82 Geschichte und Geschichten | Geschichten von der Mark |
Reichsgebiet 17 Gold- und 66 Arten von Silbermünzen nach verschiedenen Zinsfüßen, dazu 46 in Zeichen und Wert
voneinander abweichende Spezies Papiergeld. Die Ware-Geld-Beziehungen zwischen den
einzelnen Regionen befanden sich in keinem anderen Zustande als in der Zeit vorher.
Es galt also, eines der Ziele des Einheitsstaates, die Beförderung von Handel und Wandel, von Verkehr und Kapitalien, möglichst bald zu verwirklichen. Am 4. Dezember 1871 wurde das Reichsgesetz für die Ausprägung von Reichsgoldmünzen nach der Markrechnung verkündet (RGBl. S. 404), mit dem erstmalig der Übergang zur Währungseinheit Mark proklamiert wurde. Dennoch dauerte es man ließ sich bei der Währungsunion offenbar Zeit, um deren Auswirkung auf die verschieden strukturierten und entwickelten Wirtschaftsregionen vorher zu studieren und die zu Recht befürchteten Verwerfungen gering zu halten noch etwas mehr als eineinhalb Jahre, bis der nächste entscheidende Schritt unternommen wurde. Mit dem Reichsmünzgesetz vom 9. Juli 1873 (RGBl. S. 233) wurde verfügt: »An die Stelle der in Deutschland geltenden Landeswährungen tritt die Reichsgoldwährung.« Die Mark war eine bis dahin in Deutschland nahezu unbekannte Währungsbezeichnung. Die territoriale Zersplitterung hatte mit sich gebracht, daß es eine Vielzahl von Währungseinheiten gab, in den meisten | ||||||
Joachim Bennewitz
Geschichten von der Mark Die Deutsche Mark wird, das ist beschlossen, nur wenig mehr als 50 Jahre alt
werden. Der Ausklang ist eingeläutet, der
Wechsel zum Euro nun nur noch eine Frage von vergleichsweise wenigen Monaten. Wird er so stabil sein, wie die Deutschmark es war? Schließlich hatte sie ihre
Beliebtheit, besonders auch im Ausland, aus dieser Eigenschaft schöpfen können. Die
Fachleute sind zu unterscheiden nach denen, die unisono mit Politikern diese Frage vorbehaltlos bejahen, solchen, die sowohl als auch sagen und denen, die warnend den Zeigefinger heben. Währenddessen
schauen die immer wieder in den Gazetten zitierten »kleinen Leute von der Straße«, die
stolzen Kleinaktionäre, die Besitzer von
Bundesschatzbriefen oder von Investmentanteilen gebannt auf die Lippen der Verkünder
der Finanzwahrheiten. Doch letztlich bleibt ihnen nur das Abwarten. Und Zeit für einen Rückblick auf 125 Jahre deutsche Mark
mit 50 Jahren Deutsche Mark.
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Fällen trotz namentlicher
Übereinstimmung mit erheblich voneinander
abweichenden Werten. Preußen hatte erst 1816 in
seinen Provinzen eine Einheitswährung, den
Taler, eingeführt. In den Kerngebieten war
dieser bereits seit 1750/63 nach dem
»14-Taler-Fuß« in Umlauf: »Aus der feinen Kölnischen
Mark mit 233,856 g Feinsilber wurden 14 Taler geschlagen. 1 Taler = 24 gute Groschen zu je 12 Pfennigen«.
1838 schließlich schuf der Deutsche Zollverein das System der Vereinsmünzen, das Jahr 1857 brachte mit dem Wiener Münzvertrag dem sich (bis 1866) auch Österreich sowie Liechtenstein anschlossen eine spürbare, wenngleich auch nicht alle Probleme überwindende Lösung. Nun galt der seit 1838 Vereinstaler genannte auch in Anhalt, Braunschweig, Hannover, Kurhessen, Lippe-Detmold, Oldenburg, Reuß, Sachsen und einigen kleinen nördlichen Staaten. Weiter südlich regierte der Gulden, der in Baden, Bayern, Frankfurt/M., den hessischen Staaten, den Besitzungen der Hohenzollern, in Nassau, Sachsen/Coburg, Württemberg und einigen weiteren Ländern eingeführt war. Österreich gab, obgleich beigetreten, einen wegen des Münzbildes als notwendig erachteten eigenen Gulden heraus. Andere Länder schlossen sich indirekt dem Verbund an, sie führten Vereinskronen. Seit 1857 gab es dazu feste Vergleichswerte, so galten zwei Vereinstaler für | dreieinhalb süddeutsche oder drei
österreichische Gulden. Ein Vereinstaler
gliederte sich in 30 Silbergroschen zu je zwölf
Pfennigen (in den norddeutschen Regionen haben sich die Bezeichnungen Groschen für
das Zehnpfennigstück und Sechser für den »halben Groschen«, also fünf Pfennige,
bis heute gehalten).
Die Mark, als Währungsbezeichnung nicht eben verbreitet, jedoch in Hamburg als »Mark Banco« und nach 1763 auch in Mecklenburg-Schwerin als »Mark Courant« geläufig, wurde nun Inbegriff für die Einheit des Landes. Der Grund für die Verwendung dieses Namens kann nur vermutet werden: Einmal ging es sicher darum, in dieser sensiblen Frage keine Bevorzugung eines früher selbständigen Staates zuzulassen. Immerhin gab es auch weiterhin separate Regelungen für einzelne Mitgliedstaaten, und es schien angebracht, nicht auch die Währung solcherart zu belasten. Es mußte also ein Name sein, der sowohl für die Mehrzahl der Nordals auch der Süddeutschen annehmbar war. Ein weiteres Moment mag mehr persönlicher Natur gewesen sein: Der neue Reichskanzler, der mit Sicherheit bei den Währungsfragen ein gewichtiges Wort mitzureden und natürlich auch zu entscheiden hatte, lebte seit seiner Geburt in einer Gegend, die rundum von der Mark-Währung eingeschlossen war. Ihm war der Name also nicht fremd. Die Vereinheitlichung der Währungen | |||||
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hatte natürlich auch vielfältige
Wirkungen auf das Wirtschaftsgefüge, nicht zuletzt
war das ja auch eines ihrer Ziele gewesen. In den sogenannten Gründerjahren, konkret 1871 und 1872, entstanden nun in
schneller Folge allein in Berlin 256
Aktiengesellschaften mit einem Gründungskapital von insgesamt 406 Millionen Talern. Darunter waren nicht weniger als 35 Banken (13,7 Prozent) mit einer Kapitaldecke von rund
107 Millionen Talern (26,4 Prozent). Dafür
sank sehr schnell die Zahl der notenfähigen
Banken in Deutschland, nachdem das Reichsbankgesetz vom 14. März 1875 (RGBl. S.
177) die Gründung der Staatsbank mit einem Grundkapital von allein 120 Millionen Talern zum 1. Januar 1876 festgesetzt hatte. Hatten zuvor noch allein elf solcher
Einrichtungen in Preußen bestanden, weitere elf in den norddeutschen Ländern, in
den thüringischen Ländern und in Anhalt
gar sechs, vier in Sachsen, drei in
Württemberg sowie weitere fünf in Süddeutschland, ging deren Funktion sehr schnell auf die Einheitsbank über. Die meisten stellten ihren Betrieb ein oder gaben die Notenherausgabe auf.
Bis zum Ende des Jahres 1875 wurden, auch jetzt keineswegs überstürzt, nach und nach die zuvor gültigen alten Münzen außer Kurs gesetzt. So ab 1. April 1874 die Brabanter (ursprünglich österreichischen Kronen-) Taler, ab 1. September des gleichen Jahres die süddeutschen Guldenstücke. Dennoch | blieben sie, weil die Menschen so an sie gewöhnt waren, weiterhin über lange Zeit in Umlauf. Gleiches galt für mehrere Talerarten, für die ein Wert von 3 Mark
erklärt wurde und die noch bis über die
Jahrhundertwende hinaus Verwendung fanden.
Erst 1908 schließlich gelang es, sie aus dem Verkehr zu ziehen. Um den Bürgern den letztmaligen Übergang zu erleichtern, führte man jedoch eigens 3-Mark-Stücke ein. Damit wurde die Währungsunion im deutschen Einheitsstaat erst zu dem Zeitpunkt abgeschlossen, als die von ihm hervorgebrachte Goldwährung fast an ihrem Ende angekommen war. Das setzte mit dem Ende des Ersten Weltkrieges ein. Nach nicht einmal 50 Jahren hatte nun der Krieg die Währungsstabilität gründlich zerstört. Die nun folgende Inflation brachte von Tag zu Tag neue Nachrichten über den Verfall der Mark. Am 1. November 1923 erreichte dieser seinen Höhepunkt: Die Mark notierte gegenüber dem Dollar mit »genau« 130 225 000 000 : 1. Es bedurfte vieler Anstrengungen, bis unter unsäglichen Opfern, besonders unter den ohnehin besitzlosen Bevölkerungsschichten, wieder eine neue, eine Vertrauen erweckende Mark an die Stelle der Goldwährung treten konnte: die Rentenmark von 1923, die bald den Namen Reichsmark anzunehmen hatte. Ihr war ein noch kürzeres Leben beschieden. Ganze 25 Jahre waren ihr, wenn man auch noch die letzten drei Jahre völliger Agonie ein- | |||||
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rechnet, gestattet. Ihr Zusammenbruch
war so total wie zuvor auch der alle Werte verschlingende Krieg, nicht zuletzt geführt
mit dem Ziel, die Mark zu einer überdeutschen Währung zu machen. Wieder war
Zerrüttung die Folge, eine Währungsreform
unausbleiblich.
50 Jahre ist es her, seit nach dem Ende des Krieges durch die Einführung der Deutschen Mark der Versuch unternommen wurde, die zerrütteten Finanzen Deutschlands zu ordnen und der wirtschaftlichen Entwicklung in der Mitte Europas wieder Auftrieb zu geben. Daß dabei zugleich die Grundlagen für die Spaltung geschaffen wurden, ahnten damals wohl nur wenige. Daß sogar schließlich eine Mauer quer durch das Land folgen könnte, hätte sich jedoch kaum jemand ausmalen können. Für mehr als 40 Jahre sollte das jedoch Wirklichkeit werden. Und künftig zahlten die Deutschen in ihren jeweiligen Grenzen mit Deutscher Mark (DM) zuerst ohne namentliche Unterscheidung, dann, in dem kleineren Land mit offenbarer Neigung zur Variation, mit Mark der Deutschen Notenbank (MDN). Hier schließlich, wenn sie nicht zur (ursprünglich mit harten Strafen belegten) Verwendung der D-Mark in Intershops oder bei Handwerkern imstande waren, mit Mark der DDR (schlicht M gekürzelt). Diese Mark hatte sogar eine (fiktive) Goldbasis, sie war gesetzlich auf den Gegenwert von 0,399902 g Feingold festge- | legt. Auswirkungen auf die Wertigkeit
der reinen Binnenwährung hatte das im internationalen Austausch keineswegs,
dagegen ist bekannt, daß bei der Umrechnung
der Binnenmark auf Valutagegenwert ein »Richtungskoeffizient« wirkte, der deren tatsächlichen Wert erheblich nach unten korrigierte. Und für den einzelnen
Bürger gab die »Goldbasis« keinesfalls Aussicht, seine Mark gegen rund 0,4 Gramm Gold tauschen zu können. Die DDR-Währung starb noch vor dem Staat selbst, die
Fluchtbewegung der Bewohner ließ sich, wie allerorten zu hören und zu lesen war, nur mit der Flucht aus der ungeliebten und als »Alu-Chips« noch unter das
tatsächliche Niveau abgewerteten Währung
verhindern. Die Währungsunion und ihre Folgen
sind bekannt, sie wirken noch heute und nach Meinung bedeutender Ökonomen und
Politiker auch noch weit in das folgende Jahrtausend hinein.
50 Jahre Goldmark, 25 Jahre Reichsmark, 50 Jahre Deutsche Mark. Insgesamt 125 Jahre Leben mit der Mark. Nur noch kurze Zeit bleibt bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Leben der Menschen. Sicher ist manch Nützliches aus den Handlungen der »Väter der Mark« abzuleiten. Auch hinsichtlich der Rolle der Währung als Mittel der Politik. | |||||
© Edition Luisenstadt, 1998
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