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Klaus Strakos
Erziehung durch Arbeit

100 Jahre Beschäftigung von Strafgefangenen in der Justizvollzugsanstalt Tegel

Die stürmische Bevölkerungszunahme Berlins im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts brachte auch eine verstärkte Tätigkeit der Gerichte mit einem Anstieg von Verurteilten mit sich. Die damaligen Gefängnisse – wie das von 1868 bis 1876 erbaute Strafgefängnis Plötzensee, die Stadtvogtei mit ihren Nebenstellen Perleberger Straße und Rummelsburg – waren folglich oft überbelegt.
     Der Bau eines großen Gefängnisses für die Reichshauptstadt war daher dringend erforderlich, zumal die Schließung der seit 1791 bestehenden und oftmals umgebauten und erweiterten Stadtvogtei geplant war. Die Pläne für einen Gefängnisneubau wurden seit Anfang der 90er Jahre diskutiert und nahmen ab 1894 konkrete Formen an, nachdem ein geeignetes Gelände im Jagen 56 des Tegeler Forstes gefunden war. Am 2. Oktober 1898, dem Tag, an dem die ersten Verurteilten Einzug hielten, wurde das an der Tegeler Chaussee, der heutigen Seidelstraße, erbaute Strafgefängnis in Betrieb genommen. Nachstehend soll vor allem über die Beschäf-

tigung Strafgefangener im Tegeler Gefängnis berichtet werden.
     Im Handbuch »Die Gefängnisse der Justizverwaltung in Preußen« aus dem Jahr 1900 wird die Notwendigkeit der Beschäftigung von Gefangenen wie folgt begründet:
     a) Damit sie die Strafe als ein Übel empfinden. – Die Beschäftigung erfordert eine geregelte, beaufsichtigte Tätigkeit, bei der die Gefangenen die körperlichen und bzw. auch geistigen Kräfte unter dem Einflusse eines bestimmten Zwanges gebrauchen und anstrengen müssen, bei Verzichtleistungen auf freie Willensbestimmung.
     b) Damit sie durch die Strafe zugleich auch gebessert werden. – Durch die Beschäftigung werden sie an eine regelmäßige Tätigkeit, an Ordnung und Gehorsam gewöhnt. Die Teilnahme an dem Arbeitsverdienste bringt ihnen einen Gewinn, der sie den Wert der Arbeit schätzen lehrt und Neigung und Liebe dafür in ihnen erweckt oder nährt.
     c) Damit bei längerer Haftdauer ihr Gesundheitszustand nicht geschädigt wird.
     d) Damit sie auch nach der Entlassung aus dem Gefängnisse ein besseres Fortkommen finden, das es ihnen ermöglicht, in der bürgerlichen Gesellschaft wieder festen Fuß zu fassen. Die Mittel hierzu werden ihnen gegeben durch die wiedererlangte Neigung zur Arbeit, verbunden mit dem Gefühle der Leistungsfähigkeit, durch die ihnen gewährte Arbeitsbelohnung, die zunächst
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vor Entbehrungen schützt, und endlich eventuell auch durch die im Gefängnisse gefundene Erlernung eines ihnen bisher unbekannt gewesenen Arbeitsbetriebes.

Von den gleichen Voraussetzungen ausgehend, bestimmte die Gefängnisordnung für die Justizverwaltungen vom 21. Dezember 1898 im § 71, daß »in jedem Gefängnisse nützliche Arbeiten einzuführen sind«. Entsprechend wurden im Tegeler Strafgefängnis in den Gebäuden XI und XII Werkstätten eingerichtet. Diese boten Arbeitsplätze für Schlosser, Schmiede, Klempner und Tischler. Schon bei der Fertigstellung der Tegeler Anstalt, die zwei Jahre dauerte, waren Gefangene eingesetzt. Sie errichteten Gebäude und fertigten den größten Teil der Ausstattung. Das Beamtenhaus Nr. 13 wurde im Jahr 1901 fast ausschließlich von Gefangenen gebaut.
     Gefertigt wurde für den laufenden Bedarf der Anstalt, und es wurden Arbeiten für Neubauten, Um- und Erweiterungsbauten aus dem Bereiche der Justizverwaltung ausgeführt. Neben den Werkstätten gab es Arbeitsmöglichkeiten in einer Gärtnerei mit Gewächshaus und Frühbeeten und auf dem Garten- und Ackerland der Anstalt, wo nur angebaut werden durfte, was für die Anstaltsküche verwendbar war. Hier wie in der Wäscherei und der Bäckerei arbeiteten weitere Gefangene. Die Bäckerei mußte zum Beispiel alle Berliner Gefängnisse mit ihren 5000 bis 6000 Inhaftierten mit Brot versor-

gen. Außerdem gab es Arbeiten, die die Gefangenen in ihren Zellen ausführten.
     Dem Lohntarif des Strafgefängnisses Tegel für das Rechnungsjahr 1912 – hierin waren alle zu diesem Zeitpunkt in der Anstalt eingeführten Arbeiten verzeichnet – ist zu entnehmen, daß im Laufe der Jahre weitere Werkstätten eingerichtet wurden, so eine Druckerei, eine Buchbinderei, eine Schneiderei. Des weiteren gab es etliche Berliner Unternehmer, die in der Anstalt Arbeiten für ihre Betriebe ausführen ließen. So wurden für die Firma Doederlein und W. Dulberg in Berlin N 54 Kamelhaarschuharbeiten, für die Firma A. Mühlberg Flechtarbeiten ausgeführt. Für die Firma F. R. Stoebe wurden Tüten und Beutel bedruckt, für das Telegraphenzeugamt Schalter und Hörschlüsselsätze zerlegt.
     1912 erhielt ein Gefangener in der Bäckerei pro Tag 25 Pfennig, in der Buchbinderei zwischen 15 und 30 Pfennigen, bei Arbeiten für die Firma Doederlein fünf bis 30 Pfennig, ein als Reiniger von Gefängnis- und Verwaltungsräumen Eingesetzter 20 Pfennig. Ein Gefangener durfte nicht mehr als 50 Pfennig für einen Arbeitstag erhalten. Die tägliche Arbeitszeit sollte in der Regel nicht mehr als elf Stunden betragen.
     Die Werkstätten wurden von beamteten Werkmeistern geführt. Die Voraussetzung für eine Anstellung war eine für das Amt erforderliche allgemeine Vorbildung, »Sittenreinheit«, körperliche Rüstigkeit und ein
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Lebensalter von wenigstens 25 Jahren. Allerdings wurde derjenige Bewerber vorrangig angestellt, der neben der Erfüllung der vorstehend genannten Kriterien noch mindestens acht Jahre im Heer oder der Marine als Unteroffizier aktiv gedient hatte. Personen, die für ihren Unternehmer, der in der Anstalt arbeiten ließ, Gefangene anlernten und die Arbeitsabläufe überwachten, wurden als Werkführer bezeichnet. Sie erhielten vor 1914 ein Jahresgehalt zwischen 1200 und 1800 Mark.
     Nach 1918 wurden neue »Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen« erarbeitet, verabschiedet und mit Datum 7. Juni 1923 wirksam. Diese Grundsätze bildeten die Grundlage für einen einheitlichen Strafvollzug in ganz Deutschland. Sinn und Zweck der Freiheitsstrafe wurden im § 48 zusammengefaßt: »Durch den Vollzug der Freiheitsstrafe sollen die Gefangenen, soweit es erforderlich ist, an Ordnung und Arbeit gewöhnt und sittlich so gefestigt werden, daß sie nicht wieder rückfällig werden.« Damit wurde der Gedanke »Erziehung durch Arbeit« zum zentralen Prinzip. Der Gesichtspunkt der Sühne und gar der Vergeltung wurde nachrangig. Ebenso wurde das Arbeitsbelohnungssystem verändert. Es wurden Lohnklassen eingeführt, die sich an den jeweiligen Anforderungen der auszuführenden Arbeiten orientierten, die Lohnklassen I (5 Pfennig) bis V (15 Pfennig) pro Arbeitstag.
Einem Verzeichnis aus dem Jahre 1937 über die hauptsächlichsten Gegenstände, die in den deutschen Vollzugsanstalten angefertigt wurden, ist zu entnehmen, was in Tegel u. a. gefertigt wurde: Haftraumutensilien wie Eimer, Waschschüsseln und Müllschippen, Dienstkleider und Dienstmäntel, Büromöbel und Karteikästen, geflochtene Rohrstuhlsitze, Korbwaren, Kokosmatten und -läufer. In einer Selbstdarstellung des Strafgefängnisses Tegel, wahrscheinlich aus dem Jahr 1938, werden folgende Betriebe mit etwa 130 Gefangenen genannt: Schlosserei mit Schmiede und Härterei, Klempnerei, Tischlerei, Malerei, Polsterei und Korbmacherei. In diesen Betrieben wurden das gesamte Zelleninventar und alle Baubedarfsgegenstände hergestellt, die bei einem Gefängnisbau Verwendung finden, beispielsweise das sogenannte Tegeler Zellentürschloß, Fenster und Gitter. Die in der Härterei gehärteten Gitter waren für Feilen und dergleichen unangreifbar. Ferner wurden hier die in der Schlosserei hergestellten Fallbeile für die Guillotinen in Deutschland gehärtet. Des weiteren gab es eine Druckerei und Buchbinderei mit durchschnittlich 100Beschäftigten. Diese beiden Betriebe müssen technisch gut ausgestattet und von zuverlässigen Werkmeistern geleitet worden sein. Nur so ist erklärbar, daß hier neben allgemeinen Vordrucken die Richterbriefe und die »Führerinformationen« gedruckt und das Standesamtregister (Sterberegister) des
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Konzentrationslagers Sachsenhausen bearbeitet wurden. Im Verlauf der Jahre war ein Betrieb eingerichtet worden, der 1938 immerhin 700 Gefangene beschäftigte und unter dem Namen Altmaterialverwertung und Müllplatzarbeit firmierte. Hier wurden Papier sortiert, Fernsprech- und Radioapparate zerlegt, Kabel abgebrannt, aus Müll Metall, Glas, Wolle aussortiert und Müllerde gesiebt. Im Hinblick darauf, daß diese »Art der Arbeit besonders unangenehm sei«, wurde vom Reichsministerium der Justiz gestattet, daß den dort Beschäftigten abweichend von der Vergütungsordnung eine Arbeitsbelohnung nach der Lohnklasse V von täglich 34 Reichspfennig gewährt wird. An Unternehmerbetrieben gab es vier mit ca. 275 Beschäftigten, einen Betrieb, der Zellophan-, und einen, der Mottentüten herstellte, eine Bürstenmacherei und einen Lumpensortierbetrieb. Aus der Gesamtzahl der Beschäftigten ist zu schließen, daß damals wohl für jeden Inhaftierten ein Arbeitsplatz vorhanden war. Ob die allerdings geeignet waren, dem Ziel der »Grundsätze« zu entsprechen, kann bezweifelt werden. Ende der dreißiger Jahre verfügte die Anstalt Tegel über mehrere Außenarbeitsstellen, so zum Beispiel in Blankenfelde, Schönerlinde, Malchow, Ketzin und Grube. Die Gefangenen waren dort wohl überwiegend zu landwirtschaftlichen Arbeiten eingesetzt.
     Ein Kuriosum aus jenen Jahren soll nicht unerwähnt bleiben. Die nationalsozialisti-
sche Regierung wollte den Seidenanbau für ihre Ziele aktivieren: Rohseidengewinnung für Technik und Wehrmacht. Die Generalstaatsanwaltschaft forderte in einem Schreiben vom 13. Dezember 1938 den Herrn Vorstand des Strafgefängnisses Tegel auf, über den Stand, die Erfahrung und die Wirtschaftlichkeit der eingeführten Seidenraupenzucht zu berichten. Die Antwort der Anstalt vom 21. Dezember 1938 lautete, daß »die Seidenraupenzucht erst erfolgen kann, wenn das Wachstum der zu diesem Zwecke angepflanzten Maulbeeren genügend weit fortgeschritten ist; dies dürfte in 2 bis 3 Jahren der Fall sein«. Der weitere Fortgang dieses Projektes ist nicht bekannt. Jedoch wurden noch in den Jahren 1946 und 1947 Pakete mit Seidenraupenkokons verschickt.
     Die Grundsätze von 1923 wurden 1940 durch eine Strafvollzugsordnung ersetzt. Diese verdrängte den Erziehungsgedanken und stellte wieder Vergeltung, Sühne und Abschreckung in den Vordergrund. Das Arbeitsangebot in der Anstalt wurde weitgehend an den Erfordernissen einer Kriegswirtschaft ausgerichtet.
     Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands ging die administrative Gewalt auf den Kontrollrat über. Dieser ordnete am 19. November 1945 an, daß »Werkstätten zur Erziehung und Ausbildung der Gefangenen ... in solchen beruflichen Fächern einzurichten seien, die am besten geeignet sind, sie dafür vorzubereiten, nach ihrer Entlas-
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   34   Probleme/Projekte/Prozesse 100 Jahre Justizvollzugsanstalt Tegel  Vorige SeiteNächste Seite
sung ihren Platz als redliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft wieder einzunehmen und sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen«. Unter diesen Vorgaben wurde die Strafvollzugsanstalt Tegel – zunächst unter der Überwachung der französischen Militärregierung – wieder in Betrieb genommen. Bedienstete, die ab 1946 eingestellt wurden, berichten, daß einige der vorstehend genannten Betriebe wie die Buchbinderei, Druckerei, Polsterei/Sattlerei, Schlosserei im begrenzten Umfang wieder arbeiteten. Die Grenzen wurden hauptsächlich von der Knappheit der Mittel – Materialien, Werkzeuge, Ersatzteile etc. – gesetzt. Um das Jahr 1948 wurde begonnen, Schweine zu züchten, auch Hühner wurden gehalten. Die Schweinezucht wurde erst in den frühen sechziger Jahren, die Hühnerhaltung Anfang der fünfziger Jahre eingestellt. Die französische Militärregierung unterhielt in der Strafanstalt im Haus I ein eigenes Gefängnis. Inhaftiert waren hier Personen, die von alliierten Gerichten verurteilt wurden, zum Beispiel Schwarzhändler. Zu dieser Zeit waren auch Frauen in Tegel inhaftiert, sie nähten Puppenkleider und bastelten Puppen.
     Ein Artikel des »Telegraf« vom 6. Oktober 1948 berichtete unter der Überschrift »Ostjustiz durchbricht Blockade« folgende Merkwürdigkeit: »Die Ostzone war bisher nicht in der Lage, ein zur Vollstreckung der in der Zone ausgesprochenen Todesurteile notwen-
diges Fallbeil selbst herzustellen . . . hat die Deutsche Zentrale Justizverwaltung in der Sowjetzone ein Fallbeil in Berlin bestellt, das auf Anweisung des Oberstaatsanwaltes Sch. vom Berliner Strafvollzugsamt trotz des in Berlin herrschenden Rohstoffmangels in den Gefangenenwerkstätten des Strafgefängnisses Tegel, das bekanntlich im französischen Sektor liegt, hergestellt worden ist. Ungeachtet aller Blockadeschwierigkeiten wurde das kürzlich fertig gestellte Fallbeil in die Ostzone transportiert, die als Gegenleistung für diese kleine >Gefälligkeit< einen Posten Geschirr für die Gefangenenernährung zur Verfügung stellte.«
     1955 wurde das Zuchthaus von der Lehrter Straße in die Strafanstalt Tegel verlagert. Das hatte zur Folge, daß es nun ein Strafgefängnis Tegel und ein Zuchthaus Tegel gab. Dies wiederum führte auf Grund des bestehenden Trennungsgebotes zwischen Zuchthaus- und Gefängnisgefangenen dazu, daß einige Werkstätten zweimal vorhanden waren. Es gab auch wieder Unternehmen, die in der Anstalt arbeiten ließen. Es wurden u. a. Dia-Rahmen komplettiert, Pappteller gepreßt, Bürsten hergestellt und Metallteile entgratet. Und es gab Firmen, die in der Anstalt quasi eine Abteilung ihrer Firma unterhielten. So produzierte bis Anfang der neunziger Jahre ein bekanntes Berliner Elektrounternehmen Teile für Spezialglühlampen in Tegel.
     Somit waren wieder alle drei Formen der
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Arbeitsbetriebe in der Tegeler Anstalt vertreten: der Eigenbetrieb, der für den Bedarf der Anstalten und für andere Einrichtungen des Landes Berlin produziert; der Unternehmerbetrieb, der in der Regel unter fachlicher Anleitung eines Beschäftigten der jeweiligen Firma Gefangene beschäftigt, und Betriebe, in denen verschiedene Arbeiten für Dritte gegen Lohn ausgeführt werden.
     Mit der Einführung des Strafvollzugsgesetzes am 1. Januar 1977 wurden auch Wesen und Inhalt der Gefangenenarbeit neu definiert. Die Arbeit wird nunmehr als ein Teilbereich von breiter gestreuten Behandlungsmaßnahmen eingesetzt. Das Arbeitswesen ist an den Bedürfnissen der Gefangenen auszurichten. Die Strafgefangenen sind zwar auch weiterhin zur Arbeit verpflichtet, aber diese hat die Inhaftierten zu befähigen, sich nach der Haftentlassung dauerhaft in den Arbeitsprozeß eingliedern zu können, damit sie »künftig ein Leben in sozialer Verantwortung und ohne Straftaten führen können«. Deshalb hat die Arbeitszuweisung insbesondere das Ziel, die Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern, geeigneten Gefangenen soll die Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden. Durch diese gesetzlichen Vorgaben ist auch ein Wandel in den Betriebsformen eingetreten. Heute gibt es in
der Justizvollzugsanstalt überwiegend nur Eigenbetriebe. Sie sind bemüht, den Entwicklungen der freien Wirtschaft durch Anpassung des Arbeitsangebotes und der betrieblichen Standards zu entsprechen.
     Die Gefangenen haben seit 1977 einen gesetzlichen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 1. Juli 1998 daran erinnert, daß das Resozialisierungsgebot fordert, die Gefangenenarbeit angemessen anzuerkennen. Die derzeitige Vergütung entspricht diesem Gebot nicht. Regierung wie der Gesetzgeber haben nun bis spätestens 31. Dezember 2000 Zeit, eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen. Die arbeitenden Gefangenen sind arbeitslosenversichert und haben Anspruch auf einen bezahlten dreiwöchigen Arbeitsurlaub. Ihre Arbeitszeit entspricht der im öffentlichen Dienst. Selbstverständlich gelten auch die zum Schutze der Arbeitnehmer erlassenen Unfallverhütungsvorschriften in allen Betrieben der Anstalt. Die arbeitenden Inhaftierten sind bei der Unfallkasse des Landes Berlin versichert.
     Die Anstaltsbetriebe konkurrieren nicht mit Betrieben der freien Wirtschaft, sie sind eher deren Partner. Insbesondere unter dem Aspekt der beruflichen Ausbildung und Förderung. Denn jeder Inhaftierte von heute ist mit seinen im Vollzug erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten nach seiner Haftentlassung ein potentieller Arbeitnehmer von morgen.
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© Edition Luisenstadt, 1998
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