Eine Rezension von Kathi Georg


Die unglaubliche Entdeckung der schönen Mrs. Stone

Aldous Huxley/Christopher Isherwood: Jakob der Heiler

Eine Originaldrehbuchvorlage.

Aus dem Englischen von Michael Mundhenk.

Ullstein Verlag, Berlin 1998, 128 S.

Ein Märchen wird vom Verlag angekündigt, bei dem die Umstände, die zu seiner Entdeckung führten, wirklich märchenhaft anmuten. Sharon Stone, eher bekannt als Filmstar und Sexsymbol denn als Literaturwissenschaftlerin, liest die Tagebücher von Christopher Isherwood und stößt dabei auf eine Bemerkung, der zufolge Isherwood mit Aldous Huxley in den vierziger Jahren gemeinsam an einer Drehbuchvorlage gearbeitet hat. Von unbezähmbarer Neugier gepackt, gelingt es ihr, Laura Huxley zu überzeugen, doch einmal die Siebensachen ihres Schriftstellergemahls durchzusehen, ob da nicht eine Spur des Textes zu finden wäre. Das Wunder geschieht: Auf dem Dachboden ihres Hauses findet Frau Huxley in einer Kiste das vergilbte Manuskript von Jacob’s Hands. Die Geschichte erscheint nun in diesem Herbst gleichzeitig in englischer und deutscher Sprache, im Deutschen unter dem etwas abgewandelten Titel Jakob der Heiler. Es geht darin um die Gabe des Heilens, genauer gesagt, um den krassen Gegensatz, der zwischen körperlicher und seelischer Gesundheit bestehen kann. Von Aldous Huxley, dessen Geniestreich von 1932 Schöne neue Welt zum Standardwerk einer prophetischen Zukunftsliteratur wurde, ist die Passion für Themen wie Geist und Seele bekannt. Weniger wohl von Christopher Isherwood, dem kühl beschreibenden Realisten, dessen autobiographisch gefärbtes Buch Leb’ wohl, Berlin zur Vorlage für das Musical „Cabaret“ wurde.

Wenn nun der Fund eines gemeinsamen Werkes dieser beiden bedeutenden Schriftsteller nach fünfzig Jahren ohne Zweifel eine kleine Sensation ist, so muß allerdings leise bezweifelt werden, ob nun die Geschichte wirklich das „kleine Meisterstück“ und „hinreißende Märchen“ ist, als die es der Verlag verkaufen will.

Angefangen damit, daß der Text alles andere als sprachlich ausgefeilt daherkommt, der Untertitel „Drehbuchvorlage“ ist also durchaus ernst zu nehmen, wirken auch die Figuren klischeehaft und recht einfach strukturiert. Da ist zunächst der Farmarbeiter Jakob - gut, schwerfällig und geistig nicht der Hellste. Er entdeckt eines Tages die Gabe, mit seinen Händen Kranke gesund zu machen. Wie das erfolgt, weiß er natürlich nicht. Es geschieht eben, sozusagen als Vollstreckung eines höheren Willens. Zunächst wendet er seine Fähigkeit bei Tieren und dann auch bei Menschen an. Die erste Genesende ist Sharon - sehr hübsch, körperlich sehr behindert, seelisch sehr schwach. Nach ihrer Heilung geht Sharon fort von der Farm, auf der sie mit ihrem Vater (böse, leidend und egoistisch) und dessen Schwester (genauso böse, alte Jungfer und herrschsüchtig) gelebt hat. Damit verläßt sie aber auch Jakob, den sie sehr mag und der sie natürlich liebt und bewundert. Sie geht nach Los Angeles, um Sängerin zu werden.

Auch Jakob verschlägt es in die Großstadt, wo er erst in einer Kirche Menschen heilt und dann an zwei üble Halunken gerät, die mit seiner Gabe das große Geschäft machen wollen. Bei ebendiesen Ganoven ist, wie es der Zufall will, auch Sharon gelandet. Ihre Karriere als Sängerin hat sie, wie nicht anders zu erwarten, nicht auf eine große Bühne, sondern in einen verruchten Nachtklub geführt. Statt nun ihre Sachen zu packen und mit Jakob die Stadt zu verlassen, zeigt die hübsche Sharon, wie schnell sie dem schnöden Mammon erlegen ist. Deutlicher Fingerzeig darauf, daß körperliche Wiederherstellung eben wenig nützt, wenn die Seele nicht geheilt wird. So bringt sie auch Jakob dazu, für die beiden Gauner zu arbeiten. Eines Tages wird er zu dem jungen Mr. Medwin - sehr schön, sehr reich und sehr krank - gerufen. Medwin, körperlich geheilt, hat natürlich nichts Besseres zu tun, als Jakob die Freundin wegzuschnappen. Die läßt sich auch wegschnappen, da sie, wie wir wissen, scharf auf Geld und, wie sich dann zeigt, noch schärfer auf Juwelen ist. Doch die Strafe für das ruchlose Benehmen des jungen Mannes läßt nicht lange auf sich warten. Medwin wird wieder krank, und der herbeigerufene Jakob muß noch einmal seine wundertätigen Hände in Aktion treten lassen. Dadurch wird nun endlich Medwins Seele geheilt, sein Körper ist danach aber mausetot. Tief erschüttert wendet Jakob seine Kunst von Stund’ an nur noch bei Tieren und Kindern an.

Alles hat sich letztlich so entwickelt, daß man nur gemeinsam mit Mr. Medwins Mutter ausrufen kann: „Ich wußte, daß so etwas passieren würde!“

Manchmal macht es wohl doch einen Sinn, wenn berühmte Literaten eben hin und wieder einmal ihre Werke in einer großen Kisten auf einem dunklen Dachboden verstecken. Vielleicht hätte Sharon Stone auch wirklich weiter in Filmen spielen sollen, statt allzu neugierig zu sein.


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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