Annotation

Tornow, Thorsten:

Sills' Verhängnis

Kriminalroman.

Piper, München 1997, 285 S.

Was soll einer tun, wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht und jede Minute der Gerichtsvollzieher in der Tür stehen kann, um die letzten Habseligkeiten zu pfänden. Aber da wäre - außer einem Bündel unbezahlter Rechnungen - bei Sills ohnehin nicht viel zu holen. So recht und schlecht hat er sich nach abgebrochenem Jura-Studium mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen. Hier und da mal eine Gefälligkeit für einen Ex-Kommilitonen, der heute große Autos fährt und Designer-Klamotten trägt. Mit Wohnungen hat's meistens zu tun, aber ihn Makler zu nennen, wäre übertrieben. Klar greift Sills wie ein Ertrinkender nach dem Strohhalm, als in seinem heruntergekommenen Kreuzberger Büro eine zwielichtige Gestalt, geschickt von seinen Anwalt-Freunden, aufkreuzt und ihn anheuert, einen rätselhaften Todesfall nach einer Party aufzuklären. Bald steckt Sills tiefer in einem Mordfall drin, als er je vermutet hätte. Drei Frauen sind brutal durch Messerstiche ermordet worden. Sills Vorteil, er weiß davon früher als die anderen Personen des Romangeschehens. Und natürlich ist er auch der Polizei immer um eine Leiche voraus. Eine Tote findet er im Hängeboden ihrer Wohnung, die andere in einem Keller, der auch ihm bald zum Verhängnis geworden wäre. So gelingt es dem Autor, Spannung zu schaffen und bis zum Schluß zu steigern. Immer wieder legt er neue Spuren, bringt er neue Verdachtsmomente und Akteure in die Handlung. Sills Ermittlungen konzentrieren sich auf eine Produktionsfirma, die Pornos produziert und in deren Besetzungslisten die drei ermordeten Frauen geführt worden. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den brutalen Filmszenen und den Morden? Wer sind die Geldgeber für die Produktion? Wer agiert hier unter welchen Namen? Dann ist noch eine obskure Vater-Sohn-Beziehung zu entwirren. Und alle sind irgendwie verdächtig. Viel zu tun für Sills, der ein besonderes Talent hat, in alle möglichen Fallen zu stolpern. Mit Glück und oft mit der Faust gelingt es ihm, aus dem Schlamassel zu entkommen. Er muß viel einstecken, wird krankenhausreif geschlagen, aber als Amateurboxer ist er auch hart im Nehmen.

Thorsten Tornow gelingen in seinem Krimi präzise Beschreibungen Berlins vor dem Mauerbau. Vor allem das flippige Kreuzberg ist seine Welt, über die er mit Lakonie und hintergründigem Witz erzählt. Wer ein Faible für „hard boiled“ Krimis hat, der findet Vergnügen an Sills' Verhängnis.

Gudrun Schmidt


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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