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André Franik
Prophet und Märtyrer

Der Priester Max Josef Metzger (1887-1944)

Obwohl nur von 1940 bis 1943 in Berlin wohnhaft, täte die Stadt gut daran, mehr für die Erinnerung an diesen ungewöhnlichen und bis heute noch vielfach unverstandenen Theologen zu tun. Ein eher trostloser Platz an der Müllerstraße im Wedding trägt seit 1994 seinen Namen, bei den Kiezbewohnern heißt der vor rund 120 Jahren von Gartenbaudirektor Meyer angelegte ehemalige Schmuckplatz nach wie vor »Lausepark«. Die Umbenennung der Willdenowstraße - 1940 war Metzger vor der Gestapo aus Meitingen bei Augsburg in das unübersichtliche Berlin hierher in die Berliner Niederlassung seiner Christkönigsgesellschaft in der St.-Josephs- Gemeinde geflohen - scheiterte bis 1994 auch durch die Proteste der Anwohner, die Metzger noch kennengelernt hatten.
     Von hier regelte er seine Geschäfte und Reisen, hier wurde er im Juni 1943 von der Gestapo verhaftet. Ein Friedensmemorandum mit Überlegungen zu einem friedlichen und demokratischen Nachkriegs- Deutschland sollte durch eine als Una-Sancta- Mitarbeiterin


Max Josef Metzger an seinem Schreibtisch in der Christkönigsgesellschaft in Meitingen

 
getarnte Gestapo- Agentin an den Bischof Eidam von Uppsala im neutralen Schweden gesandt werden, da Metzger seit Herbst 1941 davon überzeugt war, daß der Krieg für Deutschland nur mit einer totalen Niederlage enden könnte. In einem in der Haft im Juli 1943 geschriebenen Brief an einen Reichsminister äußerte er die Befürchtung, Deutschland könnte besetzt und durch fremde Mächte

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regiert werden, ebenso wie es zu Gebietsabspaltungen und selbständigen deutschen Staaten kommen könnte.
     »Ich habe mein Leben Gott angeboten für den Frieden der Welt und die Einheit der Kirche. Wenn Gott es annimmt, freue ich mich, wenn er mir noch weiter das Leben schenkt, bin ich auch dankbar. Wie Gott will! ...« Worte Metzgers ein halbes Jahr vor seiner Hinrichtung, nachdem er wegen »Hochverrats und Feindbegünstigung« in einem Schauprozeß vor dem Volksgerichtshof unter Roland Freisler zum Tode verurteilt worden war. Diese Worte charakterisieren ihn nicht nur als gottergebenen und standhaften Mann, sondern beschreiben auch deutlich seine Lebensziele. Als drittes Ziel muß noch die Erneuerung der Kirche im Sinne der Bergpredigt genannt werden, das heißt die Schaffung neuer Strukturen in einer innerlich und äußerlich zerbrechenden Kirche.
     Am 3. Februar 1887 wurde Max Josef Metzger in Schopfheim/Baden als erstes von vier Kindern eines Realschullehrers geboren, der seinen Sohn mit Strenge erzog. Die Mutter unterwies ihn im katholischen Glauben und erweckte in ihm das soziale Verhalten, das ihn schon früh auszeichnete. Nach dem Abitur 1905 studierte Metzger zunächst in Freiburg/Breisgau katholische Theologie mit dem Schwerpunkt Kirchengeschichte. Er wollte Priester werden. Seit 1908 setzte er das Studium an der katholischen Universität von Fribourg/ Schweiz fort.
Als Mitglied der »Akademischen Vinzenzkonferenz« leistete er sonntags im Elendsviertel Fribourgs mit anderen Studenten Hilfe, wobei er erkannte, daß die Not der Menschen durch Alkoholsucht noch verstärkt wurde. Selbst im Laufe des bisherigen Studiums keinem Spaß abgeneigt, wie seine überlieferten Karnevalsaktivitäten oder die regelmäßigen Skat- und Bierabende beweisen, entschied er sich Ostern 1909, in Zukunft ein abstinentes Leben zu führen, völlig auf den Genuß von Tabak, Alkohol und den Fleischverzehr zu verzichten.
     Nach der Promotion an der Universität Freiburg/Breisgau wurde er ein Jahr später, am 4. Juli 1911, im Freiburger Münster zum Priester geweiht. In den folgenden Kaplansstellen zog sich Metzger vielfach den Unmut seiner Vorgesetzten wegen seines starken Engagements in der Abstinenzbewegung und des daraus resultierenden »fehlenden Eifers in der Seelsorge« zu. Hintergrund war seine Bekanntschaft mit Pater Elpidius Weiergans vom »Kreuzbund«, in dem die deutsche Abstinenzbewegung organisiert war; Metzger organisierte dessen Predigtreisen, betreute die verschiedenen Kreuzbundgruppen und verfaßte selbst Texte. Die Abstinenzbewegung war nach Metzgers Verständnis die Grundlage für die allgemeine Erneuerung des Katholizismus hin zu den urchristlichen Idealen.
     »Aus patriotischer Pflichterfüllung« bewarb sich Metzger gleich zu Beginn des
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Broschüre »Friede auf Erden«, Graz 1918

 
Ersten Weltkrieges beim Ordinariat Freiburg/ Breisgau als Militärgeistlicher, als der er bis zum Sommer 1915 an der Westfront tätig war. Durch eine schwere Erkrankung für den weiteren Kriegsdienst untauglich geworden, übernahm er eine leitende Position

im »Kreuzbündnis - Verband abstinenter Katholiken« in Graz/ Österreich. In den nächsten Jahren trat er in Hunderten Vorträgen für die Totalabstinenz ein, die er mit gesundheitlichen und religiösasketischen Argumenten, aber auch in sozialer Hinsicht begründete. Jedoch führte sein Einsatz auch in Österreich wieder zu Spannungen mit Theologen und der Kirchenleitung, weil er unter anderem für eine Neuinterpretation des Neuen Testaments bezüglich der Verwendung des Meßweins beim Heiligen Abendmahl plädierte.
     Durch die Erlebnisse als Militärseelsorger im Krieg geprägt, verschrieb sich Metzger von nun an verstärkt dem unbedingten Einsatz für eine friedliche Welt, wie sein Friedensprogramm in zwölf Punkten an Papst Benedikt XV. im Frühjahr 1917 und seine diversen Friedensappelle beweisen; im 1916 in Graz von Metzger gegründeten Volksheil-Verlag (heute Kyrios-Verlag GmbH Meitingen/ Freising) veröffentlichte er 1918 die Broschüre »Friede auf Erden. Ein Aufruf zur Völkerverständigung«, die Vorschläge für einen dauerhaften Frieden zum Inhalt hatte. Mit der Gründung des »Weltfriedensbundes vom Weißen Kreuz« 1917 (ab 1920 »Weißes Kreuz, Katholische Innere Mission«) bekam seine Friedensinitiative eine Plattform, die er im Laufe der nächsten Jahre auch für die Ökumene- Arbeit nutzte.
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Das »Weiße Kreuz« sollte nicht nur eine »innere Bewegung zur persönlichen Erneuerung der einzelnen Katholiken in urchristlicher Gesinnung« sein, sondern vor allem »an der Versöhnung und Verständigung der Menschheit arbeiten durch Erneuerung des ganzen Geistes der Menschen, wodurch der Selbstzerfleischung der Menschen in Klassen- und Rassenkampf und Krieg von Grund aus vorgebeugt wird«. Im Zuge der Weiß-Kreuz-Bewegung entstand im Juni 1919 in Graz die ordensähnliche Gemeinschaft »Missionsgesellschaft vom Weißen Kreuz« (seit 1969 als »Christkönigs- Institut« anerkanntes Säkularinstitut diözesanen Rechts). Seit 1928 in Meitingen ansässig, konnte Metzger (Bruder Paulus) unter diesem Dach mit Brüdern und Schwestern caritative und seelsorgerische Aufgaben wahrnehmen, so in der Trinker- und Altenfürsorge, aber auch im hauseigenen Verlag seine Schriften publizieren.
     Bereits Ende 1917, als Teilnehmer am internationalen Pazifistenkongreß in Bern, verstärkte Metzger seine Präsenz durch Mitwirkung an mindestens zwölf internationalen Kongressen zwischen 1920 und 1929. Ebenso standen mit Metzgers »Weltfriedensbund« verschiedene internationale Friedensinitiativen in Verbindung, wie etwa der »Internationale Versöhnungsbund« oder die katholische Weltjugendliga »MOKA«. Eine besondere Ehre wurde Metzger zuteil, als er im Dezember 1921 auf dem Demokratischen Internationalen Kongreß in Paris
als erster Deutscher öffentlich auftreten durfte und mit seinem Beitrag große Beachtung fand. Zusammen mit Esperantisten aus den Niederlanden gründete er 1920 in Den Haag die »Katholische Internationale«, deren Motto die Einheit aller Katholiken der Welt durch Einhaltung der Grundsätze des praktischen Christentums war. Drei Jahre später fusionierte die Organisation mit Metzgers »Weißem Kreuz«.
     In der folgenden Zeit griff Metzger in seinen Reden und Aufrufen für die Bewahrung des Friedens zu einer Sprache, die voller Schärfe und Kompromißlosigkeit war; auf dem Internationalen religiösen Friedenstag 1928 in Den Haag rief er zur Verwirklichung des Reiches Gottes auf, das »Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe« verkörpere. Jeder Mensch müsse für sich das Reich Gottes verwirklichen, damit es auch allgemein verwirklicht werden könne. Denn »der Krieg verdankt sein Dasein in der Welt dem Vater der Lüge. Der Krieg selbst ist eine Lüge, er kommt aus der Lüge, nur durch Lüge kann er heute noch möglich gemacht werden. Gieriger Mammonismus, frecher Imperialismus, überheblicher Nationalismus, zynischer Machiavellismus, diese Lügengeschwister stehen an seiner Wiege.« Auf dem Kriegsdienstgegner- Kongreß 1929 prangerte er den »schrankenlosen Machtanspruch des Staates« an, eine allgemeine Wehrpflicht anzuordnen und damit »seine naturrechtlichen Gewalten« zu überschreiten, wogegen nur die Wehrdienstverweigerung helfen könne.
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Das ehemalige Piusstift in Berlin-Wedding, Wohn- und Arbeitsort Metzgers von 1940 bis 1943
 
Metzger die Möglichkeit, auch Gespräche zur Annäherung der Glaubensrichtungen zu führen. So konnte beispielsweise 1923 beim Kongreß des »Internationalen Versöhnungsbundes« in Nyborg/ Schweden mit Metzger und einem zweiten Priester aus Breslau - als einzige Katholiken - eine Versammlung von mehr als vierzig Theologen aller Konfessionen realisiert werden, die sogar eine gemeinsame Erklärung über Kirche und Krieg zum Ergebnis hatte, die als erste dieser Art gelten muß. Die Bibelstelle Johannes 17,21, »ut omnes unum« (daß sie alle eins seien) verstand Metzger als persönlichen
»Es muß die Friedensbewegung diesen radikalen Aktivismus auf sich nehmen aus heiliger Gewissensüberzeugung wie Franz von Assisi, aus der heiligen Ehrfurcht vor dem gottgeschaffenen Leben, das dem Zugreifen des Menschen entzogen ist durch das bedingungslose >Du sollst nicht töten<.« Mit der Verwendung von Schlagworten des klassischen und des sozialistischen Pazifismus und deren Verknüpfung mit christlicher Ethik setzte Metzger sich ständiger Kritik nicht nur kirchlicher Kreise aus.
     Die zahlreichen Kongresse und Tagungen mit Teilnehmern unterschiedlicher Konfessionen und Nationalitäten eröffneten
Auftrag zur Wiederherstellung der Einheit der Christenheit. Im Winter 1938/39 gründete er daher die Bruderschaft »Una Sancta«, nachdem er schon vorher in der Una-Sancta- Bewegung aktiv gewesen war. Ab Frühjahr 1939 veranstaltete die Bruderschaft die Una-Sancta- Begegnungen, Vorläufer der ökumenischen Tagungen nach dem Zweiten Weltkrieg, an denen zahlreiche Theologen unterschiedlicher Konfessionen teilnahmen. Daneben versuchte Metzger, in seinen Schriften vor allem die evangelischen Christen anzusprechen. Trotz zunehmender Repressalien von NS-Stellen - Metzger war bereits 1934 und 1939 kurzzeitig verhaftet worden, eine Zweigstelle seines Verlages in Oberschlesien
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war geschlossen und die Publikationen seines Verlages waren verboten worden, die Christkönigsgesellschaft in Meitingen wurde durchsucht, deren Räume besetzt und Veranstaltungen gestört worden - unternahm er Anfang der 40er Jahre eine Vortragsreise durch 17 deutsche Städte, in denen sich dann ökumenische Gesprächskreise bildeten. Allerdings wurde ihm auch von verschiedenen Ordinariaten Redeverbot erteilt, so auch in Berlin. In der Haft 1939, Metzger war eine Beteiligung am Hitler-Attentat im Münchener Bürgerbräukeller nachgesagt worden, verfaßte er einen Brief an Papst Pius XII., der als sein ökumenisches Vermächtnis gelten muß. In Vorwegnahme des II. Vatikanischen Konzils unter Johannes XXIII. forderte er ein Reformkonzil mit einer vorbereitenden Konferenz mit zwölf Theologen aus den durch die Glaubensspaltung betroffenen Ländern. Voraussetzung dazu wäre die Überprüfung geltender Dogmen und der Verzicht auf Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit seitens der katholischen Kirche.
     Am 17. April 1944 starb Bruder Paulus - wie der Apostel Paulus - durch Enthauptung im Zuchthaus Brandenburg-Görden. Durch glückliche Umstände wurden die sterblichen Überreste vor der Einäscherung gerettet und in einem vorläufigen Grab in Brandenburg beerdigt.
     Zwischenzeitlich auf dem Berliner Hedwigsfriedhof beigesetzt, fand Max Josef Metzger 1968 seine letzte Ruhestätte auf dem Meitinger Friedhof.

Plakat Anfang der 40er Jahre

 
Erst am 6. März 1997 wurde das Todesurteil gegen Max Josef Metzger durch das Landgericht Berlin aufgehoben.
     Der Verlag Schnell & Steiner, Regensburg, hat 1999 eine Kurzbiographie herausgebracht, die u. a. in der katholischen Pfarrkirche St. Joseph, Berlin-Wedding, erhältlich ist.

Bildquelle: Archiv des Christkönigs-Instituts Meitingen

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 3/2000
www.berlinische-monatsschrift.de