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Helmut Caspar
Für das Schloss ein »Roter Platz«

Vor 50 Jahren wurde der 500 Jahre alte Hohenzollernsitz vernichtet

Fünfzig Jahre ist es her, dass das Berliner Schloss, seit 500 Jahren Sitz der Hohenzollern, abgerissen wurde. Die von namhaften Baumeistern errichtete und von großen Bildhauern und Malern verschönte Residenz, die bei einem Bombenangriff im Februar 1945 stark beschädigt, aber nicht vernichtet worden war, wurde nach dem Verbrauch von 13 000 Kilo Sprengstoff Ende 1950 vorfristig abgeräumt.
     Am 1. Mai 1951 erhielt der erstmals als Aufmarschplatz nach Moskauer Vorbild verwendete Lustgarten den Namen Marx-Engels- Platz, die benachbarte Schlossbrücke hieß von nun an Marx-Engels- Brücke. An der Ostseite des vom Schloss geräumten, nun leeren Platzes, erhob sich eine provisorisch wirkende weißgestrichene Tribüne für die Staats- und Parteispitze, an der die Ostberliner am 1. Mai vorbei defilierten und vor der später die Militärparaden mit der NVA stattfanden. Nach dem Bau des Palastes der Republik erwies sich der nun verkleinerte ehemalige Schlossplatz trotz einer für Honecker & Co. bestimmten marmornen Ehrentribüne

als nicht mehr geeignet für Demonstrationen dieser Art, und so wurde die Karl-Marx- Allee in Alex- Nähe für diesen Zweck genutzt. Der Platz blieb meist Parkplatz, bekam auch nicht das vorgesehene Marx-Engels- Denkmal.
     Am Abend des 18. März 1990 wurde er für eine Geschichtssekunde Medienmittelpunkt der Welt, denn am Sitz der Volkskammer warteten die Sender samt ihrer Übertragungstechnik auf die Ergebnisse der ersten freien Wahlen in der DDR. Nach der Rückbenennung 1990 war der Schlossplatz alles mögliche: Parkplatz, Standort der Folien- Schlossattrappe, Rummelplatz, Grabungsstätte der Archäologen. Erst in den letzten Jahren erfolgte eine Begrünung, während die freigelegten Reste des Schlosskellers im Rahmen eines archäologischen Lehrpfades besichtigt werden können.

Warnung vor platter Leere

Der Abriss des Schlosses, vor dem sowjetische Berater gewarnt hatten, weil sich darin bilderstürmerischer Eifer ausdrückt, der dem von der SED- Führung erklärten Ziel, die Höhen der Kultur erstürmen zu wollen, diametral entgegen steht, fand national und international großes Aufsehen. Namhafte Kunsthistoriker und Denkmalpfleger warnten vor dem Bildersturm. Sie lobten die Qualitäten des Bau- und Kunstdenkmals und wiesen darauf hin, dass viele Räume noch einigermaßen intakt sind.

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Das konnten die Berliner nur bestätigen, waren doch schon bald nach Kriegsende bereits die ersten Ausstellungen in einigen wiederhergestellten Räumen veranstaltet worden (siehe BM 12/2000). Der langjährige Direktor der Schlösserverwaltung, Ernst Gall, konnte seinen Protest nur im Westen veröffentlichen. Sollte das Schloss fallen, ergebe sich nur »platte Leere«, die alles verschlingt. Der Kunsthistoriker Richard Hamann gab süffisant zu bedenken, dass Schlossbaumeister Andreas Schlüter, der »größte Bildhauer und Architekt Berlins«, seinen Lebensabend in Russland verbrachte und dort 1714 gestorben ist. »Mit der Zerstörung des Schlosses greift man auch in die Belange der Deutschland von je kulturell verbundenen Nationen ein: und darüber hinaus in die Belange der ganzen Welt.«
     Die SED- Führung übte sich in Gelassenheit. »Jetzt schreien alle, und wenn das Schloss weg ist, dann kräht kein Hahn mehr danach«, behauptete DDR- Ministerpräsident Otto Grotewohl im Herbst 1950 nach der Besichtigung des riesigen Trümmerhaufens. Die Verantwortlichen für die Schleifung des Hohenzollernschlosses allerdings hofften vergebens, dass sich bald Schweigen über die Vernichtung eines der schönsten und bedeutendsten Zeugnisse europäischer Schlossbaukunst breiten würde. Die Rechnung ging nicht auf, nach einem halben Jahrhundert wird über den Wiederaufbau heftiger den je gestritten.
     Als erstes war im September 1950 der Apothekenflügel am Spreeufer und mit ihm die ältesten Teile der erst kurfürstlichen, seit 1701 königlichen und 1871 kaiserlichen Residenz gefallen. Am 15. September kamen Abschnitte an der Schlossfreiheit dran, danach Bereiche am Schlossplatz. Ende Oktober war das noch gut erhaltene Portal I verschwunden. Am 14. November fiel der von Kennern als besonders wertvoll bezeichnete Schlüterhof, während das Eosanderportal und die ausgeglühte Kuppel darüber, ein Wahrzeichen der Stadt, als letzte am 30. Dezember um 15 Uhr in einer riesigen Dreckwolke in sich zusammensanken.
     Angekündigt wurde das Ende des Schlosses durch Parteichef Walter Ulbricht im Juli 1950 auf dem III. Parteitag der SED. Allerdings erwähnte er den Plan nur indirekt, als er sagte: »Das Zentrum unserer Hauptstadt, der Lustgarten und das Gebiet der jetzigen Schlossruine, müssen zu dem großen Demonstrationsplatz werden, auf dem der Kampfwille und Aufbauwille unseres Volkes zum Ausdruck finden können.« Zu den zeitgleich verlaufenden Abrissen von Gutshäusern auf dem Lande sagte Ulbricht: »Die Neubauern haben das Recht, die Gebäude der alten Gutshöfe, auch die Herrensitze, abzureißen und das Material für den Bau von Neubauerngehöften zu verwenden, wenn kein anderes Material beschafft werden kann«. Die neue Macht schickte sich an, die baulichen Symbole und Spuren der alten Macht radikal zu beseitigen.
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Die Ruine des Berliner Stadtschlosses im Jahre 1947 aus südwestlicher Blickrichtung
Ausgeglühter Schutt

In der Ostberliner Presse wurde der Zerstörungsgrad der Schlossruine mit 80 Prozent maßlos übertrieben. Die Wiederaufbaukosten von 50 Millionen Mark könne sich keiner leisten, hieß es. Gegenargumente und Gutachten, die die Möglichkeiten einer »stückweisen« Rekonstruktion über einen längeren Zeitraum

beschrieben, die nicht geringen Kosten des Abrisses erwähnten und eine Nutzung als Regierungssitz befürworteten, blieben unerwähnt. Der in der Zentralverwaltung für Volksbildung zuständige Denkmalpfleger Gerhard Strauß behauptete, das Schloss sei nichts weiter als »ausgeglühter Schutt«, ein »Hindernis bei der heute einmaligen Gelegenheit, den Mittelpunkt der Hauptstadt in großzügiger Weise zu ordnen«.
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Er forderte die Freigabe des Platzes, »um einem lebensvollen neuen Zugang im Zentrum Berlins Raum zu geben«. Mit seiner Vision stand Strauß nicht allein, mit ihm hofften Stadtplaner und Architekten in Ost und West auf Möglichkeiten, nach Planierung der von Bomben und Bränden zerstörten Innenstädte völlig Neues, eine von Licht und Luft durchflutete Stadt erschaffen zu können, die weitgehend auf alte Gebäude verzichtet und damit neues Lebensgefühl widerspiegelt. In ganz Berlin und in anderen Städten Deutschlands wurden dieser Auffassung nach dem Krieg noch zahlreiche wertvolle Bauwerke geopfert, und dies nicht nur aus politischen Gründen.
     Um die Öffentlichkeit zu beruhigen, hatte der Ostberliner Magistrat, der formell für die Vernichtungsaktion zuständig war, das Gerücht verbreitet, man werde die bedeutendsten Teile des Schlosses, etwa den Schlüterhof, sorgfältig demontieren, um sie an einem anderen Ort wiederaufzubauen. Auch beim Abriss von Schinkels Bauakademie zehn Jahre später wurde versucht, die Öffentlichkeit mit dem gleichen Versprechen zu beruhigen. Tatsächlich wurden einige besonders wertvolle Architekturgliederungen und Stücke vom plastischen Schmuck sichergestellt und in Depots auf der Museumsinsel und im Märkischen Museum eingelagert, aber auch unter freiem Himmel abgelegt, was den Spolien allerdings nicht gut tat.
Das Thema Schloss wurde mit einem Tabu belegt. Offiziell erinnerte man sich in der DDR in den folgenden Jahrzehnten nicht gern an die Beseitigung des berühmten Bau- und Kunstdenkmals, zumal im großen Vorbild Sowjetunion von der Wehrmacht zerstörte Zarenschlösser mit großem Aufwand zurückgewonnen wurden und das befreundete Polen zeigte, wie aus den kläglichen Resten des von den Deutschen gesprengten Warschauer Schlosses eine originalgetreue Kopie geschaffen wurde und historische Städte aus Ruinen auferstanden. Als 1964 das Eosanderportal mit seinem figürlichen Schmuck als bestimmende Form in Ulbrichts neues Staatsratsgebäude eingefügt wurde, hat man dies als große Kulturleistung gepriesen. Den barocken Fassadengliederungen wurde geschichtlicher Wert zuerkannt, weil Karl Liebknecht am 9. November 1918 von eben diesem Schlossbalkon aus die sozialistische Republik ausgerufen hatte.

Zerlegt in handliche Stücke

Um so wenig wie möglich vom Schloss übrig zu lassen, wurde eine riesige Menge wertvoller Architekturgliederungen mit Presslufthämmern in »handliche Stücke« zerkleinert. Die 150 000 m3 Trümmer kamen auf Lagerstätten am Seddinsee, auf den Trümmerberg Friedrichsfelde und weitere Depots.

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Dort sind in den letzten Jahren bei Grabungen Steine aufgetaucht, nach weiteren Relikten wird gesucht. Mit sehr genauen Messbildern, Aufrissen und anderen Ansichten dienen sie als Vorbilder für den vom Förderverein Berliner Stadtschloss geplanten Wiederaufbau, der nach Meinung seines Vorsitzenden Wilhelm von Boddien schon in zehn Jahren abgeschlossen sein könnte - wenn die entsprechenden Entscheidungen fallen -, ein angemessenes Nutzungskonzept gefunden wird und die nötigen 1,5 Milliarden Mark aufgebracht werden - möglicherweise durch Ausgabe von Aktien.
     Eine hochkarätig besetzte Expertenkommission wurde berufen, um die Wiederaufbau-, Nutzungs- und vor allem Fianzierungsfragen zu erörtern. Wilhelm von Boddien und der bisherige Berliner Landeskonservator Helmut Engel haben ein Buch herausgebracht, in dem Politiker, Architekten, Kunstwissenschaftler, Historiker und Denkmalpfleger ihre Meinung zu dem vor zehn Jahren als Folge der Wiedervereinigung in Gang gekommenen Plan vortragen, das Schloss aus dem Nichts wieder erstehen zu lassen. Er vermittelt den Eindruck, als sei der Zug in Richtung Wiederaufbau bereits abgefahren, Bebauungsvarianten jenseits einer Schlossrekonstruktion werden ausgeklammert. Der Leser erfährt, dass im Zeitalter des Computers alles möglich ist, auch die millimetergenaue Nachbildung von Fassaden und Bildhauerschmuck.

Der plastische Schmuck des wiedererrichteten Portals V (Eosanderportal, »Liebknechtportal«) am früheren Staatsratsgebäude, dem derzeitigen provisorischen Amtssitz des Bundeskanzlers.
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Da vom Berliner Schloss sehr genaue Messbilder und Aufrisse existieren, die mit erhalten gebliebenen Spolien nun rechnergestützt ausgewertet werden können, ist Engel überzeugt, ein brauchbares Ergebnis zu erzielen. Im Inneren sollen nach seiner Vorstellung die ehemaligen Prunkräume - sie machen etwa ein Zehntel der Gesamtfläche aus - zentimetergenau wiederhergestellt und mit seinerzeit geretteten Möbeln, Bildern und Ausstattungsstücken geschmückt werden. Verloren gegangene Stukkaturen und Deckengemälde sollen »abstrakt« den Vorbildern nachempfunden, nicht aber kopiert werden.

Hatz auf Junker

Die Zerstörung des Berliner Schlosses vor 50 Jahren lag im politischen Trend. Vorangegangen war in Ostdeutschland bereits eine Serie von Abrissen von Schlössern und Herrenhäusern auf dem Lande. »Bildet Einsatzgruppen für die Gewinnung von Baumaterialien aus den zum Abriss freigegebenen Herrenhäusern, Schlössern und Gutsgebäuden ... Ich appelliere an alle aufbauwilligen Kräfte des Landes Brandenburgs, sich an dem großen Friedenswerk, der Schaffung von Neubauerngehöften, zu beteiligen.« Drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde mit solchen Aufrufen der brandenburgischen Landesregierung und der SED- Spitze vollendet, was Bombenangriffe und

Artilleriebeschuss zuvor nicht geschafft hatten - die Vernichtung von baulichen Zeugnissen der »Herrschaft des Junkertums«.
     Unter dem Vorwand, Steine, Dachziegel, Holz und anderes Baumaterial für Neubauernstellen gewinnen zu wollen, gaben der Parteivorstand der KPD (seit 1946 SED) und in ihrem Gefolge die Landesregierungen in der SBZ die Weisung heraus, möglichst viele Schlösser und Herrenhäuser zu schleifen. Das manchen land- und wohnungslosen Bauern und Umsiedlern damals vielleicht noch einsichtige Argument, »Baumaterial« gewinnen zu wollen, spielte bei der Liquidierung überregional bekannter Architektur- und Kunstdenkmale wie des Berliner und Potsdamer Stadtschlosses, des Schlosses in Schwedt sowie verschiedener Gotteshäuser wie der Potsdamer Garnisonkirche keine Rolle.
     Bei der Hatz auf Junker und ihre »Zwingburgen« wurde kein Unterschied gemacht, ob es sich bei den ehemaligen Besitzern um einen, wie man sagte, Reaktionär und Militaristen handelt oder um eine Person, die man bei einigem guten Willen zum humanistischen Erbe hätte zurechnen können. So wurde auch das Schloss des preußischen Schulreformers Eberhard von Rochow (1734-1805) in Reckahn geplündert. Die Bilderstürmer übersahen geflissentlich, dass dieser Gutsbesitzer 1773 die erste preußische Dorfschule errichtet hatte, eine zu damaliger Zeit unerhörte »bürgerliche« Neuerung, die zahllose Bewunderer aus ganz Europa in das südlich von Brandenburg gelegene Dorf lockte.
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Als 1946 russische Truppen aus dem Schloss verschwanden, war noch viel von der alten Einrichtung vorhanden. Ein Lehrer rettete Teile des Gutsarchivs, die Schlossbibliothek hingegen wurde vernichtet. Schlimmer erging es anderen Adelssitzen. Zu nennen ist Kunersdorf, in dessen Schloss sich im neunzehnten Jahrhundert die geistige Elite Preußens traf. Der stolze Bau ging in Flammen auf. Erhalten sind an einer Steinwand nur noch Epitaphien der Familien von Lestwitz und Itzenplitz, gestaltet von solch berühmten Bildhauern wie Schadow, Rauch und Tieck. Abgefackelt wurde auch das Schloss in Görlsdorf bei Angermünde. Die klassizistische Kirche nebenan steht noch. Wenn wie im Falle des Schlosses Rheinsberg eine Nutzung als Krankenhaus erreicht wurde, war das noch Glück im Unglück, auch wenn innen und aussen erhebliche Veränderungen vorgenommen wurden, die nach der Wiedervereinigung korrigiert worden sind. Bis zur Unkenntlichkeit umgestaltet als landwirtschaftliche Lehrstätte wurde hingegen Schloss Paretz, Lieblingssitz der Königin Luise und Friedrich Wilhelms III. Die Räume werden auf ihre historische Fassung zurück gebaut und erhalten ihre ursprüngliche Ausstattung zurück, soweit erhalten.
     Bisweilen wurden die Anordnungen der Zentrale in Berlin dadurch unterlaufen, dass man in den betroffenen Dörfern sagte, das zum Abriss bestimmte Gebäude sei gar kein »Schloss« und man brauche das Haus als Krankenstation, Schule, Büro oder für Wohnzwecke.
Doch der passive Widerstand blieb nicht unbemerkt, denn führende Funktionäre stachelten den erlahmenden Elan immer wieder an, schickten ihre Kontrolleure aufs Land mit dem Argument, nur durch Sicherung der Bodenreform könne auch die Ernährung gesichert werden, und dazu gehöre eben auch, dass die »Junkersitze« liquidiert werden. In einem Vermerk für den brandenburgischen Innenminister Bechler vom 31. Mai 1948 wurde festgestellt, dass es im Land Brandenburg 779 Schlösser und Herrenhäuser gibt. Zum Abriss seien 643 freigegeben. Der Rest von 136 Anlagen bleibe als kulturell wertvolle und bereits durch Verfügung der Landesregierung an Körperschaften vergebene Objekte vorläufig bestehen. Wie aber ein Blick in die Akten des Landeshauptarchivs zeigt, sollten auch diese Bauten abgerissen werden. Lediglich wenige Bauten wie die Schlösser von Sanssouci sollten ausgenommen werden.
     Grundlage der ostdeutschen Vernichtungsaktion war der Befehl 209 des »Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration« (SMAD) vom 9. September 1947. Unter dem harmlosen Titel »Maßnahmen zur Wirtschaftseinrichtung der Neubauernwirtschaften« befahl Marschall Sokolowski den Landesregierungen der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) den Bau von 37 000 Häusern in den Neubauernwirtschaften. Brandenburg und Mecklenburg sollten mit 10 000 beziehungsweise 12 000 die meisten Häuser errichten.
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Die Behörden sollten den Bauern »die ungehinderte Nutzung von Baumaterialien aus abzureißenden Kriegswerken und Einrichtungen, aus Gebäuden früherer Güter und Ruinen unwirtschaftlicher Gebäude« gestatten. Ein politisches Ziel dieser Aktionen ist gewesen, die vielen aus dem Osten Vertriebenen über den Verlust ihrer Habe von der Verbitterung gegenüber der Besatzungsmacht abzulenken und sie ihrerseits als Neusiedler vom enteigneten Besitz der märkischen Junkerkaste und anderer Großgrundbesitzer profitieren zu lassen.
     War das Ziel von den Sowjets noch vage formuliert, so schob die Zentrale der SED in einem von Walter Ulbricht und Anton Ackermann unterzeichneten Rundschreiben vom 31. März 1948 über den »Abriss von Schlössern und Junkersitzen« die eigentlichen Gründe nach. »Die Partei muss es als ihre Aufgabe betrachten, den beschleunigten Abriss der Junkersitze durchzuführen ... Der Abriss darf nicht nur unter dem Gesichtswinkel betrachtet werden, Baumaterialien für Neubauernsiedlungen zu gewinnen; viel wichtiger ist, soweit als möglich die Spuren der Junkerherrschaft auf dem Dorfe zu vernichten.« Das Argument, dass in einigen Bauten etwa Krankenhäuser und andere soziale Einrichtungen untergebracht sind, ließ man nicht gelten. »Trotzdem müssen sie abgebrochen werden.«
Der Befehl lässt sich auch sinngemäß auf das Berliner Schloss übertragen, weil mit ihm die »Spuren« einer verhassten Gesellschaftsordnung beseitigt werden sollten.

Repro, Foto: Caspar

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 3/2001
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