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Dietrich Nummert
Bronzene Kunstwerke aus Meisterhand

Der Kunstgießer Hermann Gladenbeck (1827–1918)

Mehrere Berliner Sehenswürdigkeiten sind Publikumslieblinge, der Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus etwa oder die »Goldelse« hoch über 'm Großen Stern. Das Wasserspiel schuf Reinhold Begas (1831–1911; BM 11/96), die 125 Jahre alte Viktoria gestaltete Friedrich Drake (1805–1882) – wer aber hat die Skulpturen gegossen?
     Von Hermann Gladenbeck ist die Rede. Zahlreiche Standbilder künden von seinem Können hierzulande wie in der Fremde: In Philadelphia reitet Georg Washington, Humboldt wacht in Chicago, in Hannover, Wittenberg, Magdeburg, Eisleben und Koblenz andere Denkwürdige. In Essen harrt ehern Kanonenkönig Krupp, lautlos tutet der Bläser in Dortmund, während Bahnreisende bei der Fahrt über die Kölner Rheinbrücke kolossale Preußenkönige anstaunen können.
     Carl Gustav Hermann Gladenbeck, geboren am 24. Januar 1827 in Berlin, begann 1841 eine Lehre in der damals modernsten

Hermann Gladenbeck
Fabrik ihrer Art, der Eisengießerei & Maschinenbauanstalt Egells (Franz Anton Egells, 1788–1854; BM 3/96), deren Schlote gleich um die heimatliche Ecke am Oranienburger Tor qualmten. Später lernte und arbeitete er bei Christoph Heinrich Fischer, dem seinerzeit bedeutendsten Gießer, »Bronceur und acad. Künstler«, der 1824 die Gießereischule in Berlin begründet hatte und im Königlichen Gießhaus seine Kunst betrieb. In dessen Werkstatt war er am Guß der stolzen Amazone von August Kiss (1802–1865) beteiligt, die vor dem Alten Museum bis heute anmutig eine Wildkatze spießt.
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Das Jahr 1851 sieht den Vierundzwanzigjährigen selbständig. Er richtete in der Werkstatt des Schlossers Noack seine erste Gießerei ein, in der Johannisstraße 3, wo man die Kommandos vom nahen Kasernenhof des 2. Garde- Regiments hören konnte. Im Berliner Adreßbuch von 1851 steht unter obiger Anschrift: Gladenbeck, J. K., Kunstgießer. Das gibt Rätsel auf. Wer ist J. K.? Gladenbecks Vater hieß Christian, und er war Heilgehilfe. In der Broschüre zu der Ausstellung: »Bildgießerei Gladenbeck ...« von 1994 ist zu lesen, daß Hermann »nach dem frühen Tod seines Vaters schnell lernen (mußte), auf eigenen Füßen zu stehen«. Folglich kann nur er gemeint sein, und die Initialen J. K. dürfen wir dem Druckfehlerteufel zuschreiben.
     Hermann Gladenbeck hatte inzwischen mit Emilie Auguste Pauline Schirrmann (1826–1903), der Tochter eines Schuhmachermeisters, die Ehe geschlossen. Als seriöser Handwerker und Familienvater strebte er gediegene Aufträge an. Und da in den Kreisen der Berliner Bildhauer sein Talent und sein Fleiß schon bemerkt worden waren, fehlte es daran nicht. Der bereits über siebzigjährige Christian Daniel Rauch (1777–1857) ließ ihn drei verkleinerte Kopien des seit 1851 Unter den Linden reitenden Großen Friedrich anfertigen. Rauch beauftragte Gladenbeck auch, die Skulptur Immanuel Kants für dessen Geburtsstadt Königsberg zu gießen. Das Denkmal brachte dem jungen Unternehmer weiteres An-
sehen. Und da Rauchs Gießer Friebel verstorben und die Königliche Gießerei in der Münzstraße 10 ohne Hausherren war, konnte Gladenbeck die große Werkstatt 1857 übernehmen – rechtzeitig.
     Denn die Jahre der »Denkmalwuth« hatten begonnen, die Ära der Statuen, Siegesmäler, Brunnen, Monumente und Grabkunstwerke. Meister Gladenbeck war geboren für diese Zeit: Er war ein exzellenter Handwerker, er vermochte die künstlerischen Absichten der Bildhauer zu »gießen«, er konnte mit Behörden umgehen, und überdies war er ein ordentlicher Kaufmann.
     Alle vier Eigenschaften brauchte er. Damals zum Beispiel mußte ein Bildgießer dem Bildhauer vor dem Guß seiner Skulptur eine Kaution zahlen – falls ein Fehlguß das Modell verdarb. Bei Gladenbeck kam Ausschuß kaum vor, er legte nicht bloß Wert auf Qualität, er lieferte sie.
     Der florierende Betrieb, dessen Produktion umfangreicher und vielfältiger geworden war und die weiter wuchs wie auch die Belegschaft, litt erneut bald unter Platzmangel. Gladenbeck fand geeignetes Bauland vor den Toren der Stadt. Eine neue Gießereien entstand, und 1887 konnte die Firma nach Friedrichshagen in die Wilhelmstraße 62 (Peter-Hille- Straße) und die Seestraße 9 (Müggelseedamm) umziehen. Der Firmengründer bezog ein Haus in der Ahornallee, Sohn Oskar (1850–1921) das seine in der Seestraße, wo noch heute das – geborstene –
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marmorne Namensschild an der Gartenpforte (Nr. 132) zu sehen ist. Oskar, Chef der am 6. April 1888 gegründeten Aktien- Gesellschaft H. Gladenbeck & Sohn, brauchte nur den Damm zu überqueren – schon war er in der Fabrik. Alfred (1858–1912), der bislang den firmeneigenen Laden in der Leipziger Straße 111 geleitet hatte, wurde gleichfalls Direktor. Die jüngeren Söhne Walter (1866–1945) und Paul (1869–1947) nahmen andere Plätze ein.
     Der Weg der Gießerei, inzwischen groß und weltberühmt, schien unaufhaltsam nach oben zu führen. Genügend Aufträge gab es und zahlreiche Ehrungen. Der Kaiser, seit 1888 Wilhelm II., war spendabel. Senior Gladenbeck erhielt den Roten Adlerorden IV. Klasse und den Kronenorden III. Klasse. Die von Ausstellungen und Messen des In- und Auslands mitgebrachten Preise und Anerkennungen füllten Vitrinen. Sie galten echten Leistungen, sowohl den zahlreichen verkleinerten Kopien (Laden- oder Tischbronzen genannt) wie den großen Denkmälern. Nicht zuletzt jener, die die Firma mit dem Guß (1889 –1891) des großen Brunnens von Begas in Berlin bot. Wilhelm II. hatte sich gewünscht, das Wasserspiel möge – stand es doch neben dem Schloß – den Namen Schloßbrunnen erhalten. Daraus wurde nichts. Die Berliner hatten schon immer ihre Vorstellungen von Namen. Seinerzeit war Maximilian (Max) Forckenbeck (1821–1892) Oberbürgermeister der Stadt, und da Nep-
tun, Hauptfigur des Brunnens, den Dreizack geschultert hält, kam, zum Ärger Wilhelms, der Name Forckenbecken in Mode.
     Der Brunnen gilt als letzte große Arbeit der AG Gladenbeck & Sohn. Eine Bank mischte sich in die Produktion, in die Familie zog Zwietracht ein. Oskar gründete 1892 eine Firma für Handelswaren, die später Konkurs anmelden mußte. Alfred leitete das Gladenbeck- Institut für Denkmalpflege. Walter gründete mit Bruder Paul Gladenbecks Bronzegießerei, deren Liquidation 1911 erfolgte.
     Und der alte Gladenbeck? Er erlebte den Niedergang seines Werkes. Hochbetagt starb er am 11. November 1918. Sein letzter Weg führte ihn von der Wohnung Viktoriastraße 11 (Dreiserstraße) zu dem evangelischen Friedhof in Friedrichshagen, wo nun seit langem schon neben ihm auch seine Söhne ruhen.
     Übrigens, das nach Sanierung seit dem 16. Dezember 1996 wieder auf der Freitreppe vor der Nationalgalerie auf hohem Sockel postierte und von Alexander Calandrelli (1834–1903) geformte Standbild Friedrich Wilhems IV. gossen ebenfalls die Gladenbecks (1886). Berliner, die ihren Monarchen kannten, sollen angesichts des hoch zu Roß sitzenden Königs gewarnt haben: Vorsicht, Majestät, der Abgrund ist nah! Nun, ob König, Meergott oder Goldelse – sie bleiben bronzene Meisterstücke eines meisterlichen Kunstgießers.
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