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Heiko Schützler
Der Schwedenblock auf dem Berliner Synodalfriedhof in Stahnsdorf

Der am 28. März 1909 geweihte und vier Tage später offiziell in Betrieb genommene Stahnsdorfer Friedhof, geschaffen im Auftrag der Berliner Stadtsynode nach den Plänen des beim Stadtsynodalverband angestellten Garteningenieurs Louis Meyer (1877-1955), gewinnt seine Einzigartigkeit aus der Verbindung von Garten- und Friedhofskunst, Architektur und Plastik.

Die Brunnen, Unterstellhäuschen und Grabmale bilden reizvolle Blickpunkte und unterstreichen wirkungsvoll die verschiedenen Landschaftsformen Heide, Wald und Park, deren Rhythmus geprägt wird von effektvoll angelegten Straßen, Wegen und Plätzen.
     Architektonischer Höhepunkt ist die Kapelle, errichtet 1908-1911 durch Gustav Werner (1859-1917), der sie dem Vorbild mittelalterlicher norwegischer Stabholzkirchen nachempfand. Sein Grab befindet sich in unmittelbarer Nähe.
     Stahnsdorf ist nach Ahrensfelde (eröffnet am 1. Juli 1908)1) der zweite Zentralfriedhof der Berliner Stadtsynode, deren Mitgliedsgemeinden Gräberfelder zugewiesen bekommen. Er wird der Berliner Prominentenfriedhof. Es finden sich hier die Gräber - um nur einige zu nennen - des Komponisten Engelbert Humperdinck (1854-1921) und des Stummfilmregisseurs
Schmiedeeisernes Eingangstor zum Schwedenblock, gefertigt von der Firma Krüger, Neukölln
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F. W. Murnau (1888-1931) ebenso wie das von Heinrich Zille (1858-1929), dessen Grabstätte sich ganz im Sinne Louis Meyers unter einem schlichten Findling befindet. Zilles Freund August Kraus hat ihn mit einem Porträtrelief verziert. Auch Elisabeth Baronin von Ardenne (1853-1952), Vorbild für Fontanes Effi Briest, findet in Stahnsdorf ihre letzte Ruhestätte.
     Eine der Kirchgemeinden, die in Stahnsdorf Platz für Begräbnisse erhalten, ist die Schwedische Victoriagemeinde, deren Gründung der Eingabe in Berlin ansässiger schwedischer Staatsbürger an ihren Erzbischof vom 2. April 1901 zu verdanken ist, einen Geistlichen nach Berlin zu entsenden.
     Da sich der Missionsvorstand und der Direktor eines in Berlin produzierenden schwedischen Unternehmens die Ausgaben für ein Pfarrgehalt teilen, kann der Bitte entsprochen werden, so daß am 1. November 1902 der erste schwedische Pfarrer, Gunnar Helander, sein Amt in Berlin antritt. Bis auf weiteres wird für Gottesdienste die Klosterkirche in der Annenstraße genutzt, wo am 7. Juni 1903 die Gründung der Victoriagemeinde erfolgt. Ab 1905 nutzt die Gemeinde die Kapelle des Domkandidatenstiftes in der Oranienburger Straße für ihre Zwecke. Von Anfang an ist die Gemeinde bestrebt, ein eigenes Gotteshaus zu errichten, doch erst 1922 kann die Schwedische Kirche in der Landhausstraße in Wilmersdorf geweiht werden,
errichtet nach dem Entwurf des selbst aus Schweden stammenden Berliner Architekten Alfred Grenander (1863-1931).2) Grenander, der in Stockholm und Berlin studiert hat, geprägt von Alfred Messel (1853-1909) und Paul Wallot (1841-1912), hat sich einen Namen gemacht als Architekt der Berliner Hoch- und Untergrundbahngesellschaft, für die er die weitaus meisten Stationen sowie betriebstechnische Bauten entwirft. Hinzu kommen Industriebauten und zahlreiche Privathäuser. Mit seinem Schaffen als Architekt und Formgestalter und nicht zuletzt als Hochschullehrer an der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums leistet Grenander einen entscheidenden Beitrag zur Überwindung des Historismus und zur Herausbildung der modernen Architektur des 20. Jahrhunderts, die den nationalen Rahmen sprengt und internationale Gültigkeit erlangt. Der ebenfalls von ihm entworfene Stahnsdorfer Schwedenblock, eingeweiht am 1. Dezember 1923, stellt einen Wendepunkt in Grenanders künstlerischer Entwicklung dar.
     Abgetrennt vom übrigen Friedhofsgelände durch ein schmiedeeisernes Tor, gefertigt von der Kunstschlosserei Ferdinand Paul Krüger, Neukölln, die auch das Tor zur erwähnten Kirche liefert, führt der Weg zum Grabmal für den schwedischen Gesandten Hans Henrik Freiherr von Essen (1873-1923), das als Gloriette in Form eines Monopteros dem Geländeanstieg folgend die Anlage dominiert.
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Die Norddeutschen Marmorwerke Hans Köstner & Gottschalk, Berlin- Weißensee, errichten den Bau in Kalkstein.3) Durch Treppenstufen von drei Seiten wird der Sockel erschlossen, über dem die palmettengeschmückte, von einem aus Blütenblättern erwachsendem Pinienzapfen gekrönte Kuppel auf acht dorischen Säulen ruht. Im Inneren, auf einem aufrecht stehenden Quader, in dessen Front Name und Lebensdaten eingemeißelt sind, ist das Familienwappen derer von Essen als liegendes Relief ausgeführt.
     An der Rückseite der Sockelplatte grenzt ein schwarzes schmiedeeisernes Gitter, mit den goldenen Initialen HE in der Mitte, den zur Gruft führenden Treppenschacht ab. Die Gruft, deren rot gefliester Boden von stahlträgergestützten Gewölbebögen überspannt wird, ist heute leer, Hans von Essens Urne wurde, da er katholischen Glaubens war, 1960 nach Rom überführt.4)

Das Grabmal für Hans von Essen
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Kupferdach mit Palmetten und Pinienzapfen
Solch ein Rückgriff auf die klassische Antike ist in Grenanders Wirken einzigartig und wird sich nicht wiederholen. In der souveränen Beherrschung jenes Stiles manifestiert sich Grenanders Meisterschaft, zugleich wird der Anspruch deutlich, der sein ganzes Schaffen durchzieht: Mit wenigen, unaufdringlichen Mitteln und strenger Zweckorientiertheit größtmögliche Wirkung zu erzielen. Vor dem Rundtempel liegen, axialsymmetrisch zum Hauptweg angeordnet, die Gräberfelder, deren Steine Grenander, um der Anlage einen geschlossenen Charakter zu verleihen, ebenfalls selbst entwirft. Sechs Grundformen projektiert er, auch hier mit sparsamsten Mitteln arbeitend, vom einfachen, hochkant stehenden Quader bis zu einem kronenartig gezackten, sich nach unten verjüngenden Modell.5)
     Entspricht auch Grenanders Anlage nicht den ursprünglichen Intentionen des Planers Meyer, so hebt sie sich doch, bei aller Repräsentativität, wohltuend ab von den überdimensionierten
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Erbbegräbnissen vom Anfang des Jahrhunderts, welche die Ruhe und entspannte Gelassenheit des Friedhofes empfindlich stören.
     Der Stahnsdorfer Friedhof leidet bis heute unter den Folgen des Mauerbaus, durch den er in eine ungünstige Randlage geriet und aus dem öffentlichen Bewußtsein der Berliner verschwand, sahen sich doch die Westberliner Gemeinden plötzlich von ihren Begräbnisplätzen abgeschnitten. Nach wie vor fehlt der S-Bahn- Anschluß; die Trasse, seit 1961 außer Betrieb, ist überbaut und das dem Friedhofseingang direkt gegenüber liegende Bahnhofsgebäude, entworfen vom bereits erwähnten Gustav Werner, 1976 gesprengt worden. Die Anlage hat sich renaturiert, doch die Bahnsteige sind inmitten des Bewuchses noch heute vorhanden. Pläne für eine Wiederanbindung der Station an das S-Bahn- Netz von Teltow aus soll es bereits geben. Ihre Realisierung ist zu wünschen, muß doch der von Berlin kommende Besucher zur Zeit den Umweg über Potsdam und einen längeren Fußmarsch von der Bushaltestelle in Kauf nehmen.
Anmerkungen und Quellen:
1 Gottschalk, Wolfgang, Der Südwestfriedhof Stahnsdorf. Ein Zentralfriedhof des Berliner Stadtsynodalverbandes. Berlin: Nishen 1990, S. 22
2 Die Schwedische Victoriagemeinde Berlin. Besondere Daten aus der Geschichte der Gemeinde, 1903-1999, hg. von der Schwedischen Victoriagemeinde in Berlin, Landhausstr. 28, 10717 Berlin
3 Anzeige in Neue Werkkunst: Alfred Grenander. Mit einer Einleitung von Martin Richard Möbius; Berlin, Leipzig, Wien: F. E. Hübsch 1930
4 Auskunft von Frau Melberg, Schwedische Victoriagemeinde, und so beschrieben bei Gottschalk, S. 44
5 Entwurfszeichnungen Alfred Grenanders im Archiv der Friedhofsverwaltung, vom Verwalter Herrn Olaf Ihlefeld freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 3/2000
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