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Kurt Laser
Zentrum der Filmpropaganda

Das bewegte Bild während des Ersten Weltkriegs

Die deutsche Filmwirtschaft wurde vom Beginn des Krieges im August 1914 völlig unvorbereitet getroffen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der »Kinematograph« zwar festen Fuß gefaßt. In Berlin gab es im April 1914 195 Lichtspielhäuser, deren Zahl bis November 1918 auf 312 mit rund 83000 Plätzen stieg.1) Doch der Marktanteil des deutschen Films lag in den Kinos nur bei 30 Prozent. 1914 waren noch 90 Prozent aller in der Welt vorgeführten Filme französischer Herkunft.2) Alle übrigen nationalen Filmindustrien, auch die der USA, standen bis zum Ersten Weltkrieg im Schatten der französischen Vormacht, die vor allem durch die Firma »Pathé Frères«, aber auch durch die Gesellschaften Société Gaumont und Eclair repräsentiert wurde.
     Nach Ausbruch des Krieges wurden in Deutschland Filme der Ententemächte verboten, die nach Kriegsbeginn entstanden waren. 1916 kam ein allgemeines Verbot der Filmeinfuhr hinzu. Eine Ausnahme gab es nur für die mit deutschen Filmfirmen eng verbundene dänische Nordisk-Film.

Nun flimmerten massenhaft deutsche »patriotische« Filme über die Leinwand, Dramen, Lustspiele und dokumentarische Bildstreifen, die wegen ihres großen Publikumzulaufs in der ersten Zeit von einer wachsenden Zahl privater Unternehmen wie am Fließband produziert wurden. 1914 wurde in Deutschland z. B. der nationalistisch- historische Film »Fürst Bismarck« gedreht. Weitere nationalistisch- militaristische Streifen entstanden in der Folgezeit mit so schönen Titeln wie »Weihnachtsglocken«, »Auf dem Felde der Ehre«, »Der feldgraue Groschen«, »Fräulein Feldgrau« oder »Wie Max das Eiserne Kreuz erwarb«.
     Mit der Fortdauer des Krieges nahm jedoch das Publikumsinteresse an Kriegsfilmen rapide ab. Trotz Masseneinsatzes stellte sich der erhoffte Erfolg nicht ein. So wurde bereits im Winter 1914/15 darüber diskutiert, ob Kriegsfilme oder allgemeine Unterhaltungsfilme an der Front und in der Heimat vorherrschen sollten. Die deutsche Filmindustrie schwenkte auf Sensations-, Detektiv- und Lustspielfilme um.
     Besondere Bedeutung erlangten jetzt die Wochenschauen. Bis zum Beginn des Krieges waren auch sie überwiegend französischen Ursprungs. In Deutschland erhielten nun vier deutsche Firmen die Zulassung: die am 25. März 1914 gegründete »Eiko-Woche«, die seit Anfang September 1914 unter dem Titel »Dokumente zum Weltkrieg« erscheinenden Bilder, die ab 1. Oktober 1914 den Titel »Messter-Woche« trugen, und die weniger wichtigen Firmen »Expreß« und »Kinokop«.
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Das Bild- und Filmamt (Bufa)

In einer Werbeschrift unter dem Titel »Der Film im Dienste der nationalen und wirtschaftlichen Werbearbeit«, die die Deutsche Lichtbild- Gesellschaft 1918 herausgab, war zu lesen:
     Das große Völkerringen, unter dem seit Jahr und Tag der Erdball erzittert, hat in Deutschland, das allein auf sein gutes Schwert sich stützen zu können vermeinte, die Einsicht gezeigt, daß Lüge und Verleumdung Waffen darstellen, die gefährlicher sind, als Minen und giftige Gase. Die Erkenntnis der Unbesiegbarkeit Deutschlands im ehrlichen Streit ist offensichtlich der Grund gewesen, daß seine Feinde rechtzeitig nach anderen Kampfmitteln Umschau hielten. So ist es zu verstehen, daß schon seit Jahren von unseren Gegnern systematisch an der Herabsetzung und Erniedrigung deutscher Art und deutschen Wesens gearbeitet wurde. Als seine wichtigsten Waffen in diesem Kampfe haben sie sich den Film erkoren.3)
     In der Presse wurde auf einen schon vordem Krieg entstandenen Film über den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 hingewiesen, in dem die Franzosen ausnahmslos als Helden und ritterliche, edelmütige Menschen gezeigt wurden, während die Deutschen als Hunnen und Barbaren auftraten. Besonderen Unwillen erregte auch der Streifen »Der Kaiser, die Bestie von Berlin«.

Der Propaganda der Alliierten im neutralen Ausland und der bedrohlichen Kriegsmüdigkeit in der Heimat und an der Front wollten die führenden deutschen Militärs auch mit Hilfe des Films entgegenwirken, dessen zunehmende Bedeutung sie erkannten. So wurde zunächst am 1. November 1916 die »Militärische Film- und Fotostelle« bei der Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Amtes eingerichtet, die ihren Sitz in der Berliner Zimmerstraße hatte. Sie arbeitete eng mit der Obersten Heeresleitung zusammen und beschränkte sich nicht nur auf die Aufnahmen an der Front, sondern betrieb generell politische und wirtschaftliche Filmpropaganda.
     Am 30. Januar 1917 wurde diese Einrichtung unter maßgeblicher Beteiligung der durch Oberstleutnant Hans von Haeften (1870-1937) geleiteten Militärabteilung des Auswärtigen Amtes in das Bild- und Filmamt (Bufa) umgewandelt. Das Bufa vereinte alle regierungsamtlichen und militärischen Film- und Presseabteilungen: das Photo- und Filmzensurbüro, das Pressebüro des Generalstabs und das Filmbüro des Auswärtigen Amtes.
     Aufgabe des Bufa war es, Filmstellen im Inland mit vollkommen eingerichteten Filmfabriken, sechs Filmstellen an der Ost- und Westfront sowie im Orient ins Leben zu rufen, die Truppen mit Bildern und Filmen zu betreuen und den Auslandsdienst zu organisieren.4)
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Dem Bufa unterstanden die Filmpropaganda, der Filmvertrieb im In- und Ausland, die Vorführung von Filmen in den etwa 900 hinter den Fronten eingerichteten Soldatenkinos.
     Das Amt war bemüht, die Zensur aller aus- und einzuführenden Filme zu übernehmen und die geheime Überwachung der inländischen Filmunternehmen zu organisieren. Ab 1918 übernahm das Bufa auch die Verteilung der Rohfilmmaterialien der Agfa und die Papierzuteilung. Der staatliche Zugriff auf die Medien war gesichert. Schnell wurde ein Stab von 450 Mitarbeitern rekrutiert, darunter zahlreiche Fachleute aus der Filmindustrie, die ihren Militärdienst nun branchenspezifisch ableisten konnten. Das Bufa verfügte über eine eigene Filmproduktion, stellte Filmtrupps zusammen, die unter Führung von Offizieren Aufnahmen an den Fronten machten. Es gab Aufträge zur Herstellung von Spielfilmen an die Privatindustrie. Die Kopien für die Filmtheater wurden in einer eigenen Kopieranstalt hergestellt.

Szene aus dem Film »Der feldgraue Groschen« (1917)
 
Am 28. Januar 1918 wurde das Bufa der Nachrichtenabteilung des Kriegsministeriums unterstellt. Das Bild- und Filmamt erfüllte mit seiner Produktion letzten Endes die Erwartungen nicht vollständig. Im Auswärtigen Amt gab es daher Meinungen, die so weit gingen, dem Bufa seine Existenzberechtigung abzusprechen. Die Organisation rentiere sich nicht und gebe zu viel Geld aus.
     Nach dem Krieg wurde das Bufa als Reichsfilmstelle in die Reichskanzlei verlegt, wechselte dann 1919 zum Auswärtigen Amt und schrumpfte schließlich zum Filmreferat des Reichsinnenministeriums.5)
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Die Deutsche Lichtbild- Gesellschaft

Kurze Zeit nach dem Bufa entstand am 18. November 1916 in Berlin die Deutsche Lichtbild- Gesellschaft e. V. (DLG), deren Satzungen Ludwig Klitzsch (1881-1954), Direktor des Leipziger Verlages J. J. Weber, entworfen hatte. Klitzsch war zunächst Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses und wurde dann am 9. Februar 1917 zum Geschäftsführenden Direktor ernannt.6)
     Die DLG war ein Unternehmen, das nach außen hin gemeinnützigen Charakter trug, in erster Linie aber die Interessen der rheinisch- westfälischen Schwerindustrie vertrat und von ihr finanzielle Zuwendungen erhielt. Die Gesellschaft wurde gestützt durch die Allgemeine Deutsche Auslands GmbH, den Bund der Industriellen, den Bund der Landwirte, den Bund deutscher Verkehrsvereine, den Centralverband des deutschen Bank- und Bankier-Gewerbes, den Centralverband deutscher Industrieller, den deutschen Handelstag, den Deutschen Landwirtschaftsrat, den Deutschen Städtetag, die Deutsche Überseedienst GmbH, das Internationale öffentliche Verkehrsbüro, das Meßamt für die Mustermessen in Leipzig, den Reichsverband deutscher Städte, den Verein für das Deutschtum im Ausland e. V.7) Wesentlichen Anteil an der Gründung dieses Unternehmens hatte Alfred Hugenberg (1865-1951), Vorsitzender des Direktoriums der Krupp AG, der es verstand, trotz der großen Anzahl von Einzelbeteiligten, Verbänden und Firmen aus den verschiedenen Bereichen der rheinisch- westfälischen Schwerindustrie, eine starke Position zu sichern.

Als Zweck der Deutschen Lichtbild- Gesellschaft wurde angegeben, planmäßige Werbearbeit für Deutschlands Kultur, Wirtschaft und Fremdenverkehr im In- und Ausland durch das Bild, insbesondere durch bewegliche (Films) und stehende Lichtbilder auf nationaler, gemeinnütziger Grundlage zu veranstalten.8)
     Auf einer vorbereitenden Tagung im April 1916 im Berliner Hotel »Kaiserhof« legte Klitzsch den Plan einer »nationalen Filmpropaganda« vor. Es muß für uns gelten, der Waffenrüstung der Konkurrenz nicht nur eine ebenso starke Wehr entgegenzusetzen, sondern darüber hinaus die Waffen zu schmieden, die uns die Benutzung des Platzes an der Sonne und Besitzergreifung von Neuland gestatten, erklärte er. Es gehe darum, den schaurigen Schmutz, mit dem uns das Ausland versorgt, auszuschalten. Da das Kino mittlerweile auf der ganzen Welt verbreitet sei, auch bei den halb oder gar nicht zivilisierten Völkern, müsse der Film als allgemein verständliches Kommunikationsmittel für Deutschlands Interessen eingesetzt werden. In diesen Worten zeigt sich die ganze Arroganz eines Vertreters der angeblich »zivilisierten« Nationen, die gerade in dem maßgeblich von Deutschland ausgelösten blutigen Krieg um die Vorherrschaft in der Welt stritten.
     Die Oberste Heeresleitung und besonders Erich Ludendorff (1865-1937), seit 28. August 1916 Erster Generalquartiermeister beim Chef des Generalstabs des Heeres, standen der DLG ablehnend gegenüber. Sie sahen in dieser Gesellschaft eine Konkurrentin für ihre eigenen Bestrebungen, den Film als Propagandamittel zu nutzen.
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Die DLG zog eine positive Bilanz ihres Wirkens: Trotz der im Verkehr mit dem Ausland bestehenden Schwierigkeiten ist es der DLG in der kurzen Zeit ihres Bestehens gelungen, ihre Arbeiten soweit zu fördern, daß sie heute in der Lage ist, deutsche Propagandafilme in Bulgarien, der Türkei, Rumänien, Schweden, Dänemark und Norwegen in großem Maßstab vorzuführen.9)
     Die Gesellschaft stellte 21 Filme im Jahre 1917 und 129 Filme im Jahre 1918 her und produzierte außerdem noch eine große Anzahl sogenannter Kulturfilme. Für das erste Geschäftsjahr wird die Vorführung von 32 Beiprogrammen in 144 Städten angegeben. Entgegen anderslautenden Absprachen mit dem Bufa drehte die DLG auch Kriegsfilme.

Die Balkan-Orient-Film- Gesellschaft

Ein vorrangiges Ziel der DLG war es, auf dem Balkan und im Vorderen Orient allein für die deutsche Filmpropaganda zuständig zu sein. Am 1. Dezember 1916 war im Auftrag des Auswärtigen Amtes die Balkan-Orient- Film-GmbH gegründet worden. Gegenstand des Unternehmens waren Einkauf und Vertrieb von Filmen auf dem Balkan und im Orient. Sitz der Gesellschaft war Berlin. Sie hatte Zweigstellen in Sofia und Konstantinopel, verfügte über ein Stammkapital von 200000 Mark und war berechtigt,

auch an anderen Orten Niederlassungen einzurichten, gleichartige oder ähnliche Unternehmen zu erwerben, sich an solchen zu beteiligen oder deren Vertretung zu übernehmen.
     In einer Gesellschaftsversammlung der Balkan-Orient- Film-GmbH am 22. Januar 1917 wurde einstimmig der Übertragung dieser Gesellschaft an die Deutsche Lichtbild-Gesellschaft zugestimmt. Kurze Zeit später wurde dieser Beschluß realisiert. Das war für die DLG ein wichtiger Erfolg. Die Balkan-Orient- Film-GmbH trug nicht unwesentlich dazu bei, daß in Konstantinopel, wo 1913/14 nur 13 Prozent der Filme deutschen Ursprungs waren, der deutsche Anteil 1918 auf 50 bis 60 Prozent stieg.10)

Das Ufa-Imperium entsteht

Mit der Balkan-Orient- Filmgesellschaft war die DLG in ureigenstes Interessengebiet der Deutschen Bank eingedrungen. In Rumänien, Bulgarien und in der Türkei lagen die mit der Deutschen Bank verbundenen Gruppen der Elektro- und Chemieindustrie mit der rheinisch- westfälischen Schwerindustrie im Konkurrenzkampf um Rohstoffquellen und Handelsgebiete. Der Direktor der Deutschen Bank, Emil Georg von Stauß (1877-1942), beobachtete diese Aktivitäten der Hugenberg- Gruppe mit Mißtrauen.

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So verwundert es nicht, daß er kurze Zeit später den geschäftlichen Teil der Ufa- Gründung erledigte. Die Bestrebungen der Deutschen Bank trafen sich mit denen maßgeblicher Militärs. Diese waren unzufrieden mit den Leistungen der deutschen Filmpropaganda, insbesondere auch des Bild- und Filmamtes. So reifte der Plan, über eine verdeckte Reichsbeteiligung die leistungsfähigsten Unternehmen der Filmindustrie in einer Hand unter einheitlicher Leitung zu konzentrieren. Ludendorff sandte am 4. Juli 1917 einen von Major Grau (1878-1938) und Oberstleutnant von Haeften verfaßten Brief an das Kriegsministerium, der allgemein als Gründungsdokument der Universum-Film Aktien- Gesellschaft (Ufa) angesehen wird.11) Der Krieg hat die überragende Macht des Bildes und des Films als Aufklärungs- und Beeinflussungsmittel gezeigt, hieß es in dem Schreiben. Leider haben unsere Feinde den Vorsprung, den sie auf diesem Gebiet haben, so gründlich ausgenutzt, daß schwerer Schaden für uns entstanden ist. Auch für die fernere Kriegsdauer wird der Film seine gewaltige Bedeutung als politisches und militärisches Beeinflussungsmittel nicht verlieren. Gerade aus diesem Grund ist es für einen glücklichen Abschluß des Krieges unbedingt erforderlich, daß der Film überall da, wo deutsche Einwirkung noch möglich ist, mit dem höchsten Nachdruck wirkt. Es wurde vorgeschlagen, schnellstens unmittelbaren Einfluß auf die dänische Filmgesellschaft Nordisk und eine Reihe von deutschen Filmfirmen zu nehmen. Die staatlichen Gesamtausgaben für dieses Unternehmen wurden von Ludendorff mit 28 Millionen Mark beziffert. Bekannt werden sollte aber auf keinen Fall, daß der Staat der Käufer ist. Die gesamte finanzielle Transaktion müsse durch eine fachkundige, einflußreiche, erfahrene, zuverlässige und vor allen Dingen der Regierung unbedingt ergebene private Hand (Bankhaus) erfolgen. Das waren die Deutsche Bank und ihr Direktor Stauß. Dieser kaufte ohne Probleme Aktien der deutschen Tochtergesellschaften der Nordisk-Film Co. für zehn Millionen Mark.
     Von der Nordisk gingen am 2. Dezember 1917 in den Besitz der Ufa über: die Oliver Film GmbH Berlin, die 1916 49 Filme produziert hatte, Theatergesellschaften in Zürich und Amsterdam, die für die Ufa sehr wertvolle Verleihorganisation Nordische Film GmbH Berlin mit Filialen in Breslau, Düsseldorf, Hamburg, Leipzig und München, die seit 1915 auch die Produktion der »Projektions AG Union« (PAGU) im Verleih hatte.12)
     Am 23. Februar 1918 kamen die von der PAGU an die Nordisk verkauften Firmen Union-Theater GmbH und die U.T- Provinzlichtspielhäuser mit 56 Filmtheatern in 13 deutschen Städten, in Brüssel, Wien und Budapest hinzu. Das war der zu diesem Zeitpunkt größte und modernste Filmtheaterring in Deutschland.13)
     Von zentraler Bedeutung für die weitere Entwicklung der Ufa-Strategie war der Erwerb der Nutzungsrechte für alle Produktionen der Nordisk und ihrer schwedischen Tochter A. S. Svenska für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Holland über die vormaligen Nordisk- Verleihfirmen in Wien,
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die wiederum Tochterfirmen in Prag und Budapest hatten. Später kamen die Rechte für Polen und die Balkanländer hinzu. Damit waren Stützpunkte für die europäische Expansion geschaffen worden.
     Weiterhin wurde die Messter-Film- GmbH für 5,3 Millionen Mark aufgekauft. Die von Messter (1866-1943) herausgebrachten Wochenschauen hatten bis 1916 mehr als 34 Millionen Zuschauer.14) Außerdem produzierte die Firma 1916 etwa 100 Filme, pachtete 1917 von der PAGU das damals beste deutsche Aufnahmegelände mit dem Glashaus in Tempelhof und übernahm ebenfalls in Tempelhof das Atelier der 1912 mit Beteiligung der französischen Firma Pathé Frères gegründeten Literaria- Film GmbH. Das Tempelhofer Gelände bildete das erste Produktionszentrum der Ufa. Ein nicht zu unterschätzendes Kapital, das Messter einbrachte, war außerdem der Filmstar Henny Porten (1890-1960).
     Mit einer Kaufsumme von 1,11 Millionen Mark erwarb die Ufa die Mehrheit des Stammkapitals von 2,2 Millionen Mark der PAGU Berlin. Die PAGU verfügte über einen weitverzweigten Verleihapparat, produzierte 1916 41 Filme und beschäftigte die bekannten Schauspieler Asta Nielsen (1881-1972), Ernst Lubitsch (1892-1947), Ossi Oswalda (1897-1948) und Fern Andra (1894-1974).15)
So wurde am 18. Dezember 1917 die Universum Film AG, kurz Ufa genannt, feierlich im Gebäude des Generalstabes in Berlin gegründet und am 14. Februar 1918 in das Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens war der Betrieb aller Zweige des Filmgewerbes, insbesondere der Filmfabrikation, des Filmmietgeschäftes sowie Fabrikation und Handel jeder Art, der mit dem Film- und Lichtbildgewerbe im Zusammenhang steht. Innerhalb dieser Grenzen war die Gesellschaft zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die zur Erreichung des Gesellschaftszwecks notwendig oder nützlich erschienen, insbesondere zum Erwerb oder zur Veräußerung von Grundstücken, zur Beteiligung an fremden Unternehmungen gleicher oder verwandter Art, zur Errichtung von Zweigniederlassungen an allen Orten des In- und Auslandes sowie zum Abschluß von Interessen- Gemeinschaftsverträgen mit anderen Gesellschaften.16)
     Das Grund- oder Stammkapital betrug 25Millionen Mark. Neben der Deutschen Bank als einer der Hauptaktionäre waren u. a. die Dresdner Bank, die AEG, der Norddeutsche Lloyd, die HAPAG, Robert Bosch und Fürst Henkel von Donnersmarck beteiligt. Von dem für die damalige Zeit hohen Kaufbetrag von 25 Millionen Mark Gründungskapital zeichnete das Deutsche Reich acht Millionen Mark.
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Im Laufe der folgenden Monate gerieten weitere Unternehmen unter den Einfluß der Ufa, so die Produktionsfirmen Maxim-Film GmbH, Gloria-Film GmbH, Meinert-Film GmbH, Oliver-Film GmbH, der Verleih Frankfurter Film Co., die norddeutsche Kinokette James Henschel GmbH, Hamburg, die Martin Dentler GmbH, Braunschweig (Produktion, Verleih und Theater), und die Winterfeldtsche Bank für Grundbesitz und Handel AG, Berlin (seit Juli 1918). Diese Bank besaß den Gebäudekomplex »Haus Vaterland«, der ab 1919 zum Geschäftssitz der Ufa am Potsdamer Platz wurde.
     Vom 18. Februar 1918 bis zum 14. März 1919 gehörte auch die May-Film GmbH zur Ufa und damit die 1915 eingerichteten modernen Ateliers in Weißensee sowie das Freigelände in Woltersdorf. Hier entstand unter anderem 1918 der Monumentalfilm »Veritas vincit«.
     1918 beschloß der Aufsichtsrat, die Produktion von der rein propagandistischen auf die künstlerische Ebene zu verlagern. Nach der Ufa-Gründung wurden die eingeführten Firmennamen »Union«, »Messter« und »May« zunächst beibehalten. So erschienen im ersten Ufa-Programm unter anderem von der »Union« vier Melodramen mit Pola Negri (1894-1987), sechs Komödien mit Ossi Oswalda, vier Filme mit Georg Alexander (1888-1945), zwei Komödien mit Ernst Lubitsch und zwei phantastische Filme mit Paul Wegener (1874-1948).
Vom Messter- Konzern wurden acht Komödien mit Henny Porten geliefert, von Joe May (1890-1954) zwei Abenteuerfilme, sechs romantische Filme mit Mia May (1884-1980), sechs Detektivfilme mit Lotte Neumann (1896-1977), sechs Komödien mit Fern Andra und einige »Großfilme« aus der Joe-May- Produktion. Ludendorff soll bei der Vorlage dieses Programms getobt haben.17)
     Es gab auch beträchtliche Widerstände gegen den neuen Filmkonzern. Die Konkurrenten Hugenberg, Klitzsch und die hinter ihnen stehenden Kreise der Eisen- und Stahlindustrie sahen in der Ufa-Gründung eine Schädigung ihrer DLG-Filmgesellschaft und bezeichneten sie als »Schlacht« der Obersten Heeresleitung und der Reichsregierung. Klitzsch hielt eine Gegengründung für möglich, denn die Ufa-Ausdehnung könne zu einer Gefahr für die DLG werden.18)
     Als Ufa-Vorstandsmitglied Grau eine Kooperation zwischen Ufa und DLG vorschlug - die Ziele seien doch die gleichen -, stieß er auf die entschiedene Ablehnung von Haeftens, der sich unerquicklicher Verhandlungen zwischen Bufa und DLG entsann. Dennoch kam es im Frühjahr 1918 nach monatelangem Tauziehen zu einer Interessengemeinschaft zwischen beiden Firmen. Für das Inland übernahm die Ufa die Verbreitung der Propagandafilme der DLG und verpflichtete sich insbesondere, diese Streifen in ihren Theatern zu zeigen.
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Die Ufa verzichtete in dem Vertrag auf die Herstellung von Wirtschaftspropagandafilmen. Die DLG erklärte sich wiederum bereit, eventuelle Verluste der Firma mitzutragen. Für das Ausland gründeten beide Firmen mit einem Kapital von zehn Millionen Mark eine gemeinsame Tochtergesellschaft, die Auslandsfilm GmbH. Sie betrieb sämtliche Auslandsgeschäfte der DLG und der Ufa.19)
     Als Hugenberg 1927, gestützt auf seinen Medienkonzern, die Ufa übernahm, brachte er die Deulig, wie die DLG nun hieß, in das Geschäft mit ein. Die beiden früheren Konkurrenten waren nun in einem Unternehmen vereint, das zum größten Filmimperium Europas wurde.

Quellen und Anmerkungen:
1 Vgl. Ulrich Gregor, Von der Traumfabrik zur Werkstatt, in: 750 Jahre Berlin, Berlin 1986, S. 87
2 Vgl. Jürgen Spiker, Film und Kapital. Der Weg der deutschen Filmwirtschaft zum nationalsozialistischen Einheitskonzern, Berlin 1975, S. 10
3 Der Film in Dienste der nationalen und wirtschaftlichen Werbearbeit, hrsg. von der Deutschen Lichtbild- Gesellschaft, Berlin 1918, S. 7, in: Bundesarchiv (im folgenden BArch), Reichswirtschaftsministerium (im folgenden RWiM)
4 Zitiert nach Klaus Kreimeier, Die Ufa-Story. Geschichte eines Filmkonzerns, München/Wien 1992, S. 32
5 Vgl. Kreimeier, a. a. O., S. 41
6 Vgl. Spiker, a. a. O., S. 22

7 Vgl. Der Film im Dienste der nationalen und wirtschaftlichen Werbearbeit, S. 9; Spiker, a. a. O., S. 22 f.
8 Mitteilungen der Deutschen Lichtbild- Gesellschaft Nr. 1, März 1922, S. 3, in: BArch, RWiM, Nr. 5425
9 BArch, Auswärtiges Amt (im folgenden AA), Nr. 1030, Bl. 146
10Vgl. Hans Traub, Die Ufa. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des deutschen Filmschaffens, Berlin 1943, S. 24
11Vgl. BArch, AA, Nr. 974, Bl. 23-26; Hans-Michael Bock/ Michael Töteberg (Hrsg.), Das Ufa-Buch. Kunst und Krisen. Stars und Regisseure. Die internationale Geschichte von Deutschlands größtem Filmkonzern, Frankfurt/ Main 1992, S. 34
12Vgl. Bock/ Töteberg, a. a. O., S. 36
13Vgl. ebenda, S. 60
14Vgl. Bundesarchiv Filmarchiv, Nr. 268, unpaginiert
15Vgl. Bock/ Töteberg, a. a. O., S. 37
16Zitiert nach ebenda, S. 31
17Vgl. Bock/ Töteberg, a. a. O., S. 35; Kreimeier, a. a. O., S. 49
18Vgl. Hans Barkhausen, Filmpropaganda für Deutschland im Ersten und Zweiten Weltkrieg, Hildesheim, Zürich, New York 1982, S. 134
19Vgl. Mitteilungen der Deutschen Lichtbild- Gesellschaft, Nr. 1/1922, S. 3; Bock/ Töteberg, a. a. O., S. 29

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 4/2000
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