Eine Rezension von Gabriele Reinhold

Eine unheilige Allianz

Kyra Stromberg:

Zelda und F. Scott Fitzgerald

Ein amerikanischer Traum.

Rowohlt. Berlin Verlag, Berlin 1997, 192 S.

„Er ist die große Tragödie einer Begabung in unserer verdammten Generation“, hat Hemingway über Francis Scott Fitzgerald (1896-1940) gesagt, der mit seinen Romanen und Erzählungen wie This Side of Paradise, Tales of the Jazz-Age, The Beautiful and Damned, Tender is the Night oder - wer kennt ihn nicht? - The Great Gatsby als unbestechlicher Chronist der hektischen „Golden Twenties“ in den USA sehr schnell bekannt geworden ist - und fast ebensoschnell sein Talent und sich selbst zu Tode getrunken hat. Schon in seinen letzten Lebensjahren haben Autoren wie Faulkner, Hemingway oder Steinbeck ihm längst den Rang abgelaufen. Als er mit 44 Jahren stirbt, ist er, der Mann, der der sogenannten „lost generation“ den „amerikanischen Traum“ vorgelebt hat, so gut wie vergessen. Erst Jahre nach seinem Tode machen Fitzgerald-Kenner wie Malcolm Cowley, Edmund Wilsen oder Artur Mizerner wieder auf sein literarisches Œvre aufmerksam. Frühere Biographen Fitzgeralds haben vor allem Zelda, seine attraktive, glamouröse, kluge, exaltierte, oberflächliche, begabte, gefallsüchtige und zeit ihres Lebens in seinem Schatten stehende Frau, deren Mutter über sie geäußert haben soll: „Gott allein könne Zelda dazu bekehren, brav zu sein. (Der Papst genüge da nicht.)“ (S. 36), für die unaufhaltsame Selbstzerstörung seines Talents und seines Lebens verantwortlich gemacht - ungeachtet der verbrieften Einsicht Scotts: „Wir haben uns jeder selbst ruiniert, ich habe nie ehrlich geglaubt, daß wir uns gegenseitig zugrunde gerichtet haben.“ (S. 114) Die einseitige Schuldzuweisung war um so leichter möglich, da es von ihr anders als von Scott nur einen insgesamt eher spärlichen literarischen und autobiographischen Nachlaß gibt, der zudem lange Zeit verstreut war. Das, was von Zelda Fitzgerald, geborene Sayre (1900-1948), an Texten geblieben ist - ihr einziger Roman, Save me the Waltz, einige Stories, ein Theaterstück, ein paar Artikel und Rezensionen und ihre Briefe an Scott -, können ihre literarische und biographische Existenz nur unzureichend belegen. Von ihren Tagebüchern, die gewiß viel von ihrer Persönlichkeit und erzählerischen Originalität hätten mitteilen können, hatte Fitzgerald schon bald - als Stoff- und Ideenquelle - Besitz ergriffen, was sie einmal, sehr zum Verdruß Scotts, in der Öffentlichkeit mit der Bemerkung kommentierte: „Plagiarism begins at home.“ Spätestens seit die Tochter der beiden, Frances, genannt Scottie, ihre Erinnerungen an das Leben ihrer Eltern herausgegeben hat (1974), ist der Vorwurf gegen Zelda, sie vor allem sei an der Lebenskatastrophe des Mannes verantwortlich, der seine Zeit so genau wahrgenommen und wiedergegeben hat wie keiner der Zeitgenossen, so nicht mehr aufrechtzuerhalten.

„Alles wahrhaft Biographische, wohin die zurückgebliebenen Briefe, die Tagebücher, die Memoiren und so manches andere zu rechnen sind, bringen das vergangene Leben wieder hervor, mehr oder weniger wirklich oder im ausführlichen Bilde“, heißt es bei Goethe in den Nachträgen zu seiner Autobiographie Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit.

In diesem Sinne unternimmt Kyra Stromberg, „eine der besten Kennerinnen der angelsächsischen Literatur, Übersetzerin und Essayistin“, wie es im Klappentext dieser Paar-Biographie heißt, den Versuch, vermittels einer Fülle primärer und sekundärer Quellen, die sie auf eine für den Leser höchst informative und unterhaltsame Weise erzählerisch umzusetzen vermag, „ohne beschönigende Voreingenommenheit oder verstimmte Schuldzuweisungen zu verstehen, wie Charakter und Talent, persönliche Hintergründe und Lebensumstände, die historische Stunde und das Schicksal zusammenwirkten, um aus Scott Fitzgerald und Zelda Sayre ein Paar zu machen - und es zu zerstören“. (S. 12)

Wer sich mit dem von den Fitzgeralds inszenierten und gelebten Leben beschäftigt oder eben nur diese Biographie liest, kommt nicht umhin festzustellen, daß es dem Szenario einer Soapopera gleicht. Zwar stammen weder Scott noch Zelda aus der von ihnen so bewunderten Upperclass (was insbesondere Scott schon in seiner Kindheit tief verunsichert und wild entschlossen macht, reich und berühmt zu werden, um dazuzugehören), aber doch aus finanziell relativ gesicherten bürgerlichen Verhältnissen; er aus dem Norden, sie aus dem Süden. Sie sind jung, schön, voller Selbstsucht und Lebensgier und schon frühzeitig darauf aus, ihre Umwelt auf sich aufmerksam zu machen und zu provozieren und vor allem in der Übereinstimmung der von ihnen geschätzen Werte des Lebens wie Reichtum, Ruhm und gesellschaftliche Anerkennung geradezu wie geschaffen für einander, so scheint’s. Aber weder ihre erste Verliebtheit noch ihre Versöhnung nach der Trennung (Scott hatte von seinem „golden girl“ Zelda den Laufpaß bekommen, weil er nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst nur 35 Dollar verdiente, woraufhin er sich wochenlang sinnlos betrank), hatten die Leidenschaft und Großartigkeit, wie man sie sich vorstellt bei zwei Menschen, die so gar nicht voneinander lassen können, jedenfalls von Zeldas Seite nicht. Ein Freund Scotts notiert hingegen in seinem Tagebuch: „Fitz sollte Zelda gehen lassen und ihr nicht nachlaufen ... Das Schlimmste ist, daß Fitz ganz von Zeldas Persönlichkeit eingenommen ist ...“ (S. 78) Was sie schließlich doch vor den Traualtar führt, ist der ihr ganzes Leben bestimmende Moloch Geld. Als 1920 Scotts erster Roman This Side of Paradise erscheint und ein Bombenerfolg wird, ist Zelda von dem Honorar derart „geblendet“, daß sie ihn heiratet. Das Paradies scheint ihnen offenzustehen. Tatsächlich aber beginnt die Odyssee eines exzessiven Lebens nach dem Nicht-mit-dir-und-nicht-ohne-dich- Prinzip (beide haben, so ist überliefert, die Ehe schon bald bereut, bis zum Schluß aber bleibt zwischen ihnen „ein offenbar unzerstörbarer fester Kern an Zuneigung, zumindest an Verbundenheit“, S. 103), das vom Run aufs Geld, Alkoholismus („Die Fitzgeralds brechen lärmend und stockbetrunken bei ihm ein ...“, S. 78) und psychischen Zusammenbrüchen geprägt ist und für beide bitter, ja geradezu jämmerlich endet. (Zelda, die Scott um acht Jahre überlebt, wird das Opfer eines Brandes in einer psychiatrischen Klinik.)

Es ist belegt, daß Zelda eine dem Luxus und Wohlleben verfallene Frau war, sich am besten in der Rolle der Femme fatale gefiel und diese, von Scott ermuntert, auch blendend ausfüllte, bis sie die damit verbundene zunehmende Leere ihres Daseins nicht mehr ertrug und psychisch zusammenbrach, und daß Scott sich in ihrem Banne durch die Gesellschaft der Schönen und Reichen treiben ließ und dadurch sein Künstlertum gefährdete. Aussagen von Zeitzeugen und von Scott selbst belegen aber auch, daß sie eine ernstzunehmende Persönlichkeit war („Sie ist zweifellos die gescheiteste und schönste junge Frau, die ich kenne“, S. 76) und durchaus Anteil an seinem literarischen Erfolg hatte, nicht nur, indem sie Scott, angetrieben von ihm - „das Modell für alle Frauenfiguren geliefert hat“ (S.78), er selbst stand Pate für seine männlichen Helden, sondern auch, indem sie ihr eigenes erzählerisches Talent in seine Stories einbrachte. „Dies ist eine Geschichte aus dem amerikanischen Süden ... Sie wurde kurz nach dem Erscheinen meines ersten Romans geschrieben, und ich hatte dabei zum erstenmal einen Mitarbeiter ...“ (S. 79), bekannte Scott einmal ausnahmsweise öffentlich. Immer aber hat er eifersüchtig darüber gewacht, daß Zelda keine wirklich eigene literarische Karriere gelang, und es verstanden, sie in Abhängigkeit zu halten, zum einen, indem er ihr Talent kleinredete: „Du bist eine drittklassige Schriftstellerin und eine drittklassige Ballettänzerin ... verglichen mit mir - na ja, da gibt es keinen Vergleich ...“, aber auch finanziell: „Ich bin ein professioneller Schriftsteller mit einer riesigen Leserschaft. Ich bin der höchstbezahlte Storyschreiber der ganzen Welt“ (S. 155). Zahlreiche von Zelda geschriebene Stories sind unter seinem Namen erschienen, weil sein „Marktwert“ und also sein Honorar natürlich ungleich höher war als der ihre. Und Mammon war für Zelda immer ein überzeugendes Argument, ihren literarischen Ehrgeiz hintanzusetzen, zumal beide ständig über ihre - solange Scott ein gefragter Autor war - nicht eben schlechten Verhältnisse lebten. Erst getrennt von Scott, schreibt Zelda 1930, als Patientin in einer psychiatrischen Klinik, ohne ihn das zunächst wissen zu lassen, in wenigen Wochen die erste Fassung ihres Romans Save me the Waltz. Seine empörte, eifersüchtige Reaktion darauf - er ist einfach nicht imstande, ihr das Recht auf „etwas Eigenes“ zuzubilligen - gipfelt in dem Vorwurf, sie habe „sein Material“ mißbraucht, und er verlangt von ihr: „Ich will, daß du tust, was ich will. Genau das - und du weißt es ... Alles, was wir gemeinsam gemacht haben, war m e i n e Sache ... ich bin der professionelle Schriftsteller, und ich sorge für dich. Das ist alles mein Material, nichts gehört dir ...“ (S. 155) Wenn vielleicht der Eindruck entstanden sein sollte, die Autorin des in der Rowohlt-Reihe „Paare“ herausgegebenen, mit einigen Fotos angereicherten Porträts eines faszinierenden „literarischen Doppellebens“ habe entgegen ihrer eingangs zitierten Absichtserklärung doch voreingenommen und parteiisch vor allem die Demontage F. Scott Fitzgeralds betrieben (was er ja in wahrlich großzügiger Weise selbst getan hat), so ist das nur dem ausgewählten Blick in diese spannende Biographie geschuldet. Es geht ihr, denke ich, nicht darum, die unheilige Allianz des „Traumpaares des Jazz-Zeitalters“ neu zu deuten und neu zu bewerten. Es gelingt ihr vielmehr, weitgehend chronologisch und ausgewogen zwischen privaten und gesellschaftlichen Ereignissen, das Wesentliche und Besondere der so triumphal beginnenden und so tragisch endenden Lebensgeschichte der Fitzgeralds zu vermitteln, diese als eine bittere Liebes- und Leidensgeschichte transparent zu machen und dabei ohne alle Vordergründigkeit, unterstützt durch zahlreiche sehr aussagefähige Zitate, Zeldas Rolle in dieser Love-Story ohne Happy-End mehr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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