Eine Rezension von Kathrin Bosien


Kunst, Kitsch und Kommerz

Hans Platschek: Die Dummheit in der Malerei

Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1998, 172 S.

 

Wer ist der Dumme? Der Künstler, der Fischgräten anmalt? Der Galerist, der diese zur Schau stellt? Der Kritiker, der in den angemalten Fischgräten den „Weltsinn“ entdeckt? Der Kunstfreund, der für viel Geld derartige Kunstwerke erwirbt? Wer hier ein Buch nur über „dumme Bilder“ erwartet, sieht sich getäuscht. Hans Platschek, Maler, Essayist und Kritiker, faßt den Kreis der Adressaten seiner Polemik sehr weit. Weiter noch als Hanns Eisler, dessen Bemerkungen „Über die Dummheit in der Musik“ Anregungen, nicht nur für den Titel des vorliegenden Bandes, lieferten. Fand Eisler die Dummheit vor allem bei jenen Interpreten und Zuhörern, die die Deutung eines Werkes an die Stelle der originalen Schöpfung stellen, so findet Platschek sie bei allen vor, die mit der Kunst umgehen. Und das sind neben den Künstlern auch Kunstkritiker, Kunsthändler, Kunstliebhaber oder der ganz normale Betrachter von Kunstwerken.

Der Band enthält Essays aus den Jahren 1966 bis 1984, die in so unterschiedlichen Publikationen wie dem „Merkur“ oder der DDR-Zeitschrift „Bildende Kunst“ veröffentlicht wurden. Ist die Dummheit als Gegner einmal ausgemacht, variieren die Schauplätze, auf denen Platschek gegen sie anficht. Da ist zunächst die Malerei im Dritten Reich, bewertet schon mit dem Titel als „Kunst in Uniform“. Des weiteren die Leserbriefseiten der Zeitungen, wo ihm „Der gehorsame Kunstfreund“ begegnet. Die Kunstmärkte des Westens, auf denen „Congo“ und auch „Der Mann mit dem Hut“ Furore machten. In „Congo“ geht der Autor auf Malereien und Zeichnungen ein, die der Jungschimpanse Congo 1957 in London schuf und die sich zur Überraschung seiner Betreuer zu erstaunlich hohen Preisen verkauften. Platschek resümiert: „Wer heute Congos Arbeiten zu Gesicht bekommt, wird, wüßte er nicht, daß sie von einem Affen stammen, unverzüglich an einen besonders heftigen Maler denken. Die Parallele zur informellen Malerei bietet sich von allein an, und nicht zufällig taucht der Gedanke auf, ob das wissenschaftliche Experiment nicht entweder die Malerei parodiert oder gar überboten hat.“ In „Der Mann mit dem Hut“ stellt Platschek nicht nur heraus, daß er Joseph Beuys für völlig überschätzt und für einen „Metaphysiker im Supermarkt“ hält, sondern polemisiert auch gegen die nicht nur von Beuys propagierte Auffassung, wonach alles Kunst und jeder ein Künstler sei.

Was die Lektüre so anregend macht, ist nicht nur Platscheks pointierte und oft recht bissige Schreibweise. Er scheut sich zudem nicht, auch die Arbeiten und Ansichten berühmter, etablierter Künstler zu zerpflücken. Hans Platschek entzieht sich einer schnellen Einordnung, indem er die gängigen einseitigen Schuldzuweisungen meidet. So sieht er die Kunst gefährdet, sowohl von den „kleinbürgerlichen Maßgaben des noch immer gesunden Volksempfindens ebenso wie von deren Gegenteil, den das ,Niedrige‘ verachtenden Mystifikationen der angeblich Eingeweihten, von der Phraseologie der Kunstkritik und deren kunstfernen Indoktrinationen, von dem auf Ware und Images fixierten Kunstmarkt und auch ... von mancher Kunst selbst“, wie Lothar Romain in seinem Vorwort darstellt.

In ein Gruselkabinett der deutschen Sprache führt Platschek mit seinem Essay über Kunstkritik „Phrasenmüll und Inserate“. Vielleicht sei es ein Irrtum, so der Autor, wenn man darauf bestehe, von der Kunstkritik etwas über Bilder und Plastiken zu erfahren. Womöglich seien diese nur Anlaß für die freie Formulierung? Entsprechend fallen auch die von ihm genannten Schulfälle aus. Da zitiert er beispielsweise aus einem Beitrag über einen Maler: „Die Entwicklung Baumeisters war überzeugend, sie geriet immer mehr auf die Seite des Universellen und Sinnbildlichen, der Weltschöpfung und des Weltsinnes, und die letzten einfachen Zeichen beinhalten, wie die des chinesischen I Ging, den Menschen vor dem Unendlichen, das Sein und das Schicksal.“ Wozu soll sich der Betrachter da noch von Bild zu Bild schleppen, wenn er solche Interpretationen liest. Das Universelle, der Weltsinn und das Schicksal, so folgert Platschek, ersparen allerdings Arbeit. Obwohl die Kritiker, auf die der Beitrag von 1966 namentlich zielt, heute vergessen sind, bleibt er doch sehr zeitgemäß. Wahrscheinlich weil jene Kunstinterpreten Nachfolger gefunden haben, „jene Lyriker, die in den Ausstellungskatalogen von Gott und der Welt, nur nicht vom Ausgestellten reden“. Daß nun aber der „Phrasenmüll hilfloser Kritiker“ die Malerei mehr gefährdet als beispielsweise die Literatur, mag angesichts der Auslassungen bestimmter Germanisten und Literaturwissenschaftler bezweifelt werden.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 6/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite