58   Porträt Ehrenbürger Ludwig Hoffmann  Nächste Seite
Wolfgang Helfritsch
Er prägte Berlin wie kein anderer

Ehrenbürger Ludwig Hoffmann
(1852–1932)

»Ich hatte das Glück, auf meinem Gebiete eine so umfangreiche und vielseitige Tätigkeit entfalten zu können, wie dies ... einem Architekten nicht oft beschieden war. Ohne einen fortdauernd freien, frischen und frohen Sinn ist solch weitreichendes künstlerisches Schaffen nicht möglich. Und daß ein solcher Sinn bis in ein hohes Alter mir erhalten blieb, verdanke ich zunächst meiner Frau und meinen sieben Kindern. In Zeitabständen von drei Jahren war diese zahlreiche Jugend erschienen, so hatte ich durch zwanzig Jahre hindurch immerzu kleines Gezappel um mich.«
     Ludwig Hoffmann, der sich in seinen »Lebenserinnerungen eines Architekten« solcherart äußerte, hatte allen Grund, mit Zufriedenheit, Abgeklärtheit und einem Schmunzeln auf sein Leben zurückzublicken: Hatte er doch das Bild Berlins durch mehr Gebäude und bauliche Ensembles geprägt als Knobelsdorff, Schinkel, Schlüter, Gontard, Eosander und Langhans zusammen; hatte er sich doch gegen die


Ludwig Hoffmann

sogenannten Avantgardisten seiner Zeit wie Gropius, van der Rohe, Taut, Behrens u. a. behaupten können; hatte er doch seinen Plänen und Intuitionen in einer Atmosphäre familiärer Harmonie und materieller Sicherheit nachgehen können, und schließlich konnte er sich doch der persönlichen Gunst seines Kaisers rühmen, mit dem er im Laufe seines erfolgreichen Schaf-

SeitenanfangNächste Seite


   59   Porträt Ehrenbürger Ludwig Hoffmann  Vorige SeiteNächste Seite
fens an die dreißig Male zusammengekommen war.
     Ludwig Ernst Emil Hoffmann wurde als Sohn des Rechtsanwaltes, Hofgerichtsadvokaten und Präsidenten des Hessischen Abgeordnetenhauses und Reichstagsabgeordneten Karl Johann Hoffmann am 30.Juli 1852 in Darmstadt geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Darmstadt und der Ableistung seines Militärdienstes nahm er 1873 ein Studium an der Kunstakademie in Kassel auf, das er 1874–1879 an der Bauakademie in Berlin fortsetzte.
     Er absolvierte seine Ausbildung mit Bravour und wurde bereits in jungen Jahren zur Projektierung und Bauausführung wichtiger Vorhaben, so der Kriegsakademie in Berlin, herangezogen. 1884 legte Ludwig Hoffmann sein Examen als Regierungsbaumeister ab. Mit der Schinkelmedaille und einer Studienreise ausgezeichnet, informierte er sich durch Augenschein über die Architektur Italiens, Frankreichs und Österreichs und empfing wertvolle Impulse für sein künftiges Schaffen. Gleichzeitig nahm er mit seinem Studienfreund Dybwad an einem Wettbewerb um den geeignetsten Entwurf für den in Leipzig geplanten Bau des Reichsgerichtes teil. Ihr Projekt wurde infolge seiner bestechenden Zweckmäßigkeit und Schönheit von 119 eingereichten Arbeiten mit allen Richterstimmen zum Wettbewerbssieger erklärt.
     1887 übertrug man dem kaum 35jährigen
die Durchführung des Reichsgerichtsbaus, obwohl er nach eigenem Zeugnis »selbständig und in eigener Verantwortung noch nicht die kleinste Hütte, noch nicht den kleinsten Stall« gebaut hatte. Er enttäuschte das in ihn gesetzte Vertrauen nicht und erwarb bei Fachleuten und Politikern hohe Anerkennung. Selbst der Kaiser bekundete ihm persönlich die Wertschätzung seiner Arbeit. Weitere Studienreisen nach Süddeutschland, Belgien, Holland, Dänemark, England, Polen, Böhmen und in die Schweiz dienten Ludwig Hoffmann dazu, sein Wissen zu erweitern sowie Bauwerke im Kontext zur Historie, zur Landschaft und zur sozialen Umgebung zu begutachten.
     1896 entschied sich Ludwig Hoffmann zur Übernahme der Funktion des Berliner Stadtbaurates, obwohl ihm seitens der Regierung rangmäßig lukrativere Angebote unterbreitet wurden. Es reizte ihn, seine Fähigkeiten vielseitig unter Beweis zu stellen und unterschiedlichste Herausforderungen anzunehmen; dazu erschien ihm das Amt des obersten Berliner Bauherrn in der Zeit eines raschen wirtschaftlichen Aufschwungs und einer regen Bautätigkeit besonders geeignet. Die Tatsache, daß er dieses Portefeuille 28Jahre lang ohne Unterbrechung ausübte, beweist, daß er sich in dieser Einschätzung nicht getäuscht hatte; zugleich belegt sie seinen Sachverstand und sein großes Ansehen bei der Berliner Bürgerschaft.
SeitenanfangNächste Seite


   60   Porträt Ehrenbürger Ludwig Hoffmann  Vorige SeiteAnfang
     Nicht allein die Anzahl der in seiner Amtszeit entstandenen Bauwerke ist bewunderungswürdig – es waren insgesamt 111 Anlagen mit über 300 Einzelobjekten –, mehr noch ist es die von Ludwig Hoffmann bewältigte Vielfalt der Vorhaben.
     Die Mehrzahl der in der ersten Jahrhunderthälfte in Berlin entstandenen Schulbauten trägt seine Handschrift. Er errichtete Badeanstalten und Altersheime, Feuerwachen und Straßenreinigungsdepots; er realisierte großformatige Krankenanstalten wie das Virchow-Krankenhaus oder die Krankenstadt in Berlin-Buch; der den Friedrichshain nach Westen abschließende Märchenbrunnen ist ebenso sein Werk wie das Märkische Museum und das die City prägende Berliner Stadthaus. Zur Liste seiner Bauten zählen Kultureinrichtungen und Museen ebenso wie Apotheken, Denkmäler und Friedhofsportale. Relativ unbekannt ist auch, daß der rückwärtige An- und Erweiterungsbau der Humboldt-Universität auf Ludwig Hoffmann zurückgeht. Glücklicherweise ist der größte Teil seiner Bauten bis heute erhalten geblieben.
     Hoffmanns Leistungen wurden durch Mitgliedschaften von Akademien, zahlreiche Orden und Ehrungen sowie das Ehrendoktorat der Technischen Hochschule Darmstadt gewürdigt. Trotz aller Erfolge und hoher Wertschätzungen blieb er ein mit der Realität des Lebens verbundener, den Berlinern aller sozialen Schichten zu-
getaner und bescheidener Mensch. »Ich habe in meinem Leben wiederholt beobachtet«, schreibt er in seinen Lebenserinnerungen, »wie kluge Männer sich und ihrer Arbeit Schwierigkeiten dadurch bereiteten, daß sie das Übergewicht ihrer Person und Leistung andere empfinden ließen. Sich von persönlichen Schwierigkeiten dauernd freihalten und damit sachlich leichter und erfolgreich arbeiten wird nur der, dem es gelingt, nach jedem weiteren äußeren Erfolg um ein entsprechendes Teil bescheidener aufzutreten.« Es entsprach dieser Haltung, daß er die Aufstellung seiner vom Magistrat in Auftrag gegebenen Bronzebüste im Stadthaus so lange verhinderte, solange er noch in diesem Gebäude arbeitete.
     Als Ludwig Hoffmann 1924 in den Ruhestand trat, wurde er auf Beschluß der städtischen Körperschaften vom 5./13. März 1924 zum Berliner Ehrenbürger ernannt. Er starb am 11.November 1932 in Berlin. Beerdigt wurde er in seinem Geburtsort Darmstadt.

Bildquelle:Archiv LBV

SeitenanfangAnfang

Berlinische Monatsschrift Heft 3/99
© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de