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disch vorgetriebene Rohr erforderlich wurde, stießen die Archäologen der Grabungsfirma Torsten Dressler auf Fundamentreste der Klosterkirche und späteren Hof- und Domkirche der brandenburgischen Kurfürsten, die 1747 Friedrich der Große abreißen und durch einen Neubau am Lustgarten ersetzen ließ.
     In der Mitte der Grabungsfläche kam einer der Sockel der ehemals sechs Pfeilerpaare des dreischiffigen Langhauses zutage. Der eindrucksvolle Rest mit fünflagigem Granitsteinfundament gehört zum südlichen Pfeiler am zweiten Joch des Mittelschiffes. An den rundlich abgeschliffenen Kanten der Ziegel von sogenanntem Klosterformat läßt sich gut die Nutzung des Gotteshauses über Jahrhunderte ablesen.
     Nördlich des Pfeilers wurden zwei verschüttete, einst überwölbte Grüfte aufgedeckt, von denen eine noch Reste des Holzsarges und der Gebeine eines 50 bis 60jährigen Mannes enthielt. Die Lage der sterblichen Überreste läßt auf eine Plünderung der Grabkammer – wahrscheinlich erst beim Abriß der Kirche – schließen.
     Wie auch aus den Akten ersichtlich, waren nicht alle Grüfte geleert und nicht alle Toten umgebettet worden. Ausdrücklich überliefert ist allerdings die Überführung der Särge aus den fürstlichen Gruftgewölben unter dem Chor in den Nachfolgebau am Lustgarten im Jahre 1749. Der prunkliebende Kurfürst Joachim II. Hektor (1505–1571; Kurfürst
Heinrich Lange
Auf den Spuren der »schwarzen Brüder«

Rettungsgrabung in der Dominikanerkirche am Schloßplatz

Vor 700 Jahren – im Jahre 1297 – soll nach der Inschrift im Chorgestühl des Klosters zu Röbel (Müritz) das Dominikanerkloster in Cölln an der Spree gegründet worden sein. Aber nicht das Jubiläum, sondern die Verlegung eines Regenüberlaufkanals vor dem Sitz des Staatsrates der DDR am ehemaligen Schloßplatz war der Anlaß zu der vom Landesdenkmalamt Berlin beauftragten Rettungsgrabung in den Überresten der Klosterkirche.
     Hier, auf dem Cöllnischen Werder, lagen unweit des 1443 unter Kurfürst Friedrich II. (1413–1471; Kurfürst seit 1440) begonnenen ersten Schlosses an der Spree – etwa in der Achse der die Doppelstadt Berlin-Cölln verbindenden Langen Brücke – das Kloster und die Kirche der Dominikaner oder »schwarzen Brüder«, wie die Predigermönche nach der Farbe ihrer Kutten genannt wurden.
     Auf einer der Teilflächen von etwa 8 x 12 Metern unter dem Vorplatz des Staatsratsgebäudes, deren Untersuchung wegen der Einbringung von Fundamenten für das unterir-

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seit 1535), der die Zwingburg zum Renaissance-Schloß ausbauen ließ, hatte 1536 das Konvent der Dominikaner aufgelöst und die Klosterkirche zur Hof- und Domkirche und männlichen Person konnten dokumentiert werden. Beide Gräber waren beigabenlos. In der Grabverfüllung des letzteren lag neben den Halswirbeln ein filigranes Goldkügel-
1545 zur Begräbnisstätte des Hohenzollernschen Herrscherhauses bestimmt.
     Nach dem 1571 verstorbenen Kurfürsten und seiner Vorfahren Johann Cicero (1455–1499; Kurfürst seit 1486) und Joachim I. Nestor (1484–1535; Kurfürst seit 1499), die er aus Lehnin in die Klosterkirche hatte überführen lassen, suchte man vergeblich. Auch die 1880 zur Auffindung dieser Kurfürsten beauftragte Grabung blieb ohne Erfolg. Der alten Grabung verdanken wir jedoch den Grundrißplan der Kirche.
     Neben den Grüften fanden sich vier Särge, die aufgrund der zahlreichen eisernen Griffe und Beschläge in das 17. und 18. Jahrhundert datieren. Jeweils ein älteres und jüngeres Grab mit vollständig erhaltenem Skelett ebenfalls einer älteren

Dominikanerkirche. Ausschnitt aus dem Perspektivplan von J. B. Schultz aus dem Jahre 1688

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Ziegel, die im Innern des Pfeilersockels und -fundaments wiederverwendet und als Streufunde in der Baugrube desselben angetroffen wurden. Auch zwei Gruben gewerblicher, noch nicht genau bestimmter Funktion, die von den Baugruben des Pfeilers und der Südmauer der Kirche geschnitten werden, enthielten Reste solcher Ziegel. Möglicherweise stammen die Ziegel, unter denen sich auch Teile von Formziegeln befinden, von einer ersten Anlage des Klosters oder der Kirche selbst, die durch ein Feuer vernichtet worden sein müssen. Ist die vorhandene Kirche vielleicht erst nach den großen Stadtbränden von 1376 und 1380 errichtet worden?
     In den Resten einer vorkirchenzeitlichen Kulturschicht und in den genannten Gruben enthaltene Keramik läßt eine Besiedlung des Terrains allerdings schon ab der ersten Hälfte bis Mitte des 13. Jahrhunderts zu, also vor dem in der Sekundärquelle überlieferten Gründungsjahr 1297. Da nach A. von Müller ein Dominikanerkloster in Spandau bereits um 1230 nachweisbar und um 1240 abgebrannt sein soll und die Mönche daraufhin in das aufstrebende Berlin-Cölln gewechselt sein sollen, könnten die früheren Siedlungsspuren zumindest teilweise mit einer ersten Niederlassung der Dominikaner in Cölln zusammenhängen.
     In einer zweiten Fläche westlich der Kirche kam die das Gotteshaus im Süden und
chen, vielleicht Teil des Totenhemd-Verschlusses.
     Da die Bestattungen im Mittelschiff liegen und dort nach den Festlegungen in den Domstiftstatuten durch Kurfürst Joachim II. nur Fürsten und Hochadelige, in den Seitenschiffen hingegen einfache Adelige beigesetzt werden sollten, dürfte es sich bei diesen und dem in der Gruft Bestatteten um Personen von hohem sozialen Rang handeln. Weil Pröpste und Dekane hinter ihrem Stuhl im Chorbereich begraben wurden, werden es andere höhere Geistliche (Kantor, Stiftsherren usw.) oder weltliche Würdenträger gewesen sein.
     Unter den Grüften und Särgen lagen weitere Körpergräber in mindestens drei Horizonten. Die unteren beiden Lagen mit einfacher Grabgrube oder Holzsarg gehören aufgrund der Grauware- und Steinzeugfragmente aus den Grabgruben noch in die Zeit der Klosterkirche, in das 14. bis 15. Jahrhundert. Demnach könnte es sich um höherrangige Klosterbrüder oder verdiente Stifter handeln. Bestattungen des 13. Jahrhunderts ließen sich – in dieser freilich sehr begrenzten Fläche – nicht feststellen.
     Eine zentrale Frage bleibt dennoch die nach der Erbauungszeit der Kirche und einem möglichen Vorgängerbau. Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang zahlreiche Fragmente von Mönch-Nonne-Dachziegeln und grünlich verbrannter, zum Teil durch starke Hitzeeinwirkung außen verglaster
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Westen umgebende Friedhofsmauer zum Vorschein. Bei dieser dürfte es sich um die im Jahre 1562 errichtete Mauer handeln, für die der Kurfürst vom Berliner Rat Kalk und 6 000 Mauersteine verlangt haben soll. Zwischen Mauer und Kirche war aber nur ein einziges, frühneuzeitliches Körpergrab vorhanden. Hier, unmittelbar vor dem Westportal der Kirche, stand im Spätmittelalter ein etwa acht Meter langer und fünf Meter breiter Fachwerkbau, der wahrscheinlich zur Klosteranlage gehörte und vielleicht der Sitz des Priors war. Ansichten und Pläne des Klosters mittelalterlicher Zeit sind leider nicht erhalten. Der von der Friedhofsmauer überlagerte Bau ist nach den Keramikfunden im 14. oder 15. Jahrhundert nach einem ersten Brand erneuert worden.
     Bei dem jüngeren Gebäude fiel der durch einen zugespitzten Holzpfahl mit Baugrube gegründete Findlingsstein an der offensichtlich erfaßten Nordost-Ecke ins Auge. Auf dem Stein lag der noch in Spuren nachweisbare Schwellbalken auf. Bauschutt und Baugrube dieses Hauses enthielten wie der Kirchenpfeiler Dachziegel und Bruchstücke glasartig verbrannter Ziegel. Möglicherweise ist der Fachwerkbau zur gleichen Zeit wie die Kirche, wenn es sich denn bei ihr um einen Nachfolgebau handelt, erneuert worden. Für die Beantwortung dieser Fragen wären freilich über die kleinen Flächen hinausgehende Grabungen wünschenswert.
     Im Innern der Kirche aus dem planierten Schutt geborgene Glasmarken aus der Choriner Hütte mit den Jahreszahlen 1739, 1741 und 1746 verweisen auf das Ende der wechselvollen Geschichte des zuletzt wegen Baufälligkeit abgetragenen Gotteshauses. Erst im 19. Jahrhundert wurde in Berlin wieder ein Kloster der Dominikaner gegründet. Die 1892 in neugotischem Stil errichtete Backsteinkirche in Moabit nahm bewußt die Form der Kirche am Schloßplatz mit den beiden Türmen auf. Von der mittelalterlichen Klosterkirche haben noch einige, über die Hofbibliothek in die Staatsbibliothek gelangte Codices, die Glocke aus dem Jahre 1532 und das von den Nürnberger Gebrüdern Peter und Hans Vischer geschaffene bronzene Grabmonument des Kurfürsten Johann Cicero im wilhelminischen Dom am Lustgarten überdauert.

Bildquelle: Archiv Autor

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