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Unmut, forderten die Verstaatlichung der Schätze. Der Berliner Altertumsforscher und Professor der Schönen Künste Alois Hirt sprach vor genau 200 Jahren erstmals Gedanken über die Einrichtung eines Königlichen Museums aus und legte Pläne vor, die Berliner Akademie der Künste an der Straße Unter den Linden oder das benachbarte Prinz-Heinrich-Palais (seit 1810 Universität) für diesen Zweck zu nutzen. Das Museum solle »alle rechtlichen Personen zwey Stunden lang offen sein«.

Mehr Selbstbewußtsein

In der Zeit der Franzosenherrschaft und angesichts von Kunst-Entführungen nach Frankreich schliefen die Pläne ein und wurden erst nach den Befreiungskriegen vom sichtlich selbstbewußter gewordenen Bildungsbürgertum auf die Tagesordnung gesetzt. Das erstarkte Preußen leistete sich jetzt Neubauten auf einer Insel, die bisher durch den Packhof, eine Orangerie und einen Holzmarkt besetzt war. Die hier bis 1930 erbauten Häuser verschafften dem Areal den Namen Museumsinsel. Sie entwickelte sich zur »Freistatt der Kunst und Wissenschaft«. Der preußische Staat stellte erhebliche Summen zur Verfügung, kaufte bedeutende Sammlungen an. Was Expeditionen mitbrachten, bildete den Grundstock der ärchäologischen Museen, die Berlin zum Mekka der Kunst- und Altertumsfreun-

Helmut Caspar
Freistatt von Kunst
und Wissenschaft

Berliner Museumsinsel wird in den kommenden Jahren von Grund auf saniert

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die zum Teil stark beschädigten Häuser auf der Berliner Museumsinsel, vom Neuen Museum abgesehen, wieder aufgebaut und restauriert, doch die längst fällige Generalsanierung findet jetzt erst statt. Besucher müssen sich auf Schließungen und Zwischenlösungen einstellen, und sie müssen sich daran gewöhnen, daß liebgewonnene Ausstellungsstücke an anderen Standorten gezeigt werden.
     Die Hohenzollern waren große Sammler. Der Besitz marmorner Figuren, kostbarer Gemälde und Grafiken, edelsteingeschmückter Pretiosen und Waffen, von antiken Münzen und kunsthandwerklichen Kuriositäten stärkte das Ansehen des brandenburgischen Fürstenhauses. Bis zum frühen 19. Jahrhundert befanden sich die Stücke in königlichen Schlössern und Gärten sowie in der von Friedrich dem Großen im Park von Sanssouci erbauten Galerie, doch öffentlich zugänglich waren die Kostbarkeiten kaum. Kunstfreunde sahen dies mit wachsendem

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Neues Museum, Ostfassade
de werden ließen. Vieles ging im Zweiten Weltkrieg verloren oder wird immer noch als »Beutekunst« zurückgehalten. Bis zur Wiedervereinigung war der Museumsbesitz über beide Stadthälften verteilt, die Neuordnung wurde nach 1990 in Gang gesetzt. Die Generalreparatur einzelner zum Teil schon recht altersschwacher Bauten wird sich bis ins 21. Jahrhundert hinziehen. Die Staatlichen Museen Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Berliner Denkmalschutz wollen die Museumsinsel auf die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes setzen. Gutachten sind verfaßt, Anträge gestellt.
     Die Ehrung besitzt hohe moralische Bedeutung, wird aber keine zusätzlichen finanziellen Mittel mobilisieren. Die Staatlichen Museen wissen, daß die Welt genau hinschaut, was auf der Insel geschieht und wie die Forderungen des Denkmalschutzes mit moderner Präsentation musealer Objekte, die Betreuung großer Besucherströ-
me und vor allem Funktionalität der einzelnen Häuser unter einen Hut gebracht werden.

Ertüchtigte Treppen

Auch ohne UNESCO-Adel erfreut sich die Museumsinsel größerer Fürsorge der Bundesregierung und des Landes Berlin. In den letzten Jahren sei auch von den Regierenden immer mehr erkannt worden, welches »Pfund« die Museumsinsel darstellt und wie sich mit ihm wuchern läßt, sagt Gisela Holan, die in der Generaldirektion der Staatlichen Museen für Bauplanung und Baukoordinierung zuständig ist. Ehedem in Bonn aufgetürmte bürokratische Hindernisse seien überwunden, und damit sei auch der Weg frei, Haus für Haus vollständig zu sanieren. Das Geld komme zu gleichen Teilen vom Bund und vom Land Berlin. Für 1998 sei für die »Insel« eine Bausumme von rund 60 Millionen veranschlagt. Berlins

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Neues Museum, Westfassade                     Zeichnungen: David Chipperfield
Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen will durch eine Sondermünze Geld für die Museumsinsel mobilisieren. Der Silberling wäre kurz vor dem Euro-Start eine der letzten Prägungen dieser Art.
     Am 1. Februar 1998 wird die Alte Nationalgalerie geschlossen. Saniert ist bereits die Freitreppe der Nationalgalerie mit dem restaurierten Reiterdenkmal Friedrich Wilhelms des IV. Die lange zugebauten Kolonnaden sind teilweise geöffnet. Der mit Rollrasen belegte Vorplatz erhält in den nächsten Jahren seine historische Gestalt einschließlich eines Brunnens zurück. Die kriegsbeschädigte Fassade des Musentempels wird komplett restauriert, im Inneren werden die Räume vom Dach abwärts saniert. Wände, Fußböden, Fenster, Klimatechnik, Beleuchtung, Heizung, Fahrstuhl, Sanitäranlagen und Sicherheitstechnik werden erneuert. Spezialisten »ertüchtigen« die Treppenhäuser nach modernsten bau-
und brandschutztechnischen Normen. Während des bis 2001 geplanten Umbaus der Nationalgalerie können Kunstfreunde Skulpturen des 19. Jahrhunderts in Schinkels Friedrichswerderscher Kirche betrachten, während die wichtigsten Bilder ab 14. Mai 1998 in der zweiten Etage des Alten Museums gezeigt werden.

Rückkehr der Antiken

Im Sommer 1998, wenn die Dreihundertjahrfeier der Berliner Antikensammlung begangen wird, wird das Alte Museum bereits in großen Teilen umgebaut und saniert sein. Das Hauptgeschoß der Säulenhalle wird bis Sommer 1998 für die Neuaufstellung antiker Kunstwerke umgebaut. Hier waren schon im frühen 19. Jahrhundert Zeugnisse der Griechen und Römer ausgestellt. Die ins Alte Museum überführte Antikensammlung stand bisher im Charlottenburger Stüler-

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bau, der für die Impressionisten der Sammlung Berggruen hergerichtet wurde.
     Ins Alte Museum kommen auch Stücke aus dem Pergamonmuseum, das ab dem Jahr 2000 umgebaut und saniert wird, beginnend beim Dach, das nach Befunden der Fachleute schon zur Erbauungszeit nicht wasserdicht war. Es gab Ausbesserungen in der DDR-Zeit, doch erst jetzt findet eine komplette Dachsanierung statt. Die Arbeiten im Pergamonmuseum sollen im Nordflügel beginnen, in dem anschließend die Bestände des Islamischen Museums beziehungsweise aus Dahlem zusammengeführt werden.
     Später folgen der Süd- und der Ostflügel, die während der Bauzeit ebenfalls geschlossen werden.
     Im Bodemuseum steht die Erneuerung der Fenster, verbunden mit der Sanierung der Heizung, kurz vor dem Abschluß, während der Umbau der Treppenhäuser nach neuestem Sicherheitsstandard schon läuft. Mitte 1998 wird das Bodemuseum komplett geschlossen. Für die Sanierung der Hauptachse mit der großen und der kleinen Kuppel werden zwei Jahre veranschlagt.
     Die Überwölbungen zeigen inwendig erhebliche Kriegsschäden. Dachschindeln fallen herab, weil die nach dem Krieg verwendeten Nägel durchgerostet sind. Die Gemälde werden vom Bodemuseum zum Kulturforum gebracht und mit den Dahlemern vereinigt. Im Sommer 1998 wird die neue Galerie eröffnet.
Kritische Restaurierung

Die Skulpturengalerie, die von Dahlem auf die Museumsinsel zieht, präsentiert bis zur Schließung im Bodemuseum auserwählte Stücke. Wenn das Bodemuseum wiedereröffnet wird, sollen hier unter anderem Skulpturen, auserwählte Gemälde und Zeugnisse des Kunsthandwerks gemeinsam gezeigt werden. Das Konzept geht auf Wilhelm von Bode zurück, dem ein diese Bereiche umfassendes »integriertes« Museum vorschwebte. Das Münzkabinett hofft, nach der Jahrtausendwende im Bodemuseum wieder eine ständige Ausstellung zeigen zu können.
     Für den Wiederaufbau der bereits mit großem materiellen und technischen Aufwand gesicherten Ruine des Neuen Museums sind die Würfel gefallen. Nach langem Streit, in der Berliner Öffentlichkeit auch mit viel Emotionen geführtem Streit über die Zielrichtung des Wiederaufbaus, hat sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz für die »kritische Restaurierung« des britischen Architekten David Chipperfield entschieden. Der lange von der Stiftung favorisierte Amerikaner O. Gehry war wegen radikaler Umbaupläne in die Kritik geraten. In etwa zehn Jahren wird das »Bett« für die Königin Nofretete und die anderen altägyptischen Altertümer bereitet sein, die hier seit dem vorigen Jahrhundert versammelt wurden. Besucher werden die »Insel« dann vom

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Neuen Museum aus betreten und trockenen Fußes durch Übergänge und einen Verbindungsbau das Pergamonmuseum und Schinkels Altes Museum erreichen. Damit kommt Chipperfield den Wünschen der Staatlichen Museen entgegen, eiligen Besuchern unkompliziert die Highlights unter den Berliner Altertümern zugänglich zu machen.
     Als sein Credo bezeichnet Chipperfield die Wiederherstellung des Originalgebäudes ohne oberflächliche, banale Rekonstruktion sowie die Einführung neuer Elemente, »die in feinfühliger Weise auf das bestehende Bauwerk abgestimmt sind und neue Klarheit und Ordnung schaffen«. Durch die Wiederherstellung der Form des Gebäudes und seine Verbindung zu den Erdgeschoßarkaden im Osten werde die Museumsinsel in ihrem ursprünglichen Zustand wieder aufgebaut.
     Er wolle die äußere Hülle von Stülers Museum »nach dem Originalplan« vervollständigen und das völlig zerstörte Treppenhaus in seinen Grundstrukturen wiederherstellen, jedoch durch zwei neue Zugänge besser erschließen, da größere Besuchermassen als im vorigen Jahrhundert zu berücksichtigen seien. In die Erdgeschoßzone will Chipperfield Kassen, Buchstände, einen Museumsshop und die Garderobe einfügen. In ihren Strukturen sollen auch der Griechische und Ägyptische Hof zurückgewonnen werden, jedoch ergänzt durch neue
Zugänge, Umläufe und Kommunikationsebenen. Der Brite plant zudem einen mit Kupferblech beschlagenen Übergang zum benachbarten Alten Museum, ähnlich dem, den es hier schon vor dem Krieg gegeben hat. Der Anschluß zum Pergamonmuseum soll durch einen der Umgebung vorsichtig angepaßten Neubau erreicht werden. Die etwa 1 500 von Restauratoren sichergestellten Ausstattungsstücke wie Stukkaturen, Eisenträger und Gemäldefragmente kommen wieder an die ursprüngliche Stelle.
     Allerdings wird es nicht möglich sein, die durch die Kriegszerstörung verlorengegangenen großen Wandbilder Wilhelm von Kaulbachs zu restaurieren. Hier werden sich die Museen gemeinsam mit Chipperfield nach neuem Dekor umsehen müssen. Die Außenfassade erhält ihren ursprünglichen Figurenschmuck zurück, und der jetzt fehlende »Nordwest-Quadrant« soll sich in Duktus, Material und Farbe der vorhandenen Front anpassen. Die Freifläche zum Kupfergraben erhält nach Chipperfields Planungen Bäume und wird zu einer Art Lustgarten auf der Museumsinsel umgestaltet.
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Die Museumsinsel im Überblick

Altes Museum: Von 1824 bis 1828 von Karl Friedrich Schinkel erbaut und 1830 eröffnet. Gezeigt wurden anfangs antike Plastiken, Gemälde und Grafiken, die zum großen Teil aus den königlichen Schlössern stammten. Der Säulenbau wurde 1953 bis 1966 wieder aufgebaut, innen modern, außen in originaler Gestalt. Künftig werden hier wieder antike Kunstwerke gezeigt.

Neues Museum: Von 1843 bis 1846 nach Plänen von Friedrich August Stüler erbaut, 1855 vollendet und 1856 eröffnet, 1945 schwer beschädigt, wurde das üppig dekorierte Museum hauptsächlich für ägyptische Kunst und Altertümer als Ruine gesichert. Der Wiederaufbau begann in den 80er Jahren mit Sicherungsarbeiten. Große Anstrengungen galten der Sicherung des sumpfigen Baugrundes, mit dem bereits Stüler zu kämpfen hatte. 1993 fand ein Wettbewerbsverfahren statt. Für den Wiederaufbau nach Plänen von David Chipperfield werden zehn Jahre veranschlagt.

Alte Nationalgalerie: Gegründet 1861 anläßlich einer privaten Gemäldestiftung, von Friedrich August Stüler entworfen und nach dessen Tod von 1866 bis 1876 von Johann Heinrich Strack für zeitgenössische Kunst erbaut. Das Reiterdenkmal Friedrich Wilhelms IV. auf der Freitreppe ist ein Werk von Alexander Calandrelli.

Bodemuseum: Bei seiner Einweihung im Jahre 1904 hieß es Karl-Friedrich-Museum. Erbaut von 1897 bis 1904 vom Hofarchitekten Ernst von Ihne, beherbergte der barocke Bau nach Wilhelm von Bodes Plan Kunstwerke der Renaissance sowie deutsche, niederländische und holländische Gemälde und das Münzkabinett.

Pergamonmuseum: Mit großen Unterbrechungen seit 1907 nach Plänen von Alfred Messel erbaut und von Ludwig Hoffmann nach vielen Abänderungen fertiggestellt. 1930 wurde es für die Funde aus Vorderasien und die antiken Architekturmonumente eröffnet. Ein für die Altarfragmente von Pergamon errichteter Vorgängerbau stand nur von 1899 bis 1908.

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