurde er verhaftet, in die berüchtigten Kellergefängnisse der Gestapo in der Prinz-Albrecht- Straße, kurz darauf durch befreundete Fürsprache zum Alexanderplatz gebracht, wo er zugrunde ging. Als Todestag wird der 28. Dezember 1943 angenommen. Auf dem Friedhof in Stahnsdorf ist er begraben. Daniel F. Harrington, amerikanischer Historiker, hat unter dem Titel: »Die Luftwaffe kann alles liefern. Eine Geschichte der Berliner Luftbrücke«, einen Beitrag zum 50jährigen Jubiläum der Luftbrücke geleistet. In dem hier vorgestellten Jahrbuch 1999 ist Teil II des Beitrages veröffentlicht; Teil I erschien bereits im Jahrbuch 1998. Der Beitrag mit 243 Anmerkungen und Quellenangaben, zahlreichen Fotos sowie im Anhang mit einem tabellarisch aufgelisteten Gesamtüberblick über eingeflogene Tonnen, beförderte Passagiere und Opfer der Blockadezeit ist eine Ergänzung der im Jubiläumsjahr zahlreich erschienenen Literatur zur Luftbrücke. Der Autor will vor allem die Anstrengungen der Westmächte, insbesondere der Amerikaner, bei der Verteidigung West-Berlins, die logistischen und technischen Herausforderungen bei der Organisation des größten Luftfahrtunternehmens in der Geschichte dokumentieren. Die Übersetzung aus dem Amerikanischen besorgte Regine Schulzevan Severingen.
Jutta Schneider

Unsere Mitarbeiterin Jutta Schneider starb am 9. Mai kurz vor Vollendung ihres 64. Lebensjahres. Seit 1991 hat sie die Arbeit des Luisenstädtischen Bildungsvereins mitgestaltet, sachkundig, einsatzfreudig und immer hilfsbereit. Wir werden Jutta Schneider stets ein ehrendes Andenken bewahren.
Luisenstädtischer Bildungsverein
Redaktion »Berlinische Monatsschrift«

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   119   Berichte und Rezensionen   Voriges BlattNächstes Blatt
Horst Helas
Juden in Mitte
Biografien Orte Begegnungen

Herausgegeben vom Verein zur Vorbereitung einer Stiftung Scheunenviertel Berlin e. V. trafo verlag, Berlin, 2000, 303 S.

»Lassen Sie uns gegenseitig unsere Biografien erzählen, um zu wissen, wer wir sind«, meinte Richard von Weizsäcker, als sich vor gut zehn Jahren die beiden Teile Deutschlands anschickten, wieder ein Staat, gar eine Nation zu werden. Da stand das Kennenlernen, das Begreifen des jeweils Anderen im Vordergrund, da ging es vor allem darum, Verständnis dafür zu entwickeln, warum in einer bestimmten Situation jemand so und nicht anders gehandelt hat. Biografien sind Dokumente unterschiedlicher Sozialisation, unterschiedlicher Lebenserfahrungen, unterschiedlicher Schicksale. Kurz: Es ist Leben, das individuell erfahren wird und doch den allgemeinen Zeitgeist widerspiegelt. Und: Aus Biografien wird man nicht entlassen. Man schleppt sie ein Leben lang mit sich herum, man wird durch sie geprägt. Zeitgeschichte - auch und vor allem für Nachgeborene - sinnlich konkret zu machen, geht nur über das Erzählen von individuellen Schicksalen. Das gilt zu allen Zeiten. In guten wie in schlechten. Zumal wenn es ums Leben geht. Und das geht es in diesem Buch über Schicksale jüdischer Mitbürger in Berlins Mitte ab 1933 in bestürzender, erschreckender Finalität immer und immer wieder.
     Das ist, neben vielen anderen Vorzügen, für den Rezensenten der Hauptgewinn aus dem Buch von Horst Helas »Juden in Mitte«. Hier werden exemplarisch für alle Juden Lebenslinien in der zeitgeschichtlich wohl wichtigsten Epoche des 20. Jahrhunderts nachgezeichnet, die gerade durch das Einzelschicksal emotional aufwühlen und betroffen machen.

Es ist eine Spurensuche der besonderen Art. Nicht das besondere stadtgeschichtliche Ereignis soll hier in der Berliner Mitte aufgespürt werden. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die menschlichen Koordinaten eines für alle Zeiten verlorenen Berlins, es geht um Erinnerungen an eine Kultur, die von den Nazis unwiderruflich und in explizit grausamer Effizienz für immer ausgerottet wurde.
     Doch beginnen wir chronologisch, so wie es das Buch auch tut. Da wird ein knapper und notwendiger Abriss zur Geschichte der jüdischen Ansiedlung in Berlin vermittelt, speziell in Mitte und hier speziell wieder zur Gegend um das Scheunenviertel, das besonders gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein bevorzugter Ort für den Zuzug von Juden aus dem Osten war. Neben der relativ reich vorliegenden Literatur zu diesem Thema (im Literaturanhang gut und gewissenhaft dokumentiert) kann hier das Autorenteam auf langjährige eigene Recherchen zurückgreifen und bisher noch nicht Veröffentlichtes zur Geschichte dieses Berliner Stadtteils beitragen. Das Wesentliche aber sind die Befragungen der betroffenen Zeitzeugen. Ihre Berichte, von den Autoren behutsam in Abschnitte unterteilt wie »Sie und viele andere hatten ein Geschäft in Berlin-Mitte«, »Synagogen und ihre Rabbiner«, »Flucht aus Deutschland«, »Ich trage eine Nummer auf dem Arm« oder »Überlebt in Berlin«.
     Im Mittelpunkt der Recherche stehen vor allem die individuellen Schicksale jüdischer Bewohner aus jenem heterogenen Viertel zwischen Bülowplatz und Garnisonfriedhof. Besonders die Dragonerstraße (heute Almstadtstraße) mit ihrem Schtetl- Charakter wird im Buch in einer bisher so noch nicht nachzulesenden Ausführlichkeit dargestellt. Um die Jahrhundertwende war die Straße Sammel- und Treffpunkt für durchreisende und bleibende, für fromme und weniger fromme, für lebenslustige und ernste Juden aus Osteuropa - kurz: für ganz normale Leute, deren Sorge ums tägliche Brot zu jener Zeit ihre einzige Sorge war.
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   120   Berichte und Rezensionen   Voriges BlattNächstes Blatt
Bewußt legen die Autoren Wert auf die Authentizität der oral history. Über die Familiengeschichte ergibt sich somit eine Identifikation mit den Protagonisten, eben weil das ganz normale Leute sind, deren Freuden und Sorgen jeder kennt und teilt. Geburt, Schule, Familienfeiern, der lebenserfahrene Großvater und die besorgte Großmutter, der strenge Lehrer und der kesse Freund, mit dem man die herrlichsten Streiche machen konnte, die erste Liebe und der Beruf, das Geschäft oder die Krankheit der Kinder - es ist ein Stück normales, alltägliches, unspektakuläres Leben, das aus diesen Schilderungen spricht.
     Der Bruch in den linearen Biografien der Berichtenden ist dann um so gravierender. Sie alle, die sich bereit fanden, sich der Reise in ihre Vergangenheit zu stellen, sind in den zwanziger und dreißiger Jahren geboren. Sie waren Kinder, als 1935 die Nürnberger Gesetze die Juden zu Ausgestoßenen machten; sie erlebten verstört den wütenden Mob vom 9. November 1938, sie wurden brutal ihrer Kindheit beraubt, als die Endlösung anstand. Ihre stärksten Gefühle, wie man sie so positiv nur als Kind empfindet, wurden von heute auf morgen zu Hass auf das - zumeist - geliebte Land. Mit den Jahren mag der Hass geschwunden sein, die Trauer blieb.
     Manche dieser Lebensgeschichten lesen sich - wenn sie denn zu Rettung und Überleben führten - wie altjüdische Legenden. So wie jene vom Wiederfinden der Geschwister Rebhun, eine Odyssee durch Orte und Jahre, bis sich die überlebenden drei Geschwister dann wiedersehen. Oder die Lebensgeschichte von Horst Senger, der in seinem Taschenkalender Tag für Tag, Person für Person eingetragen hat. Jeder Schultag in der Jüdischen Schule in der Großen Hamburger Straße ist dort gewissenhaft aufgezeichnet.
Ob der Musiklehrer Loewy oder der Zeichenlehrer Geismar, der von den Kindern sogenannte Geschichtlehrer »Aschi«, sie alle gewinnen durch seine Aufzeichnungen Konturen. Horst Senger gelingt mit seinen Eltern noch 1941 die Flucht in die USA. Das unscheinbare Büchlein erlaubt ihm, 1998 den Schülern der jetzigen Jüdischen Schule in der Großen Hamburger Straße viele Einzelheiten zu berichten. Er schlägt ihnen vor, für alle nach 1933 an der Schule unterrichtenden Lehrer eine Gedenktafel anzubringen. Am bedrückendsten und aufwühlendsten sind die Schicksale jener, die den Todeslagern entkommen konnten. In dem Kapitel »Ich trage eine Nummer auf dem Arm« sind es vor allem der abenteuerliche Lebensweg von Max Drimmer und Herman Shine, die den stärksten Eindruck - stellvertretend für viele andere - hinterlassen. Da sind die beklemmenden Schilderungen Max Drimmers, wie er die sogenannte Reichskristallnacht er- und überlebt, wie er als Jude mit polnischem Pass ins KZ Sachsenhausen kommt, wie er den Wechsel nach Auschwitz fast als Erleichterung empfindet, wie er zusammen mit seinem Freund Herman Shine dank der Hilfe eines polnischen Partisanen aus dem Vernichtungslager fliehen kann. In der ganzen menschlichen Dimension für den Leser erfahrbar wird das Ausmaß dessen, was beide erleiden, jedoch erst in dem lapidaren Satz der beiden: »Weißt du noch, wie wir am Bülow- Platz Fußball spielten?« Angesichts des immensen Materials, das recherchiert, aufbereitet und gestaltet werden musste, sind sechs Jahre Arbeit an solch einem Projekt nicht zuviel. Angesichts dieser Elogen sind die kritischen Anmerkungen vergleichsweise marginal. Aber gestattet seien sie doch.
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   121   Berichte und Rezensionen   Voriges BlattArtikelanfang
Es mag noch hingehen - auch wenn es stört -, dass manchmal mehrere Sätze hintereinander mit »Diese ...« beginnen; störender sind dann schon grammatikalische Bezugsfehler oder eine mitunter etwas krude Handhabung von Verbenvalenzen. Zwar weiß man bei dem Satz »Im Berlin der Kaiserzeit koexistierte seitens der nichtjüdischen Mehrheit ein liberaler Umgang mit den Bürgern jüdischen Glaubens mit versteckten und zuweilen offen antisemitischen Angriffen«, was gemeint ist, aber Sprachrhythmus und Grammatik machen hier die Grätsche. Leider häufen sich solche Ungetüme. Wo war da der Lektor?
     Das Werk genügt wissenschaftlichen Ansprüchen. Warum also kein Register? Und wenn weiter oben die Literaturhinweise gelobt wurden, so sei dem Rezensenten wenigstens gestattet, auf zumindest zwei Unterlassungen hinzuweisen. Bei Ladwig-Winters wird ihr Buch über das Kaufhaus Wertheim erwähnt, ihre verdienstvolle Schilderung jüdischer Rechtsanwälte »Anwalt ohne Recht« aber nicht. Selbst wenn jenes Buch über die Mitte Berlins hinausgeht - es ist inzwischen ein unverzichtbares Standardwerk geworden, auf das man nicht oft genug hinweisen sollte. Auch ein Hinweis auf Gerald Reitlingers Werk zur Judenvernichtung fehlt - selbst wenn sein Titel inzwischen nicht mehr der aktuellste ist. Doch wie gesagt, angesichts der Wichtigkeit des Buches mögen das gewiß läßliche Sünden sein.
Gut sechs Jahre suchten die Autoren einen Verlag, der das Risiko auf sich nehmen würde, das Buch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Manche renommierten Häuser schüttelten angesichts allgemein sinkender Leserzahlen und gestiegener Herstellungskosten sowie Vertriebskosten resignierend den Kopf. Denn bei allem Verdienst, sich dieses Themas anzunehmen, ein Verkaufserfolg ist dabei nicht zu erwarten. Dank Sponsoren gelang es schließlich doch noch, den Titel aus der Taufe zu heben. Wenn man gesehen hat, mit welcher Resonanz das Erscheinen des Buches bei der Buchvorstellung am 29. Mai 2000 im Centrum Judaicum bei den vielen extra angereisten jüdischen Betroffenen erfuhr - Max Drimmer aus Kalifornien sprach kurze Worte des Dankes und Gedenkens -, dann weiß man: Bücher haben ihre eigene Geschichte.

Bernhard Thieme

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7/2000
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