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Frank Eberhardt
Verziert mit Ross und Meerjungfrauen

Die Roßstraßenbrücke im Bezirk Mitte

In seinem Buch »Beschreibung der königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam« schrieb Friedrich Nicolai: »Die Roßstraßenbrücke führt von Neukölln nach Altkölln über die Friedrichsgracht. Diese Brücke ist wenigstens schon im 16. Jahrhunderte dagewesen.«1) Der hier genannte Stadtteil NeuKölln (am Wasser) war die Gegend zwischen der Friedrichsgracht (siehe unser Titelbild) und dem ehemaligen Festungsgraben um Kölln und erstreckte sich etwa vom heutigen Märkischen Museum bis zum Spittelmarkt.
     Doch die Anlage einer Brücke an dieser Stelle ist wesentlich älter als Nicolai annahm. Sie ist auf die Zeit nach dem Bau des Mühlendamms zurückzuführen. Bereits um 1240 vermerkte Köpenick die Auswirkungen des Mühlenstaus, und 1298 wird der Mühlendamm urkundlich erwähnt. Da der durchgehende Schiffsverkehr auf der Spree nicht mehr möglich war, musste ein neuer Wasserweg geschaffen werden. Dafür wurden ein alter Spreearm, Wasserlaken und sumpfige Gebiete südlich und westlich von Kölln benutzt.

Diese Wasserstraße verlief direkt außerhalb entlang der Stadtmauer und stellte dadurch ein schwer überwindbares Hindernis für Feinde dar. Dass sie als künstlicher Wasserweg geschaffen wurde, lassen die Bezeichnungen Friedrichsgracht, Schleusengraben und Kupfergraben erkennen. Kölln wurde durch diesen Kanal zu einer Insel. Die ältesten Brücken, die Kölln über diesen Graben mit dem Umland verbanden, waren in Verbindung mit den gleichnamigen Stadttoren die Teltower (heute Gertrauden-)Brücke und die Köpenicker (heute Roßstraßen-)Brücke. Eine Straße führte vom Köllnischen Fischmarkt zum Köpenicker Tor: die Roßstraße. Dort wurde der Spreegraben mit einer Brücke überquert. Möglicherweise war es zuerst eine Fußgängerbrücke, um zu den Acker- und Weideflächen des Köpenicker Feldes zu gelangen, hatte doch Markgraf Otto III. (1215?-1267, Markgraf von 1220-1267) 1261 der Stadt Kölln zur Erweiterung ihrer bis dahin sehr beschränkten Feldmark die Myrica (eine wüste, buschige Gegend) geschenkt. Diese Myrica trennte das Landgebiet Köllns von den Besitzungen der Tempelritter (später von den Johannitern übernommen), deren Gebiet hinter Treptow begann und hinter der Myrica sich bis nach Schöneberg zog.2)
     Der Name Roßstraße kommt 1628 zum ersten Male vor. Nicolai schrieb dazu: »Küster, der sehr oft mit unbegreiflicher Sorglosigkeit und Unrichtigkeit Nachrichten und Meinungen kompilirt,
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sagt im Alten und Neuen Berlin, III. Th. S. 633. die Roßstraße solle daher den Namen haben, >weil für Kurf. Johann Georgs Pferde, in derjenigen Gegend, wo jetzt der Salzhof ist, ein Stall gewesen.< Nun ist aber der Salzhof jenseits des Grabens, und weder in gedruckten noch in handschriftlichen Nachrichten dieser Gegend ist die geringste Spur von einem Kurf. Stall zu finden; es wäre denn, daß bey der ehemaligen Kurf. Heubinderey (s. unten Neukölln) einige Pferde gestanden hätten, welche aber einer entlegenen Straße wohl nicht hätten den Namen geben können. Dieß kann auch hauptsächlich deshalb nicht seyn, weil im 16ten und dem Anfange des 17ten Jahrhunderts, (wie unter andern aus den Todtenregistern der Petrikirche erhellet) diese Straße nicht die Roßstraße, sondern die Roscherstraße hieß. Diese Benennung kommt vermuthlich von dem Worte Rotscher her, welches auf Plattdeutsch einen Stockfisch oder Klippfisch bedeutet (s. Brem. Wörterbuch III. Th. S. 533) und auch im 16ten Jahrhunderte in dieser Bedeutung in Berlin gewöhnlich war. Erst um 1628 ist die Benennung der Roßstraße aufgekommen, und da ungefähr zu gleicher Zeit, die Benennung der Petersiliengasse (No. 152) in die Benennung der Ritterstraße verwandelt worden, so scheinen beide eine Beziehung auf einander zu haben. Vermuthlich gab das 1626 geschehene Aufgebot der Ritterpferde dazu Gelegenheit. (s. Mylius Corp. Const. III. Th. 288 Abth. S. 26).«3) Seit 1969 trägt die Roßstraße den Namen »Fischerinsel«.

Die Roßstraßenbrücke, damals noch Köpenicker Brücke genannt, bestand wie ehemals alle Brücken aus Holz und war mit einem Klappenaufzug versehen, der einerseits Feinden den Übergang versperrte, andererseits Schiffen die Durchfahrt auf dem Spreekanal ermöglichte. Bei den damals niedrigen Uferhöhen konnte eine durchgehende Schifffahrt nur durch Klappbrücken ermöglicht werden.
     Der erste Berliner Stadtplan von Johann Gregor Memhardt (1607-1678) aus dem Jahr 1652 zeigt, dass der Spreekanal damals zwischen Spree und Spittelmarkt durch eine lang gestreckte, schmale Insel getrennt wurde, sicher ein Grund für die Anlage einer Brücke gerade an dieser Stelle. (Eine zweite Insel erstreckte sich etwa von der Gertraudenbrücke bis in Höhe der Jungfernbrücke und wurde für die Anlage der Teltower Brücke genutzt.) Bei der Roßstraße wurde die Zugbrücke nur über den stadtseitigen Kanal errichtet. Der äußere schmalere Wasserlauf wurde lediglich durch einen einfachen Übergang überbrückt.

Auswirkungen der Festung

Als die Festungsanlage errichtet wurde und damit die alten Verteitigungsanlagen überflüssig machte, musste eine zweite, äußere Brücke den neu geschaffenen Festungsgraben überqueren.

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Sie wurde im Gegensatz zur alten die Neue Köpenicker Brücke genannt. An ihrem Standort befand sich nun auch das Köpenicker Tor (etwa in Höhe des Hauses Wallstraße 25), während die alte Brücke weiterhin im Zuge der Roßstraße den Kanal überbrückte. Doch ihren Namen hatte sie gewechselt. Im »Plan von der Königl. Residentz Stadt Berlin« von Dusableau von 1737 wird sie als »Rosstrassen Brücke« aufgeführt. Diesen Namen hat sie vielleicht schon bald nach der Errichtung der Festungsmauern erhalten, der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt.
     Als die Köllnische Stadtmauer im Jahre 1680 fiel, wurden die beiden alten Stadttore dieser Seite, das Köpenicker und das Teltower Tor, mit der Mauer abgerissen, nur die Türme blieben noch stehen. Diese Situation zeigt der Kupferstich aus dem Jahre 1688 von Johann Bernhard Schultz: Residentia Electoralis Brandenburgica. Der Stadtgraben der Köllnischen Seite konnte jedoch nicht zugeworfen werden, da die Schifffahrt ihn als einzige Wasserstraße - nun jedoch innerhalb der Festungsmauer - benutzte. Man musste ihn allerdings wegen der durch die Festungsgräben verringerten Wassermenge regulieren, insbesondere die Breite reduzieren. Dabei warf man von außen nach innen zu, so dass die im Graben befindlichen Inseln verschwanden. Nur von der langen Insel zu beiden Seiten der Köpenicker Brücke ließ man
das Stück unterhalb der Brücke vom Wasser umflossen, offenbar um die auf dieser Insel neu angelegten kurfürstlichen Salzhäuser besser gegen die Nachbarschaft abschließen zu können. Dort, wo die zweite, untere Insel ursprünglich anfing, am östlichen Ende des Spittelmarktes, blieb eine kleine Bucht übrig, die noch heute als breitere Stelle des Kanals erkennbar ist.4)
     Als nur 50 Jahre später, in den Jahren 1734 bis 1737, die Festungsanlagen auf der Köllnischen Seite wieder abgerissen wurden, wurde der Graben verengt, teilweise auch begradigt. Auf die innerhalb der Festungswälle gelegene Roßstraßenbrücke wirkte sich das nicht aus.
     Während der nächsten Jahrhunderte erforderte diese wie alle anderen hölzernen Jochbrücken ständig Reparaturen. Die Klagen wegen ihres baufälligen Zustandes wiederholten sich oft und veranlassten schließlich 1866 die Ministerial-Baukommission, die Brücke gründlich umzubauen. Der Oberbau wurde völlig erneuert und auf 10,6 Meter verbreitert. Sie erhielt zwei Paar Klappen, der höchste Klappenpunkt wurde wegen der besseren Überfahrt für die Fuhrwerke um 0,3 Meter abgesenkt. Eine langfristige Verbesserung wurde dadurch jedoch nicht erreicht. An dem Prinzip der Klappbrücke konnte nicht gerüttelt werden, war es doch die einzige Möglichkeit, dass Schiffe den Kanal passieren konnten.
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Ansicht der Roßstraßenbrücke 1899
Noch 1870 gab es in Berlin 30 hölzerne Klappbrücken. Brückenaufzieher hatten dafür zu sorgen, dass Schiffe von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mit stehendem Mast passieren konnten. Die damit verbundene Sperrung des Straßenverkehrs führte zu Verkehrsstörungen.
     Am 1. Januar 1876 ging die Roßstraßenbrücke wie alle Berliner Brücken in
das Eigentum der Stadt über. Diese musste nun die häufigen Ausbesserungen übernehmen. Den zunehmenden Anforderungen des Verkehrs entsprechend wurde die Brücke auf 11,6 Meter verbreitert. Davon entfielen 6,6 Meter auf die Fahrbahn und je 2,5 Meter auf die Fußwege. 1892 wurde am Mühlendamm die Schleuse errichtet.
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Sofort kamen die Verkehrsplaner auf neue Ideen. Professor Dietrich von der Technischen Hochschule Charlottenburg entwickelte einen Plan, den Spreekanal zuzuschütten und auf ihm eine große Ringstraße anzulegen, »welche einen würdigeren Zugang zu dem Kaiser-Wilhelms-Denkmal bilden soll, als die jetzigen Uferstraßen der Friedrichsgracht und Unterwasserstraße«.5) Obwohl der Verfasser die Denkschrift sogar dem damaligen Reichsamt des Inneren einreichte, wurde der Entwurf von der städtischen Verwaltung abgelehnt, weil sie sich von diesem Plan keinen Vorteil versprach.

Die neue Brücke

Anfang 1897 reichte der Magistrat der Stadtverordnetenversammlung eine Vorlage ein. Darin heißt es: »Der mangelhafte bauliche Zustand der z. Zt. noch als hölzerne Klappenbrücke konstruierten Roßstraßenbrücke erheischt der häufigen Reparaturen wegen sowie wegen der hierdurch hervorgerufenen hohen Unterhaltungskosten und der in Folge der Reparaturarbeiten bedingten empfindlichen Verkehrsstörungen dringend einen baldigen Umbau in eine Brücke mit festem Überbau.«6) Diskutiert wurde nun über die Verbreiterung der Brücke, was notwendigerweise auch eine Verbreiterung der angrenzenden Roßstraße und der Neuen Roßstraße bedingte.

Die Stadtverordneten konnten sich nicht einigen, auf welcher Seite die Verbreiterung erfolgen sollte. So wurde die Entscheidung ausgesetzt.
     Trotzdem wurden Ende 1897 vier Bohrungen abgeteuft, um den Baugrund zu ntersuchen. In der folgenden Vorlage vom Dezember 1898 wird zu den Ergebnissen gesagt, dass sich in geringer Tiefe unter der Flusssohle guter Baugrund findet. Zugleich kam es zu einer Diskussion über die Herkunft des Namens Roßstraßenbrücke. Sie stand im Zusammenhang mit der beabsichtigten Ausschmückung der neu zu erbauenden Brücke. Sie sollte ein Ross tragen. Bei dieser Diskussion kam noch eine dritte Deutung des Namens ins Gespräch. Während Nicolai den Namen Roscherstraße auf Stock- oder Klippfisch zurückführte, war man nun der Meinung, er käme von Rasch, einem in jener Zeit vielfach getragenem wollenem Zeug, das von den in dieser Straße wohnenden Raschmachern hergestellt wurde. 1645 hieß die Straße Rosserstraße, bald darauf Roßstraße.7)
     Übereinstimmung bestand aber bei allen Deutungen, dass der Name Roßstraße aus dem Aufgebot der Ritterpferde 1626 abzuleiten und damit die Ausschmückung mit einem Pferd gerechtfertigt wäre. Zur architektonischen Gestaltung heißt es: »Die Flächen der Stirnen und die der Pfeilerleibungen erhalten eine Verkleidung aus Werksteinen, das gleiche Material wird zur Herstellung des Gewölbes und der Geländer Verwendung finden.
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Für die Schauseiten der Brücke ist im Allgemeinen eine schlichte architektonische Ausstattung in Aussicht genommen. Nur durch eine an der Oberstromseite über dem Gewölbescheitel angebrachte erkerartige und reich ornamentierte Erweiterung des Bürgersteiges und des Geländers wird dem Bauwerke ein besonderer künstlerischer Schmuck zu Teil werden. Innerhalb dieses Vorbaues erhebt sich eine, zu einem Laufbrunnen ausgebildete, etwa 3 m hohe Säule, die in Übereinstimmung mit dem Namen der Brücke ein springendes Roß zu tragen bestimmt ist.«8)
     Einwände gab es besonders zu dem massiven Bau der Geländer. Auch die Säule mit dem springenden Pferd solle erst als Modell auf der Brücke aufgestellt werden. Speziell aber zu der Blickrichtung des Pferdekopfes gab es Bedenken. Stadtbaurat Ludwig Hoffmann (1852-1932), der die Brücke entworfen hatte, wie auch der Bildhauer August Vogel (?-1932) wollten, dass der Kopf des Rosses stromauf dem Wasser, die Rückseite also der Brücke zugewandt sei. In dieser Form war das Modell auch auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1901 zu sehen und von der Stadtverordnetenversammlung bestätigt worden.
     Die Bedenken der Stadtverordneten waren offensichtlich nicht ganz unberechtigt, wie ein in den Akten enthaltenes Schreiben an die Stadtverordneten zeigt, das mit »der alte Arbeiter« unterzeichnet ist.

Das Roß auf der Roßstraßenbrücke. Im Hintergrund der Turm der Petrikirche, davor alte Häuser der Fischerinsel

 
Es trägt das Datum 1. November 1900. Darin heißt es:
     »Kriegen denn die Herren keinen Entwurf; keine Bauzeichnung zu sehen? oder sind Sie im bauen schwach? Finden Sie das alles schön was gemacht wird? (Andere Leute - öfter als nicht!)

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Darstellung an der westlichen Außenseite der Brücke

Was sagen Sie zu der Roßstraßenbrücke? Es ist nicht nur lächerlich; - nein - geradezu betrübend und schimpflich, ein solch einfaches nüchternes massives Sandsteingeländer aufzustellen. Will man am Arbeitslohn sparen? oder ist der Baumeister unfähig, uns was Schönes zu schaffen? Solch Modell gehört an den Chaussegraben. Jeder private Meister; ja ein Scharwerker machts besser. Ist Berlin verkehrte Welt? Fast scheint es so! Man mag betrachten, was man will, einmal wird es mindestens erst verkehrt gemacht und nachher ausgebessert.«9)
     Auch diese geharnischte Kritik brachte keine Änderung des Entwurfs. Nachdem die Stadtverordnetenversammlung und die

Landespolizei (wegen der Kanalüberquerung) den Neubau der Roßstraßenbrücke genehmigt hatten, begann am 16. November 1899 der eigentliche Brückenbau mit dem Abstecken der Baufluchten. Da eine Interimsbrücke für den Fahrverkehr wegen der beengten örtlichen Verhältnisse nicht möglich war, musste der Bau in zwei Hälften nacheinander erfolgen. Zuerst wurde die westliche Brückenseite errichtet und dann erst mit der Errichtung der östlichen Brückenhälfte an Stelle der vorher beseitigten alten hölzernen Klappbrücke begonnen. Ein 18 Meter weiter Korbbogen überspannte nun den Spreekanal. Die Breite der Brücke betrug 19,8 Meter.
     Am 12. Juli 1901 wurde die fertige Roßstraßenbrücke dem Verkehr übergeben. Kurz danach, am 16. Juli, wird in einem Schreiben festgestellt, dass durch ein Versehen des bauleitenden Baumeisters das Ross so aufgestellt worden war, dass es den Kopf der Straße zuwendet. Auf die schriftliche Anfrage des Bauleiters, was nun geschehen solle, schrieb Stadtbaurat Hoffmann mit eigener Hand und revidierte damit seine früher vehement vorgetragene Meinung: »Mit der Aufstellung des Rosses wie ausgeführt bin ich einverstanden. Ich finde es so gut.«
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Zwar mussten die Stadtverordneten ihren Beschluss zur entgegengesetzten Aufstellung nun auch wieder korrigieren, aber das geschah ohne Probleme.
     Neben der drei Meter hohen Säule mit dem springenden Ross an der Ostseite zierten die westliche Brückenseite zehn Geländersteine mit Meerjungfrauen, die über Tierköpfen aufragten. In den Ecken der Widerlager wurden Fabelwesen und Grotesken eingelassen. Als Material wurde auch hier Sandstein verwendet.
     Der gesamte figürliche Schmuck ist nicht mehr vorhanden, da die Brücke im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde. An drei Stellen hatten Bomben das Gewölbe durchschlagen und die Brüstungen total zerstört. Zunächst wurde eine hölzerne Notbrücke errichtet. 1946 wurden die durchschlagenen Gewölbestellen ausbetoniert und die Brüstungen provisorisch aufgemauert. Die Erneuerung der Brüstungen in heutiger Form erfolgte 1958. Dabei kam es leider nicht zur Wiederherstellung der früheren Gestaltung.
     Die Roßstraßenbrücke steht unter Denkmalschutz.

Schüsse an der Roßstraßenbrücke

Wenigstens dreimal war die Roßstraßenbrücke Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen. Als der Orden der Tempelritter aufgelöst wurde, fielen seine Besitzungen, die Dörfer Tempelhof, Mariendorf, Marienfelde und Rixdorf, an den Johanniterorden.

Mit ihm gerieten die Bürger von Berlin und Kölln 1435 in heftigen Streit. Bei einer Grenzbegehung stellten sie fest, dass die Grenzsteine in der Gegend des Johannistisches versetzt worden waren. (Die Straße Am Johannistisch in Kreuzberg erinnert heute noch an diese Gegend.) Der Komtur von Tempelhof beschloss, die bestrittenen Rechte mit Gewalt durchzusetzen. Er zog zu diesem Zweck streitbare Mannschaften anderer Komtureien sowie die Bauern seiner Ordensdörfer zusammen.

 

( A. Das Köpnicker Thor. B. Das Teltow'sche Thor.)
 
Das Gebiet am Köpenicker Tor um 1435

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   12   Probleme/Projekte/Prozesse Die Roßstraßenbrücke  Voriges BlattNächstes Blatt
     Mit dreihundert Rittern, angeworbenen Söldnern und den aufgebotenen Bauern zog er in der Nacht gegen Kölln, um die Stadt im Morgengrauen zu überrumpeln. Die Verteidigungswerke Köllns bestanden damals in einer mit Wachhäusern und Türmen versehenen steinernen Mauer, beginnend an der heutigen Inselbrücke mit einem Turm und sich den Spreekanal entlangziehend bis zur Schleuse am Schlossplatz und weiter bis zur Friedrichsbrücke. Entlang der Mauer lief der Seitenarm der Spree, etwa dem heutigen Spreekanal entsprechend. Der schwächste Punkt dieser Befestigung war das durch keinen Turm geschützte Köpenicker Tor an der gleichnamigen Brücke.
     Hier erfolgte auch der Angriff der Johanniter. Ihre Flanken wähnten sie geschützt durch die Spree im Norden und einen sich bis zur Alten Jakobstraße erstreckenden toten Wasserarm seitlich der heutigen Grünstraße. Die Vorbereitungen zu dem Feldzug waren jedoch den Bürgern Berlins und Köllns nicht verborgen geblieben, auch sie hatten sich gerüstet und Verbündete geworben. Die Glocken von St. Marien, Nikolai und Petri riefen die Männer zu den Waffen. Sie besetzten vor allem die bedrohte Seite am Köpenicker Tor, die geharnischten berittenen Bürger aber sammelten sich in der Nähe des Teltower Tores am Spittelmarkt. Inzwischen war der Ordenskomtur bis auf Bogenschussweite vor das Köpenicker Tor gerückt und hatte in der Gegend der Alten Jakobs- Ecke Neue Roßstraße seine Scharen zum Sturm geordnet.
Als sie vorrückten, wurden sie jedoch derart mit Pfeilen und Steinkugeln überschüttet, dass vor allem die Bauern die Flucht ergriffen. Die Reiterei der Städte hatte inzwischen die Wasserlache umgangen und erschien im Rücken des Feindes. Da man von den Türmen der Stadt das Anrücken der Reiter deutlich sehen konnte, fielen im geeigneten Moment die Zugbrücken des Köpenicker Tores, und das Fußvolk der Innungen stürzte heraus. So war die Schar des Komturs in die Zange genommen. Der Kampf schwankte längere Zeit unentschieden hin und her, bis der Komtur den Befehl geben musste, sich durchzuschlagen und den Rückzug anzutreten. Dieser Kampf hatte die Kräfte beider Seiten jedoch sehr geschwächt. Kurze Zeit später verkaufte der Ritterorden seine dortigen Besitzungen an die Städte Berlin und Kölln.10)

General Hadik in Berlin

Im Siebenjährigen Krieg erschien am 16. Oktober 1757 ein österreichisches Streifkorps vor Berlin. Am Schlesischen Tor konnte es eindringen und nahm auf dem Köpenicker Feld, also schon innerhalb der Stadtmauer zwischen Schlesischem und Kottbusser Tor, Aufstellung. Ihm stellte sich die schwache Besatzung der Stadt entgegen. Eine Aufforderung, sich zu ergeben, lehnte der Befehlshaber ab, er ließ sogar auf den österreichischen Parlamentär schießen. Die Österreicher rückten bis zur Roßstraßenbrücke vor.

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Dort stand ein kleines Kommando der Garnison mit nur einer Kanone, aber bereit zur Gegenwehr. Da sich General Hadik mit seinem Streifkorps auf eine Belagerung nicht einlassen konnte, begnügte er sich mit einer Kontribution von 200 000 Talern und zog sich zurück, denn preußische Truppen nahten.11)

Die Barrikade

Im Revolutionsjahr 1848 fielen an der Brücke wieder Schüsse. Etwa in der Mitte der Brücke wurde am 18. März eine Barrikade errichtet. Nachdem die Barrikade am Köllnischen Rathaus nach erbittertem Widerstand von den Soldaten erobert worden war, zog sich ein Teil der Verteidiger auf andere Barrikaden zurück, darunter auf die auf der Roßstraßenbrücke. Obwohl es hier nicht mehr zu offenen Kämpfen kam, wurde der Ort Schauplatz eines Mordes. Der Student Herrmann von Holzendorf (1825-1848), der sich in der Wohnung seines Onkels, des Direktors des Köllnischen Gymnasiums, aufgehalten hatte, wurde festgenommen. Die begleitenden Soldaten führten ihn aus Ortsunkenntnis nicht zum Schloss, sondern in die Roßstraße mitten zwischen die erbitterten Bürger. Auf den Ruf »Loslassen!« entließ ihn einer der Soldaten, der andere schrie: »Lieber schieße ich den Hund tot!« und erschoß den Gefangenen aus nächster Nähe. Obwohl gefordert wurde,eine Untersuchung einzuleiten und die Soldaten zu bestrafen, geschah nichts dergleichen.12)
     Auf der Roßstraßenbrücke erinnert seit kurzem eine Gedenktafel an diese Ereignisse.

Quellen:
1 Friedrich Nicolai, Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam, Berlin 1786, 1.Bd., S. 138
2 Johann Friedrich Bachmann, Die Luisenstadt. Versuch einer Geschichte derselben und ihrer Kirche, Berlin 1838, S. 2
3 Friedrich Nicolai, a. a. O., S. 126, Anm.
4 Friedrich Holtze, Geschichte der Befestigung von Berlin, Schriften des Vereins für die Geschichte der Stadt Berlin, Heft 10, Berlin 1874, S. 73 f.
5 Der Bär, 20. Jg., 1894, S. 434
6 Landesarchiv Berlin (LAB) A, Rep. 010-01-02, Akte 1111, Bl. 20
7 Ebenda, Bl. 50
8 Ebenda, Bl. 60
9 Ebenda, Bl. 219
10 Brecht, Die Tempelhofer Fehde vom Jahre 1435. Der Bär, II. Jg., 1876, Nr. 7, S. 61 ff.
11 Adolf Streckfuß, 500 Jahre Berliner Geschichte, Berlin 1886, S. 421 ff.
12 Heinz Warnecke, Barrikadenstandorte 1848, Berlin 1999, S. 71 ff.

Bildquellen:
Stadtmuseum Berlin, Berliner Architekturwelt 1905 (2), Der Bär, Illustrirte Wochenzeitschrift, 1876

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 4/2001
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