Eine Annotation von Bernd Grabowski


Stürickow, Regina:

Der Kommissar vom Alexanderplatz

Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1998, 281 S., Fotos

Das kommt bei mir selten vor, aber hier wurd’s Ereignis: Ich habe das Buch an einem Wochenende ausgelesen. Eine spannende Lektüre. Man merkt der Autorin an, daß sie über reiche journalistische und publizistische Erfahrungen verfügt. Immerhin hat die redaktionelle Mitarbeiterin beim SFB bereits zwei Bestseller über Berlin vorgelegt. Und die vorliegende Darstellung markanter Kriminalfälle, an deren Lösung der langjährige Chef der Berliner Mordinspektion Ernst Gennat zwischen 1904 und 1938 beteiligt war, wird sich ebenfalls großer Lesergunst erfreuen können.

Da klärt der Dicke vom Alex, der nur Kuchen liebt und seinen Beruf, den Lustmord an einem zwölfjährigen Botenjungen auf und die Raubmorde, denen mehrere Geldbriefträger zum Opfer fallen. Ihm gelingt es, die Unschuld einer unter dringendem Mordverdacht stehenden Frau nachzuweisen und in einer vermeintlichen Selbsttötung einen Gattenmord zu erkennen. Er nimmt es sowohl mit der Schöneberger Raubbande auf, die einen Geldtransport überfallen hat, wie mit den SA-Leuten, die einen jüdischen Kaufmann entführten. Am 7.November 1938 schreibt der Kriminalist auch Fernsehgeschichte, indem er die erste TV-Fahndung ausstrahlen läßt.

Krampfhaft um Originalität bemüht, deutet die Autorin einen brutalen Raubmord an der Verkäuferin eines Kolonialwarengeschäftes als „Köpenickiade“. Doch der Vergleich mit dem Coup des Schusters Voigt hinkt gewaltig. In beiden Fällen spielen zwar Uniformen eine Rolle, ansonsten lassen sich statt Parallelen nur gravierende Unterschiede feststellen.

Schade, daß man über Gennats erfolgreiche Suche nach der Leiche Rosa Luxemburgs im Landwehrkanal nur mit vier Druckzeilen informiert wird. Also handelt es sich nicht um eine zufällige Entdeckung, wie man immer wieder lesen kann?

Unmut beim Lesen kommt auf angesichts der Schreibfehler, vor allem bei der Zeichensetzung und bei den Straßenangaben, die zum Teil falsch geschrieben oder verwechselt wurden und nicht alle mit dem heutigen Namen versehen sind. Möglicherweise handelt es sich dabei um unkritische Übertragungen aus den Polizeiakten, da Gennat es mit den Straßennamen auch nicht immer so genau nahm. Daß aber behauptet wird, Gennat hätte als „letzte Beförderung“ 1934 den Rang eines Regierungsrats erhalten, er später aber an anderer Stelle als Oberregierungsrat tituliert wird, ist wohl allein der geringen Sorgfalt beim Schreiben anzulasten. Das betrifft auch die selbstwiderlegte Behauptung, daß die Gestapoleute fachlich „ja keinerlei Voraussetzungen mitbrachten“. Schließlich hat die Phantasie folgenden Satz diktiert: „Allein eine unscheinbare Gedenktafel auf einem tristen Parkplatz erinnert noch an das alte Polizeipräsidium.“ Offensichtlich hat manchmal die (nicht immer akribisch recherchierende) Journalistin über die (mit wissenschaftlicher Sorgfalt arbeitende) promovierte Historikerin Regina Stürickow die Oberhand behalten.


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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