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Hans-Heinrich Müller
Mark Brandenburg statistisch erfaßt

Der Topograph F. A. W. Bratring (1772-1829)

Wer sich mit der Agrar-, Landes- und Wirtschaftsgeschichte der Mark Brandenburg und Berlins in der zweiten Hälfte des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts befaßt, greift zumeist auch zum »Bratring«, einem statistisch- topographischen Werk, in dem man entsprechende Angaben zu finden hofft und oft auch nicht enttäuscht wird. Sein Verfasser war Friedrich Wilhelm August Bratring.
     Er wurde als Sohn eines altmärkischen Pastors in Losse, Kreis Osterburg, am 8. Dezember 1772 geboren. Nach dem Schulbesuch in Salzwedel führte ihn sein Weg nach Halle an die preußische Staatsuniversität, um Theologie zu studieren. Doch wandte er sich bald der Geographie und den Staatswissenschaften zu, vermutlich unter dem Einfluß des an der halleschen Universität lehrenden Reinhold Forster, der James Cook (1728-1779) bei seiner zweiten Weltumsegelung von 1772 bis 1775 begleitet hatte. Länderkunde, Ökonomie und Statistik waren nun seine Studiengebiete, Arbeiten, die sein zukünftiges Tätigkeitsfeld bilden sollten.

Nach seinem Studium finden wir ihn dann um 1793/94 in Berlin, wo er sich mehr schlecht als recht durchs Leben schlagen mußte. Vermutlich war er zunächst im Verlagswesen tätig, dann fand er eine Anstellung als Geheimer Registratur- Assistent, seit 1803 als Geheimer expedierender Sekretär im Generaldirektorium. Das war eine untergeordnete Stellung mit schlechter Bezahlung. Bratring konnte aber schon vor dieser Anstellung mit einem beachtlichen Werk aufwarten.
     1798 erschien von ihm die »Grafschaft Ruppin in historischer, statistischer und geographischer Hinsicht. Ein Beitrag zur Kunde der Mark Brandenburg«, die er dem Preußischen Staatsminister Karl Otto Friedrich von Voß (1755-1823) widmete, seinem Vorgesetzten im Generaldirektorium. Es ist eine von den Zeitgenossen anerkannte Darstellung, die bereits die Konturen seiner späteren brandenburgischen Topographie sichtbar werden läßt. Bratring setzte sich mit den Landräten in Verbindung, mit städtischen Behörden, um Material zu sammeln für seine in Aussicht genommenen Werke. Und er kann auf die im Generaldirektorium einlaufenden Statistiken und Berichte zurückgreifen, die ein auskunftsfähiges Bild von den Zuständen und der Entwicklung Brandenburgs vermitteln.
     Außer seiner Tätigkeit im Generaldirektorium nahm Bratring seit dem 1. November 1799 eine stundenweise bezahlte Stellung in der Königlichen Bibliothek an, die der Akademie der Wissenschaften unterstellt war und die seine Anstellung veranlaßte.
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In den ersten sechs Jahren verdiente Bratring hier 100 Taler pro Jahr, später 140 und 150 Taler Diäten, wie er 1810 rückblickend schrieb. Seine Beschäftigung bestand in der Fortsetzung des allgemeinen Katalogs und in der Verzeichnung der Doubletten zur Auktion.
     Der Beruf des Bibliothekars entsprach seiner Neigung, und die Diäten, die er aus dieser Tätigkeit bezog, blieben in den Wirren der Napoleonischen Kriege und der Besetzung Preußens seine einzige Einnahmequelle, die nur eine kärgliche Lebensweise ermöglichte. Er hoffte aber mit der Errichtung und Eröffnung der Berliner Universität 1810 auf eine Anstellung als Sekretär und Konservator der Bibliothek mit einem festen und auskömmlichen Gehalt. Aber die Bittgesuche an Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, König ab 1797) und an Wilhelm von Humboldt (1767-1835), Chef der Sektion für den öffentlichen Unterricht im Ministerium des Innern, blieben ohne Wirkung.
     Eine Besserung seiner Lebensverhältnisse trat im Jahre 1813 ein, als Bratring das Amt des Königlichen Bücherauktions- Kommissars unter dem Hausvogteigericht antrat und eine recht wirkungsvolle Tätigkeit als Auktionskommissar für Kunstgegenstände und Buch- Taxator entwickelte und sich großes Ansehen unter Sammlern und Verkäufern erwarb.
Am 10. Januar 1829 starb Friedrich August Wilhelm Bratring an den Folgen einer »Halsschwindsucht« und fand seine letzte Ruhestätte auf dem Neuen Jerusalemer Kirchhof.
     Während Bratrings Lebensspuren in der Geschichte Brandenburgs allmählich verblaßten, so ist doch sein Werk geblieben. Er veröffentlichte Länderbeschreibungen, verfaßte Provinzial- Adreßbücher für Brandenburg, Pommern, Magdeburg, Halberstadt, Mansfeld und Hohnstein, gab ein Industrie- Adreßbuch für Berlin heraus und nicht zuletzt sein bekanntestes Werk »Statistisch- topographische Beschreibung der gesamten Mark Brandenburg« in drei Bänden, Berlin 1804-1809. Hier gibt Bratring eine Beschreibung sämtlicher brandenburgischen Kreise, ihre Größe und Zahl der Einwohner, Anbau- und Konsumtionsverhältnisse, Produktionsentwicklung, Handwerker- und Gewerbetabellen; er zählt alle brandenburgischen Dörfer auf, ihre Besitzer, die Anzahl der Dorfbewohner, Besitzgröße, Anzahl der Feuerstellen, Religionsverfassung und die zuständigen Kirchenämter und Adreßorte. Natürlich werden auch die Einwohnverhältnisse, Bevölkerungszahl, Fabrikationsentwicklung und die Ämter und wichtigen Gebäude Berlins beschrieben, kurzum, es ist ein Werk, das bis heute seinen Wert für die Forschung nicht verloren hat.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 5/2000
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