Eine Rezension von Sven Sagé


Verse fürs Verbessern?

Christoph Buchwald/Raoul Schrott (Hrsg.): Jahrbuch der Lyrik 2000

Verlag C. H. Beck, München 1999, 157 S.

 

Die Lyriker des vergehenden Jahrhunderts sind die des kommenden. Lyrik des 20. Jahrhunderts wird Lyrik im 21. Jahrhundert sein. Wie nicht anders zu erwarten, wenn, erwartungsgemäß, Christoph Buchwalds Poesie-Periodikum als Jahrbuch der Lyrik 2000 auftaucht. Die Älteren und Abonnenten vieler Ausgaben, die Herrn Artmann bis Rühmkorf, werden nun wirklich alt. Die Jüngeren, von Braun bis Satorius, werden älter. - Das Lyrik-Jahrbuch also ein sicherer Alterssitz?

Die Jüngsten, von Beyer bis Stolterfoht, scheinen sich einzurichten und zu keinem Bildersturm mehr bereit. Gut, daß es den Robert Gernhardt gibt. Kurz entschlossen hat sich der Altersgrenzgänger eines weisen Dichters bemächtigt - sein Name sei möglicherweise Brecht - und dessen Dichtung nach besten Kräften verbessert. Wenn das kein Schritt ins nächste Jahrhundert ist! Das Jahrbuch riskiert den Jahrhundertschritt, indem es sich auf eine Allianz des 18. Jahrhunderts einläßt. In der Sammlung stehen Wiener und andere Österreicher Seite an Seite mit den ungarischen Nachbarn. Was haben Buchwald und sein diesjähriger Mitherausgeber Raoul Schrott da bloß aus dem Haufen der eingesandten Gedichte herausgeholt? Mehr Spreu als Weizen? Wunder finden anderswo statt. Garantiert nicht in der Silvester-Neujahrs-Nacht, in der vier Zahlen ausgetauscht werden. Am ersten Tag des nächsten neuen Jahres wird alles beim alten bleiben. Wie in der Anthologie. Pech gehabt! Glück gehabt! Ob was von dem bleibt, was in den Jahrbüchern war? Den „Das bleibt“-Diktator Jörg Drews fragen? Der den Daumen senkt? Der an so manchen Namen nicht vorbeiging, die in den Jahrbüchern Sitz und Stimme hatten. Wer Schritt mit dem 21.Jahrhundert hält? Die nächste Generation hält das Fallbeil bereits bereit. Gewisser ist nichts. Gut werden die Gedichtemacher dran sein, deren Verse fürs Verbessern taugen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 9/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite