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Klaus Hammer

Künstlerischer Kehraus, Bürgerschreckbewegung oder Anti-Kunst des Un-Sinns?

Vor 80 Jahren wurde in Zürich und Berlin die multimediale Dada-Bewegung geboren, die sich über die ganze Welt verbreitete.

Dada - was ist das? Nur ausschnitthaft läßt die Dada-Bewegung, noch ein Kind des Ersten Weltkrieges, wenn auch eine vaterlandslose Promenadenmischung, Annäherungen zu: Sie war ein Protest von Einzelgängern gegen das Völkermorden, das von ihnen als kollektiver Wahnsinn der bürgerlichen Gesellschaft empfunden wurde. Dem wurden entleerte Worthülsen, eine Zerstörung von Sinnfassaden, Sprachnormen, grammatischen Klischees und bildnerischen Überlieferungen gegenübergestellt. Dada gebärdete sich als subversiv, genial, abstrakt und supersimpel zugleich. Ein Mix von Poesie, Sketch, Happening, Musik und Manifest, eine Verschmelzung von Textproduktion, Vortrag, Bild, Plakat, Show, Mischformen aus Kabarett, Dichterlesung, Ausstellung und Revue, eine Anti-Kunst des Un-Sinns - in perfekter Selbstinszenierung. Zugleich eine Selbstverspottung, sofern der Widersinn eines Programmes des Unprogrammierten, kommandierter Exzesse, einer Welt aus unvermeidlich alten Teilen, einer Betriebsamkeit gegen den Betrieb bewußt und genüßlich mitinszeniert wurde.

5. Februar 1916: In der Züricher Spiegelgasse wird das „Cabaret Voltaire“ eröffnet - Dada ist geboren. Hugo Ball, einer der Gründer und Organisatoren des Züricher Dada-Klubs, zelebriert drei Gedichte vor drei Notenständern am Podium in einer bunten kubistischen Maske. Er kreiert mit „Karawane“ das Lautgedicht, die Vorform visueller Poesie:

jolifanto bambla o falli bambla
großiga m’pfa habla horem
egiga goramen
higo bloiko russula huju
hollaka hollala
anlogo bung
blago bung blago bung
bosso fataka

ü üü ü
schampa wulla wussa olobo
hej tatta gorem
eschige zunbada
wulubu ssubudu uluwu ssubudu
tumba ba-umf

kusa gauma
ba - umf

In der Tat kann man in den Lautfolgen einen onomatopoetischen (lautnachahmenden) Sinn wiederentdecken. Die Flucht aus dem logischen Sinn nimmt Zuflucht zu den Naturlauten. Das Wort Elefant wird anfangs in „jolifanto“ abgewandelt. In U-Lauten ist der dumpfe, schleppende Elefantenschritt nachgebildet. Treiberrufe sind in abgewandelter Form zwischengeschaltet.

Als ein gegen den „Todestaumel der Zeit“ gerichtetes „Narrenspiel aus dem Nichts“ (Hugo Ball) empfand sich die Bewegung. Dafür ist allein schon die Findung des Wortes Dada - durch zufälliges Blättern in einem Lexikon aufgestöbert und festgehalten - bezeichnend. „Dada“ steht im Rumänischen - und allein zwei Rumänen, der Lyriker Tristan Tzara und der Bildhauer Marcel Janco, gehörten zum Züricher Kreis - für ein doppeltes „Ja“, bezeichnet im Französischen das Hotte- und Steckenpferd und verbindet sich im Deutschen mit dem Lautgestammel kleiner Kinder bzw. dessen Nachahmung durch Erwachsene. Nach der Auflösung des „Cabaret Voltaire“ fand die Züricher Dada-Bewegung in der im März 1917 gegründeten „Galerie Dada“ ein neues Domizil und gewann hier eine verhaltenere, intimere Gestik.

Das Sprachschöpferische, das der dadaistischen Rückwendung zum Elementaren innewohnen konnte, tritt vor allem bei dem elsässischen Bildhauer-Poeten Hans Arp hervor. Er gestaltete bekannte Verse um, nahm Worte und Sätze aus Zeitungsinseraten zum Ausgangspunkt seiner „Arpaden“, beutete alte Chroniken und Sammlungen wie Des Knaben Wunderhorn aus, fügte Worte nach Art eines Baukasten-Musters zusammen. In der „Wolkenpumpe“ (1920) kommt der Dada-Charakter deutlich zum Ausdruck. „... wasser wurde zu schnüren und bändern geflochten und zu knoten geschlungen schon damals schüttelte einer den kopf über den hokus pokus der welt eine hand schlug den sommerregen und das gras das vom himmel niederwuchs wie einen vorhang zurück regenbogen in regenbogen geschlungen er gab jene bretzel in der die blasenden vögel mit tonsuren die meere wie motten in den krallen hielten ...“ Im „Pyramidenrock“ (1925) nimmt Arp die konventionelle Gedichtform auf, verformt aber auch die Redensart der Alltagssprache. So in „das bezungte brett“, drittes Stück:

er kommt abhanden mit der hand
er kommt abfußen mit dem fuß
und trägt in seinem taschenfleisch
den aufgerollten redefluß

in acht und bann und neun und zehn
so übermannt und überfraut
daß keiner je sich je und je
und an der tafel nacktes kaut

sonst triptycht das grammatikkreuz
staniolverpackt als schwarzer spaß
als einzahl mehrzahl rübezahl
als faselhans im faselfaß

Solche Wortspiele wandeln den schwarzen Humor der expressionistischen Verzweiflung zu „schwarzem Spaß“ um. Das vitale Element der Groteske zerstört zwar die hohe Rede, aber damit auch die pathetische oder gespielte Untergangsverzweiflung der Expressionisten.

Auch als Bildhauer wollte Arp jede Absichtlichkeit ausschalten, jeden Hinweis auf Empfindungen, jede erdachte Weltbeschreibung. Er wünschte, daß sich seine Arbeiten in der Natur verlieren könnten. 1916 bis 1920 hatte er Laubsägereliefs geschaffen, mit weichen organischen Formen, auf den Umriß reduziert und in lebhaften Emaillefarben gemalt. In den 20er Jahren wandte er sich dann wieder der gegenständlichen Darstellung zu, in der „Objekt-Sprache“. Er reduzierte Menschen, Tiere und Gegenstände der alltäglichen Dingwelt zu signalhaften Zeichen, die vielfältige Assoziationen zulassen, besonders wenn sie aus ihrem normalen Zusammenhang herausfallen und in ein groteskes Neben- und Miteinander geraten. Arp hat diese Ideen später auch in zahlreichen Reliefbildern oder Collagen auf zugeschnittenem Karton ausgeführt. In der Dichtung war er ja analog verfahren, indem er Semantik und Syntax auf den Kopf stellte.

In Berlin hingegen, wohin Richard Huelsenbeck Namen und Stoßrichtung der neuen Kunst- und Antikunstrichtung transferierte, zeitigte Dada zum Ende des Ersten Weltkrieges, in den Wirren der Novemberrevolution und den Anfängen der Weimarer Republik, eine stark öffentlich-provokative, politische Ausprägung. Huelsenbeck wirkte mit George Grosz, den Brüdern Herzfelde, Raoul Hausmann, Hannah Höch, Walter Mehring und anderen im Berliner „Club Dada“. Der Nonkonformismus politisierte sich zum Kampf gegen den „Geist von Weimar“, womit gleichzeitig das Festhalten an der klassisch-idealistischen Tradition und die Republik gemeint war - eine folgenschwere Doppeldeutigkeit. Provokationen des Parlaments und der Reichswehr führten 1920 zu einem Prozeß, in dessen Verlauf die Gruppe zu zerfallen begann. Kurt Schwitters, der sich ihr vergeblich anzuschließen versucht hatte, kritisierte die Politisierung und schuf in Hannover dann seinen eigenen Dadaismus, den er MERZ (aus [Com]merz) nannte. Den Dadaisten war jedes Kunstmittel recht, wenn es nur neu war, also gerade auch das, was nicht als Kunst gilt. Grundsätzlich gibt es für sie deshalb keine scharfe Grenze zwischen den Künsten; manche von ihnen, wie Arp und Schwitters, waren in verschiedenen Künsten produktiv. Von Zürich und Berlin breitete sich Dada bald weiter aus: nach New York, Paris, Köln, Hannover ... Die Kunst-Guerilla schlug mal hier, mal da zu - bis zum sorgsam inszenierten Ableben 1925. So schnell die Gruppen entstanden und zerfielen, ihre Ausstrahlung wirkt bis heute, in den USA etwa auf Pop-art, im deutschen Sprachraum auf die konkrete Poesie, die „Wiener Gruppe“ (Hans Carl Artmann, Gerhard Rühm, Konrad Bayer) oder Ernst Jandl.

Raoul Hausmann hat in Berlin auf den Gebieten, auf denen er sich künstlerisch betätigte - der frei gestischen Malerei, der Collage, der Foto-Collage, der Fotografie selbst, des selbstentblößerischen autobiographischen Romans - Ansätze geschaffen, die erst sehr viel später fruchtbar wurden. Unabhängig von Ball erfand er die „optophonetische Poesie“ und das „Plakatgedicht“. Dessen phonetische Urzelle ist:

fmsbwtözäu pggiv - ..?mü

Den durch konsonantische Koppelung erzeugten Komplexlaut, der von Hausmann als Ausdrucksträger eingesetzt wird, formte dann Schwitters in der „Ur-Sonate“ um, er spreizte ihn vokalisch:

Fümms bö wö tää zää Uu, pögiff, kwi Ee

Das konsonante Komplexphonem erhält jetzt so etwas wie eine Sprachmelodie. Schwitters arbeitete jahrelang an der Komposition seiner phonetischen „Urlautsonate“, produzierte Collagen aus Abfallgegenständen und Schnipseln gedruckter Texte und konstruierte Texte sogar aus einzelnen Buchstaben oder Zahlen, die er in grafischen Gebilden anordnete, so ein Opus mit dem Titel „Gedicht 25, elementar“.

Bekannt gemacht hat ihn aber das groteske Liebesgedicht „An Anna Blume“, ein Gedicht in der MERZ-Technik, die er auch in der Prosa anwendet. In den Kontext werden Parenthesen eingeschoben, schulgrammatische Deklinationsformen, eine Preisfrage im Reklamestil, Seitenhiebe auf das Publikum. Wenn man dies abzieht, bleibt aber kein Preisgedicht auf Anna Blume übrig, sondern dieser Preis ist erst recht ins Groteske gesteigert. Am Schluß heißt es:

Anna Blume! Anna, a-n-n-a, ich träufle
deinen Namen. Dein Name tropft wie
weiches Rindertalg. Weißt du es, Anna,
weißt du es schon? Man kann dich auch
von hinten lesen, und du, du Herrlich-
ste von allen, du bist von hinten wie
von vorne: „a-n-n-a“. Rindertalg träu-
felt streicheln über meinen Rücken.
Anna Blume, du tropfes Tier, ich liebe dir!

Paralogismen, Farbwidersprüche, Sinn- und Syntaxverdrehungen, groteske Assoziationen, gipfelnd im „Träufeln“ des Namens Anna, der von hinten wie vorne zu lesen ist. Zuletzt wird eine Wortneubildung des Expressionisten August Stramm, „tropfes Tier“, rein komisch verwendet. Schwitters hat hier ein ganzes Farbenspiel inszeniert, um darunter, ohne es selbst zu merken, den Tatbestand zu verbergen, daß er blaue Blumen züchtet. Anna Blume, das schlichte Mädchen im Alltagskleid, die Blaue Blume Anna - eine getarnte Fee -, ist nichts anderes als eine Balkonpflanze.

Das groteske Verfahren war ganz deutlich den Collagen (Klebebildern), wie sie Picasso und Braque eingeführt hatten, nachgebildet. Der Dadaismus hatte das Verfahren aufgegriffen, indem nicht nur Papier- und Stoffetzen zusammengesetzt, sondern auch mechanische Teile den Bildern eingefügt wurden. Marcel Duchamp hatte schon 1914/15 sogenannte „Ready-mades“ aufgestellt: Fahrradteile, Flaschenhalter, Schneeschaufeln, die er mit Titeln versah und signierte. In seinen MERZ-Bildern fügte Schwitters die verschiedensten Abfallteile zusammen: Zeitungsfragmente, Fahrkarten, Gepäckscheine, alte Hufeisen, Schrauben, zerbrochene Kistenbretter usw. Die dadaistische Collage ist durch Bedeutungslosigkeit des Materials und durch den Zufall als Herstellungsverfahren charakterisiert.

Walter Mehring, der in Berlin durch Huelsenbeck mit Dada in Verbindung trat, hat eine Abart der MERZ-Technik entwickelt, die er „Sprachen-Ragtime“ nannte. Er meinte damit ein „internationales Sprachkunstwerk“. Sein parodistisches Verfahren, Parolen der Tagespolitik mit lateinischen Formeln oder auch fremdsprachlichen Zitaten zu durchsetzen, diente ganz der politischen Gesellschaftskritik. Die lyrischen Grotesken sind wieder zur angewandten Dichtung geworden, und das Groteske tritt erneut in den Dienst der Satire.

Der Dadaist George Grosz konnte dagegen der Kunst eine solche Eindringlichkeit wie eine visuelle Erzählung verleihen. Eine Art Collage, wie aus Zeitungen oder Illustrierten herausgeschnitten, aneinander- oder übereinandergeklebt in der Art, die den Überschneidungen und Überblendungen beim Filmschnitt ähnelte, sollten diese Bilder die Irrealität des Traumes mit der dokumentierten „Wahrheit“ der Fotografie vereinen. Grosz geißelte die Konformität der Weimarer Politik, die leeren Ansprachen und Schlagworte, die Versprechungen einer besseren Zukunft an die im Krieg zerstörte Generation. Der Mann mit Eierschalenschädel, der Marionettenmann der Weimarer Republik, eine Null, von der Gesellschaft mit bestimmten Wünschen programmiert und in einen fleißigen Konsumenten verwandelt. „Stützen der Gesellschaft“, ein Altarbild ohne Flügel, das scheinreligiöse Inspiration durch Glorifizierung der schlimmsten Reaktionäre zeigt.

Die Bildstrukturen seiner Zeichnungen wiederum werden bestimmt von der simultanen Wiedergabe von Bewegungsvorgängen und räumlichen Durchdringungen. Sie ziehen in ihrer scheinbar infantilen Strichmanier provokative Querschnitte durch das öffentlich-geheime Leben der Großstadt. Immer wieder bewegt ihn die Verquickung von Idylle und Gewalt: Zigarre und Mord, Maiglöckchen und Verstümmelung, der aus Gehorsam mordende Kleinbürger. Grosz beginnt hier ein neues Bildprinzip zu entwickeln, das später John Heartfield in seinen Fotomontagen bis zur Perfektion inhaltlich und formal ausbauen wird. Er stellt auf einem Blatt zwei verschiedene Ereignisse dar, die jeweils konträren Gesellschaftsschichten zugeordnet sind. Der Bildtitel - etwa „Früh um 5 Uhr!“, die einen sind noch am Feiern, während die andern schon zur Arbeit gehen - schafft die kausale Verknüpfung zwischen den beiden Ereignissen, geht also auf Ursache und Wirkung ein.

Die dadaistische Fotomontage ist eine durch und durch Berliner Erfindung. Auch Hannah Höch, die Collagistin und Fotomonteurin, bedarf für ihr künstlerisches Verfahrensprinzip des Schnittes, der Schere. Sie montiert ihre Bilder, zerstört und ordnet die Teile neu. Auf der 1. Internationalen Dada-Messe von 1920, dieser legendär gewordenen Antikunst-Schau, zeigte sie ihre beißende Fotomontage „Schnitt mit dem Küchenmesser durch die erste Weimarer Bierbauch-Kulturepoche Deutschlands“ (1919), ein dadaistisches Kaleidoskop der Provenienz aus Politik und Wirtschaft, Kunst, Wissenschaft und Sport. Rund 50 Personen erscheinen im Bild - als Kopf oder kopflos, verzerrt, entstellt, karikiert, verfremdet. Hannah Höch hat ohne Rücksicht Köpfe versetzt und Körper vertauscht, künstliche Wesen geschaffen und absonderliche Situationen erfunden. Maschinenteile, Symbole der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung in diesen Jahren, sind vermittelnd zwischen die gegensätzlichen Gruppen der Gesellschaft gesetzt.

Für den Kölner Dadaisten Max Ernst, der dann einer der Begründer der surrealistischen Bewegung in Paris wurde, ist der Künstler vor allem „Entdecker“, kreativer Arrangeur, der vorgefundene Formen, Figuren und Gegenstände kühn und in unerwarteter Weise kombiniert, manipuliert, verfremdet und so in ein neues Bewußtsein rückt. Der Künstler interpretiert seine Bildwelt aus ihrem eigenen Stoff, hinterfragt Bilder durch Bilder, Formen durch Formen, Rätsel durch Rätsel, beantwortet Fragen durch wieder neue Fragen. Alle Sorten von Reproduktionsmaterial haben eine Faszination auf ihn ausgeübt. Es sind die bildlichen Wiedergaben seiner eigenen Werke, die Reproduktionen der überüberarbeiteten, der collagierten Reproduktionen, die ihn zur neuerlichen Verwandlung reizten. Das Foto eines sudanesischen Getreidespeichers hat ihn an ein watschelndes Tier erinnert. Dessen Konturen schienen zudem in gewisser Weise mit den Umrissen der Insel Celebes auf der Landkarte übereinzustimmen. So entstand 1921, noch in Köln, „Der Elefant Celebes“, ein ebenso bedrohlich wie komisch wirkender eiserner Koloß, und der Bildtitel geht auf einen Kinderreim zurück: „Der Elefant von Celebes / hat am Popo was Gellibes.“

„Der Hut macht den Mann“ heißt dagegen eine seiner Collagen aus dem Jahre 1920, eine Komposition ausgeschnittener Hutdarstellungen, während „Der Sandspulwurm“ ein umgedrehter, stark übermalter Prospekt für Kinderhüte ist - Max Ernst hatte damals für einige Wochen den Hutumpreßladen seines Schwiegervaters zu leiten. Der „Entwurf für ein Manifest“ scheint die Zusammenfassung der Motive und Mittel zu sein, die er 1919/20 in seinen Collagen verwendet hat: Collage, modifiziertes Ready-made, fotografische Elemente, Zeichnung, gedruckter und geschriebener Buchstabe vereinigen sich hier zu einem Resümee dessen, was er (sein Porträt bildet die Spitze der auf dem Kopf stehenden Pyramide) damals geschaffen hat. Trotz aller Symmetrie bringt auch diese Collage keine bildnerische Harmonie - Heterogenität ist ihr Kennzeichen -, der Betrachter muß sie mit kombinatorischem Geschick lesen.

Ohne solche Reflexion auf die in der Abbildung zum Klischee reduzierten Wirklichkeit ist auch die Pop-art der 60er Jahre nicht zu denken. Oft hatten Dada-Ausstellungen und Dada-Organe, literarische und theatralische Aktionen, all die „Weltkongresse“, Zeitungsprojekte, Flugblätter und Manifeste der künstlerischen „Umstürzler“ mehr fiktive Komponenten als reale. Ebenso wie eine stringent antigesellschaftliche Haltung gehörten beißende Karikatur, politisches Kabarett, Sprachminimalismus, die Phantasie des Zufalls und der assoziative Einfall, die Technik der Collage, Assemblage und Fotomontage und das Spiel mit dem Irrealen zum virtuos gehandhabten Instrumentarium. Die Lust am Paradoxen und das Zusammengehen von gänzlich Disparatem, die verspielten, witzigen und sarkastischen Kommentare aus Papier, Pappe, Holz und Strick, aus Alltagsfundstücken gemacht, die alles Kunstpathos vom Sockel stößt, das Vergnügen an einer Art anarchischem Layout, das keiner geraden Linie gehorcht, ist längst wieder hochaktuell im Zeitalter technischer Möglichkeiten, die so gut wie jedes Experiment mit Text und Bild erlauben. Dada spielt so in vieler Hinsicht eine Schlüsselrolle für die Künste des 20. Jahrhunderts.

Weiterführende Literatur - eine Bibliographie des Dadaismus

Sammlungen: Dada Berlin. Texte, Manifeste, Aktionen. In Zusammenarbeit mit Hanne Bergius hrsg. von Karl Riha. Stuttgart 1977; Dada Zürich. Texte, Manifeste, Dokumente. Hrsg. von Karl Riha und Waltraud Wende-Hohenberger. Stuttgart 1992; Dada Paris. Manifeste, Aktionen, Turbulenzen. Hamburg, Zürich 1989; Dada New York. Von Rongwrong bis Ready-made. Hrsg. von Brigitte Pichon und Karl Riha. Hamburg 1991; Dada. H. Arp, R. Huelsenbeck, T. Tzara. Die Geburt des Dada. Dichtung und Chronik der Gründer. Hrsg. von Peter Schifferli. Zürich 1957; Doesburg, Schwitters u. a.: Holland ist Dada. Ein Feldzug. Hrsg. von Hubert van den Berg. Hamburg 1992; sankt ziegensack springt aus dem ei. Bilder und Dokumente zum Dadaismus in Zürich, Berlin, Hannover und Köln. Hrsg. von Klaus Schuhmann. Leipzig, Weimar 1991; Sheppard, Richard: Dada Zürich in Zeitungen. Cabarets, Ausstellungen, Berichte und Bluffs. Siegen 1992; Bergius, Hanne: Das Lachen DADAs. Die Berliner Dadaisten und ihre Aktionen. Gießen 1993.

Werke: Arp, Hans: Unsern täglichen Traum. Zürich 1955; ders.: Gesammelte Gedichte. Hrsg. von Marguerite Arp-Hagenbach und Peter Schifferli. 2 Bde. Zürich, Wiesbaden, München 1963; Baader, Johannes: Schriften, Manifeste, Flugblätter, Billets, Werke und Taten. Hrsg. von Hanne Bergius u. a. G./L. 1977; Ball, Hugo: Die Flucht aus der Zeit. Hrsg. von Bernhard Echte. Zürich 1992; Ball, Hugo: Der Künstler und die Zeitkrankheit. Ausgewählte Schriften. Hrsg. von Hans Burkhard Schlichting. Frankfurt/M. 1984; Duchamp, Marcel: Die Schriften. Hrsg. von Serge Stauffer. Zürich 1981; Ernst, Max: Paramythen. Gedichte und Collagen. Köln 1955; Grosz, George: Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Hamburg 1955; ders.: Ach knallige Welt, du Lunapark. Gesammelte Gedichte. Hrsg. von Klaus Peter Denckler. München, Wien 1986; Hausmann, Raoul: Am Anfang war Dada. Hrsg. von Karl Riha. Steinbach, Gießen 1972; ders.: Bilanz der Feierlichkeit. Texte bis 1933. 2 Bde. Hrsg. von Michael Erlhoff. München 1982; Huelsenbeck, Richard (Hrsg.): Dada Almanach. Neudruck Hamburg 1987; ders.: Phantastische Gebete. Zürich 1960; ders.: Mit Licht, Witz und Grütze. Auf den Spuren des Dadaismus. Hrsg. von Reinhard Nenzel. Hamburg 1992; ders. (Hrsg.): Dada. Eine literarische Dokumentation. Reinbek bei Hamburg 1984; Mehring, Walter: Chronik der Lustbarkeiten. Die Gedichte, Lieder und Chansons 1918-1933. Hrsg. von Christoph Buchwald. Düsseldorf 1981; Schwitters, Kurt: Das literarische Werk. 5 Bde. Hrsg. von Friedhelm Lach. Köln 1974-1988; Serner, Walter: Das gesamte Werk. Bd. 2: Das Hirngeschwür DADA. Hrsg. von Thomas Milch. München 1982; Tzara, Tristan: Sieben Dada Manifeste. Hamburg 1984.

Kataloge: Bolliger, Hans u. a. (Hrsg.): Dada in Zürich. Zürich 1985; Ernst, Max: Das Rendezvous der Freunde. Köln 1991; Gohr, Siegfried (Hrsg.): Sophie Taeuber-Arp. Bonn-Rolandseck 1993; Haenlein, Carl-Albrecht (Hrsg.): Dada. Photographie und Photocollage. Hannover 1979; Höch, Hannah: Collagen, Gemälde, Aquarelle, Gouachen, Zeichnungen. Berlin 1976; Schuster, Peter-Klaus: George Grosz Berlin - New York. Berlin 1994; Schwitters, Kurt: Dem Erfinder von MERZ zu Ehren und zur Erinnerung. Berlin 1987; Spies, Werner: Max Ernst. Collagen. Köln 1988; Teubner, Ernst (Hrsg.): Hugo Ball. Berlin 1986; Thater-Schulz, Cornelia/Schulz, Armin: Hannah Höch. Berlin 1989; Züchner, Eva (Hrsg.): Raoul Hausmann. Ostfildern 1994.

Weitere Literatur: Arp, Hans: Text und Kritik. München 1986; Bittner, Herbert (Hrsg.): G. Grosz. Köln 1971; Dech, Gertrud Julca: Schnitt mit dem Küchenmesser Dada ... Untersuchungen zur Fotomontage bei H. Höch. München 1981; Döhl, Reinhard: Das literarische Werk H. Arps 1903-1930. Stuttgart 1967; Erlhoff, Michael: R. Hausmann. Hannover 1982; Füllner, Karin: R. Huelsenbeck. Heidelberg 1983; Hellberg, Frank: W. Mehring. Bonn 1983; Hereth, Hans-Jürgen: Die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte von K. Schwitters. Frankfurt/M., Berlin 1996; Herzogenrath, Wulf (Hrsg.): M. Ernst in Köln. Köln 1980; Hippen, Reinhard: Erklügelte Nervenkultur. Kabarett der Neopathetiker und Dadaisten. Zürich 1991; Kammler, Dietmar: Wirklichkeit als Sprachansicht. Ein Beitrag zum Verständnis der Lautdichtung H. Balls. Hamburg 1988; Kemper, Hans-Georg: Vom Expressionismus zum Dadaismus. Kronberg/Taunus 1977; Korte, Hermann: Die Dadaisten. Reinbek bei Hamburg 1994; Lach, Friedhelm: Der MERZKünstler K. Schwitters. Köln 1971; Meyer, Raimund: Dada in Zürich. Frankfurt/M. 1990; Paulsen, Wolfgang/Hermann, Helmut G. (Hrsg.): Sinn aus Unsinn. Dada International. Bern, München 1982; Philipp, Eckhard: Dadaismus. München 1980; Richter, Hans: DADA-Kunst und Antikunst. Köln 1964; Rubin, William S.: Dada und Surrealismus. Stuttgart 1972; Schmalenbach, Werner: K. Schwitters. München 1984; Sheppard, Richard (Hrsg.): R. Huelsenbeck. Hamburg 1982; Short, Robert: Dada und Surrealismus. Stuttgart, Zürich 1984; Usinger, Fritz: Die dichterische Welt H. Arps. Mainz 1965; Verkauf, Willy (Hrsg.): Dada. Monographie einer Bewegung. Teufen 1957; Zerstreuung des Alphabets. Hommage à Arp. Bremerhaven 1986.


(c) Edition Luisenstadt, 1998
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