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In alten Zeitungen geblättert

Eröffnung der Hoch- und U-Bahn

Am Sonnabend, dem 15. Februar 1902, wurde der erste Abschnitt der Berliner Hoch- und U-Bahn auf einem Teil der heutigen Strecke der U 1 in Betrieb genommen. Das »Berliner Tageblatt« berichtete darüber in seiner Abendausgabe: Heute vormittag um 11 Uhr fand die Eröffnungsfahrt der hiesigen elektrischen Hoch- und Untergrundbahn vom Potsdamer Unterpflaster-Bahnhof aus statt. Die geladenen Gäste, über 200 Herren, wurden von den Herren Karl, Arnold und Wilhelm v.Siemens empfangen, ferner vom Aufsichtsrat der Gesellschaft für Elektrische Hoch- und Untergrundbahnen in Berlin mit dem Staatsminister a. D. Hobrecht an der Spitze und dem Aufsichtsrat der Firma Siemens u. Halske AG mit dem Präsidenten Dr. Bödiger und dem Erbauer der Bahn, Direktor Schwieger und den Herren der Bau- und Betriebsleitung. Durch parlamentarische und andere Arbeiten war eine große Zahl der preußischen Minister

und der Staatssekretäre, auch der Reichskanzler, verhindert, an der Fahrt theilzunehmen. Sie hatten ihr Interesse an der Sache mit freundlichen Wünschen für das Werk zum Ausdruck gebracht ...
     Pünktlich um 11 Uhr verließ der erste Zug den Bahnhof, 10 Minuten später folgte der zweite. In schneller Fahrt ging es über das Gleisdreieck und das eisenbahnfiskalische Gebäude durch das durchschlitzte Haus nach der Potsdamer Straße und bis zum »Zoologischen Garten«. Obgleich noch unfertig, gewährte diese Haltestelle in der glänzenden Festbeleuchtung doch einen recht imposanten Anblick. Nach kurzem Aufenthalt, welcher der Besichtigung dieser Bahnhofsanlage gewidmet war, ging die Fahrt zurück bis zum Gleisdreieck und von dort über den Landwehrkanal ohne Aufenthalt durch die Stationen der Oststrecke bis zum Stralauer Thor. Auf der Oberbaumbrücke hielten die Züge kurze Zeit und so bot sich den Fahrgästen willkommene Gelegenheit, das prächtige Panorama der Spreelandschaft bewundern zu können. Dann rollten die Züge in schnellem Tempo zurück nach dem Gleisdreieck und hier an der Hinterfront des Kraftwerks

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hatte die Bauleitung einen »Bahnsteig« herstellen lassen, von welchem eine bequeme Treppe durch ein portalartig ausgestattetes Bogenfenster der dritten Etage hinab in den Maschinenraum führte. In diesem zu einem Festsaal umgewandelten Raume fand die Festtafel statt ... Ein knappes Stündchen blieb die Festgesellschaft zusammen. Nach eingenommenem Imbiß besichtigten viele die mächtigen Maschinen- und Kesselanlagen, die Kohlenförderung sowie die ausgestellten Abbildungen und Zeichnungen ...

Berliner Dom eingeweiht

Am 27. Februar 1905, einem Montag, wurde in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm II. der Berliner Dom eingeweiht. Die »Vossische Zeitung« berichtete darüber in ihrer Abendausgabe:
Ein sonniger Vorfrühlingstag leuchtete der Feier der Einweihung des neuen Doms und gab ihr ein doppelt schönes festlich-freudiges Gepräge. Das Innere der Predigtkirche hatte sich um zehneinhalb Uhr fast vollständig gefüllt ... Um 11 Uhr fuhr das Kaiserpaar vor, der Kaiser im grauen Paletot, den er wie die meisten Prinzen und hohen Offiziere auch im Dom nicht abgelegt, mit dem Bande des Schwarzen Adlerordens darüber; die Kaiserin im dunkelrosa Kleide mit breitem braunen Pelzboa über den Schultern, einen mit roten und weißen Rosen garnierten Hut auf dem Haar ... Mit dem prächtigen Posaunenchor aus Händels »Messias« von der Orgelempore her, auf der auch die Sänger des Domchores in ihren roten Röcken standen, begrüßt, schritt der Zug bis zur Kreuzungsstelle der Längsmit der Querachse ...
     Auf der (zum Glück nur provisorischen, aus solchem Material hergestellt, in solcher Form und Farbe wenig in diese Kirche passenden) Kanzel erschien Hofprediger Kritzinger, der die eigentliche Predigt des Tages hielt. Den Vers 16 aus dem 21. Kap. des 4. Buches Mos. hatte er zum Text gewählt, der sich vorzüglich für diesen Anlaß,

für die Einweihung eines Gotteshauses erwies, auch eines »Brunnens«, dem »Ströme des Lebens« zur Erquickung der Gemeinde der Gläubigen entquellen sollen ...
     Der neue Dom, der heute feierlich eingeweiht wurde, ist der vierte, der Berlin beschert wird. Der erste Dom hatte seine Stätte im Schloß selbst. Als der Hohenzoller Friedrich I. Eisenzahn die Selbständigkeit der Städte Berlin und Kölln gebrochen hatte, ging er daran, als fremdes antiquae libertatis, als Zügel der alten Freiheit, das Schloß zu Kölln an der Spree zu errichten. Am 31. Juli 1443 legte er den Grundstein zu dem Schloßbau. (...) Der zweite Berliner Dom stand auf dem Schloßplatze. Als der damalige Kurprinz, spätere Kurfürst Joachim II., einen Ausbau seiner Burg plante, wünschte er auch ein größeres Gotteshaus zu haben und überwies dem Domstifte, das bis dahin die Schloßkapelle inne gehabt hatte, 1536 die alte Dominikanerkirche aus dem Jahre 1297 ... Als der alte Dom auf dem Schloßplatze vier und ein halbes Jahrhundert überdauert hatte, machte seine bedrohlich gewordene Baufälligkeit den Abbruch notwendig. Friedrich der Große war es, der 1747 gleichzeitig mit dem Abbruch des alten Doms den Bau eines neuen anbefahl. So erhielt Berlin seinen dritten Dom im Lustgarten. Den Entwurf dazu fertigte aufgrund einer eigenhändigen Skizze des Königs Johann Boumann (der Ältere) an. Die Grundsteinlegung erfolgte am 8. Oktober 1747, die Einweihung am 16. September 1750. Während der dreijährigen Bauzeit fand die Domgemeinde in der Französischen Kirche auf dem Friedrichswerder ein Unterkommen ...

Der Hauptmann von Köpenick

Am 16. Oktober 1906 beschlagnahmte der arbeitslose Schuster Wilhelm Voigt in der Uniform eines preußischen Hauptmanns die Köpenicker Stadtkasse und verhaftete den Bürgermeister. Unter der Überschrift »Ein unerhörter Gaunerstreich« berichtete darüber die »Vossische Zeitung«

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am Morgen des 17. Oktober:
     Ein unerhörter Gaunerstreich, der stark an die russischen Banküberfälle erinnert und gleichzeitig wie ein lustiger Operettenstoff anmutet, hat gestern Nachmittag die Stadt Köpenick in Aufregung versetzt. Mit dem Vorortzug 2 Uhr 46 Min. trafen von Berlin 20 Mann Soldaten vom 4. und 5. Garde-Infanterie- Regt. unter Führung eines Hauptmanns, der auffälligerweise keinen Helm, sondern eine Mütze trug, ein, und wandten sich alsbald dem Rathaus zu, das sie besetzten. Vor dem Hauptportal stellte sich ein Doppelposten mit aufgepflanztem Bajonett auf, während die anderen Zugänge von einfachen Posten besetzt wurden. Bald wurde das Rathaus von jedem Verkehr mit der Außenwelt abgeschnitten, selbst die Beamten durften ihre Bureaus nicht verlassen; auch der Rathauskeller wurde für den Verkehr gesperrt und einige Gäste, die sich zufällig darin befanden, durften ihn nicht verlassen. Mitgliedern der städtischen Behörden wurde der Zutritt von den Soldaten mit der kurzen Erklärung verweigert: »Auf Befehl seiner Majestät ist das Rathaus besetzt.« (...) Bald sah man, wie der Bürgermeister mit seiner Frau und einem Schutzmann unter militärischer Bewachung einen inzwischen herbeigeholten Wagen bestieg. Auch der Hauptkassenrendant v. Wiltberg, dem man inzwischen gestattet hatte, sich von seiner Frau zu verabschieden, wurde ebenfalls unter starker Bewachung auf den Bahnhof gebracht. Beide Arrestanten wurden auf die Neue Wache in Berlin eingeliefert, wo man sie alsbald, da man hier von der ganzen Angelegenheit nichts wußte, entließ. Inzwischen hatte der angebliche Hauptmann die städtische Kasse einer gründlichen Untersuchung unterworfen und sich, wie man später feststellte, 4000 Mark angeeignet. Er ließ das Rathaus noch dreiviertel Stunden bewachen, indem er den Posten Befehl gab, daß sie bis halb sechs Wachdienst zu leisten hätten, dann würden sie abgelöst werden. Er wanderte inzwischen gemütlich nach dem Bahnhof und fuhr in Richtung Berlin ab ...
In ihrer Abendausgabe vom 17. Oktober 1906 ergänzte die »Vossische Zeitung«: Das unerhörte Ereignis, dessen Schauplatz gestern unsere Nachbarstadt Köpenick gewesen ist, beschäftigt heute alle Welt. Jeder fragt sich, wie es möglich war, daß solcher Anschlag erdacht und durchgeführt werden konnte. Allgemein aber herrscht das Gefühl der Genugtuung darüber vor, daß bei dem Gaunerstreich kein Vergehen gegen Leben und Gesundheit vorgekommen ist. Der »Räuberhauptmann« ist bisher nicht entdeckt worden ...

KaDeWe eröffnet

Am Mittwoch, dem 27. März 1907, wurde am Wittenbergplatz das Kaufhaus des Westens eröffnet. Das »Berliner Tageblatt« machte in einer ganzseitigen Anzeige darauf aufmerksam und veröffentlichte bereits am 22. März einen Vorabbericht: Das Kaufhaus des Westens, dessen Neubau sich am Wittenbergplatz erhebt, wurde heute Vormittag von einer geladenen Schar von Gästen besichtigt. Der Architekt des Hauses, Emil Schaudt, Bildhauer Professor Wrba und die bauausführende Firma Boswau und Knauer haben sich vereinigt, um ein im wahrhaften Sinne modernes Warenhaus zu schaffen. Die Front, die sich an drei Straßen hinzieht, fügt sich mit ihren ruhigen Renaissance- Formen, zu denen fränkischer Muschelkalk verwendet ist, gut in die Umgebung ein. 34 Fenster in Rundbogenform und zwei große Portale, deren eines zwei Bronzefiguren flanieren, nehmen die Front ein. Von den sechs Etagen des Hauses dienen drei dem Verkauf, im vierten befinden sich die Bureauräume, im fünften und sechsten die Lagerräume. Von der geschmackvollen, aber keineswegs überladenen Inneneinrichtung, die in den Händen der Architekten Franz Habrich, Feller und Kramer lag, fällt die große, ganz in australischem Holz getäfelte Haupthalle auf; eine mächtige Kristallkrone hängt von der Decke herab.

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Neben den geräumigen Gängen zwischen den Verkaufsständen ist als Neueinrichtung vor allem die Zentralkasse zu nennen, die hier zum ersten Mal auf dem Kontinent zur Ausführung kommt. Die 150 Kassen des Hauses sind rohrpostartig mit der Zentralkasse verbunden. Die Einteilung des Hauses ist übersichtlich. Im Zwischenstock liegt außer den Verkaufsräumen der in Rüsternholz getäfelte Erfrischungsraum und die Theaterkasse. Im ersten Stock bildet der mit poliertem Birkenholz getäfelte Teesalon im Verein mit den Putz- und Kleidersalons den Hauptanziehungspunkt für die Frauenwelt, der zweite Stock ist dem Haushalt gewidmet. An den technischen und Sicherheitseinrichtungen des Hauses haben erste Berliner und auswärtige Firmen gearbeitet.

Adlons Monumentalbau

Am Sonnabend, dem 26. Oktober 1907, wurde am Pariser Platz das Hotel Adlon eröffnet. Die »Vossische Zeitung« würdigte in ihrer Sonntagausgabe in der Reihe »Berliner Spaziergänge« ausführlich den neuen »Monumentalbau« und schrieb u. a.:
     Adlons Verdienst in der Schöpfung des Monumentalbaus, der gestern der großen Welt erschlossen wurde, ist weit höher als alle Schönredner es bisher eingeschätzt: es beruht in der glänzenden Durchführung einer nationalen Idee, in der Gewinnung des Siegerpreises für eine deutsche Hotelschöpfung, die - allen Waldorf- Astormilliardären Amerikas, allen Hoteldynastien der Schweiz, allen Ritz- Aktiengesellschaften Englands zum Trotz - für den Genius eines deutschen Gastgebers und der um ihn gescharten deutschen Kräfte des Baufachs, Kunstgewerbes und Kunsthandwerks den Triumph errungen hat ... Der Haupteingang liegt in der Mitte der Linden-Front. Von der Vorhalle betritt der Fremde die große Halle, von der aus sich der ganze gewaltige Verkehr des Hauses entwickelt. Hinten links der Eingang zu den in einem Seitenflügel gelegenen Herren- und DamenLese- und Schreibzimmern, rechts die wundervolle breite Haupttreppe mit den beiden Fahrstühlen und der Eingang zum Hotelrestaurant und weiterhin zu dem großen Banquetsaal. Durch eine sieben Meter breite Glaswand hat man von der großen Halle her freien Ausblick durch das à la carte Restaurant hindurch nach dem Brandenburger Tor. Geradeaus blickt man durch einen Blumen gezierten Wintergarten in den großen Schmuckhof.

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Im Rückflügel zwischen Wirtschaftshof und Garten liegen im Erdgeschoß die Küchenräume, die Bäckerei, die Kühlräume sowie die Kessel- und Maschinenhäuser. Alle Gebäude und alle Höfe sind unterkellert und bergen das riesige Weinlager der Firma Lorenz Adlon. Der Neubau enthält 260 Zimmer mit 322 Betten und 110 Bädern, der Erweiterungsbau, das frühere Hotel Reichshof, hat 45 Zimmer mit 69 Betten und 30 Bädern, so daß das Hotel Adlon insgesamt 306 Zimmer mit 400 Betten und 140 Bädern enthält ...

Erstes Sechstagerennen

Vom 15. bis 21. März 1909 fand in den Ausstellungshallen am Zoologischen Garten das erste Berliner Sechstagerennen auf einer 1500 Meter langen Holzbahn statt. Der „Berliner Lokal- Anzeiger« schrieb am Montag, dem 15. März:
     Heute Abend um zehn Uhr fällt der Startschuß zu dem größten radsportlichen Wettkampf, der auf dem Kontinent bisher stattgefunden hat. Die neuerrichtete Holzbahn in den Aussstellungshallen am Zoologischen Garten ist der Schauplatz dieses sportlichen Ereignisses, das die 30 besten Rennfahrer der ganzen Welt sechs Tage und sechs Nächte im Kampfe sieht ...

Ein umfangreicher Apparat und ein Heer von Beamten dienen zur Durchführung des Kampfes. Allein die Rundenzählung erfordert 100 Beamte, die sich in ihrer eintönigen Arbeit abwechseln ... Von jeder Mannschaft darf nur immer ein Fahrer am Rennen teilnehmen, jedoch darf keiner der ruhenden Fahrer das Velodrom während des Rennens verlassen. Die gegenseitige Ablösung kann nach eigenem Ermessen der Fahrer erfolgen ... Irgendwelche Abmachungen unter den einzelnen Mannschaften, die bezwecken, das Resultat des Rennens zu beeinflussen, haben Disqualifikation zur Folge ...
     Über den Abschluß des Rennens berichtete der »Berliner Lokal-Anzeiger« vom 22. März 1909: Der große Kampf, der am gestrigen Sonntagabend in Gegenwart des Kronprinzen entschieden wurde, hat, wie nach den Resultaten der letzten Tage zu erwarten gewesen war, mit einem Sieg der amerikanischen Mannschaft MacFarland - Moran geendet, der es gelang, sich den am Freitag gegen Stol-Bertel errungenen Vorsprung zu bewahren. Die Sieger legten in den sechs Tagen 3865 Kilometer 700 Meter zurück, eine Leistung, die erheblich hinter der im letzten New Yorker Sechstage- Rennen erzielten zurückbleibt ...
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Orville Wright fliegt in Tempelhof

Am 4. September 1909 führte der US-Amerikaner Orville Wright, dem 1904 zusammen mit seinem Bruder Wilbur der erste gesteuerte Motorflug gelungen war, im Rahmen einer vom »Berliner Lokal-Anzeiger« veranstalteten Flugschau auf dem Tempelhofer Feld seine Doppeldecker-Flugmaschine vor. In einem ausführlichen Bericht des »Lokal- Anzeigers« vom 5. September 1909 heißt es:
     Der große Tag, an dem zum ersten Mal in der Reichshauptstadt vor der Öffentlichkeit ein Aeroplan in langdauerndem Fluge vorgeführt wurde, ist vorüber. Orville Wright, der bekanntlich auf Veranlassung des „Berliner Lokal-Anzeigers« auf dem Tempelhofer Feld dem Berliner Publikum eine Serie von Flugvorführungen darbieten wird, hat gestern vor einer nach vielen Tausenden zählenden Menge mit seinem Drachenflieger einen länger als neunzehn Minuten dauernden Flug ausgeführt, der durchaus glücklich verlief und mit einer glatten und eleganten Landung seinen Abschluß fand ... Gegen 3/4 4 erschien Orville Wright und überprüfte die Anlage noch mal. Er ließ den Startpylon zurückschieben und von dem Fallgewicht zwei der schweren Eisenringe entfernen, da bei dem starken Wind eine geringere Gewichtsmenge vollkommen genügte. Die Startschiene war in der Richtung gegen den Bahndamm gelegt. Um 4 Uhr wurde die Halle geöffnet und der weiße Apparat auf zwei untergesetzten Rädern durch den tiefen Sand zum Startplatz gebracht. Rasch wurden dort die Räder entfernt und beiseite geschafft und der Apparat auf die Startschiene gesetzt ... Dumpf fällt das Fallgewicht zur Erde, wie aus der Pistole geschossen saust der große weiße Vogel über die Startschiene.

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Ein kurzer Ruck am Höhensteuer und schon steigt der Apparat rasch in die Luft. Wright fliegt zuerst gegen den Bahndamm, wendet sich nach links gegen Rixdorf zu und zieht dann im sicheren Fluge der Tempelhofer Chaussee zu, fliegt diese entlangt, wendet wieder und umkreist in weitem Bogen den Startplatz. Höher und höher geht der Flug, der sich anfangs etwa zehn Meter über dem Boden bewegte. Dann senkt sich der Apparat wieder, steigt abermals, um darauf wieder so nahe zum Boden zu kommen, daß man glaubt, Wright wolle landen. Er zeigt aber nur, wie gehorsam die Flugmaschine dem Höhensteuer folgt, das er öfter energisch handhaben muß, um Herr zu bleiben über die Luftwirbel, die namentlich in der südlichen Ecke des Feldes sich unangenehm bemerkbar machen. In weiten und kleinen Kreisen zieht der Apparat über das Feld, bald etwa zehn Meter, bald etwa 30 Meter über dem Boden fliegend. Die Schnelligkeit schwankt zwischen 50 und 60 Kilometer in der Stunde. Sie zeigt sich erst im Vorbeifliegen; wenn man den Apparat von vorn oder hinten oder aus größerer Entfernung sieht, wirkt die Geschwindigkeit nicht so sehr auf den Zuschauer ... Nach ungefähr 15 Minuten beschreibt Wright einen ganz kleinen Kreis um den Startplatz und segelt fast senkrecht über den Köpfen der kleinen Gruppe, die sich beim Start befindet; dann fliegt er wieder in weitem Bogen weiter. Nach 19 Minuten steuert er direkt auf den Startplatz zu. Die Flugmaschine senkt sich in sanftem Winkel zum Boden, und in dem Augenblick, da die Kufen den Boden berühren, stellt Wright den Motor ab und der Flug ist, hundert Schritte vom Platz des Aufstiegs, beendet ...

Karl Liebknecht verhaftet

Am 1. Mai 1916 wurde der Reichstagsabgeordnete Karl Liebknecht bei einer Kundgebung auf dem Potsdamer Platz, zu dem der äußerste linke Flügel der SPD aufgerufen hatte, verhaftet - noch bevor er vor der Terrasse des Café Josty eine Rede halten konnte.

Die mit ausführlichen Kriegsberichten befaßten Berliner Tageszeitungen versuchten das Ereignis herunterzuspielen. So meldete die »Vossische Zeitung« am Abend des 2. Mai lediglich:
Verhaftung von Straßendemonstranten
     Durch Handzettel sind zahlreiche Bewohner der Städtischen Vororte für gestern abend zu einer Maifeier auf dem Potsdamer Platz bestellt worden. Es fanden sich auch einige Neugierige ein, die aber nicht auf ihre Rechnung kamen. Die Ansammlung des Publikums in dieser verkehrsreichen Gegend, die durch den Unfug des Zettelverteilens veranlaßt worden war, wurde mühelos von der Polizei zerstreut. Wegen Nichtbefolgung polizeilicher Anordnung und wegen groben Unfugs sind neun Personen festgenommen worden.
     Einen Tag später ergänzte der »Berliner Lokal- Anzeiger«: Wie wir hören befand sich unter den neun Demonstranten, welche am ersten Mai auf dem Potsdamer Platz festgenommen wurden, auch der Abgeordnete Karl Liebknecht. Da Liebknecht, welcher bei seiner Festnahme Zivilkleidung trug, Armierungssoldat ist, hat der zuständige militärische Gerichtsherr die Untersuchung eingeleitet und auf Grund der bisherigen Feststellungen einen Haftbefehl gegen Liebknecht erlassen. Die Rechtsgültigkeit der Verhaftung Liebknechts wird durch die Tatsache, daß er Abgeordneter ist, nicht berührt; da Liebknecht »bei Ausführung der Tat« festgenommen wurde, besteht die Verhaftung sogar zu Recht. Die sogenannte Immunität der Abgeordneten erstreckt sich nur darauf, daß kein Abgeordneter wegen einer Abstimmung oder einer in Ausübung seines Berufes getanen Äußerung zur Verantwortung gezogen werden darf, und weiter darauf, daß die Genehmigung des Parlaments erforderlich ist, wenn ein Mitglied während der Sitzungsperiode zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden soll, sofern er nicht bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wurde ...
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Echo auf den »Roten Oktober«

Am 18. Dezember 1917 fand in Berlin eine sozialdemokratische Massenkundgebung statt, bei der auch zur russischen Revolution und zu dem vom 2. Sowjetkongreß beschlossenen »Dekret über den Frieden« Stellung genommen wurde. Die »Vossische Zeitung« berichtete darüber am nächsten Morgen: Die für den letzten Sonntag nach dem Zirkus Schumann einberufene, vom Oberkommando aber verbotene Kundgebung der Sozialdemokratischen Wahlvereine Groß-Berlins, fand gestern im Lehrervereinshaus statt. Der Andrang war außerordentlich stark. Schon eine Stunde vor Beginn der Versammlung war der Saal überfüllt. Es sprachen Reichstagsabgeordneter Schmidt über die Ernährungsfragen, Reichstagsabgeordneter Richard Fischer über die Demokratisierung Deutschlands, Reichstagsabgeordneter Pfannkuch über die Vaterlandspartei und Reichstagsabgeordneter H. Müller über den Verständigungsfrieden. Die Versammlung nahm eine Entschließung an, in der es heißt: »Die Versammlung begrüßt freudig die Errungenschaften der Arbeiter in der russischen Revolution. Sie versichert den russischen Klassengenossen ihre Solidarität und wünscht ihnen weiteren Erfolg bei ihrer schwierigen Aufgabe. Die Versammlung erwartet von der Reichsregierung, daß sie dem russischen Friedensangebot entgegenkommt, daß einen Frieden ohne Annexionen und Kontributionen auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der Völker will. Die Versammlung ist der Überzeugung, daß nur ein Frieden auf dieser Grundlage von Dauer sein kann,

während die Forderung der Alldeutschen, Vaterlandsparteiischen und sonstigen Eroberungspolitiker auf Landerwerb im Osten und Westen sowie auf große wirtschaftliche und finanzielle Entschädigungen nur den Krieg mit seinen furchtbaren Opfern und Leiden endlos verlängern und im Falle ihrer Verwirklichung die Gefahr neuer Kriege heraufbeschwören würden.
     Auf dem Gebiete der inneren Politik verlangt die Versammlung die Demokratisierung Deutschlands, insbesondere die Einführung des gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts für alle über 20 Jahre alten Männer und Frauen in Reich, Stadt und Gemeinden. Endlich erhebt die Versammlung schärfsten Protest gegen die Preistreibereien auf dem Lebensmittelmarkt, die sachlich völlig ungerechtfertigt sind. Sie gibt der großen Unzufriedenheit der Berliner Bevölkerung Ausdruck. Der minderbemittelten Bevölkerung werden größere Entbehrungen auferlegt, als bei planmäßiger Verteilung der vorhandenen Bestände notwendig wäre. Die Versammelten fordern sofortige, restlose Beschlagnahme aller verfügbaren Lebensmittelbestände und rücksichtslose Bekämpfung des gemeinschädlichen Schleichhandels. Die zugeteilte Kartoffelmenge ist zu gering, sie muß auf 10 Pfund pro Kopf und Woche erhöht werden.«

Zusammengestellt von Horst Wagner

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 4/2000
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