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Hainer Weißpflug
Die »Kaiserplatane« am Potsdamer Platz

Auf dem Mittelstreifen am Ende der Potsdamer Straße im Bezirk Tiergarten, in Höhe der Margaretenstraße, steht eine fast 150jährige »Ahornblättrige Platane« (Platanus acerifolia). Seit 1951 steht dieser Baum als Naturdenkmal unter Schutz und ist in der Berliner Verordnung zum Schutz von Naturdenkmalen als NDM II-1/B registriert. Laut dieser Eintragung trägt der Baum den Namen »Kaiserplatane«. Sie wurde um 1850 gesetzt. Mit dreieinhalb Meter Stammumfang und elf Meter Höhe ist sie eine imposante Vertreterin ihrer Art in Berlin.
     Platanen sind als Park- und Straßenbäume in Europa seit langem verbreitet. Auch viele Alleen, Parks und Plätze in Berlin wurden vor ca. 200 Jahren mit ihnen bepflanzt. 46 dieser Bäume waren bzw. sind als Naturdenkmale geschützt. So die Platane auf dem Bebelplatz in Mitte, vier Exemplare vor dem Ägyptischen Museum, gegenüber dem Schloß Charlottenburg, die Platanen in der Nithackstraße in Charlottenburg, fünf in Kreuzberg, zehn in Köpenick oder die Platanen in Alt-Stralau im Bezirk Friedrichshain.
     Platanen fallen schon durch ihre mächtige Statur auf. Sie haben eine glatte graue

Die »Kaiserplatane« im Winter 95/96
bis gelbgrüne schuppenartige Rinde, dem Ahorn ähnelnde Blätter und ringsum behaarte Früchte, die meist zu mehreren an einem langen Stiel hängen. Diese Merkmale geben den Bäumen ein exotisches Aussehen.
     Die »Kaiserplatane« war schon mehrfach gefährdet. 1857, kaum gesetzt, wäre sie beinahe Opfer des Straßenbaus geworden. Damals verhinderte dies der Stadt-Oberbaurat Friedrich Hitzig, so daß sich der Baum zu einem prächtigen Exemplar entwickeln konnte.
     Stadtpläne um 1920 verzeichnen die Platane als »hervorragenden Baum«. Damals stand sie noch in der Margaretenstraße Ecke
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Viktoriastraße in einem Villenviertel. Alte Aufnahmen zeigen sie als stattlichen Baum vor den Villen der Gegend um den Potsdamer Platz. Die Villen wurden im letzten Krieg völlig zerstört, und auch die Viktoriastraße ist verschwunden. Die Potsdamer Straße hat einen neuen Verlauf bekommen, der z. T. dem der ehemaligen Viktoriastraße entspricht; deshalb befindet sich die Platane heute auf dem Mittelstreifen der Potsdamer Straße.
     Anfang der sechziger Jahre sollte sie, inzwischen 100jährig, nach dem Willen der Bauplaner der neuen Entlastungsstraße weichen. Dem Protest aufgebrachter Berliner mußte sich der damalige Bausenator Rolf Schwedler beugen und die Pläne ändern lassen. Die Straße wurde schließlich am Baum vorbeigeführt. Seitdem heißt die Platane bei den Berlinern auch »Schwedler-Platane«.
     Blickt man heute von der Staatsbibliothek oder vom Matthäikirchplatz in Richtung Reichstag, so findet man die Platane vor einem Wald aus Kränen, die sich auf dem größten Bauplatz Berlins am Potsdamer Platz drehen. Schon als die Bebauung begann, vor allem aber als der Bau des Tiergartentunnels in Angriff genommen wurde, fürchteten die Berliner Naturschützer, daß auch die Platane zusammen mit über 1 000 anderen Bäumen dem Tunnelbau weichen müßte. Aber bisher blieb sie verschont. Als ich 1996 den Baum fotografierte, wurde lediglich seine unmittelbare Umgebung als
Parkplatz genutzt, und der Autoverkehr flutete an ihm vorüber. Als Reaktion auf die besorgten Fragen der Naturschützer erklärten 1995 die Verantwortlichen, daß der Baum dem Bauprojekt nicht zum Opfer fallen werde.
     Ein neuerlicher Besuch im Herbst 1997 weckte jedoch heftige Zweifel. Bagger sind dabei, tiefe Schächte zur Verlegung von Versorgungsleitungen nur wenige Meter neben dem Baum in das Erdreich zu treiben. Zwar ist der Baum durch Bauzäune gegen direkte Beschädigung geschützt, aber die Zäune und die Baumaßnahmen schädigen den Wurzelbereich des Baumes. Gerade Störungen im Wurzelbereich sind bei Bäumen besonders gefährlich, weil die Nährstoffversorgung und der Wasserhaushalt dadurch erheblich beeinträchtigt werden.
     Die wenigen Bäume, die sich heute hier befinden, sollten möglichst erhalten werden, und bei einem Naturdenkmal sollte das selbstverständlich sein. Es bleibt zu hoffen, daß die »Kaiserplatane« auch alle gegenwärtigen Gefährdungen durch die Bauaktivitäten wie auch durch Autoabgase, Bodenverdichtungen, Schwermetalleintrag aus dem direkten Umfeld und Grundwasserabsenkungen übersteht.

Bildquelle:
Zeichnung Autor

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© Edition Luisenstadt, 1998
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