92   Geschichte und Geschichten   
Jutta Schneider
Das Diorama der Gebrüder Gropius

Am 29. Oktober 1827 öffnete in der Georgenstraße 12, Ecke Stallstraße (heute Universitätsstraße), in der Stadtmitte ein in Berlin bisher unbekanntes Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude seine Pforten, das Diorama (unser Titelbild). Carl Wilhelm Gropius (1793–1870) hatte von 1826 bis 1828 das Gebäude durch den Baukonduktor Richter unter Mithilfe von Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) erbauen lassen. Vorbild war ein Verfahren, das Jaques Daguerre (1787–1851) schon 1822 in Paris in Vervollkommnung der Guckkastentechnik vorgeführt hatte. Mittels geschickter Beleuchtung konnte der Eindruck riesiger Bilder gesteigert werden. Das Bild bewegte sich so am Zuschauer vorüber, daß dieser das Gefühl hatte, sich inmitten des Gezeigten zu befinden. Eine Neuerung war das Pleorama. Der Zuschauer »befand« sich dabei in einer schaukelnden Barke.
     Die Bilder im Diorama von Gropius waren etwa 20 Meter breit und 13 Meter hoch. Die ersten Motive zeigten eine Innenansicht der Kirche von Brou und eine Felsenschlucht bei Sorrent. Besonderes Interesse fanden Bilder von Schinkel, darunter der Golf von

Neapel, 1832 ausgestellt. Schon zu Beginn des Jahrhunderts hatte Schinkel den Vater Wilhelm Gropius (1765–1852) bei der Vorführung ähnlicher Schaubilder unterstützt und zahlreiche Bilder dazu geliefert. Sein Bestreben war es, mit Kunstwerken auf ein breites Publikum einzuwirken; es verband sich mit dem geschäftlichen Interesse der Familie Gropius. So wurde der Betrieb des Dioramas durch die Brüder Ferdinand (1796–1830) und George (1802–1842) durch weitere Einrichtungen ergänzt. Der Verleger George Gropius vertrieb hier auch seine Bücher und Stiche, und in einer Reihe Boutiquen verkaufte man verschiedene Modewaren, kunstgewerbliche Artikel und Spielzeug.
     Im zweiten Geschoß fanden Verkaufsausstellungen von zeitgenössischen Künstlern statt.
     Das Diorama war wegen der Abhängigkeit vom Tageslicht von 11 bis 15 Uhr, an Sonn- und Feiertagen nur von 11 bis 14 Uhr geöffnet. Vom Berliner Publikum wurde es begeistert aufgenommen, und besonders zur Weihnachtszeit war der Andrang groß. Der Eintrittspreis betrug 10 Silbergroschen.
     Die letzte Vorstellung im Diorama fand am 31. Mai 1850 statt. 1868 bis 1873 diente das Gebäude noch dem neugegründeten »Deutschen Gewerbe-Museum« (seit 1879 »Kunstgewerbemuseum«) als provisorisches Sammlungs- und Ausstellungsgebäude.
     1876 mußte es dem Bau der Stadtbahn weichen.

© Edition Luisenstadt, 1998
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