Eine Rezension von Christian Berger


Bunte Briefe

Else Lasker-Schüler/Franz Marc: Mein lieber, wundervoller blauer Reiter

Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf 1998, 190 S.

 

Hat ja noch niemand behauptet, daß die Dichterin Else Lasker-Schüler und der Maler Franz Marc eine Beziehung miteinander hatten. Hatten sie aber! Verbrieft und entsiegelt! Jetzt für jeden offensichtlich. Auch für alle, die bislang nicht mal ahnten, daß der „Blaue Reiter“ Franz Marc und sein Ehegespons Maria sowie der thebische Prinz Jussuf, also die malende Lyrikerin Else, einen bunten Briefverkehr pflegten. Launig und gewollt launig. Egal, ob’s um Lust oder Last des Lebens ging. Auch Lust war der Else Lasker-Schüler meist Last und bedrängte so die Marcs, die sich jedoch nie darin beirren ließen, in der Poetin einen „edel begabten“ Menschen zu sehen. Lasker-Schüler und Franz Marc waren sich in der Herzensbildung nah. Sprachen vom Bruder, von der Schwester. Fühlten als seelische Zwillinge. Wie unterschiedlich gern sie sich auch hatten, scheinbar nebenher entstand einer der unkonventionellsten Brief-Bilder-Wechsel der deutschen Literatur-Kunst-Geschichte. Fade und profan wär’s nun, von der ersten vollständigen Dokumentierung des Materials zu sprechen. Brief und Bilder werden angemessen und attraktiv in einem Buch präsentiert. Über ein halbes Jahrhundert nach dem Tode der Dichterin im Jerusalemer Exil. Über acht Jahrzehnte, nachdem der Maler sein wertvolles Leben auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs vergeudete. Lasker-Schüler, die von sich sagte: „Bin auf einem ewigstürmenden Meer“, war die größte Gauklerin des Metiers. Ihr sattelte der „Blaue Reiter“ den Gaul, mit dem sie über sämtliche Meere ritt. Wer’s nicht versteht, ist für das Buch verloren. Es ist für Menschen, die sich am Tag die Alpträume wegträumen. Franz Marc half Else Lasker-Schüler, Alpträume zu überleben. Dafür liebte sie ihn. Auf ihre Weise. Auf seine Art erwiderte der Maler die Zuneigung. Die bleibende, größte Bedeutung hat die Brief-Beziehung für die Nachwelt. Danke!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 7+8/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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