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Hans Hauser
Kopien ersetzen kostbare Originale

Im Park Sanssouci gibt es seit einiger Zeit sehenswerte Neuerungen zu bewundern. Das Gartenparterre unterhalb des Weinbergschlosses Friedrichs II. zeigt sich wieder in der kunstvollen Gestalt des 18. Jahrhunderts, zwei Rondells an der Hauptallee haben ihren historischen Figurenschmuck zurückbekommen, und im Freundschaftstempel unweit des Neuen Palais hat die marmorne Lieblingsschwester Friedrichs des Großen, Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, Platz genommen. In frischen Farben zeigt sich auch das wiederaufgebaute barocke Belvedere auf dem Klausberg, die letzte Kriegsruine im friderizianischen Gartenreich.
     Bei den jüngst aufgestellten Brustbildern in den Rondells an der Hauptallee zwischen dem Obeliskportal und der Großen Fontäne handelt es sich nicht um die Originale, sondern um frisch polierte Kopien, von denen einige erst in diesem Jahr fertig geworden sind. Sechs Marmorbüsten kamen auf ihre schlanken Sockel im Mohrenrondell. Aus schwarzem polierfähigem Kalkstein (nero de belgio), weißem und buntem Marmor gefügt, stellen sie Afrikaner dar.
     Die Originale könnten sich nach Meinung
der für den reichen Skulpturenbestand in der Preußischen Schlösserstiftung zuständigen Kustodin Saskia Hüneke bereits im 17.Jahrhundert in der kurfürstlichen Kunstkammer befunden haben und demzufolge nicht, wie bisher angenommen, aus der 1742 von Friedrich II. angekauften Sammlung Polignac stammen. Zwei weitere Büsten der römischen Kaiser Titus Vespasianus und Marc Aurel sind Kopien nach Antiken aus carrarischem Marmor. Die acht Büsten von François Dieusart im benachbarten Oranierrondell erinnern an die verwandtschaftlichen Beziehungen der Hohenzollern zum Haus Oranien. Vertreten sind oranische Prinzen und Prinzessinnen sowie das brandenburgische Kurfürstenpaar Friedrich Wilhelm und Louise Henriette von Oranien.
     Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg ließ die Köpfe für etwa 30000 DM pro Stück in ihrer eigenen Bildhauerwerkstatt herstellen, während die Originale bis auf weiteres im Depot verwahrt werden. Der Erhalt der etwa 400 freistehenden oder baugebundenen Statuen, Büsten, Vasen und Postamente gehört zu den großen denkmalpflegerischen Aufgaben im Park Sanssouci. Nach und nach sollen die Originale im größten Marmorbestand unter freiem Himmel nördlich der Alpen durch Kopien ausgetauscht werden. Darunter befinden sich von den Preußenkönigen angekaufte antike Figuren sowie neuzeitliche Antikenkopien beziehungsweise Skulpturen
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deutscher und ausländischer Bildhauer des 17. bis 19. Jahrhunderts. Winterliche Einhausung und kontinuierliche Pflege der Skulpturen haben den Verfall zwar aufhalten können. Trotzdem ist es unumgänglich, immer wieder Originalplastiken – wie jetzt die an den beiden Rondells – durch Nachbildungen aus Marmor zu ersetzen. Die Schlösserstiftung unterzieht sich dieser Mühe, um den künstlerischen Gesamteindruck des Parks, der erst aus dem Zusammenspiel von Gebäuden, Pflanzen und Bildwerken entsteht, zu bewahren.
     Die unersetzlichen Originale sollen später einmal in einem Lapidarium gezeigt werden. Für diese Schausammlung von Steinfiguren eignet sich nach Meinung der Kunsthistorikerin Saskia Hüneke der Marstall hinter der Historischen Mühle nahe Schloß Sanssouci. Die Original-Mohren hingegen sollen im barocken Schloß Caputh ausgestellt werden, das gerade restauriert wird und mit Kunstwerken aus der Zeit um 1700 bestückt werden soll (BM Heft 3/1998).
     Wie Stiftungschef Hans-Joachim Giersberg bei der Enthüllung der Büsten erklärte, sollen in den kommenden Jahren die schon stark lädierten Figuren aus dem 18. Jahrhundert von der Großen Fontäne unterhalb des Sanssouci-Weinbergs durch Kopien ersetzt werden. Die Marmorskulpturen der Gebrüder Adam waren Staatsgeschenke des französischen Königs Ludwig XV. an Friedrich II. Zwei von ihnen – Venus und Merkur – sind
jüngere Kopien. Die Originale von Venus und Merkur kamen 1904 in die Kleine Kuppelhalle des Berliner Kaiser-Friedrich-Museums, des heutigen Bodemuseums.
     Wie die Mohren- und Oranierbüsten, so ist auch die Sitzfigur der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth im Freundschaftstempel nicht mehr das 225 Jahre alte Original der Gebrüder Räntz, sondern eine vor kurzem aufgestellte Kopie aus carrarischem Marmor, die der Bildhauer Peter Flade geschaffen hat. Während das Double mit einem Hündchen auf dem Schoß nachdenklich auf die Spaziergänger schaut, die sich um die lange Zeit vermißte Sehenswürdigkeit im hinteren Teil des Parks Sanssouci drängen, wurde das kostbare Original in Bayreuth in einer der Schwester Friedrichs des Großen gewidmeten Ausstellung gezeigt. Die Pesne-Galerie im Neuen Palais präsentiert ein Gemälde des Hofmalers Antoine Pesne, das den Bildhauern um 1773 als Vorlage für die wunderschöne Sitzfigur gedient hat.
     Nachdem der säulenbestückte Freundschaftstempel saniert, restauriert und mit Wilhelmines Figur komplettiert ist, soll in den kommenden Jahren der Antikentempel, das Pendant jenseits der Hauptallee, folgen. Das an das Pantheon in Rom erinnernde Bauwerk war im 18. Jahrhundert Verwahrstätte antiker Münzen und Kleinkunstwerke aus dem Besitz Friedrichs II. und birgt jetzt als Mausoleum Särge von Angehörigen des Hauses Hohenzollern.
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© Edition Luisenstadt, 1998
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