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mals noch zerstörte Schloß, gebracht.1) Der Plan, den Großen Kurfürsten auf dem damals in Trümmern liegenden Kurfürstendamm aufzustellen, wurde fallengelassen. An eine Rückgabe nach Ost-Berlin wurde nicht gedacht; die Ansprüche wurden von DDR-Seite immer aufrecht erhalten.

Am besten unter Dach

Der Umzug des insgesamt 5,60 Meter hohen Monuments in die Mitte der Hauptstadt, zwischen Marstall und Palast der Republik, war schon seit längerem im Gespräch. Die Preußische Schlösserstiftung, Denkmalpfleger und Lokalpolitiker befürchten eine Entwertung des Ehrenhofes des Charlottenburger Schlosses und weisen darauf hin, daß sich der Kurfürst sehr gut in das barocke Umfeld einfügt, während dies unweit des durch den Palast der Republik besetzten Schloßplatzes nicht gegeben sei. Ursprünglich bezog sich das auf einen erhöhten Platz auf der Brücke gestellte Denkmal auf das Schloß, den Dom und den alten Marstall. Ohne diese Bezüge wird ein Verlust der Wirkung befürchtet. Im Landesdenkmalamt wird an die Aufstellung von Kopien gedacht – eine für Charlottenburg und eine weitere für die Rathausbrücke. Das schon recht angegriffene Original müßte nach Worten von Landeskonservator Jörg Haspel unbedingt unter ein Dach gebracht und museal aufgestellt werden. Er weist darauf hin, daß

Hans Hauser
Der Große Kurfürst soll an die Spree zurückkehren

Andreas Schlüters (1660–1714) Denkmal des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620–1688, Kurfürst ab 1640) gibt es in Berlin gleich zweimal. Im Ehrenhof des Charlottenburger Schlosses steht seit 1951 das im Jahr 1700 von Johann Jacobi in einem Stück gegossene Bronzeoriginal, flankiert von vier Sklaven, und in der Großen Kuppelhalle des Bodemuseums am Kupfergraben kann man auf dem originalen Marmorsockel eine um 1900 gefertigte Kopie ohne die Begleitfiguren betrachten. Umweltsenator Peter Strieder möchte den grün patinierten Kurfürsten an seinen alten Standort, die Rathausbrücke (die ehemalige Lange Brücke oder Kurfürstenbrücke), zurückschaffen.
     Als Datum der Aufstellung böte sich das Jahr 2001 an, wenn das 300jährige Bestehen des Königreichs Preußen begangen wird.
     Das kostbare Bildwerk, eine Inkunabel barocker Monumentalplastik, war im Zweiten Weltkrieg abgebaut und eingelagert worden. Beim Rücktransport versank es im Borsig-Hafen (Tegeler See), wurde 1949 geborgen und 1951 nach Charlottenburg, vor das da-

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man in Charlottenburg schon Erfahrungen mit Kopien hat, denn im Schloßgarten stehen bereits als bronzene Nachbildungen die Denkmäler des preußischen Königs Friedrich I. (nach Andreas Schlüter) und seines Enkels Friedrichs des Großen (nach J. G. Schadow).
     Bis der mit einem leichten Mantel über römischem Lederharnisch bekleidete Große Kurfürst zurückkehrt, wird noch einige Zeit vergehen, denn die Rathausbrücke paßt in ihrer kargen Nachkriegsgestalt nicht zu dem schweren Denkmal. Der geplante Brückenneubau wird eine größere Scheitelhöhe bekommen, um auch großen Schiffen die Passage zu gestatten. Das an der Brücke aufgestellte Denkmal würde unter diesen Umständen allerdings seine auf Fernsicht berechnete Wirkung weiter einbüßen, geben Denkmalpfleger zu bedenken. Außerdem könne es bei der neuen Aufstellung nicht mehr, wie bisher in Charlottenburg, rundum betrachtet werden. Kritiker weisen außerdem darauf hin, daß der Große Kurfürst in Charlottenburg vor Umweltverschmutzung besser geschützt ist als im abgasverpesteten Zentrum, und außerdem gäbe es in der Stadtmitte zahlreiche hoch gefährdete Standbilder, die unbedingt restauriert werden müßten. Während Architekten die Gestalt der neuen Brücke zeichnen und Denkmalpfleger die Standortfrage erörtern, nutzen Vorkämpfer des Schloß-Wiederaufbaues das Projekt als Argument für ihre Pläne.
Große Vorbilder

Ursprünglich hatte der brandenburgische Kurfürst Friedrich III., der Sohn des Großen Kurfürsten und seit 1701 König Friedrich I. in Preußen, sein eigenes Denkmal auf der damals einzigen Steinbrücke der Doppelstadt Berlin-Cölln errichten wollen. Er muß gute Ratgeber gehabt haben, die ihn von eitler Selbstdarstellung im Stil des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. abhielten und ihn bewegten, seinem Vater ein Denkmal zu setzen. Der stand bereits in voller Rüstung im Berliner Schloß (von Bartholomäus Eggers, heute Neues Palais Potsdam-Sanssouci) und im Berliner Lustgarten (von Franoçois Dieussart).2)
     Andreas Schlüter hatte große Vorbilder, als er das Modell von Roß und Reiter schuf – Marc Aurel in Rom, Allessandro Farnese in Piacenza und Ludwig XIV. in Paris. Genannt werden ferner die Reiterdenkmäler des Gattamelata in Padua und des Colleoni in Venedig. Der brandenburgische Hofbildhauer stellte einen Herrscher dar, der die nach dem Dreißigjährigen Krieg gewachsene Kraft des Kurfürstentums Brandenburg symbolisiert. Die antikisierende, als überzeitlich aufgefaßte Kostümierung des hakennasigen Hohenzollern kontrastiert zu der modischen Allongeperücke, die Friedrich Wilhelm als barocken Potentaten charakterisiert.
     Die an den Sockel geketteten Sklaven ließ Schlüter flehentlich die Hände dem Sieger

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entgegenrecken. An der Ausformung dieser prächtigen Körper waren die Bildhauer Friedrich Gottlieb Herfert, Johann Samuel Nahl, Cornelius Heintzy und Johann Hermann Becker beteiligt. Die Begleitfiguren wurden erst 1708 und 1709 dem Denkmal hinzugefügt, als Andreas Schlüter wegen des Zusammenbruchs des halb ausgeführten Münzturms am Berliner Schloß bei König Friedrich I. bereits in Ungnade gefallen war. In der gleichen Zeit erhielt das Denkmal eine Wappentafel samt lateinischer Widmung, die in der Übersetzung lautet: »Dem erhabenen Friedrich Wilhelm dem Großen / Des Heiligen römischen Reiches Erzkämmerer und Kurfürst von Branden- burg / Seinem, des Vaterlandes und der Heere Vater, / Dem Besten, Größten und Berühmten / Da er ein unvergleichlicher Held,/ zu seinen Lebzeiten die Liebe des Erdkreises / Ebenso wie der Schrecken der Feinde gewesen / Hat dieses Monument des Gedenkens und des ewigen Ruhmes / Freudig und nach Verdienst errichtet / Friedrich / Der erste Preußenkönig aus seinem Stamm / Im Jahre nach Christi Geburt 1703.«
     Die beiden seitlichen Sockelreliefs stellen die Personifikationen der Mark Brandenburg mit Kurhut und Zepter, umgeben von allegorischen Figuren, beziehungsweise die thronende Borussia als Symbolfigur des

Schloßbrücke, Schloß und Kurfürstendenkmal

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1701 gegründeten Königreichs Preußen mit dem Palmenzweig des Ruhmes dar. Genien zeigen den Plan der Langen Brücke; weitere Figuren verkörpern Stärke und Tapferkeit.
     Als im Jahre 1904 das damalige Kaiser-Friedrich-Museum eröffnet wurde, wollten Museumsdirektor Wilhelm (von) Bode und sein Architekt Ernst von Ihne mit der Aufstellung der Denkmalskopie einen bedeutenden Förderer der Berliner Kulturszene ehren. Weitere in vergoldeten Reliefs dargestellte Hohenzollern schauen aus der Kuppel auf den Mäzen hoch zu Roß hinab.

Mit starker Hand

König Friedrich I. erinnerte mit dem am 12. Juli 1703 feierlich enthüllten Denkmal an einen Monarchen, der das Kurfürstentum Brandenburg mit starker Hand aus der Not des Dreißigjährigen Krieges zu neuer Blüte gebracht und militärische Siege über die baltische Großmacht Schweden errungen hatte. Die Entwicklung der vor 300 Jahren verlachten »Streusandbüchse« Brandenburg kam nicht zuletzt durch französische Hugenotten voran, die Friedrich Wilhelm ins Land geholt hatte. Unter seiner Regentschaft wurde Berlin zu einer Festung ausgebaut – sehr zum Unwillen der zum Schanzen und zu hohen finanziellen Lasten gepreßten Bewohner. Die Residenz erhielt durch Friedrich Wilhelm die Straße Unter den Linden sowie einen Kranz

von Trabantenstädten. Der Herrscher gründete im Jahr 1661 die kurfürstliche Bibliothek, aus der die heutige Staatsbibliothek hervorging, und er trat als Sammler von Gemälden, Plastiken, antiken Kunstwerken und Münzen, aber auch als Bauherr von Lustschlössern in Berlin, Potsdam und Umgebung in Erscheinung.

Quellen:
      1      Das Jahr der Neuaufstellung wird unterschiedlich angegeben. In dem Band »Geschichtslandschaft Berlin–Orte und Ereignisse. Charlottenburg, Teil 1« (Nicolai Verlag, Berlin 1986), herausgegeben von Helmut Engel und anderen, wird der Juli 1952, verbunden mit einem Foto des am Kran hängenden Kurfürsten, genannt, in Georg Dehios »Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler«, bearbeitet von Sibylle Badstübner-Gröger und anderen (Deutscher Kunstverlag, Berlin 1994), wird vom Jahr 1951 gesprochen.
     2      Christian Theuerkauff: Zur Geschichte der Bildhauerkunst in Berlin und Potsdam von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum späten 18. Jahrhundert, In: Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786–1914. Hrsg. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1990, S. 13–36

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