Friedrich Wilhelm Leopold von Bärensprung


* 20. 08. 1779 in Berlin
+ 04. 07. 1841 in Berlin
Bildnis Friedrich Wilhelm Leopold von Bärensprung
Oberbürgermeister
vom März 1832 bis 6. 10. 1834

Mit Friedrich Wilhelm Leopold von Bärensprung - am 12. Dezember 1831 zum Oberbürgermeister gewählt - trat im März 1832 eine Persönlichkeit an die Spitze der Berliner Stadtverwaltung, die wie selten eine andere in diesem Amt in der jüngeren Geschichte Berlins von großer Widersprüchlichkeit, ja Polarität gekennzeichnet war. Er unterschied sich im Stil grundsätzlich von seinen beiden Vorgängern, die seit Einführung der Steinschen Städteordnung im Jahre 1808 an der Spitze der Stadt standen. Prägendes Kennzeichen seiner Dienstjahre waren die Autorität, die er aus der Funktion eines Oberbürgermeisters ableitete, und die damit verbundene rigorose Ausnutzung seiner Amtsgewalt. Bärensprung war ein Mann, dem viele Zeitgenossen großes Format bescheinigten. Er galt als ein exzellenter Kenner der Kommunalpolitik, man schätzte seinen scharfen Verstand, seinen tiefen Blick und sein schnelles Urteil. Es heißt, er habe einen kräftigen Willen, ja, er sei wie zum Regieren geboren. Oberste Maxime seines Handelns war es stets, mit aller Kraft für die Schaffung einer leistungsfähigen Verwaltung zu wirken; dem Schlendrian galt sein unerbittlicher Kampf. Die andere Seite seines Wesens, die immer wieder viele gute Absichten zunichte machte, war seine dabei bis an die Grenze der Schroffheit gehende Leidenschaftlichkeit. Sie hinderte ihn oft daran, das als richtig Erkannte auch auf vernünftige und maßvolle Weise durchzusetzen. Kaum ein Beschluß von Bedeutung des von ihm geleiteten Magistrats ist der Nachwelt in Erinnerung geblieben, dafür um so mehr nicht enden wollende, nicht selten tumultartige Ausmaße annehmende Querelen und Zänkereien innerhalb dieses Gremiums. Zweitrangige Angelegenheiten, die getrost unter der Rubrik "Provinzposse" hätten abgelegt werden können, weiteten sich zu Staatsaffären erster Ordnung aus, die dann monatelang Gesprächsstoff Nummer eins in allen Kreisen der Stadt waren. Nicht selten mußte man sich sogar in der preußischen Staatsregierung und am Königshof mit seiner Amtsführung beschäftigen.

Dabei brachte Friedrich von Bärensprung alle Voraussetzungen für eine von Sachkenntnis getragene Kommunalpolitik mit. Er wurde am 20. August 1779 in Berlin geboren und entstammte einer preußischen Beamtenfamilie. Sein Vater bekleidete hohe Funktionen im Finanz- und Forstwesen. Nach dem Besuch eines renommierten Gymnasiums studierte er in Erlangen und Göttingen Jura und war danach als Referendar und Kammerassessor tätig. Anschließend wirkte er in verschiedenen Kommissionen des preußischen Staates, kümmerte sich um die Unterbringung französischer Soldaten, war in der Generalverpflegungs- und der Kriegsschuldenkommission tätig und befaßte sich mit Gewerbesteuerangelegenheiten. 1812 offenbarte sich zum ersten Mal sein auf Konflikt angelegtes Wesen. Heftige Streitereien mit dem preußischen Reformer Christian Friedrich Scharnweber mündeten im Juni in ein Pistolenduell und hatten ein gerichtliches Nachspiel zur Folge. Bärensprung wurde zu sechs Monaten Festungshaft verurteilt. König Friedrich Wilhelm III. wollte ihn zur Bewährung als Regierungsrat nach Gumbinnen (heute Gussew) entsenden, er weigerte sich jedoch und zog es vor, seine Strafe auf der Festung Pillau (heute Baltijsk) anzutreten. Wieder zurück in Berlin, wurde er von der Stadtverordnetenversammlung am 23. Juni 1814 zum Bürgermeister gewählt, nicht ohne daß vorher der preußische Innenminister persönlich eingreifen mußte, da es wieder einmal interne Auseinandersetzungen um seine Person gegeben hatte.

18 Jahre wirkte Bärensprung nun als "zweiter Mann" unter dem als liberal geltenden Johann Büsching, und in dieser Zeit hat er sich auch bleibende Verdienste um eine moderne Stadtentwicklung erworben. So verhandelte er mit großem Geschick mit Vertretern der Oberbehörde und der Kreise Teltow und Niederbarnim über eine Neugliederung der Jurisdiktion. Für immer ist sein Name jedoch verbunden mit der 1824 eingerichteten Gewerbeschule, deren Gründung er mit großer Energie betrieb. Sie verkörperte einen neuen, bisher nicht bekannten Typ einer Unterrichtsanstalt in Preußen. Auf die bis dahin so liebevoll gepflegten alten Sprachen wurde völlig verzichtet, statt dessen standen - angesichts des rasanten Aufschwungs der technischen Entwicklung - Mathematik, Naturwissenschaften, Zeichnen und neue Sprachen auf dem Unterrichtsplan.

Als Büsching 1831 70jährig seinen Rücktritt bekanntgab, gingen nicht weniger als 18 Personen als Kandidaten um dessen Nachfolge ins Rennen. Unter ihnen war auch der inzwischen 52jährige Bärensprung. Er war nicht unumstritten, und so gelang es ihm am 12. Dezember 1831 erst im zweiten Anlauf, mit 67 Ja-Stimmen bei 21 Gegenstimmen die Wahl für sich zu entscheiden. Und damit begann eine zweijährige, alles andere als für die Stadt ersprießliche Periode, gekennzeichnet von aufreibenden, mit kompromißloser Unversöhnlichkeit geführten Auseinandersetzungen um seine Person.

Bislang galt der Oberbürgermeister im Kreise seiner Magistratskollegen nämlich als Erster unter Gleichen; Bärensprungs Verständnis von Amtsführung mußte mit dieser Auffassung zwangsläufig auf fundamentale Weise kollidieren. Er sah sich als ein Leiter, ausgestattet mit Weisungsbefugnis und Disziplinargewalt, der Magistrat sollte ein von ihm straff geleitetes und seine Anordnungen ausführendes Organ sein. So konnte es nicht lange dauern, bis es zum ersten Krach kam. Als eine als internes Diskussionspapier gedachte Magistratsvorlage zur finanziellen Situation der Armenpflege in der Stadt ohne die Zustimmung Bärensprungs in mehreren hundert Exemplaren an die Öffentlichkeit gelangte und sogar in der Regierung und am Königshof zirkulierte, war er entschlossen, ein Exempel zu statuieren. In langwierigen, in einer Atmosphäre der Feindseligkeit geführten Debatten kannte er dabei nur ein Ziel: herauszufinden, wer der Urheber des Eklats war, und klarzustellen, worin seine Rolle als Dienstvorgesetzter besteht. Als Bärensprung dann gar noch einen Stadtrat aus seiner Funktion als Vorsitzender der sogenannten Armendirektion entließ, eskalierte der Konflikt weiter. Der Magistrat sah das als einen Akt der Rache an. Zu einem solchen Schritt sei Bärensprung gar nicht befugt, nur das Kollegium selbst könne die Deputationen und Kommissionen besetzen. Mit härtesten Bandagen wurde um Richtlinienkompetenzen und Geschäftsordnungsfragen gerungen. Ergebnislos. Beide streitenden Parteien wandten sich an den Innenminister persönlich. Dieser bestätigte die Auffassung des Magistrats, mahnte jedoch gleichzeitig an, das Problem in einem neuen Geschäftsordnungsregulativ eindeutig zu klären. Doch Bärensprung gab sich nicht geschlagen und setzte seine Konfliktstrategie fort. So war es nur eine Frage der Zeit, bis neues Ungemach drohte.

Der Anlaß war eher zum Schmunzeln, wenn auch nicht ohne ernsteren finanziellen Hintergrund. Es ging um die Abschaffung der sogenannten zweischläfrigen Bettstellen. Bislang war es nämlich üblich, daß zwei Soldaten, wenn sie bei Bürgern einquartiert waren, zusammen ein Bett zum Schlafen teilen mußten. Wohl aus Sorge um die Sittlichkeit beabsichtigte Bärensprung, dies zum 1. Juli 1833 zu ändern und durchzusetzen, daß jedem Soldaten eine eigene Schlafstätte zustehe. Der Magistrat teilte mehrheitlich diese Ansicht, wollte aber die endgültige Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung überlassen. Bärensprung sah hierin sein Weisungsrecht beschnitten und verfügte kurz und bündig in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der zuständigen Einquartierungskommission die Angelegenheit im Alleingang. Die geharnischte Reaktion des Magistrats folgte auf dem Fuße. Bärensprung, der sich gerade nicht in Berlin aufhielt, wurde als Chef der genannten Kommission abgesetzt und sein ärgster Widersacher, Bürgermeister Rehfeldt, mit der Wahrnehmung dieser Funktion betraut. Erst eine königliche Intervention konnte den ursprünglichen Zustand wiederherstellen. In einem Klima von Schmähungen, Unterstellungen und Diffamierungen bis hart an den Rand der körperlichen Nötigung erörterte der Magistrat den Fall. Verbissen kämpfte Bärensprung um seine Chefbefugnisse. Der Konflikt erwies sich als unlösbar, der Magistrat war in seiner Arbeitsfähigkeit quasi lahmgelegt. Nur ein Machtwort des Königs konnte noch helfen. Wenn auch das Verhalten des Magistrats mit seinen Auffassungen von Autorität sicherlich kollidieren mußte, so kamen Seine Majestät dennoch nicht umhin, festzustellen, daß es sich dabei um eine übliche Praxis gehandelt habe. In einem zukünftigen Geschäftsordnungsregulativ müsse jedoch gelten, daß der Oberbürgermeister Dienstvorgesetzter ist und gegenüber den Magistratsmitgliedern das Weisungsrecht habe. Der Wirkliche Geheime Oberregierungsrat Köhler wurde in Marsch gesetzt, um in diesem Sinne eine Versöhnung zwischen den streitenden Parteien zu erreichen. Beide Seiten gelobten Besserung, doch es sollte sich schon wenige Zeit danach zeigen, daß das Zerwürfnis irreparabel war und auch höchstkönigliches Bemühen es nicht mehr vermochte, die Heißsporne zur Raison zu bringen.

Unter den gegebenen Umständen sah Bärensprung schließlich ein, daß es ihm in dieser Atmosphäre der Konfrontation nicht mehr möglich war, seine Amtsgeschäfte auf sinnvolle Weise weiterzuführen. Mit Vertretern der Stadtverordnetenversammlung einigte er sich im Januar 1834 über die Modalitäten seines Rücktritts. Einen Monat später, am 3. Februar 1834, reichte er beim König "aus gesundheitlichen Gründen" die Demission ein. Bis zur Amtsübernahme eines neuen Oberbürgermeisters sollte der Potsdamer Regierungsrat Sellenthin die Geschäfte führen. Dies zerschlug sich aber, und obwohl Heinrich Wilhelm Krausnick seit Ende Mai als oberster Anwärter auf die Nachfolge bereits designiert war, sollte es erst Herbst werden (der spätere Stadtschreiber H. E. Kochhann nennt den 6. Oktober 1834), bis Bärensprung endgültig aus dem Amt verabschiedet wird.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst zieht sich der Oberbürgermeister im Ruhestand völlig aus dem öffentlichen Leben zurück. Er pflegt gesellige Beziehungen und verfolgt das kommunalpolitische und politische Geschehen nur noch als interessierter Beobachter. Bisweilen tritt er jedoch noch anonym als Artikelschreiber für in Leipzig und in Stuttgart erscheinende Publikationen zu Themen der Kommunalentwicklung in Erscheinung. Erst 61jährig, stirbt er am 4. Juli 1841 in Berlin an den Folgen eines ärztlichen Eingriffes. Sein Grab befindet sich auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof zu Berlin an der Chausseestraße im Stadtbezirk Mitte.

 

© Edition Luisenstadt, 1998
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