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Klaus Duntze
»Das gantze Eyland muss ein Paradies werden«

Die Kultivierung Brandenburgs durch den Großen Kurfürsten

»Geboren in der Flucht, umringt mit Schwert und Brand,
Schier in dem Rauch erstickt, der Mutter herbes Pfand,
Des Vaters höchste Furcht, die an das Licht gedrungen,
Als die ergrimmte Flut mein Vaterland verschlungen:
Ich habe diese Welt beschaut und bald gesegnet,
Wo ihr die Tage zählt, so bin ich entschwunden,
Sehr alt, wofern ihr schätzt, was ich für Angst empfunden.«

Die Grabschrift Marianae Gryphiä, von Andreas Gryphius auf den frühen Tod seiner Tochter verfasst1), spiegelt die unausmessbare Not und das Elend des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland wider. 1640 tritt Friedrich Wilhelm (1620-1688) sein Amt als Kurfürst von Brandenburg an.

Sein Land, genauer seine verstreuten Ländereien, waren unter seinem schwachen Vater, dem Kurfürsten Georg Wilhelm (1595-1640, Kurfürst ab 1620), Spielball der Kriegspolitik gewesen, Durchzugsgebiete und Unterpfand für politischen Schacher, bei dem die Menschen, ihre Behausungen, ihr Hab und Gut, ihre Hoffnungen und Ängste nur Verfügungsmasse im politischen Spiel waren. Der neue Fürst war in den Niederlanden aufgewachsen, unter den oranischen Statthaltern damals das modernste Land Europas, erfahren in den Techniken der Landgewinnung und -bewahrung, in seinem Gemeingeist geprägt durch den immerwährenden Kampf gegen das Meer. Friedrich Wilhelm, noch lange nicht der »Große Kurfürst«, trat doch sein Amt an in dem festen Willen, seinem Land und den Menschen darin eine Zukunft zu schaffen, menschenwürdige Lebensbedingungen. Doch zum Neuaufbau von Städten und Dörfern, zur ungestörten Bestellung der Felder, zur Erneuerung der verrohten Sitten musste erst einmal Frieden werden.
     Noch acht bittere Jahre sollte es dauern, bis 1648 in Münster und Osnabrück die erschöpften Kriegsgegner sich zum Friedensschluss verstanden, bis die Hoffnungen der Menschen wieder zaghaft erwachten. Wiederaufbau aus den Ruinen, der Großteil des Landes wüst gefallen, und doch: Die Erde wieder ein Ort, da man wohnen kann im Einvernehmen von Mensch und Natur unter Gottes Gebot und Segen, menschenwürdig, gottesfürchtig.
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Die Erde wieder als einen Garten denken, dem Paradies abgeschattet, der Himmel wieder unten, auf der Erde, unter den Menschen. Brandenburg und das 1618 dazugeerbte Preußen, das Herzogtum Cleve, die Grafschaften Mark und Ravensberg am Unterrhein wieder als blühende Landschaften? Dazu gehörte ein fester politischer Wille und eine herrscherliche Vision. Moritz von Nassau- Siegen (gest. 1679), Statthalter und Berater des Kurfürsten in Cleve, schrieb dem Freund über das Herzstück der brandenburgischen Kurlande, die Insel Potsdam: »Das gantze Eyland muss ein Paradies werden!« Das ist kein gartenästhetisches Wunschbild, das ist ein innenpolitisches Programm des Wiederaufbaus und der Kultivierung des verheerten Landes. Viel Arbeit für den neuen Herrscher Friedrich Wilhelm und seine Bürger, Bauern, Edelleute, viel Überzeugungsarbeit, viel Vermittlungsarbeit, viel Knochenarbeit - ein Paradies fällt nicht vom Himmel.
     Vor allem aber muss die Sicherheit des Staates und seiner Länder gegeben sein; ohne äußeren Frieden kein Friede im Inneren. Erst nach dem Frieden von 1648 konnte Friedrich Wilhelm daran gehen, das innere Gefüge eines Staates zu schaffen, den Ständen ihren Platz im Gemeinwesen zuzuweisen, Fachleute, vornehmlich aus den Niederlanden ins Land zu holen, die mit Melioration und den damals moderen Techniken von Ackerbau und Viehzucht vertraut waren.

Kurfürst Friedrich Wilhelm, Stich von Johann Hainzelmann

Verkehrswege waren zu schaffen, eher auf dem in der Mark so reichlich vorhandenen Wasser (wie mit dem Kanal zwischen Spree und Oder), aber auch die ersten befestigten Alleen. Steuern waren neu zu ordnen und den Ständen abzutrotzen, eine verlässliche Bürokratie zu schaffen, die den Willen des Herrschers in alle Winkel des Landes transportierte. Vor allem aber war der religiöse Frieden zu sichern, die Anerkennung der Konfessionen untereinander zu erreichen.

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So hat Friedrich Wilhelm alles daran gesetzt, Verhandlungen, Überredung, auch herrscherlichen Zwang, um den Zank und Streit der Lutherischen mit den Reformierten aus seinem Land zu verbannen. Erschwert wurde diese Aufgabe durch seine Einwanderungspolitik: Der Landesherr brauchte dringend Menschen für seine entvölkerten Länder, qualifizierte Bauern und Handwerker vor allem, aber auch Deich- und Kanalbauspezialisten für die Trockenlegung der unzähligen märkischen Sümpfe, schließlich Geldleute für die Förderung des Handels und der Manufaktur. In allen Ländern Europas waren seine Werber unterwegs, vor allem in den ihm vertrauten Niederlanden und der Schweiz. Und es gab noch einen anderen Markt für Immigranten: die Wanderungsbewegungen der Glaubensflüchtlinge in Europa. Evangelische aus Oberösterreich, Siebenbürgener Sachsen, bekennende Protestanten aus den katholischen deutschen Ländern, vor allem aber französische Hugenotten, die nach der Aufkündigung des Edikts von Nantes 1685 aus dem katholischen Frankreich vertrieben wurden. So wirkten für Friedrich Wilhelm im Potsdamer Edikt von 1685 die vielfältigsten Motive zusammen. Zum einen entsprach die Achtung der einen protestantischen Konfession vor der anderen seiner eigenen innersten Überzeugung, zum anderen gingen seine positiven Erfahrungen der verschiedenen Bekenntniswelten und ihrer Ausprägung in seine Forderung nach Toleranz ein, vor allem aber prägte staatsmännisches und landesväterliches Kalkül seinen Erlass. Eine religiöse Befriedung hat Friedrich Wilhelm in all den Jahren nicht erreicht, immerhin einen Waffenstillstand zwischen den protestantischen Konfessionen; Katholiken und Juden mussten noch lange warten, bis sie eine anerkannte Stellung im preußischen Staat und seiner Gesellschaft erlangten.

Schlösser als Zentren der Landesverbesserung

Wie schafft man Gärten in der Wüste, wie bekommt man den märkischen Flugsand zum Blühen? Moritz von Nassau- Siegen, der Statthalter in Cleve, hatte vorgearbeitet unter den besseren Bedingungen der Lande am Niederrhein, seine Erfahrungen sollten nun fruchtbar werden für des »Heiligen Deutschen Reiches Streusandbüchse«, wie die Mark Brandenburg von alters her genannt wurde.

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Friedrich Wilhelm säkularisierte gewissermaßen auf barockabsolutistische Weise ein mittelalterliches Prinzip der Landeskultivierung: Wie damals die Klöster der verschiedenen Mönchsorden Zentrum und Kristallisationspunkt der Landesentwicklung waren, so beförderte der Kurfürst die Anlage bzw. den Ausbau von Schlössern und ihren Gärten. Wobei die Schloss- Anlagen der Barockzeit nichts anderes waren als
Der Kurfürstliche Lustgarten zu Berlin,
nach einer Radierung von Peter Schenk

die stufenweise Vermittlung vom bewohnten Raum, dem Haus, mit der umgebenden Natur. Am Haus zunächst der streng gestaltete Blumengarten - die Bosketten -, dann der weitere Kunstgarten mit Skulpturen, Labyrinthen, Kaskaden, aber schon übergehend und flankiert vom Obst- und Gemüsegarten, an die sich die landwirtschaftlich genutzten Wiesenflächen anschlossen. Die Schlossgüter waren in erster Linie Selbstversorger. Dahinter der Wald- und Tiergarten als Jagdgehege - die Jagd deckte einen großen Teil des Fleischbedarfes der Höfe. Und wer ein Schloss bewohnte und bewirtschaftete, war Schloss- und Gutsherr in einem und in den kurfürstlichen Schlössern Vorbild, Anreger und Motor der Landesverbesserung, die eben auch gleichzeitig Landesverschönerung sein konnte und sollte - kein Gegensatz zwischen dem Schönen und dem Nützlichen, dafür die Ästhetik des Funktionalen.
     Wie sah die Umsetzung dieses Konzeptes im Einzelnen, im Konkreten aus? Eine der ersten Taten Friedrich Wilhelms war die Anlage der Allee Unter den Linden vom Berliner Schloss von der Schloßbrücke ab in Richtung Westen. Sie diente der Verbindung zwischen Schloss und Tiergarten, dem Jagdrevier für Kleinwild, und reichte nach ihrer Fertigstellung bis zur heutigen Schadowstraße, wo damals der Tiergarten begann. 1647 gab der Kurfürst von Cleve aus, wo er bis 1650 residierte, seinem Hofgärtner Hanff die Allee in Auftrag, wobei aus einem Briefwechsel mancherlei Schwierigkeiten erkennbar wurden; der Kurfürst folgte den Vorschlägen seines Gärtners:
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Dieweilen wir dann darauß unter anderem so viel verstanden, das Ihr so bald die zugehörige Anzahl der Beume (1000 Lindern und 1000 Nussbäume!) nicht werdet zusammen bringen können, und es auch nicht rathsam seyn würde, anitzo da der Saft schon in den Bäumen und selbige albereits außgeschlagen, dieselbige zu versetzen. Alß könnet Ihr es bis auf den künftigen Herbst anstehen laßen, Inmittelst aber wollet Ihr die Anstalt machen, daß alßdann genugsam Linden und Nussbäume zur hand gebracht werden mögen, und füritzo könnet Ihr die Kuhlen oder Grüben, da die Bäume eingesezet werden sollen, außgraben und mit guter Erde wieder außfüllen laßen welches dann bei der Einsezung den Bäumen wohl zu Statten kommen und die Bewürzel- und Wachsung umb so viel beßer befördern wird, Worbey auch in Acht zu nehmen, das so wohl die wenige Bäume, so albereyts gesezet seyn,, alsofort und künfftig die übrigen gleichfalls umzeunet werden, damit das Vieh oder Wildt und Hasen denselben mit Abschellung nicht schaden können ...2)
     Gleichzeitig liefen die Arbeiten an der Einrichtung eines repräsentativen Lustgartens am Berliner Schloss, ebenfalls unter der Aufsicht und Anleitung Michael Hanffs, der unter anderem in Holland seine Ausbildung erfahren hatte. Der Schlossbaumeister Memhardt (gest. 1678) hatte durch die Anlage des Schlossgrabens (des späteren Kupfergraben) bereits die Voraussetzung für die Erweiterung des bestehenden Gartens geschaffen.
Der bekam die typische Dreiteilung, Blumengarten, Wandelgarten mit Statuen und einem Lusthaus (mit Grotte im Erdgeschoss), dazu ein Wassergarten mit einem Neptun- Brunnen. Daran schloss der Medizin- und Kräutergarten an, und wie in einer Rosette, deren Blütenblätter durch schmale Wasserläufe voneinander getrennt sind, der Gemüsegarten. Dessen Fertigstellung jedoch verhinderte das Kriegsgesetz: Als unter der Drohung der Schwedeneinfälle Berlin ab 1657 zur Festung ausgebaut wurde, fiel er der Anlage der Bastion 13 zum Opfer, wie auch ein Teil der jüngst angepflanzten Linden wieder gefällt werden musste. Immerhin fand das prächtige Pomeranzenhaus (die Orangerie) auf der Bastion seinen Platz.
     Auch für den Tiergarten, den sich die Bürger Berlins in den Kriegszeiten praktisch angeeignet hatten, hatte der Kurfürst Pläne und Anordnungen. Neue Einzäunung, Aufpflanzung mit jungen Eichen, neuer Besatz mit jagdbaren Tieren, Einführung der Winterfütterung und die Anlegung zweier heute noch bestehender Alleen zeugen von seinem Interesse. Größte Attraktion der Landesverschönerung war die Aufrichtung von Laternen längs der neuen Allee in den Tiergarten; den Laternenanzündern und Versorgern mussten jährlich 130 Taler gezahlt werden, dazu kamen die Kosten für Öl und Dochte - ein aufwendiges Vergnügen für die wenigen Fahrten nach Lietzenburg, zumal die Lampen ein begehrtes Objekt der Entwendung waren.
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Die Allee selbst aber blieb ein elender Sandweg, auf dem zuweilen bis zu acht Pferde vorgespannt werden mussten.
     Überzeugender war die Verbindung von Nutzen und Vergnügen bei dem Vorwerk der Kurfürsten vor dem Spandauer Tor, dem späteren Schloss Monbijou. Ab 1649 ließ der Kurfürst das verwilderte Anwesen wieder sanieren und schenkte es seiner (ersten) Gemahlin Louise Henriette (1627-1667),
Größer und bedeutender war der Ort Bötzow an der Havel im Norden der Stadt, den Friedrich Wilhelm seiner Gemahlin am 27. September 1650 »auf Lebenszeit ... mit allen dazu gehörigen Dörfern, Äckern, Vorwerken, Schäfereien, Mühlen, Triften, Weiden, Fischereien an der Havel, den Seen und den Karpfenteichen, Diensten, Pächten, Geld-, Wiesen-, Landzinsen ... Gerichten wie auch davon kommenden Strafen nebst allgemeinen Rechten ...«3) schenkte.
die es mit viel Liebe und ökonomischer Kompetenz zu einem Mustergut nach holländischem Vorbild mit Land- und Milchwirtschaft und eigener Meierei ausbaute und die ersten Kartoffeln als Zierpflanze und Kuriosität in der Mark Brandenburg anpflanzte. Nach ihrem Tod wurde das Vorwerk Eigentum der zweiten Gemahlin, Dorothea (1636-1689), die nun auch den lieblichen Gefühlen Rechnung trug und einen kleinen Lustgarten anlegen ließ, die Keimzelle des zukünftigen Schlossparks.
     Monbijou war nicht die einzige Wirtschaft der Kurfürstin Louise Henriette.


Schloß Monbijou,
nach einem Stich aus Merians Theatrum europaeum
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Lustschloss Caputh, nach einer Radierung von Jean Baptiste Broebes
Ein kleines Schloss entstand, das auch dem Ort den Namen Oranienburg gab; ein programmatischer Name nicht nur für die Herkunft der Kurfürstin, sondern auch für die Technik der Bewirtschaftung. In ihrer Heimat ließ sie Fachleute anwerben, Kolonisten mussten die ersten Jahre keine Abgaben bezahlen, Vieh, Bauholz und Weideland wurden gestellt. Auch während ihren langen Abwesenheiten ließ sie sich wöchentlich von ihrem Verwalter, dem Grafen Otto von Schwerin (1616-1679), Rechnung über die Gutswirtschaft legen; die Einnahmen verblieben ihr persönlich und gestatteten ihr, ihrem fürstlichen Gemahl zuweilen größere Summen Geldes zu leihen. Doch blieb auch sie von Einbrüchen nicht verschont:
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»Gnädigster Kurfürst, ich bitte um Verzeihung, dass das neue Jahr so schlecht beginnt. Es liegt an dem großen Regen, dass ich nur kleine Erträge von Oranienburg bekomme. Ich hoffe, es wird im nächsten Jahr besser gehen. Mein gnädigster Kurfürst muss das Herz für die Gabe hinnehmen, das allezeit beständig bleiben wird als Euere untertänigste Magd von Oranienburg - Louise.«4)

Das gantze Eyland als Paradies

Berlin war nur das eine, eher repräsentative Zentrum der kurfürstlichen Bemühungen um die Wohlfahrt des Landes und seiner Bewohner. Das größere Interesse, das größere Engagement galt der Insel Potsdam, sicher auch der Stadt und ihrem Schloss, mehr aber dem »Eyland«, der Insel Potsdam zwischen der Havel und den Seen. Dazu jedoch mussten vom Kurfürst die verpfändeten Ländereien um Potsdam zurückgewonnen, Ämter und Güter erworben werden, ein umfangreiches Programm nach dem Frieden von Oliva 1660. Der erfahrene Freund Moritz von Nassau- Siegen weilte 1661 längere Zeit in Potsdam, um den Umbau des Stadtschlosses wie die Kultivierung des Landes von den einzelnen herrscherlichen Häusern aus zu befördern. So entstand um das Potsdamer Stadtschloss mit Bornim, Caputh, Fahrland und Glienicke jenes Netz von Stützpunkten der Landesverbesserung und -verschönerung, das von den folgenden

Herrschern zu jenem Kulturland der Insel Potsdam ausgebaut wurde, das wir noch heute bewundernd und dankbar genießen. Die Fäden im Netz gewissermaßen waren zunächst und vor allem die Wasserlinien, die waren gegeben und befahrbar, während die Anlage von Wegen und Alleen nur langsam und mühselig voran ging. So haben die großen und kleinen Herrensitze alle ihre Wasserseite; sogar Bornstedt wurde damals durch den - heute verlandeten - »Tiroler Graben« erschlossen, der die Verbindung zur Havel über den Weißen See herstellte. Der »Große Thiergarten« jenseits der Havel gegenüber dem Potsdamer Stadtschloss war mit einer sternartigen Wegeanlage jagdbar gemacht, Fasanengärten und Weinberge ergänzten das Schlösser- und Güter- Programm.
     In Bornim findet sich das holländische Muster wieder, dem wir bereits in und um Berlin begegnet sind: Der Schlossgarten war Zier- und Nutzgarten zugleich, mit Quartieren für Obstbäume und Spaliere, aber auch Buchsbaumhecken mit Brunnen und Fontänen und einem Lusthaus in der Gartenmitte in einem Wasserbassin. Wie überhaupt die Wasserkünste innerhalb und außerhalb des Schlosses, gespeist von Quellen des nahe gelegenen Zachelsberges, berühmt waren. Deren Kosten aber und mangelndes Interesse des nachfolgenden Kurfürstensohnes ließen Schloss und Garten verfallen und verwildern; Friedrich II. (1712-1786, König ab 1740) ließ das ehemalige Kleinod abreißen.
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Vom Fahrlander Schloss findet sich auch keine Spur mehr, Glienicke wurde vielfach umgenutzt und umgebaut. Nur Caputh ist erhalten und strahlt seit kurzem wieder in neuem Glanz, das Schloss mit seinem blauen Saal von 7000 holländischen Kacheln, auch der Garten an der Havel gewinnt wieder seine Lennéschen Konturen.
     Schlösser und Gärten sind eine Sache, das platte, verwilderte Land, die Luche und Moorwiesen eine andere. Alles konnte aus der schmalen kurfürstlichen Schatulle nicht gezahlt werden, Privatinitiative war gefordert, Existenzgründer waren gesucht. Eines der letzten Projekte der Landgewinnung durch Kolonisten war die Ansiedlung von Schweizer Bauern ab 1685 im Golmer Luch. Noch heute zeugen die »Vierhäuser« in Nattwerder und das »Einhaus« an der Wublitz von jener Landnahme, die Tradition der Schweizer ist bis heute lebendig und wohl bezeugt, nicht nur auf dem Friedhof um die Kirche von Nattwerder, die - ein Zugeständnis des Kurfürsten an die calvinistischen Schweizer - eigens für die kleine Gemeinde gebaut wurde. Exemplarisch für die Ansiedlung von Kolonisten ist der Vertrag mit der Stadtrepublik Bern und den Siedlern; Auszüge aus den Vereinbarungen sollen das Anliegen des Großen Kurfürsten verdeutlichen, lassen aber auch die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens erkennen:
     1. Anfänglich versprechen Sr. Churf. Durchl. diesen Familien Gnädigst, dass sie allen Schaden, so durch Überschwemmung des Wassers an den Ländereyen zu befürchten, wieder erstatten, und davor Garantiren wollen, jedoch, dass ein jeder bey dem übergebenen Lande auch all möglichen Fleiß anwende, damit solches nicht allein verbessert, sondern auch mit Graben, und wie es sonst die Nothdurft ervordert, Conservieret und aller Schaden nach Möglichkeit verhütet werde...
     3. Sr. Churf. Durchl. wollen mit Erbauung der Wohnung fleißig continuiren laßen, bis eine jede Familie mit eigenem Hause versehen, und sollen diese Wohnungen ihnen Erb- und eigenthümlich gelaßen ...
     5. Mit dem Acker- und Wiesenländer, so denen Familien eingethan und zugemessen wird, soll es also gehalten werden, daß von demjenigen, so annoch mit Holz und Stubben bewachsen, Sechs frey Jahre, von dem anderen aber, so nur mit Hüllen bewachsen, vier frey Jahre concediret werden solten ...
     8. Dem Prediger, so aus der Schweitz mit kommen, wollen Sr. Churf. Durchl. aus dero Amte Potsdam zwey hundert Thaler zum Jährlichen Salario und also quartaliter funfzig Thaler zahlen. Ihm auch so lange die Pfarrwohnung in dem Bruche nicht fertig, eine freye Wohnung zu Potsdam, wie auch überdem im Bruch etwas Land zum Garten
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nebst etwas Wiesewaks zur Erhaltung etlicher Kühe, auch Acker ... einräumen laßen ... Auch einen Schulmeister wollen Sr. Churf. Durchl. jährlich zwantzig Thaler ... reichen laßen ...
     17. Wenn ein Hauß- Vater mit Tode abgeht, so soll das Gut den Wittwen und Waysen nicht entzogen, sondern sie dabey gelaßen, und gehandhabt werden, mit eben den Rechten und Genuß, so der Hauß- Vater bey Lebenszeiten davon gehabt hat ...
     So geschehen und gegeben Cöln an der Spree, den 16. September 1685. Friedrich Wilhelm5)

     Die Erde wieder ein Ort, da man wohnen kann, das Paradies vom Himmel wieder in das Land zurückgeholt, Schritt für Schritt, der Garten als reale Utopie, Obst und Gemüse überhöht durch Blumen und Wasserspiele, das Land ein Garten, der Lust macht zu leben und wieder an die Gegenwart Gottes auf der Erde zu glauben. Welch eine Vision! Und was für ein herrscherliches, landesväterliches Werk! Doch derselbe Fürst, der dieses Bild ins Werk setzt, ist der, der sich von Bündnis zu Bündnis durch die Politik hangelt, der ein stehendes Heer aufstellt und den Ständen seinen Unterhalt abpresst, der die religiöse Toleranz in seinen Landen rigide erzwingt, Menschen noch und noch in seine Grenzen holt, fürsorglich und rücksichtslos zugleich - der erste Brandenburgische Herrscher, den man den Großen nennt, ob seines Versuchs, Brandenburg- Preußen groß genug zu machen, dass es bestehen kann im europäischen Mächtespiel.

Friedrich Wilhelm schuf die Grundlage zu jener preußischen Ambivalenz des Kriegsgesetzes und der lieblichen Gefühle, der die Geschichte des Staates bis zu seinem Untergang bestimmte und der in der Gestalt der Residenz Potsdam, seiner Gärten und des Umlandes seine einmalige Gestalt gefunden hat.

Quellen:
1 Andreas Gryphius, Gedichte, Frankfurt/Main 1962
2 Zitiert in Folkwin Wendland, Berlins Gärten und Parke, Frankfurt/M., Berlin, Wien 1979, S. 60
3 Zitiert in Barbara Beys, Der Große Kurfürst, Hamburg 1979, S. 142
4 A. a. .O., S. 160
5 Zitiert in Henning Heese (Hrs.), 300 Jahre Schweizer Kolonie am Golmer Luch bei Potsdam 1685-1985, Selbstverlag 1985, 2. Aufl. S. 118 ff.

Bildquelle:
Eduard Vehse, Illustrierte Geschichte des preußischen Hofes, Stuttgart 1901, Bd. 1

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7/2000
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