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Hans Hauser
Denkmalrücken am Schinkelplatz

»Woll-Thaer« kehrt als Nachguß in die Stadtmitte zurück

Der Schinkelplatz, zwischen Spree und Friedrichswerderscher Kirche hinterm Kronprinzenpalais und dem Kommandantenhaus gelegen, das von der Bertelsmann AG wieder aufgebaut wird, ist ein prominenter Ort in Berlin, den kaum jemand kennt. Einsam stehen auf dem nur durch Rasen und junge Bäume angedeuteten Platz zwei Herren aus grün patinierter Bronze, einen dritten erwartend. Der Platz kann als solcher erst empfunden werden, wenn die Bauakademie hinter der Denkmälergruppe wiedererstanden ist. Während eine Ecke des Schinkelbaues zur Zeit von jungen Bauleuten probeweise errichtet wird, werden Investoren und eine angemessene Nutzung für die Bauakademie gesucht. Die beiden Monumente ehren den Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781—1841) und seinen engen Mitarbeiter und Freund, den Direktor der Technischen Deputation für Gewerbe und des Gewerbeinstitutes Peter Christian Wilhelm Beuth (1781—1853). Vollständig wird das nach dem Zweiten Weltkrieg beseitigte Figurenensemble durch den Begründer der

Agrarwissenschaft in Preußen, Albrecht Daniel Thaer (1752-1828, BM 7/96) im Sommer 2000. Erst dann kann das prominente Figurenensemble wieder in seiner alten Schönheit erlebt werden.
     Das Original des Thaer-Denkmals steht im Vestibül der Landwirtschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität an der Invalidenstraße. Der berühmte Lehrbuchautor, Professor der Cameralwissenschaften an der Berliner Universität und Experimentator ist in dozierender Haltung dargestellt, als ob er seinen Studenten gerade Ergebnisse der Schafzucht erläutern will, die ihm bei den Berlinern den Spitznamen »Woll-Thaer« einbrachte. Und weil der originale Thaer in dem Institutsgebäude weiter bleiben soll, läßt die Berliner Ernst-Freiberger-Stiftung für den Schinkelplatz für 400000 Mark in der Gießerei Hermann Noack in Schöneberg eine Kopie herstellen. Das Bronzemonument besaß bis Kriegsende einen reich mit Reliefs geschmückten Sockel, doch sind von den ehemals acht Platten nur noch drei erhalten. Sie verewigen Thaers Familie sowie Kollegen des Agrarwissenschaftlers, zeigen ihn als »lehrenden Landwirt« im Kreise seiner Schüler, einen Schnitter bei der Ernte, die Schur von Schafen und andere Motive. Das Thaer-Denkmal mit der Widmung »Albrecht Thaer, dem Begründer des wissenschaftlichen Landbaues das dankbare Vaterland. Errichtet im Jahre 1860« wurde von Christian Daniel Rauch modelliert und nach dessen Tod von Hugo Hagen vollendet.
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Das eingangs erwähnte Schinkel-Denkmal, geschaffen von Friedrich Drake, zeigt den vielseitigen Architekten, Stadtplaner, Kunstgewerbler und Vater der Denkmalpflege in Preußen stehend, wie er auf eine Tafel zeichnet. Eine ähnliche Version aus Marmor schmückt die Friedrichswerdersche Kirche. 1869 vor der Bauakademie, Schinkels Wohn- und Sterbehaus, enthüllt, besaß das Bronzemonument ursprünglich vier Sockelfiguren. Sie stellten die Baukunst, Bildhauerei, Wissenschaft und Malerei dar. Von August Kiß stammt das Beuth-Denkmal. Die Sockelreliefs, die ins Märkische Museum gelangten, wurden von Friedrich Drake modelliert und stellen technische Errungenschaften des 19. Jahrhunderts und damit auch wichtige Abschnitte in der beruflichen Tätigkeit Beuths dar - die Förderung von Industrie und Technik, Kunst und Gewerbefleiß, symbolisiert etwa durch die Tuchproduktion oder auch durch das damals ganz neue Medium Photographie. Porträtiert werden neben Beuth und Schinkel der Bildhauer Rauch und der Gelehrte und Berliner Universitätsgründer Alexander von Humboldt, aber auch Johann Wolfgang von Goethe, der zudem durch den Spruch
»Denn die Natur ist aller Meister
Sie zeigt uns erst den Geist der Geister
«
vertreten ist. Der vor 25 Jahren von München nach Berlin übergesiedelte Unternehmer Ernst Freiberger gründete 1995 die nach ihm benannte Stiftung mit Sitz auf dem ehemaligen Bolle-Gelände in Moabit.

Das Thaer-Denkmal wird mit neuem Sockel als Nachguß auf dem Schinkelplatz aufgestellt
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Noch vor dem Wiederaufbau des Kommandantenhauses, den er gern übernommen hätte, und der Bauakademie, für die noch Investoren gesucht werden, will er in Berlins Mitte mit der Aufstellung des Thaer-Denkmals ein Zeichen setzen und einen Gelehrten ehren, der schon in jungen Jahren unter anderem mit Fruchtwechsel und Stallfütterung experimentierte und sich für den Kleeanbau und die Einführung moderner Ackergeräte einsetzte. 1804 nach Preußen gerufen, kaufte er das Gut Möglin bei Wrietzen und richtete hier mit staatlicher Unterstützung eine landwirtschaftliche Lehranstalt ein. Als einer der Reformer Preußens trieb er im frühen 19. Jahrhundert eine progressive Agrargesetzgebung voran und verwandte sich für die Befreiung der Bauern.
     Zwei Zielen widmet sich die Ernst-Freiberger-Stiftung, die auch die Thaer-Gesellschaft bei der Edition wichtiger Schriften des Gelehrten unterstützt: zum einen der Re-Integration alter Menschen, die häufig krank, isoliert und depressiv sind, und ihrem sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Umfeld; zum anderen der Pflege des baulichen Erbes der Hauptstadt sowie der Aufstellung von Standbildern. Wie Stiftungs- Geschäftsführer Peter Hans Keilbach sagt, gebe es intensive Beziehungen zum Max-Planck-Institut für Altersforschung mit dem Ziel, die Arbeit mit alten Menschen wissenschaftlich zu fundieren.
»Zu unseren Projekten gehört unter anderem die Einrichtung von Begegnungsstätten zwischen Alt und Jung in dem denkmalgeschützten Haus am Wasser auf dem Moabiter Spreebogen. Vielleicht begeistern sich hier ältere Mitbürger für das Internet und die Arbeit am Computer. Das könnte ihnen aus dem Alleinsein helfen.«
     In Berlin fällt auf, daß verdienstvolle Persönlichkeiten der Zeitgeschichte nicht durch Denkmäler, Büsten oder Tafeln geehrt werden. »Ich denke an Kämpfer gegen das Naziregime wie die Geschwister Scholl sowie an Männer und Frauen des 20. Juli 1944, aber auch an Leute, die nach dem Zweiten Weltkrieg viel für Berlin getan haben, etwa Truman, Reuter, Heuss, Adenauer, Brandt«, so Keilbach. Sie öffentlich zu ehren und damit in Erinnerung zu halten, habe sich die Stiftung auf die Fahne geschrieben. Zur Zeit arbeitet man an einem Denkmal für den in den letzten Kriegstagen von den Nazis ermordeten Lyriker und Dramatiker Albrecht Haushofer, der als Professor für Geographie und Geopolitik auch Berater des damaligen Auswärtigen Amtes war. Es soll im Bereich des ehemaligen Zellengefängnisses Lehrter Straße in Moabit, nicht weit vom Stiftungssitz entfernt, errichtet werden. Keilbach stellt sich vor, daß in den Stein Auszüge aus Haushofers ergreifenden »Moabiter Sonetten« geschlagen werden.

Bildquelle: Autor

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 2/2000
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