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schaft wird im Jaron-Verlag rechtzeitig zum Jubiläum ein Buch über die Berliner Polizeigeschichte nach 1945 erscheinen. Darin sind Beiträge verschiedener Autoren enthalten, die aus ihrer jeweiligen Sicht berichten. Da kommen ehemalige Polizeipräsidenten ebenso zu Wort wie Mitarbeiter verschiedener Fachbereiche. Von mir stammt ein Beitrag zur Entwicklung der Volkspolizei, der den Unterschied zur Entwicklung der Polizei im Westteil der Stadt deutlich macht.
     Die Erforschung der Polizeigeschichte setzte schon sehr früh ein. Seit wann gibt es in Berlin ein Polizeimuseum?
     Bärbel Schönefeld: Seit 1896. Es war damals das erste in Deutschland, auch das erste in Europa. Es sollte vor allem die Tätigkeit der Berliner Kriminalpolizei darstellen, die ja schon immer sehr erfolgreich war. Dieses Museum hat die Wirren des Zweiten Weltkrieges nicht überstanden. Nach dem Krieg hat man an diese Tradition angeknüpft, allerdings zunächst nach Fachbereichen getrennte Museen aufgebaut.
     Die Ausstellungen, die sich mit kriminalpolizeilicher Arbeit befaßten, damals wurden sie vor allem innerbehördlich genutzt, waren der Öffentlichkeit kaum zugänglich. Zum 125. Jahrestag des Bestehens der Schutzpolizei 1973 wurde in der Polizeischule Spandau ein Museum eingerichtet, das sich der Geschichte der Schutzpolizei widmete. Diese beiden kleinen Einrichtun-

Sie trugen die
zivilste Uniform

Die Historikerin Bärbel Schönefeld zum 150. Polizeijubiläum

Von der »Polizeiinstruktion« Friedrichs II. im Jahre 1742 über die königliche Kabinettsorder zur Bildung der Schutzmannschaft im Revolutionsjahr 1848 bis zur Gegenwart ist die Geschichte der Berliner Polizei mit der Geschichte der Stadt verknüpft. Ein besonders geeigneter Ort, sich diese Entwicklung vor Augen zu führen, ist das in Deutschland einzige behördlich geführte öffentliche Polizeimuseum. In der hier präsentierten Polizeihistorischen Sammlung werden neben einer umfänglichen Dokumentation über die Schutzmannschaft, die Vorgängerin der Berliner Schutzpolizei, auch Zeugnisse interessanter Kriminalfälle, historische Uniformen, Ausrüstungsgegenstände und technisches Gerät der Kriminal- und Schutzpolizei gezeigt. Rund 10 000 Besucher kommen jährlich in die von Bärbel Schönefeld geleitete Einrichtung.
     Ein großes Jubiläum steht in diesem Monat ins Haus, mit dreitägigen Feierlichkeiten, es wird eine sicher interessante Festschrift geben. Was ist noch geplant?
     Bärbel Schönefeld: Aus Anlaß des 150. Jahrestages der Bildung der Schutzmann-

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gen – Kripo- und Schupomuseum – sind 1987 zusammengefaßt und hier in den Räumen im Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke untergebracht worden. Im Januar 1988 war die Eröffnung des Museums, das zweifellos eine Bereicherung der Berliner Museumslandschaft darstellt.
     Wie viele Mitarbeiter sind hier beschäftigt?
     Bärbel Schönefeld: Heute gibt es nur noch eine hauptamtliche Stelle, die der Leiterin der Polizeihistorischen Sammlung. Alle anderen Mitarbeiter sind ehrenamtlich tätig. Zum Teil sind es pensionierte Kollegen, die ihre Erfahrungen aus dem eigenen Dienst einbringen, zum Teil historisch interessierte Kollegen aus den verschiedenen Fachbereichen der Polizei. Menschen, die einfach Spaß an der Beschäftigung mit der Geschichte haben.
     Gehören diese Hobby-Historiker auch dem Förderkreis Polizeihistorische Sammlung e. V. an, der im Juni das Polizeijubiläum ausrichtet?
     Bärbel Schönefeld: Ja, das ist so. Zugleich sind sie auch Mitglieder der historischen Kommission beim Polizeipräsidenten, die in unregelmäßigen Abständen tagt, je nach Arbeitsanfall. Den Förderkreis gibt es seit 1989 als eingeschriebenen Verein. Ihm gehören inzwischen fast 100 Mitglieder an. Wir expandieren nun auch nach außen, d. h., es stoßen mittlerweile auch Leute aus dem zivilen Bereich zu uns, die sich für Sicherheits- oder Kriminalpolizeigeschichte interessieren oder den Berufsstand der
Polizei näher kennenlernen wollen.
     Die Schutzmannschaft wurde nach einer königlichen Order vom 23. Juni 1848 gegründet. Am 19. März 1848 war in Berlin eine Bürgerwehr geschaffen worden. Welchen Unterschied gab es da?
     Bärbel Schönefeld: Die Bürgerwehr ist mehr ein Kind der Revolution gewesen, die zum Teil sicher nicht mit Zustimmung der Obrigkeiten zustande gekommen ist. Vom Adel wurde sie absolut mit Argwohn betrachtet, weil für ihn die Bürgerwehr bewaffneter »Pöbel« war. Die preußischen Reformer hatten schon wesentlich früher gefordert, die Regelung der öffentlichen Sicherheit in die Hand der Bürger zu geben. Das hatte man sich bei Hofe jedoch aufgespart. Die Exekutive sollte in zentraler Hand bleiben. So standen in der Zeit zwischen 1809, als in Berlin der erste Polizeipräsident ins Amt berufen wurde, und dem Revolutionsjahr 1848 dem Polizeipräsidenten immer ungefähr 60 Exekutivbeamte zur Verfügung, die lediglich Revierdienst versahen, also mit Verwaltungsaufgaben befaßt waren. Diese Zahl ist im wesentlichen konstant geblieben, obwohl sich die Bevölkerungszahl in diesem Zeitraum verdoppelt hat. Die damals noch ländlichen Kreise, die auch zum Bereich des Polizeipräsidenten gehörten, wurden von der Gendarmerie betreut, die dem Kriegsministerium unterstellt war. Wenn erforderlich, lieh sich der Polizeipräsident berittene Gendarmen für
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Berlin aus. Deshalb gab es immer wieder Vorstöße des Bürgertums, eine eigene bewaffnete Polizei zu schaffen, die bürgerliche Vorstellungen und Rechte durchsetzen sollte.
     Traf dies dann auf die nach dem Vorbild der Londoner Constabler geschaffene Schutzmannschaft zu?
     Bärbel Schönefeld: Diesen Konsens hatten konservatives Bürgertum und Monarchisten gefunden. Das Bürgertum sah es als positiv an, daß London eine solche städtische Exekutivpolizei hatte. Die Monarchisten hingegen gingen bei ihrer Zustimmung für die Bildung der Schutzmannschaft davon aus, daß sie gegen Aufständische eingesetzt werden könnte. Dies war sozusagen die Brücke, auf der man sich getroffen hat.
     Welche Kriterien wurden bei der Auswahl der Schutzmänner zugrunde gelegt?
     Bärbel Schönefeld: Die Einstellungsbedingungen waren am Anfang recht weit gefaßt. Grundbedingung war, daß man Berliner Bürger und nicht älter als 40 Jahre alt ist, lesen und schreiben kann, über eine gute körperliche Konstitution verfügt, denn stundenlange Streifengänge durch die Straßen der Stadt sind ermüdend. Es wurde nicht negativ gewertet, wenn der Bewerber schon beim Militär gedient hatte. Bedingung war das am Anfang aber noch nicht. Diese Bedingungen haben sich aber sehr bald geändert. Als im November 1848 der Jurist Carl Ludwig Friedrich von Hinckeldey
Polizeipräsident wurde – ein Vertreter der Konservativen -, wurde beispielsweise Militärdienst vorausgesetzt.
     Wie reagierten die Berliner auf die in den Straßen nun präsenten Schutzmänner?
     Bärbel Schönefeld: Bisher hatten die Bürger Polizeibeamte in Uniform nur auf dem Revier gesehen oder wenn sie zum Dienst bzw. nach Hause gingen. Das war mit der neuen Institution völlig anders.
     Von Anfang an war es so gedacht, daß der normale Schutzmann per pedes unterwegs ist und Streifengänge macht. Durch seine Präsenz auf der Straße sollte er dem Bürger ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Die Begeisterung der Bürger hielt sich aber in Grenzen. Obwohl man sagen muß, daß die Gründer der Schutzmannschaft klug genug waren, für diese Polizei eine sehr zivil aussehende Polizeiuniform anzuordnen. Es war die zivilste Uniform, die man in deutschen Landen je gesehen hat. Die Schutzmänner sahen wie gediegene Männer in Gehröcken aus. Durch die Revolution war die politische Situation in der Stadt aufgeheizt. Es gab sofort Demonstrationen gegen die Schutzmannschaft. Viele sahen in der Bildung dieser Polizeitruppe nur einen neuen Trick der Monarchie, um die Bürger zur Ruhe zu bringen. Im weiteren Verlauf des Jahres wuchs dann die Akzeptanz. Durch ihre Präsenz im öffentlichen Straßenbild fühlten sich viele wieder sicherer. Das ist auch heute nicht anders, bei allen jenen je-
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Wachmeister zu FussAbteilungs- WachmeisterBerittener SchutzmannLieutenantOberstHauptmannSchutzmann zu Fuss
denfalls, deren Grundhaltung nicht durch Konfrontation zur Polizei geprägt ist.
     Wurden die Schutzleute vor ihrem Einsatz ausgebildet?
     Bärbel Schönefeld: Der damalige Polizeipräsident von Bardeleben hatte ein Reglement für die Schutzmannschaft ausarbeiten lassen, durch das das Aufgabenfeld exakt abgesteckt war. Man kann davon ausgehen, daß dieses Reglement erläutert wurde. Die Schutzmannschaft ist anfangs 1 500 Mann stark gewesen und hatte einen Polizeioberst als Chef. Zeit für eine längere Ausbildung
gab es im Sommer 1848 sicher nicht. Zudem hatten viele Männer schon beim Militär gedient. Am 21. August wurden erstmals größere Teile der Schutzmannschaft in der Wilhelmstraße zum Schutz des Hauses des Ministerpräsidenten eingesetzt, das die Aufständischen stürmen wollten. Am nächsten Tag stand dann in der Presse, daß die Aufständischen »mit Einsatz von Säbeln« vertrieben wurden. Der Säbel wurde nur selten im Einsatz als Hau- oder Stechwaffe benutzt. Er sollte eher eingesetzt werden, um sich den »Pöbel« vom Leib zu halten. Bei
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einem Meter Entfernung »unterhält« es sich leichter.
     Obgleich der 23. Juni 1848 als Gründungsdatum der Schutzmannschaft gilt, sind wie schon 1898 zum 50jährigen Jubiläum sind die Feierlichkeiten auch in diesem Jahr vorverlegt worden. Sie finden vom 11. bis zum 13. Juni statt. Was hat es damit auf sich?
     Bärbel Schönefeld: Eigentlich müßten die Feiern sogar zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden, da die königliche Order vom 23. Juni die Schutzmannschaft zunächst als eine vorläufige Einrichtung festschreibt. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen war der Meinung, eine Schutzmannschaft sei nur für die Dauer der Revolution nötig, um sich und seine Güter zu schützen. Erst von Hinckeldey hat in seiner Funktion als Polizeipräsident den König überzeugt, daß die Schutzmannschaft eine dauerhafte Einrichtung sein müsse. Noch im November 1848 erfolgt eine zweite königliche Order, wonach die Schutzmannschaft zu einer festen Einrichtung wird. Die Feierlichkeiten wurden 1898 vorverlegt, weil SeineMajestät nicht in Berlin sein konnte. Zum 150. Jubiläum geschieht das, weil wir gleichzeitig den 50. Jahrestag der Luftbrücke begehen. Das Luftbrückenjubiläum hat für die Berliner Bevölkerung eine weitaus größere Bedeutung als die Existenz der Schutzmannschaft, die zufällig im gleichen Jahr Jubiläum hat.
     Zum Jubiläum werden auch ausländische Gäste erwartet. Internationale Zusammenar-
beit gibt es schon lange. Erinnert sei nur an den Besuch des Chefs der New Yorker Polizei 1913. Das »Berliner Tageblatt« hat ihm am 7. August mehrere Spalten gewidmet und sogar seine Rede auszugsweise veröffentlicht, in der er sich über die Polizei in beiden Städten äußert. So ist zu lesen: »Für uns Polizeileute ist Deutschland und besonders Preußen, das oft >Polizeistaat< genannt wird, wirklich eine Art Hochschule, die man absolviert haben muß; und das Wort >Polizeistaat< klingt in unseren kriminalistischen Ohren durchaus nicht abstoßend. Der amerikanische Kriminalist steht hier in Europa vor festgefügten wundervollen Systemen, die er aber leider nicht ohne weiteres nach Amerika verpflanzen kann ...« Heute will sich die Berliner Polizei am New Yorker Modell orientieren.
     Bärbel Schönefeld: Die Berliner Polizei, namentlich die Kriminalpolizei, hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine äußerst große Vorbildwirkung aufgrund ihrer inhaltlich klugen Organisation und Ermittlungstätigkeit. Vor allem in Europa. Auch die Schutzpolizei hatte sich so entwickelt, daß sie zu einer Art Vorzeigepolizei geworden ist. Das geht auf den Mut der Polizeiführung zurück, neueste Techniken einzusetzen, neue Formen der Arbeit anzuwenden. Bei der Kriminalpolizei ist das ganz deutlich, aber auch bei der Verkehrspolizei. Die erste Lichtsignalanlage Europas stand 1924 in Berlin. Die Idee stammt aus den USA, Berlin hat sie als erste Stadt in Europa umge-
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setzt. Im Ausland verband sich offenbar die Arbeit der Polizei mit den viel zitierten preußischen Tugenden. In den zwanziger Jahren half zum Beispiel ein preußischer Offizier auf die Bitte des japanischen Kaisers beim Aufbau der japanischen Polizei.
     Natürlich ist auch heute die Situation in Berlin und New York nicht vergleichbar. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sind Formen von organisierter Kriminalität geradezu hereingeschwappt, die es zuvor in dieser Stadt in solcher Größenordnung nicht gab: Zigarettenhandel, Autodiebstahl, Waffenhandel, Drogenhandel. Plötzlich hat Berlin eine zentrale Lage als Umschlagplatz. Und es gibt, begünstigt durch die wirtschaftliche Situation, neue Formen von Kriminalität. Denken wir nur an die Sozialhilfehinterziehung und ähnliche Betrügereien. Hinzu kommt, daß im Ostteil der Stadt entwurzelte Jugendliche, meist ohne Lehrstelle oder Job, ihren Frust rauslassen.
     Das fängt mit Graffiti-Schmierereien an und geht dann weiter. Vom New Yorker Modell kann man übernehmen, wie der allgemeinen Verwahrlosung zu begegnen ist. Denn Verwahrlosung verunsichert die Bürger, selbst wenn die Anzahl der Straftaten insgesamt im vergangenen Jahr in Berlin erstmals seit 1994 leicht gesunken ist.
     In den Medien wurde zu Jahresbeginn viel über das neue »Berliner Modell« der Polizei berichtet. Das bundesweit bisher einmalige Projekt für eine Großstadt wird seit Februar in
der Direktion 5, das heißt in Kreuzberg und Neukölln, getestet. Gibt es erste Erfahrungen?
     Bärbel Schönefeld: Als Historikerin sollte ich mich zu aktuellen Dingen eigentlich weniger äußern. In einigen Jahren weiß man über diese Reform natürlich mehr. Das »Berliner Modell« ist unter anderem dazu gedacht, Spezialkräfte der Kriminalpolizei für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität freizubekommen. Durch die neue Struktur sollen Aufgaben der Kripo zur Schutzpolizei verlagert werden. Dies bedeutet konkret, daß z. B. unsere Kollegen von der Schutzpolizei ausgebildet werden, die sogenannte Kleinkriminalität zu bearbeiten, angefangen mit der Spurensicherung beim Einbruch.
     Es ist eine alte Erfahrung, daß sich neue Arbeitsformen sehr schwer durchsetzen. Noch hapert und holpert es an einigen Ecken, wie man hört. Das Projekt wird ja auch erst in einem Direktionsbereich, sozusagen als Probelauf, praktiziert. Die dort gewonnenen Erfahrungen werden der Polizeiführung helfen, wie die Reform in der Stadt künftig umgesetzt wird.
     Das Gespräch führte Jutta Aschenbrenner

Bildquelle:
Paul Schmidt, Die königliche Schutzmannschaft zu Berlin 1848–1898, Berlin 1898

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