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daß er sein ganzes Leben der Sache des Sozialismus gewidmet hatte, wurde das außerordentliche Werk des Dramatikers als formalistisch angeklagt, es füge sich nicht den von Shdanow diktierten Normen des sozialistischen Realismus.« Zusammen mit Anna Seghers, die ihn auf die großen Schwierigkeiten Brechts aufmerksam gemacht habe, so berichtet Amado, habe er sich bei Alexander Fadejew und den Moskauer Offiziellen dafür eingesetzt, daß Brecht den Internationalen Stalinpreis erhielt, um ihm den Rücken zu stärken; »... und die deutsche Partei mußte eine Kehrtwendung machen ...«

»Die Wahrheit ist
das Kind der Zeit«

Als ich dann später Brechts »Galilei« intensiv las, verstand ich diesen Satz vom Denken als einer der größten menschlichen Vergnügungen als eine Herausforderung.
     Er stand im Kontext mit vielen anderen Aussagen aus dem Munde von Brecht/Galilei: »Ich glaube an den Menschen, und das heißt, ich glaube an seine Vernunft!«; »Die Wahrheit ist das Kind der Zeit, nicht der Autorität.«; »Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!« Und nicht zuletzt jener mahnende Satz aus dem Vorwort zum »Galilei« von 1938: »Die glücklichen Zeiten

Eberhard Fromm
Vom Denken und von Denkern

Resümee zu einer Rubrik

»Das Denken gehört zu den größten Vergnügungen der menschlichen Rasse«, läßt Bert Brecht Galilei in seinem Stück »Galileo Galilei« sagen.
     Als ich diesen Satz zum erstenmal von Ernst Busch im Berliner Ensemble hörte, wirkte er auf mich wie eine Provokation. Mein gerade erst angelerntes, aus heutiger Sicht wohl recht flaches Verständnis von Materialismus reagierte mißtrauisch auf eine solche Wertschätzung des Intellekts. Ein wenig durchlebte ich damals – in den fünfziger Jahren – die parteioffizielle Abneigung gegen allzu große Hochachtung vor dem Geist, sofern er nicht ganz unmittelbar zu Marx, Engels oder Lenin gehörte.
     Allerdings wußte ich zu der Zeit nicht, in welche Schwierigkeiten Bert Brecht tatsächlich geraten war und von denen Jorge Amado in seinen autobiographischen Notizen »Auf großer Fahrt« (Berlin 1997) folgendes erzählt: »Die deutsche Partei, eine Partei von unvorstellbarem Sektierertum, betrachtete Brecht mehr und mehr mit Mißtrauen. Ohne zu berücksichtigen,

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   36   Deutsche Denker Resümee  Vorige SeiteNächste Seite
kommen nicht, wie der Morgen nach durchschlafener Nacht kommt.«
     Diese Herausforderung bedeutete, daß es stets, zu allen Zeiten, heute aber besonders notwendig sei, die Menschen und ihre Handlungen, die Dinge und Prozesse zu analysieren, zu erkennen, zu bedenken, um sie verändern zu können. Das konnte sich durchaus verbinden mit dem verbreiteten Selbstverständnis der Intellektuellen im Sozialismus, eine bedeutende Rolle im Prozeß von Gestaltung, Veränderung, von Inhalten und Tempo historischer Prozesse zu spielen. Die späte Einsicht von der eng begrenzten Narrenfreiheit, von der Hofnarrenrolle des engagierten Denkens wurde mir recht einfach und brutal deutlich gemacht, als ich in einem Gespräch mit einem früheren SED-Politbüro-Mitglied Anfang der neunziger Jahre gesagt bekam: »Ihr habt doch nicht etwa angenommen, daß wir das gelesen haben, was ihr uns aufgeschrieben habt!«
     Wenn ich heute den Satz vom Denken als einem der größten Vergnügungen rekapituliere, erzeugt er bei mir eine gewisse Beruhigung, interpretiere ich verstärkt den in ihm enthaltenen elitären Ansatz, daß das Denken nicht d a s, sondern e i n Vergnügen der menschlichen Rasse ist. Und daß dies durchaus nicht für alle, ja nicht einmal für einen großen Teil der Menschen zutreffen muß. Denn für viele existieren andere große Vergnügungen, die nicht in
die tieferen, eben denkerischen Schichten vordringen, sondern im Bereich einer obersten, einer »Leichtigkeitsschicht« liegen, bei der man sich nicht zu mühen braucht. Jean Amery, von dem diese Überlegungen stammen, machte in einem seiner letzten Interviews 1978 vor seinem Freitod darauf aufmerksam, daß die Bewegung hin zu dieser »Leichtigkeitsschicht« zunehme. Dagegen setzte er sein Bekenntnis: »Was wirklich von Dauer ist, das sind die großen statischen Werte, die Werte, nicht Persönlichkeiten, nicht Werke, sondern Werte, und zwar moralische Werte, nicht ästhetische. Moralische Werte, sage ich, ohne die die Menschheit nicht existieren kann. An denen halte ich fest: Freiheit, Wahrheit, Gerechtigkeit, Vernunft.«

Denken ist mehr als der
Arbeitsakt des Gehirns

Denken ist also nicht schlechthin der instrumentale Einsatz des Verstandes, keine bloße logische Operation oder eine einfache Kombination von Reflexion und Intuition, kein Arbeitsakt des Gehirns schlechthin.
     Denken ist mehr. Denken ist der Einsatz von Verstand und Gefühl, von Erkenntnis und moralischem Urteil. Der Denker bewegt sich so stets in dem ihm eigenen Wertekomplex, er trägt Konflikte mit anderen, mit früheren oder heutigen Werte-

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   37   Deutsche Denker Resümee  Vorige SeiteNächste Seite
systemen und deren Hierarchien aus. Neue Denk-Methoden und -Positionen zu finden, auszuarbeiten und anzuwenden – das stellt schon eine große Leistung dar. Das Denken selbst ist in diesem Sinne jedoch nie neu; alle Versuche, ein neues Denken zu installieren, erwiesen sich als zeitweilige Moden von Arbeitswegen des Verstandes. Das Denken benötigt stets die Bewegung in der und mit der Gedankenwelt aller Zeiten, kann so nie einer modischen neuen Welle unterliegen.

Nicht jeder Philosoph
ist auch ein Denker

All diese Überlegungen sind kein Versuch einer Neubestimmung von Begriffen wie Vernunft, Verstand usw., die in der theoretischen Arbeit seit Jahrhunderten eine Rolle spielen. Es sind lediglich einige recht subjektive Vor-Überlegungen zu dem Anliegen der »Berlinischen Monatsschrift«, ihre Leser kontinuierlich mit Persönlichkeiten bekannt zu machen, die die Bezeichnung Denker verdienen. Denn ein Denker muß nicht unbedingt Philosoph sein, wie gemeinhin angenommen wird – obwohl jeder Philosoph eigentlich ein Denker sein sollte. Der Physiker oder Biologe, der Schriftsteller oder Komponist, der Mediziner und sogar der Politiker kann in diesem Sinne Denker sein, wenn er willens und fähig ist, sich geistig mit der Welt – und nicht nur mit sei-

ner Disziplin, seinem Gegenstand – auseinanderzusetzen, Positionen zu beziehen und damit in den ewigen Diskurs über Sein und Nichtsein, über Zeit und Raum, über Leben und Tod, über Freiheit und Gerechtigkeit einzugreifen.
     In der »Berlinischen Monatsschrift« haben wir in den ersten Jahren bewußt die Tradition unserer berühmten Vorgängerin aufgegriffen, mit Bild und kurzem Zitat auf einen bedeutenden Denker aufmerksam zu machen. Nur waren es in der »Berlinischen Monatsschrift« von 1783 bis 1796 zeitgenössische Geister; bei uns sind daraus Denker der Vergangenheit geworden, die in der europäischen Welt die Aufklärung repräsentierten. Programmatisch haben wir den 1. Jahrgang mit Immanuel Kant und seiner berühmten Bestimmung von Aufklärung begonnen (Heft 7/1992) und mit Friedrich Melchior Grimm und Moses Mendelssohn fortgesetzt.

Entdeckungsreise in
die Geistesgeschichte

1993 versammelten wir solche Persönlichkeiten wie Voltaire und Karl Jaspers, Thomas Hobbes und Johann Gottfried Herder, Jean Jacques Rousseau und Friedrich Daniel Schleiermacher an der Spitze unserer Hefte. In der Folgezeit begrenzten wir unsere Auswahl auf Denker aus dem deutschen Sprachraum, so daß 1994 Adorno und Kautsky,

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   38   Deutsche Denker Resümee  Vorige SeiteNächste Seite
Alexander von Humboldt und Albert Einstein die erste Seite der Zeitschrift zierten. 1994 eröffneten wir dann auch die Rubrik »Deutsche Denker«, die fortan ein fester Bestandteil der Hefte geworden ist. Überblickt man die vorgestellten Personen, so zeigt sich ein breites Spektrum: von Max Weber bis zu Friedrich Nietzsche, von Gustav Landauer bis zu Hermann von Helmholtz.
     Als wir mit dem 4. Jahrgang der Zeitschrift ihr heutiges Aussehen gaben, verzichteten wir auf das Eingangs-Porträt und konzentrierten uns ganz auf die Rubrik »Deutsche Denker«, die dann Schelling und Horkheimer, Erich Fromm und Albert Einstein, Hannah Arendt und Friedrich Engels, Arthur Schopenhauer und Nicolai Hartmann, Ernst Bloch und Hellmuth Plessner vorstellte.
     In dem Maße, wie die »Berlinische Monatsschrift« immer klarer und wohl auch ausschließlicher die regionale Berliner Geschichte zu ihrem Gegenstand machte, beschränkten wir uns auch in der Sicht auf die Denker auf solche Persönlichkeiten, die in Berlin gelebt, gewirkt, gedacht haben. Seit 1996 waren das unter anderen Franz Mehring und Emil du Bois-Reymond, Leopold von Ranke und Max Stirner, Leibniz und Virchow, Friedrich von Schlegel und Bruno Bauer, Lazarus Bendavid und Heinrich Heine, Johann Karl Wilhelm Moehsen und Eduard
Spranger, Ernst Troeltsch, Eduard Gans und viele andere.
     Sicher entsprachen nicht alle der vorgestellten Persönlichkeiten unserem Ideal vom Denker. Aber was anfänglich gedacht war als eine kurze Vorstellung berühmter Geister, wurde – nicht zuletzt auch für die Autoren dieser Rubrik – zu einer aufregenden Entdeckungsreise in die Geistesgeschichte Berlins. Und hier gibt es natürlich noch viel zu entdecken. Denn viel stärker als in der politischen Geschichte zeigt sich in der Geistesgeschichte die Tendenz des Vergessens, der Verdrängung: Menschen und ihre Gedanken, die nicht in die Zeit paßten, die gegen ihre Zeit dachten, die von einigen wenigen großen Zeitgenossen zugedeckt worden sind, sind in Archiven abgelegt, schlummern in nie wieder aufgelegten Schriften, in Memoiren und Briefwechseln. Da hätte die »Berlinische Monatsschrift« noch Material für viele Jahre.

Das Denken in der Zeit der
Wende zum dritten Jahrtausend

Man kann aber auch für die nächsten Jahrgänge am Ende des 20. Jahrhunderts, an der Wende zum dritten Jahrtausend neue Sichtweisen versuchen: Vielleicht finden wir für 1999 wenigstens zwölf zeitgenössische Denker, die sich in ihrer Gedankenwelt selbst darstellen und so zukünftigen

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   39   Deutsche Denker Resümee  Vorige SeiteNächste Seite
Lesern einen sehr direkten und persönlichen Eindruck vom Stand des Denkens heute vermitteln. Wir würden so zur Tradition der »Berlinischen Monatsschrift« von Johann Erich Biester und Friedrich Gedike zurückkehren, zeitgenössische Denker vorzustellen – ein interessantes, aber wohl recht schwieriges Unterfangen.
     Vielleicht orientieren wir uns aber auch weniger am einzelnen Denker, sondern am tatsächlichen Denken unserer Zeit, um unser 20. Jahrhundert besser – oder überhaupt – zu verstehen.
     Es bleibt ja noch ein wenig Zeit, um darüber nachzudenken. Die folgenden Texte sollen dabei provozieren, herausfordern oder auch beruhigen, ganz im Sinne der Denkanstöße, die stets am Schluß der Rubrik »Deutsche Denker« zu finden sind.

Denkanstöße

Konfuzius sprach: »Es betrübt mich nicht, wenn mich die Menschen nicht kennen, aber es betrübt mich, wenn ich die Menschen nicht kenne.«
Zigong fragte, was einen Edlen ausmacht. Der Meister antwortete: »Erst handelt er,wie er denkt. Dann spricht er, wie er handelt.«
Konfuzius sprach: »Lernen ohne zu denken – das ist nutzlos. Denken, ohne etwas gelernt zu haben – das ist verderblich.«
Konfuzius (551–479 v. u. Z.)

Seelenruhe erwibt man durch Wissen, erworben ohne Vorliebe und Abneigung.
     Mo Dse (470–391 v. u. Z.)

Vernünftige Einsicht zu haben, ist die größte Tugend, und Weisheit ist es, Wahres zu reden und gemäß der Natur zu handeln, indem man auf sie hört.
     Heraklit (540–480)

Die Philosophie ist keine handwerksmäßige Kunstfertigkeit und bietet nichts zur Schaustellung Geeignetes. Ihr Wesen liegt nicht im Wort, sondern in der Handlung. Sie dient nicht dazu, einen Tag in angenehmer Unterhaltung hinzubringen und die Qual der Langeweile los zu werden: sie formt und bildet den Geist, ordnet das Leben, regelt unsere Handlungen, zeigt uns, was zu tun und zu lassen ist, sitzt am Steuerruder und lenkt das Schiff durch die Fährnisse des Wogenschwalles.
     Seneca (4 v. u. Z – 65)

Die Erwerbung jeder Kenntnis ist immer nützlich für den Intellekt, weil er aus sich die nutzlosen Dinge wird hinausjagen können und die guten zurückbehalten.
     Weil man keine Sache lieben kann noch hassen, wenn man nicht erst Erkenntnis von ihr hat.
     Leonardo da Vinci (1452–1519)

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Wirkliches Gedeihen liegt einzig darin, das umfassende Werk des Geistes von neuem aufzuarbeiten. Der Geist darf von Anfang an nicht sich selbst überlassen werden, sondern muß ständig gelenkt werden.
     Die, welche die Wissenschaften betrieben haben, sind Empiriker oder Dogmatiker gewesen. Die Empiriker, gleich den Ameisen, sammeln und verbrauchen nur, die aber, die die Vernunft überbetonen, gleich den Spinnen, schaffen die Netze aus sich selbst. Das Verfahren der Biene aber liegt in der Mitte; sie zieht den Saft aus den Blüten der Gärten und Felder, behandelt und verdaut ihn aber aus eigener Kraft.
     Dem nicht unähnlich ist nun das Werk der Philosophie ...
     Francis Bacon (1561–1626)

Ich denke, also bin ich.
     Der Grund, aus welchem ich glaube, daß die Seele immer denkt, ist derselbe, der mich glauben läßt, daß das Licht immer leuchtet, auch wenn es keine Augen gibt, die es sehen; daß die Wärme immer warm ist, auch wenn man sich nicht an ihr wärmt; daß der Körper oder die ausgedehnte Substanz immer Ausdehnung besitzt; und ganz allgemein, daß das, was die Natur eines Dinges ausmacht, immer in ihm ist, solange es existiert; so daß es mir leichter sein würde, zu glauben, die Seele höre zu existieren auf, wenn man sagt, sie höre zu denken auf, als

zu begreifen, daß sie ohne Gedanken sei.
     René Descartes (1596–1650)

Der Mensch ist kein partikuläres Wesen wie das Tier, sondern ein universelles, darum kein beschränktes und unfreies, sondern uneingeschränktes, freies Wesen, denn Universalität, Unbeschränktheit, Freiheit sind unzertrennlich. Und diese Freiheit existiert nicht etwa in einem besonderen Vermögen, dem Willen, ebensowenig diese Universalität in einem besonderen Vermögen, der Denkkraft, der Vernunft – diese Freiheit, die Universalität erstreckt sich über sein ganzes Wesen.
     Ludwig Feuerbach (1803–1872)

Jeder kleinste Schritt auf dem Felde des freien Denkens, des persönlich gestalteten Lebens ist von jeher mit geistigen und körperlichen Martern erstritten worden: nicht nur das Vorwärts-Schreiten, nein! vor allem das Schreiten, die Bewegung, die Veränderung hat ihre unzähligen Märtyrer nötig gehabt ...
     Denn das ist die eigentümliche Arbeit aller großen Denker gewesen, Gesetzgeber für Maß, Münze und Gewicht der Dinge zu sein.
     Friedrich Nietzsche (1844–1900)

Philosophieren entspringt in der Stille vor dem Verborgenen. Aber es läßt den Denkenden nicht in dem Nichts der Stille ver-

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sinken, sondern sieht das Sein sich zeigen im Dasein der Welt, der Gestalten und des Gesetzes. Es spürt die Grenze, ohne sie zu überschreiten. Es vollzieht sich im Selbstsein, das, wenn es sich geschenkt wird, der Grund aller Erfahrung des Gehalts in der Welt ist. Es zeigt nicht neue Gegenstände, aber alle Gegenstände neu. Philosophieren ist jenes alle bestimmte Gegenständlichkeit übergreifende Denken, das als vollzogen doch das lebensnächste werden kann dadurch, daß es im Ursprung unseres Wesens angreift und unser inneres Handeln verwandelt.
     Karl Jaspers (1883–1969)

Ehrgeiz ist der Tod des Denkens.
     Die Philosophie löst die Knoten in unserem Denken auf, die wir unsinnigerweise hineingemacht haben; dazu muß sie aber ebenso komplizierte Bewegungen machen, wie diese Knoten sind. Obwohl das Resultat der Philosophie einfach ist, kann es nicht ihre Methode sein, dazu zu gelangen.
     Die Komplexität der Philosophie ist nicht die ihrer Materie, sondern die unseres verknoteten Verstandes.
     Es interessiert mich nicht, ein Gebäude aufzuführen, sondern die Grundlagen der möglichen Gebäude durchsichtig vor mir zu haben. Mein Ziel ist also ein anderes als das der Wissenschaftler, und meine Denkbewegung von der ihrigen verschie-

den. Jeder Satz, den ich schreibe, meint immer schon das Ganze, also immer wieder dasselbe und es sind gleichsam nur Ansichten eines Gegenstandes unter verschiedenen Winkeln betrachtet.
     In den Tälern der Dummheit wächst für den Philosophen noch immer mehr Gras, als auf den kahlen Höhen der Gescheitheit.
     Im Rennen der Philosophie gewinnt, wer am langsamsten laufen kann. Oder: der, der das Ziel zuletzt erreicht.
     Der Gruß der Philosophen untereinander sollte sein: Laß Dir Zeit!
Ludwig Wittgenstein (1889–1951)
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