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Gerd Lüdersdorf
Das Schlößchen Bellevue bei Cöpenick

Ohne Theodor Fontane (1819-1898) und seinen langjährigen Freund Bernhard von Lepel (1818-1885) wäre Bellevue schon lange dem historischen Gedächtnis entschwunden. Auch Lepel hat es wohl nur seiner Freundschaft mit Fontane zu verdanken, daß man sich seiner erinnert. Bernhard von Lepel trat mit 18 Jahren in das Kaiser-Franz- Garde- Grenadierregiment ein und versuchte sich nebenbei zunächst als Maler und dann als Schriftsteller. 1839 gründete er in Berlin einen Platen-Club. Im gleichen Jahr wurde er Mitglied im Berliner literarischen Verein »Tunnel über der Spree«. Das Militär und der Club führten Theodor Fontane mit seinem Vorgesetzten von Lepel zusammen. In die Literaturgeschichte ist Lepel als Förderer Fontanes eingegangen. 1848 nahm Lepel seinen Abschied und versuchte sich als Schriftsteller. Seine Werke, wie die »Zauberin Kirke« oder seine formal perfekten Gedichte, die lange Zeit preußische Schullektüre waren, sind in Vergessenheit geraten. Lepel starb als Major a. D. in Prenzlau.
     Nur der wunderschöne Park an der Friedrichshagener Straße 43 (Köpenick) läßt erahnen, daß er einmal die Zierde eines Gutssitzes war.

Das Schlößchen, wohl eher ein Gutshaus, wurde im Zweiten Weltkrieg zerbombt und dann nach 1945 abgerissen.
     »Auf dem Wege zwischen Köpenick und Friedrichshagen liegt Bellevue, ein Landhaus des Herrn Geh. Finanzrats Magusch, bestehend aus einem steinernen Gebäude und einem wohlangelegten Garten, worin die verschiedene Höhe des Bodens sehr gut benutzt ist«, heißt es bei Friedrich Nicolai.1)
     Der Vorbesitzer und Erbauer des Anwesens war der Hofprediger in Köpenick, St. Aubin. Er bekam es am 23. Juni 1766 für treue Dienste von Henriette Marie von Württemberg- Teck, geb. Prinzessin von Brandenburg- Schwedt, geschenkt. Sie hatte ihren Witwensitz auf Schloß Köpenick. Der Heimatforscher Arno Jaster schilderte dann die Besitzerwechsel bis zum Ende des Jahrhunderts. »Er (St. Aubin) ließ dort das Schlößchen Bellevue erbauen und lebte dort bis zu seinem Tod im Jahre 1781. Die Universalerbin verkaufte es dann an den »Königlichen Geheimen Oberfinanz-Kriegs- und Domänenrat« Georg Ernst Magusch. Dann wurde im Jahre 1789 der Hofrat Kirchhoff sein Besitzer. Ihm folgten 1796 Friedrich Schlee, 1798 Generalleutnant von Goeckingh, 1800 der Kammerherr Baron von Medem, 1805 der Freiherr von Oppen und endlich, 1821-1836, der Gutsbesitzer Ziederich, der zugleich Stadtkämmerer von Cöpenick war. 1836 blieb aber ein Entscheidungsjahr; denn da wurde der
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Schlößchen Bellevue in den dreißiger Jahren
feinsinnige Bernhard von Lepel Herr der ganzen Besitzung. In ländlich schöner und poetischer Zurückgezogenheit dichtete er hier seine »Zauberin Kirke«. Auch wollen wir nicht vergessen, daß in dieser Zeit deutsche Männer von gutem Klange zu Gaste waren. Hier verlebten der Maler Franz Kugler (1808-1858), der Dichter Paul Heyse (1830-1914) und Theodor Fontane im Jahre 1852 ihren Sommeraufenthalt. (Mit dem Maler Franz Kugler irrte Jaster. Maler war dessen Sohn Hans Kugler. G. L.)
     Bernhard von Lepel folgte der früher in Rom ansässige evangelische Gesandtschaftsprediger Pabst. Er hatte einst zu dem humorvollen Ausspruch die Veranlassung gegeben, daß in Rom nun zwei »Päbste« seien. Der Geist des Pabstschen Hauses aber dokumentierte
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sich in jener Inschrift, die wir Lebenden noch heute lesen können:

     »Laß Dir Mein Gott Befohlen sein
     Den Eingang und den Ausgang Mein«
2)

Spätestens mit der Schilderung des Besitzwechsels auf Bernhard von Lepel hat bei Arno Jaster der Schriftsteller über den Chronisten gesiegt. 1836 war Lepel 18 Jahre alt. Er war in diesem Alter nicht »majorenn«. Es war sein Vater, Oberstleutnant Adolf von Lepel3) (1783-1847), der das Gut erwarb und hier am 16. Oktober 1847 starb. Bernhard von Lepel war der Erbe. Vorher, am 15. Oktober 1844, verstarb bereits auf Bellevue Lepels Bruder Ferdinand. Am 30. Oktober 1851 wurde auf Bellevue Lepels Sohn Franz Bernhard geboren. Er war später Majoratsherr auf Wieck bei Gutzkow - dem Gut seiner Großeltern mütterlicherseits.
     Jaster zog dann aus der Fußnote Fontanes zum Beitrag über Henriette Marie4) den falschen Schluß, daß auch Fontane 1852 mit Kuglers und Paul Heyse auf Bellevue weilte. Fontane war aber zu dieser Zeit in England und Lepel in Heringsdorf.5) »Aber es ist nun mal so, Kuglers wohnen seit Ende Juni in Bellevue. Pauls Verlobung mit Gretchen Kugler weißt Du wohl«,6) unterrichtet Lepel den fernen Freund. Es war also nichts im Sommer 1852 mit einem literarischen Workshop Kugler, Heyse, Lepel und Fontane an den Gestaden der Spree.

Jaster folgt ebenfalls der Information Fontanes, daß nach Lepel ein ehemaliger Gesandtschaftspfarrer Pabst Gutsbesitzer auf Bellevue wurde. Der Zeitraum, wann Bernhard von Lepel seinen Köpenicker Besitz veräußerte, ist schwer einzuschätzen. Es muß aber vor 1867 gewesen sein. In einem Beitrag »Ein Liebling der Musen« in der »Gartenlaube« Nr. 36 von 1867 schreibt Fontane über Paul Heyse und die Sommertage 1852: »Die letzten Tage, die der italienischen Reise vorausgingen, sind mir noch gegenwärtig. Es war im August oder September. Die Stadtwohnung war aufgegeben, und alles, was dem Kuglerschen Hause angehörte, erfreute sich eines entzückenden Landaufenthaltes, zwei Meilen von Berlin. In der Nähe der Müggelberge, deren Kuppe in den Parkgarten hineinblickte, lag, nach drei Seiten hin von Tannen umstellt, ein alter Schloßbau, dessen einzig freie Front auf Blumenbeete und Kornfeldstreifen und dahinter auf die breite Wasserfläche der wendischen Spree hinaussah. In diesem alten Schloßbau, angesichts einer Szenerie voll eigentümlich märkischer Schönheit, verbrachte man glückliche Tage. Auch die Trennung kam hier heran. In dem Gartensaal, dessen Fenster bis zur Erde gingen auf pompejanischem Braun und in allen Arten von Umrahmungen, die Bilder italienischer Meister, während auf Kaminsims und Marmortischen, auf Konsolen und Etageren allerlei Erinnerungen an den Süden standen:
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alabasterne Vasen und bronzene Lazerten, Wachsfrüchte und Pinienäpfel. Diese Erinnerungsstücke an Italien (Reliquien in den Augen des Schloßbesitzers, der abwesend war) - jetzt waren sie ebenso viele Mahnungen an die Zukunft, an die nächste.« Lepel kommentierte in einem Brief an Fontane vom 18. Oktober 1867 diese Schilderung so, daß er nun die Reste seiner Schätze betrachte. Vermutlich hatte er zu dieser Zeit Bellevue bereits verkauft.
     Am 9. Juni 1869 verstarb auf Bellevue der am 10. 7. 1811 geborene Gutsbesitzer Carl Pabst an einem Gehirnschlag. Wenn Carl Pabst jemals Pfarrer gewesen war, hätte sein Name bestimmt den Zusatz Pfarrer i. R. o. ä. getragen. Seine Frau Luise war eine geborene von Nathusius. Sie ist als erste im Grundbuch 1871 als Besitzerin von Bellevue eingetragen.
     Ihr Vater war der bekannte Johann Gottlob Nathusius (1760-1835). Er errichtete u. a. die zweite Zuckerfabrik in Preußen. Als mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms II. das staatliche Tabakmonopol aufgehoben wurde, beherrschte N. mit seiner Tabakproduktion bald den preußischen Staat. Als das Monopol wieder eingeführt wurde, war er der erste Generalfabrikdirektor.
     Der Sohn Heinrich (1824-1890) war ein erfolgreicher Pferdezüchter, der auf diesem Gebiet Standardwerke schrieb. Ein weiterer Sohn, Hermann (1809-1879), war ein bedeutender Schafzüchter, der sich um die Einführung englischer Rassen in Deutschland verdient machte.
Der Sohn Philipp (1815-1872) schließlich führt uns wieder zu Fontane. »Ich ging über Neinstedt, wo Philipp und Marie v. Nathusius (1817-1857) begraben liegen, Marie v. Nathusius, die die Welt mit vielen frommen Erzählungen7) und einem einzigen >Kreuzzeitungs<- Redakteur8) beschenkt hat, an welchem letztren wieder das das beste und interessanteste ist, daß er die hübsche Erzieherin seiner Kinder aus erster Ehe geheiratet hat. Eigentlich soll sie ihn geheiratet haben.«9)
     Offensichtlich hat Fontane die Personen verwechselt. Oder er wurde über mehrere Ecken falsch unterrichtet. Wäre er besser mit den Umständen des Besitzerwechsels von Lepel auf Pabst vertraut gewesen, hätte er, bei seinem Sinn für Familiengeschichten, bestimmt darauf reagiert, daß die Schwester des >Kreuzzeitungs<- Philipp, Elisabeth v. Nathusius (1850-1918), als Nichte der neuen Hausherrin, der Tochter eines berühmten Vaters, auf Bellevue lebt.
     Frau Pabst ließ das Gut durch einen Pächter bewirtschaften, dem 1871 auf Bellevue ein eigenes Haus errichtet wurde.
     Als die am 2. 9. 1811 geborene Luise Pabst am 18. 9. 1891 auf Bellevue verstarb, wurden ihre Nichte Elisabeth von Nathusius und ihr Großneffe Ernst Pabst (1856 geb.) Besitzer von Bellevue. Die Mutter von Ernst Pabst, Anna, war eine Tochter von Hermann von Nathusius, der 1861 geadelt wurde.
     1904 wurde Pabst in Cöpenick zum Sachverständigen für die Aushebung und
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Abschätzung von Personen- Selbstfahrern (Automobilen) im Falle einer Mobilmachung ernannt. (Er war der erste Köpenicker Automobilbesitzer.) »Ernst Pabst Fabrik Elektrischer Maschinen und Apparate Bellevue - Cöpenick b. Berlin, Gegründet 1888, Bootsstände«, hieß es 1913 im »Cöpenicker Dampfboot«.
     Baulich passierte am Schlößchen wenig. 1895 ließ Ernst Pabst an der rechten Seite des Schlosses einen Turm zur Aufnahme einer gußeisernen Wendeltreppe anbauen. Im August 1916 folgte schließlich der Einbau eines Klosetts und einer Badestube. Aber das erlebte Ernst Pabst nicht mehr. Er verstarb am 12. 4. 1914 auf Bellevue, wo er auch begraben wurde.
     Am 3. 2. 1918 verschied auf dem Gut Elisabeth von Nathusius. Der Friedhof wurde später aufgelassen und die sterblichen Überreste der dort Bestatteten auf dem Friedhof an der Rudower Straße beigesetzt.
     Erben wurden die Kinder Ernst Carl Pabst (geb. 1901) und seine Schwester Luise Anna (geb. 1903), da ihre Mutter Margarete geb. Freiin von Friesen, am 26. 2. 1919 verstarb.
     Die Kinder kamen offensichtlich zu Verwandten. Bellevue wurde verkauft. 1920 erwarb die Stadt Köpenick Bellevue und den Park. Mit seinen 6,3 ha war er damals der größte Park der Stadt Köpenick. Die restlichen Flächen wurden vermarktet.
     Das Schloß diente dem im Oktober 1920 gegründeten 16. Verwaltungsbezirk von Berlin- Köpenick als Sitz für die Hauptsteuerkasse. 1938 wurde mit der Erweiterung des Köpenicker Rathauses begonnen.
In diesem Zusammenhang sollte Bellevue von den Dienststellen des Bezirksamtes geräumt und als Bezirkskulturhaus genutzt werden. Als einer der Hauptnutzer war das Heimatschulmuseum vorgesehen. Der Zweite Weltkrieg beschädigte das Gebäude schwer, und die Baureste wurden in den fünfziger Jahren abgerissen.

Quellen:
1 Friedrich Nicolai. Beschreibung der königlichen Residenzstadt Berlin. Eine Auswahl. Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1987, S. 335
2 Jaster, Arno. Geschichte Cöpenicks. Scheumann-Verlag Berlin-Cöpenick 1926, S. 43
3 Alle biographischen Angaben zu Lepel aus: Curt von Lepel, Von Lepelsches Jahrbuch, 1898, Berlin
4 Theodor Fontane. Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Spreeland. Nymphenburger. München 1994, Seite 97
5 Brief B.v. Lepels vom 3. 8. 1852 aus Heringsdorf an Fontane in London
6 Ebenda
7 Sie schrieb und komponierte auch Kinderlieder wie z.B. »Alle Vögel sind schon da«
8 Philipp v. Nathusius (1842-1900). Er war u. a. 1876 maßgeblich an der Gründung der Deutschkonservativen Partei beteiligt
9 Theodor Fontane »Jenseits von Havel und Spree«. Reisebriefe. Herausgegeben von Gotthard Erler, Aufbau Taschenbuch Verlag 1998, Berlin

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 2/2000
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