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daher sagten denn die Leute: der König habe die Lahmen wieder gehend gemacht«, spottete der Alte Fritz.
     Das von Andreas Schlüter, Eosander von Göthe und anderen prunkvoll ausstaffierte Berliner Schloß verwaiste, weil der Soldatenkönig von seinen Schlössern in Potsdam, Königs Wusterhausen, Kossenblatt und anderenorts regierte. Mehr als vier Jahrhunderte hat das Schloß Königs Wusterhausen auf dem Buckel; jedes Saeculum hinterließ seine Narben. 1683 hatte der Große Kurfürst (1620–1688, Kurfürst ab 1640) das Anwesen mit umliegenden Ländereien erworben und es seinem Sohn, dem eingangs erwähnten Kurfürsten Friedrich III., übereignet, der es ebenfalls an seinen Sohn, den späteren Soldatenkönig, weitergab. Der verwirklichte in dem altertümlichen Bau seine Vorstellungen von sparsamer Haus- und Hofhaltung, unterhielt hier eine militärische Eliteeinheit, aus der sich später die Leibgarde der Langen Kerls entwickelte. Mitte des 19. Jahrhunderts möbelten die Hohenzollern das inzwischen verfallene Haus auf und nutzten es erneut als Jagdschloß. Nach dem Ende der Monarchie 1918 wurde das Haus von der damaligen Verwaltung der Preußischen Schlösser und Gärten zum Schloßmuseum umgewandelt; nach 1945 war es sowjetische Kommandantur, Finanzschule und bis 1990 Sitz des Rates des Kreises.
     Der Soldatenkönig hielt sich in Königs
Helmut Caspar
Wo einst das Tabakskollegium tagte

Schloß Königs Wusterhausen wird wieder Museum

Vor 300 Jahren strebte der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. (1657–1713) den königlichen Titel an. Durch diplomatisches Geschick, Bestechungsgelder und Lieferung von Soldaten gelang es dem kunstsinnigen und prestigesüchtigen Herrscher, die majestätische »Dignität« zu erlangen, so daß er sich am 18. Januar 1701 im fernen Königsberg die Krone aufs Haupt setzen konnte. Der Hofstaat erhielt königlichen Zuschnitt, Künstler und Gelehrte strömten nach Berlin. Das Goldene Zeitalter endete 1713 mit dem Tod des ersten Preußenkönigs. War Berlin bisher das Athen des Nordens, ein Hort der Künste und Wissenschaften, so zogen unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688–1740, König ab 1713) spartanische Verhältnisse ein. Berlin wurde, so berichtet sein Sohn Friedrich II. (1712–1786, König ab 1740), zum »Vorratshaus des Kriegsgottes Mars«, kommandiert von einem Herrscher, der einfache Lebensweise liebte. »Viele Personen, die sich bisher eine Kutsche gehalten hatten, gingen nun zu Fuß; und

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Wusterhausen bevorzugt zwischen August und November auf. Jagd und Exerzieren, Rauchen und Trinken, Aktenstudien und zwischendurch auch Malen waren seine wichtigsten Beschäftigungen. Wenn es das Wetter zuließ, tagte das Tabakskollegium im Schloßhof, sonst kam man zu den durch »Stocknarren« aufgeheiterten Gelagen in der ersten Etage zusammen. Widerwillig mußte Kronprinz Friedrich an den Saufereien teilnehmen. Als er 1740 als Friedrich II. den Thron bestieg und in Sanssouci heiteres Rokoko schuf, versammelte auch er eine Tafelrunde um sich, bei der allerdings nicht mehr Trinkfestigkeit und rüdes Benehmen zählten, sondern Witz und Charme.
     Als die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg das Schloß mit altertümlichem Treppenturm, spitzen Dächern, gewölbten Kellern, säulenbestückten Sälen und ursprünglich umlaufendem Wassergraben im Jahr 1991 übernahm, mußte die Frage entschieden werden, welcher Zustand rekonstruiert werden soll – der aus der Zeit des Soldatenkönigs oder der des späten 19. Jahrhunderts, als hier kaiserliches Halali geblasen wurde. Da sich bei Rückbau- und Freilegungsarbeiten sowie bauarchäologischen Untersuchungen erfreulich viele Zeugnisse aus dem Barock fanden und die spätere Raumausstattung weitgehend verloren ist, entschied man sich für die karge Fassung des frühen 18. Jahrhunderts. Die Stiftung wendet mit
Unterstützung durch die EU und die Landesregierung rund 8,5 Millionen Mark für die Generalsanierung und Restaurierung auf.
     Je weiter die Untersuchungen gingen, um so deutlicher wurde das Ausmaß der Schäden. Der Hausschwamm hatte ganze Arbeit geleistet. Gefährliche Pilzmyzele durchdrangen die feuchten Holzbalken, Putz und Mauersteine. Da half nur eine Radikalkur, der Austausch befallener Baustoffe durch neue. Wer heute den Treppenturm besteigt oder durch die Säle geht, sieht meterlange Risse, die mit frischen Ziegeln ausgemauert wurden. Dreihundertjährige Deckenbalken, die an den Enden morsch geworden sind, wurden durch neues Holz stabilisiert. Da einige Außenwände aus dem Lot geraten waren, mußten stählerne Anker eingezogen werden.
     Bei den Untersuchungen wurden Spuren der ursprünglichen Ausstattung gefunden – hier Reste barocker Stukkatur, dort eine verzierte Konsole und Bruchstücke eines Tonziegelbeziehungsweise Gipsestrichs. Diese Beläge werden nach Befund rekonstruiert. Die anderen Räume erhalten ihre breiten Dielen zurück, von denen ebenfalls Reste gefunden wurden. Restauratoren haben im Treppenturm und einigen Festräumen sogar noch Spuren der alten Ausmalung gefunden und auch die ursprüngliche Farbgebung des Außenbaues ermittelt. Künftig wird sich das bisher mausgrau gestrichene Schloß wie um 1717 in Rotocker im Wechsel mit Hellgrau zeigen.
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Zur Sanierung gehört die Beseitigung von Einbauten, Zwischenwänden und Leitungen aus der Zeit nach 1945. Fehlerhafte Wandöffnungen wurden geschlossen, zugemauerte Kamine aufgebrochen. Soweit möglich, wird der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt, so daß der historische Raumeindruck wieder erkennbar ist. Wo lockerer Putz abgeschlagen werden mußte, zeigen sich aus Feldsteinen und Ziegeln gefügte Wände. Vermauerte Bögen über Türen und Fenstern deuten an, daß diese Öffnungen ursprünglich größer waren. Nach Abschluß der Sanierung und Restaurierung in zwei Jahren öffnet die Schlösserstiftung hier eine mals nach dem Krieg wieder komplett in Königs Wusterhausen zu sehen sein.
     Der Saal, in dem der Herr zu Wusterhausen sein Tabakskollegium veranstaltete, ist, wie auch andere Wohn-, Schlaf-, Empfangs- und Wirtschaftsräume, erhalten.
     Bezeichnend für den eher bürgerlichen Lebensstil des Monarchen ist, daß sein Schlafzimmer nicht der zentrale Punkt des Schlosses war wie in Versailles und anderen Barock-Residenzen, sondern unauffälliger Abschluß einer bescheidenen Zimmerflucht. In dem mäßig beleuchteten Raum hat Friedrich Wilhelm I. manchen Rausch nach durchzechtem Tabakskollegium ausgeschlafen.
Ausstellung. Sie zeigt Möbel, Tischgeräte, Waffen und eine Geweihsammlung aus der Zeit des Soldatenkönigs und auch jene Bilder, die der sonst wenig musische Herrscher »unter Schmerzen« gemalt hatte. Sie werden dann erst-

Schloß Königs Wusterhausen

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Theodor Fontane sah noch das große Waschbecken, dessen Standort heute durch eine Vertiefung im Boden angedeutet wird.
     »Beim Anblick dieses Waschfasses glaubt man ohne weiteren Zweifel was vom Soldatenkönig berichtet wird, daß er einer der reinlichsten Menschen war und sich wohl zwanzigmal des Tages wusch«, berichtet der Dichter in den »Wanderungen durch die Mark Brandenburg«.
     Im Abschnitt »Links der Spree« zitiert Fontane die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, eine Tochter des Soldatenkönigs. Sie hat wenig Schmeichelhaftes über das »verzauberte Schloß« in Königs Wusterhausen mitgeteilt, das ursprünglich Wendisch Wusterhausen hieß und erst von Friedrich Wilhelm I. diesen Namen erhielt. »Mit unsäglicher Mühe hatte der König an diesem Ort einen Hügel aufführen lassen, der die Aussicht so gut begrenzte, daß man das verzauberte Schloß nicht eher sah, als bis man herabgestiegen war. Dieses sogenannte Palais bestand aus einem sehr kleinen Hauptgebäude, dessen Schönheit durch einen alten Turm erhöht wurde, zu dem eine hölzerne Wendeltreppe führte. Der Turm selber war ein ehemaliger Diebswinkel, von einer Bande Räuber erbaut, denen dieses Schloß gehört hatte. Das Gebäude war von einem Erdwall und einem Graben umgeben, dessen schwarzes und fauliges Wasser dem Styxe glich ... Am Eingang in den Schloßhof hielten zwei Bären Wacht,
sehr böse Tiere, die auf ihren Hintertatzen umherspazierten, weil man ihnen die vorderen abgeschnitten hatte ... Wir waren immer 24 Personen zu Tisch, von denen drei Viertel jederzeit fasteten, denn es wurden nie mehr als sechs Schüsseln aufgetragen, und diese waren so schmal zugeschnitten, daß ein nur halbwegs hungriger Mensch sie mit vieler Bequemlichkeit allein aufzehren konnte.« Fontane bezweifelt, daß man bei Hofe gehungert haben soll, und zählt auf, was der »starke Esser« Friedrich Wilhelm I. und seine Gäste nach dem Motto »leben und leben lassen« verspeisten. Daß die Prinzessinnen mit ihrem Gefolge in winzigen Dachkammern untergebracht waren, stellt der Schriftsteller aber nicht in Abrede. Ebenso daß man, wie Wilhelmine schrieb, mittags selbst bei starkem Regen in einem Zelt aß, das im Hof aufgebaut war, und »bis zu den Waden« im Wasser stand. Versteht sich, daß Friedrich II. den unköniglichen Platz, Ort böser Jugenderinnerungen, verschmähte und ihn seinem Schicksal überließ.

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© Edition Luisenstadt, 1998
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