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Helmut Caspar
Schaufassade als Pfahl im Fleisch

Als vor zweihundert Jahren in Berlin die »Allgemeine Bau- und Unterrichtsanstalt« gegründet wurde, mußte sie sich das Gebäude am Werderschen Markt mit der Münze und der Mineralogischen Sammlung teilen. Erst 1832 bis 1836 bekam die Lehranstalt samt Oberbaudeputation auf dem Gelände des ehemaligen Packhofes direkt am Spreekanal ein eigenes, nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel errichtetes Haus, das im Erdgeschoß eine Ladenzone besaß und auch Schinkels Dienst- und Wohnräume enthielt. Das »übrigens sehr einfach angeordnete Gebäude«, so Schinkel, in den Abmessungen von knapp 50 mal 50 Metern auf fast quadratischem Grundriß, wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt und danach zum Teil wieder aufgebaut. 1961 wurde das Haus dem DDR- Außenministerium geopfert, wobei viele, aber nicht alle Steine für einen Neuaufbau auf der anderen Straßenseite geborgen wurden. Dieser Neubau wurde allerdings nie realisiert. Nur ein in die Fassade der Schinkelklause hinter dem Kronprinzenpalais gefügtes Portal hielt die Erinnerung an die Bauakademie wach. Verschiedene Berliner

Museen zeigten gelegentlich originale Terrakottaplatten.
     Der Abriß des riesigen Ministeriums-Riegels in den neunziger Jahren und Forderungen zur historisierenden Neugestaltung von Berlins Mitte einschließlich des Wiederaufbaues des Schlosses ließen Pläne auch für die Wiedergewinnung von Schinkels Meisterwerk reifen. Bei Ausgrabungen nach dem Abriß des Außenministeriums haben Archäologen Formsteine und figürlichen Dekor gefunden, die es mit den seinerzeit geborgenen Steinen und Terrakottaplatten nach Meinung von Fachleuten mühelos erlauben, die Fassade neu zu schaffen. Zur Herstellung der »Schinkel'schen Ziegel« sind bereits in brandenburgischen Ziegeleien Versuche im Gang.
     Nachdem es um den imposanten Ziegelbau eine Zeitlang still war, ist er im Herbst 1999 wieder in den Blick der Öffentlichkeit gekommen. Der von den Gewerkschaften und der Bauindustrie getragene »Bildungsverein Bautechnik« errichtet an historischem Ort, direkt hinter Schinkels Denkmal auf dem gleichnamigen Platz, eine Musterfassade, die zugleich eine »historische Lehrbaustelle« ist. Hier werden Auszubildende, unter ihnen angehende Maurer, Zimmerleute und Bildhauer, in der Handhabung alter Techniken unterwiesen. Die 1,4 Millionen teure Probeecke hat eine Breite von je acht Metern und ist 22 Meter hoch. Getragen werden die Kosten von der Berliner Bauwirtschaft, die mit ihrem Engagement ein Zeichen gegen weiteren
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Stellenabbau und für die Pflege alter Handwerkertechniken setzen will. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen setzte sich bei der Grundsteinlegung für die Musterfassade unter Berufung auf Beschlüsse des Abgeordnetenhauses für den Wiederaufbau der Bauakademie ein, fügte aber hinzu, daß Landesmittel für den »Solitär und Zierde der Stadt« nicht in Anspruch genommen werden können.
     Die Musterfassade kann nach Worten des mit ihrer Errichtung betrauten Architekten Horst Draheim »sofort« zu dem kompakten Ziegelbau vervollständigt werden, Voraussetzung sei aber, daß ein potenter Investor gefunden wird und die Nutzung feststeht.


Modellfoto der Schaufassade der Bauakademie
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»Die Ecke wird Stein für Stein gebaut und soll nicht nur Ort und Grösse der alten Bauakademie markieren, sondern auch Werbung für ihre Wiedergeburt machen«, so Draheim. »Die Fassade ist wie ein Pfahl im Fleische, sie fordert auf, unbedingt das Werk zu vollenden. Kein Politiker kann es noch riskieren, die Ecke abzureißen und die Stelle weiter brach liegen zu lassen.« Draheim rät, das »Innenleben« heutigen Bedürfnissen anzupassen und darauf zu verzichten, die im 19. und 20. Jahrhundert immer wieder veränderte Raumstruktur einschließlich einer in der Nach-Schinkelzeit anstelle des Hofes eingebauten Treppe unter einer Glaskuppel nachzubilden. Inzwischen strecken schon potentielle Nutzer ihre Hände nach dem Bau aus. Die Technische Universität, die sich als Nachfolgerin der alten Bauakademie sieht, denkt an die Verwendung als Bildungs- und Forschungsstätte »von europäischer Ausstrahlung« für Architekten und Designer. Historiker und Gewerkschaftsvertreter erinnern an die Deutsche Hochschule für Politik, die bis zu ihrer Schließung durch die Nazis in dem Kubus untergebracht war. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hält die Einrichtung des in Berlin noch immer fehlenden Architekturmuseums in Schinkels Wirkungsstätte für optimal und erinnert daran, daß hier schon im 19. Jahrhundert ein Schinkelmuseum und im frühen 20. Jahrhundert die Bildnissammlung der Nationalgalerie eingerichtet waren.
Terrakottaplatten vom Portal der Bauakademie zieren den Eingang zur »Schinkelklause«

Die Bauakademie ist eine Ikone bürgerlichen Bauens im frühen neunzehnten Jahrhundert, »eines der vornehmsten und modernsten Gebäude der ersten Hälfte des

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vorigen Jahrhunderts«, wie der Architekt Josef Paul Kleihues betont. Architekturhistoriker bezeichnen das Haus, in dem Karl Friedrich Schinkel 1841 starb, als Gründungsbau der Moderne, betonen aber auch, daß sich der »rote Kasten« in Schloßnähe nicht immer sonderlicher Beliebtheit erfreute, sondern sogar schon in der Kaiserzeit auf der Abrißliste stand. Die Kunsthistorikerin Elke Blauert, die 1996 maßgeblich an einer Ausstellung mit Plänen, Zeichnungen und erhalten gebliebenen Originalteilen der Bauakademie beteiligt war, nennt den auffälligen Kubus mit zwei Portalen sowie einem umlaufenden Fries von Terrakottaplatten, die sich auf die Architektur, Bildhauerei und andere Künste beziehen, »Ausdruck für die aufklärerische Kraft bürgerlichen Bauens« und erinnert an die Wiederentdeckung des unverputzten Ziegelmauerwerks durch Schinkel. Vorkämpfer von Rekonstruktionen in Berlin – im Gespräch ist auch die alte Kommandantur am östlichen Beginn der Straße Unter den Linden – halten die Rückgewinnung der Bauakademie für realistischer als den Wiederaufbau des Berliner Schlosses.

Bildquellen: Grafik Draheim, Foto Autor

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 1/2000
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